TE UVS Wien 1997/11/10 04/G/35/864/96

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Veröffentlicht am 10.11.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Lammer über die Berufung des Herrn Hans G, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 2. Bezirk, vom 25.9.1996, Zl MBA 2 - S 240/96, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 2 zweiter Fall GewO 1994, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung vom 27.10.1997, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.

Text

Begründung:

Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgende Tatanlastung:

"Sie haben es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der M-AG zu verantworten, daß diese die gemäß § 74 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) durch den Betrieb eines Gastgewerbes in der Betriebsart eines Buffets genehmigungspflichtige Betriebsanlage in Wien, P-straße, am 24.11.1995 um 10.00 Uhr ohne die erforderiche Genehmigung betrieben hat, als durch die Verwendung eines Pultes mit Tee- und Kaffeemaschine sowie eines Stehpultes mit vier Verabreichungsplätzen und den Ausschank von alkoholischen und nicht alkoholischen kalten Getränken eine Lärm- und Geruchsbelästigung der Nachbarn auftreten könnte."

Der Berufungswerber habe dadurch § 366 Abs 1 Z 2 zweiter Fall GewO 1994, BGBl Nr 194/1994, iVm § 370 Abs 2 GewO 1994, verletzt, weswegen über ihn gemäß § 366 Einleitungssatz GewO 1994 eine Geldstrafe von S 1.500,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und ihm ein Verfahrenskostenbeitrag von S 150,-- auferlegt wurde. Dagegen richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Begründung sowie unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht. Er habe sowohl zur Tatbestandsmäßigkeit wie zum Verschulden mit seinen Schriftsätzen vom 23.5.1996, 27.6.1996 und 10.7.1996 ein ausführliches Vorbringen erstattet, welches er ausdrücklich zum Vorbringen im Berufungsverfahren erhebe. Er habe vorgebracht, daß ein arbeitsteiliges Verfahren existiere und er sich auf Fachleute verlassen könne. Die erstinstanzliche Behörde unterlasse es aber, dieses Vorbringen im Rahmen der Feststellung des Verschuldens zu werten. Auch der Verwaltungsgerichtshof gehe davon aus, daß man sich im modernen Wirtschaftsleben auf ein arbeitsteiliges Verfahren verlassen könne. Der Berufungswerber habe beim bestehenden Kontrollsystem und den existierenden Fachabteilungen mit gutem Grund erwarten können, daß Verwaltungsvorschriften eingehalten werden. Aber auch zur Tatbestandsmäßigkeit habe er ein ausführliches Vorbringen erstattet. Festgestellt seien eine Tee- und Kaffeemaschine, auf der Melittakaffee ausgegeben werde, und vier Verabreichungsplätze. Daß eine Betriebsanlagengenehmigungspflicht daher wohl keinesfalls vom Maschinenpark ausgelöst werden könne, sei evident. Die erstinstanzliche Behörde behelfe sich mit der Feststellung, es könne eine Lärm- und Geruchsbelästigung der Nachbarn erfolgen, wofür es allerdings keinerlei Hinweis im Gesamtakt gebe. Auf der Hand liegend sei, daß nicht jede Kleinstbetriebsanlage eine Betriebsanlagengenehmigung bedürfe. Bereits in der Rechtfertigung sei etwa auf die Buffetberechtigung für Würstelstände, die des öfteren über ein Stehpult mit manchmal deutlich mehr als vier Verabreichungsplätzen verfügen würden, verwiesen worden. Die erstinstanzliche Behörde hätte daher ein Verfahren durchzuführen und Feststellungen zu treffen gehabt, warum sie im gegenständlichen Fall der Meinung sei, daß eine Lärm- und Geruchsbelästigung zu befürchten sei. Bereits in der Rechtfertigung sei mitgeteilt worden, daß um eine Betriebsanlagengenehmigung mittlerweile angesucht worden sei, um Streitigkeiten zu vermeiden und vermeidbaren Schwierigkeiten aus dem Wege zu gehen. Aus diesem Verhalten eines großen Unternehmens könne jedoch nicht geschlossen werden, daß man selbst von der Notwendigkeit der Betriebsanlagengenehmigung ausgegangen sei. Daß die erstinstanzliche Behörde dies nun gegen den gewerberechtlichen Geschäftsführer verwende, sei schlicht falsch und durch nichts im Akt gedeckt und sei auch diesbezüglich das Verfahren mangelhaft geblieben.

Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte die erstinstanzliche Behörde zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ihm am gegenständlichen Vorhalt kein Verschulden treffe. Der Berufungswerber habe ausführlich dargestellt, daß es ein funktionierendes System von Spezialisten gebe, die für Betriebsanlagenbewilligungen zuständig seien. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre das Verfahren aber schon mangels Tatbestand einzustellen gewesen. Vorgeworfen sei ihm eine Lärm- oder Geruchsbelästigung der Nachbarn, welche aber bei einem absoluten Kleinstbetrieb mit vier Stehplätzen und dem Ausschank von Melittakaffee nicht gegeben sein könne. Eine Betriebsanlagengenehmigung könne davon nicht ausgelöst werden. Am 27.10.1997 fand vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der Meldungsleger Herr L, Organwalter der Magistratsabteilung 59 - Marktamtsabteilung für den 2. Bezirk, als Zeuge einvernommen wurde. Der Berufungsvertreter verwies auf das bisherige Berufungsvorbringen und brachte ergänzend vor, daß - wenn überhaupt eine Betriebsanlagengenehmigung erforderlich gewesen wäre - der gewerberechtliche Geschäftsführer für das Handelsgewerbe, Herr Heinrich La, dafür die Verantwortung tragen würde, gegen den ein diesbezügliches Verfahren unter der Zl UVS-04/G/21/724/96 bereits abgeschlossen worden sei. Soweit der Kaffeebetrieb alleine betroffen gewesen sei, sei aber eine Betriebsanlagengenehmigung nicht notwendig und ergebe sich dies eindeutig aus der Beschreibung des Kaffeebereiches. Weiters wurde zum Vorbringen des Kontrollsystems eine eidesstättige Erklärung des Herrn Dr Reinhard D in Kopie vorgelegt.

Der Zeuge L gab an, daß er aufgrund des Bescheides des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk vom 17.11.1995, Zl MBA 2-G/G/3803/95, mit dem die Ausübung des Gastgewerbebetriebes mangels Vorliegen der erforderlichen Genehmigung der Betriebsanlage untersagt worden sei, von der Genehmigungspflicht des gegenständlichen "Kaffeeausschankes" ausgegangen sei. Das in Rede stehende Kaffeepult sei - vom Eingang ausgesehen - im hintersten Bereich des im Erdgeschoß befindlichen Verkaufsraumes entlang der linken Außenwand aufgestellt gewesen. Eine Lärm- und Geruchsbelästigung der Nachbarn durch die Verwendung des in Rede stehenden Kaffee- und Stehpultes halte er aber im konkreten Fall nicht für möglich.

Aufgrund der Aussage des Zeugen L, der in der mündlichen Verhandlung einen sehr glaubwürdigen und gewissenhaften Eindruck hinterlassen hat, in Verbindung mit seinem Erhebungsbericht vom 15.12.1995, Zl MAA 2 -M2/96/LN, sowie dem Akteninhalt des die gegenständliche Betriebsanlage betreffenden Betriebsanlagenaktes wird als erwiesen festgestellt, daß das in der Tatanlastung genannte Pult mit Tee- und Kaffeemaschine sowie das Stehpult mit vier Verabreichungsplätzen im hintersten Bereich des ca 340 m2 großen Verkaufsraumes der gegenständlichen Selbstbedienungsfiliale der M-AG, - vom Eingang aus gesehen - entlang der linken Außenwand, aufgestellt war. An diesem Pult wurden alkoholische kalte Getränke (zB Sekt 0,1 l zu S 25,--), nichtalkoholische kalte Getränke (zB Cappy 0,2 l zu S 8,--), Tee (zB Früchtetee zu S 9,--) und Kaffee (zB Melittakaffee zu S 10,--) verabreicht. Dieser ca 340 m2 Verkaufsraum, in dem überwiegend Waren im Rahmen des "Handelsgewerbes gemäß § 124 Z 11 GewO 1994, beschränkt auf den Kleinhandel" zur Selbstbedienung unter Verwendung von Einkaufswagen bereitgehalten wurden, befindet sich im Erdgeschoß eines mehrstöckigen Wohnhauses. An die linke Außenwand, entlang derer das gegenständliche Ausschankpult aufgestellt war, schließt ein öffentlicher Durchgang, an die rückwärtige, dem Eingang gegenüberliegende Wand des Verkaufsraumes schließen Kühlräume, ein Aufbereitungs- und ein Aufenthaltsraum mit Außenwand zum rückwärtigen Hof, an.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich folgendes:

Gemäß § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesbestimmung mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt. Gemäß § 74 Abs 2 GewO 1994 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1) das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl Nr 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte,

2) die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3) die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten oder die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4) die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder

5) eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung aufgrund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Einleitungssatzes dieser Gesetzesstelle ergibt, begründet bereits die (grundsätzliche) Eignung einer Betriebsanlage, die in den Z 1 bis 5 dieser Gesetzesstelle genannten Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen herbeizuführen, die Genehmigungspflicht. Ob solche Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder sonstige nachteilige Einwirkungen im konkreten Einzelfall tatsächlich von der Betriebsanlage ausgehen, ist sodann im Genehmigungsverfahren zu prüfen und, je nach dem Ergebnis dieser Prüfung - allenfalls unter Vorschreibung von Auflagen - die Genehmigung zu erteilen oder zu versagen. Bei der Beurteilung der Genehmigungspflicht einer gewerblichen Betriebsanlage kommt es somit nicht darauf an, ob von der Betriebsanlage tatsächlich im Gesetz näher bezeichnete Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder Einwirkungen ausgehen. Die Genehmigungspflicht ist vielmehr schon dann gegeben, wenn solche Auswirkungen auf bestimmte Personen im Sinne des § 74 Abs 2 Z 1 und 2 auf bestimmte Tätigkeits- oder Sachbereiche im Sinne des § 74 Abs 2 Z 3 bis 5 GewO 1994 nicht auszuschließen sind. Tatbestandselement nach § 74 Abs 2 GewO 1994 ist die mit einer gewerblichen Betriebsanlage verbundene konkrete Eignung, die in der zitierten Gesetzesstelle näher bezeichneten Auswirkungen hervorzurufen (vgl VwGH 25.2.1993, 91/04/0248).

Im vorliegenden Fall geht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien aufgrund des oben festgestellten Sachverhaltes davon aus, daß eine Genehmigungspflicht der gegenständlichen Betriebsanlage im Hinblick auf die dem Berufungswerber angelastete Lärm- und Geruchsbelästigung der Nachbarn durch die Verwendung eines Pultes mit Tee- und Kaffeemaschine, eines Stehpultes mit vier Verabreichungsplätzen und durch den Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen kalten Getränken nicht gegeben ist. Aufgrund der örtlichen Situierung (das in Rede stehende Ausschankpult und Stehpult befindet sich im hintersten Bereich des ca 340 m2 großen Verkaufsraumes des gegenständlichen Selbstbedienungsladens, entlang der linken Außenwand, an die ein öffentlicher Durchgang anschließt; zwischen dem Verkaufsraum und dem rückwärtigen Hof befinden sich Kühlräume, ein Aufbereitungs- und ein Aufenthaltsraum) sowie des bloß geringfügigen Umfanges der gastgewerblichen Tätigkeit (zur Verabreichung der angeführten Getränke stand lediglich ein Stehpult mit vier Verabreichungsplätzen zur Verfügung), der im Verhältnis zum in der gegenständlichen Betriebsanlage ausgeübten Handelsgewerbe zudem eine bloß untergeordnete Bedeutung zukommt, erscheint das Auftreten einer Lärm- und Geruchsbelästigung der Nachbarn nicht möglich und sind solche Auswirkungen im vorliegenden Fall gerade zu auszuschließen. In diesem Zusammenhang ist aber auch auf den Akteninhalt des gegenständlichen Betriebsanlagenaktes zu verweisen, dem zu entnehmen ist, daß die Genehmigungspflicht der gegenständlichen Betriebsanlage im wesentlichen im Hinblick auf die durch Kompressoren der Kühlmaschinen, der Aufzugsanlage sowie Manipulationen im Lagerbereich herrührende Schallimmissionen, die insbesondere nachts zu Lärmbelästigungen geführt haben, nicht aber im Hinblick auf Lärm- und Geruchsbelästigungen der Nachbarn durch die Verwendung des in Rede stehenden Ausschank- und Stehpultes sowie den oben angeführten Getränkeausschank, als gegeben angenommen worden ist, was auch in der mittlerweile mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 2. Bezirk vom 23.1.1997, Zl MBA 2-Ba 11456/96, erteilten Betriebsanlagengenehmigung dadurch, daß in dieser auf den planmäßig als "Kaffeeausschank" ausgewiesenen Bereich gar nicht näher eingegangen worden ist, zum Ausdruck kommt.

Da eine Genehmigungspflicht der gegenständlichen Betriebsanlage im Hinblick auf eine Geruchs- und Lärmbelästigung der Nachbarn durch die Verwendung des in Rede stehenden Ausschank- und Stehpultes sowie durch den Ausschank von alkoholischen und nichtalkoholischen kalten Getränken nicht gegeben war, war das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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