TE UVS Wien 1997/11/11 07/L/36/189/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.1997
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Thomas S, vertreten durch RA-Partnerschaft, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, vom 20.2.1997, Zl MBA 4/5-S 237/96, betreffend Übertretung der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung in der Schuldfrage keine Folge gegeben und das angefochtene Straferkenntnis insoweit mit der Maßgabe bestätigt, daß in der Tatumschreibung nach dem Wort "Lebensmittel" folgender Klammerausdruck eingefügt wird: (das - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt war). Ferner hat es im zweiten Absatz richtig "§ 4 Z 5 LMKV 1993" und nicht " 4 Z 5 LMG 1975" zu lauten.

Die verletzten Verwaltungsvorschriften lauten: "§ 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 in Verbindung mit § 1 und § 4 Z 5 LMKV 1993."

In der Straffrage wird der Berufung insofern Folge gegeben, als die Geldstrafe von S 2.000,-- auf S 700,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen auf 20 Stunden herabgesetzt wird. Dementsprechend verringert sich der erstinstanzliche Kostenbeitrag gemäß § 64 Abs 2 VStG von S 200,-- auf S 70,--. Der Ausspruch über den Ersatz der Barauslagen gemäß § 64 Abs 3 VStG hat zu entfallen. Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung:

Nach Lage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 4./5. Bezirk, als Strafbehörde erster Instanz das nunmehr vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien angefochtene Straferkenntnis vom 20.2.1997, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Sie sind als handelsrechtlicher Geschäftsführer der E-GesmbH dafür verantwortlich, daß diese Gesellschaft am 04.05.1995 um 10:15 Uhr in Wien, N-markt das verpackte Lebensmittel "Bauernleberpastete" zum Verkauf an den Letztverbraucher angeboten und somit in Verkehr gesetzt, das insofern nicht den Vorschriften der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprechend gekennzeichnet war, als folgende Kennzeichnungselemente fehlten:

Der Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält (Mindesthaltbarkeitsdatum) im Sinne des § 4 Z 5 LMG 1975.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

§ 74 Abs 5 Z 1 im Zusammenhalt mit § 77 Abs 1 Z 19 Lebensmittelgesetz 1975, BGBl Nr 86/1975 in Verbindung mit §§ 1 und 4 Z 5 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1993, BGBl Nr 72/1993.

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von Schilling 2.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 2 Tagen, gemäß § 74 Abs 5 Z 1 LMG 1975. Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:

200,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe und 313,-- Schilling als Ersatz der Barauslagen für amtliche Untersuchungskosten.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher 2.513,-- Schilling.

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."

In seiner gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung brachte der Berufungswerber (Bw) vor, wesentliches Tatbestandselement sei, daß die Ware "ohne weitere Verarbeitung für den Letztverbraucher bestimmt" sei. Im vorliegenden Fall fehle eine Tatanlastung hinsichtlich des Tatbestandselementes "ohne weitere Verarbeitung". Der oben aufgezeigte Mangel sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr sanierbar, weshalb Mangelhaftigkeit des Verfahrens vorliege. In diesem Zusammenhang werde auf die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12.3.1997, Zl UVS-07/L/25/00038/96, verwiesen, wobei es sich um den identen Problemkreis handle (eine Kopie der vom Bw erwähnten Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien lag der Berufung bei). Aufgrund dieser Ausführungen glaube er, daß die Erstbehörde bereits im Rahmen einer Berufungsvorentscheidung das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen könne. Sollte sich die Behörde zu dieser Vorgangsweise nicht entschließen können, so stelle er den Antrag, die Berufungsbehörde wolle 1.) eine mündliche Berufungsverhandlung anberaumen und 2.) in Stattgebung seiner Berufung, allenfalls nach Ergänzung des Ermittlungsverfahrens, das angefochtene Straferkenntnis beheben und das gegen ihn eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einstellen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 23.5.1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der Dr K als Vertreter des Bw teilnahm. Das Vorbringen des Vertreters des Bw (BwV) in der mündlichen Verhandlung erschöpfte sich darin, anzugeben, daß die gegenständliche Firma aufgelöst werde. Im übrigen verwies er auf das schriftliche Vorbringen. Die anwesende Partei verzichtete auf die mündliche Verkündung des Berufungsbescheides.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Nach § 1 Abs 1 LMKV 1993 ist diese Verordnung auf alle verpackten Waren gemäß den §§ 2 und 3 LMG 1975 (Lebensmittel und Verzehrprodukte) - ausgenommen Kakao- und Schokoladeerzeugnisse und Waren, die dem Weingesetz 1985 in der geltenden Fassung unterliegen -, die - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt sind, anzuwenden; dem Letztverbraucher sind Einrichtungen der Gemeinschaftsversorgung gleichzustellen. Gemäß § 4 LMKV 1993 sind verpackte Waren wie folgt zu kennzeichnen, sofern die §§ 5 bis 7 nicht anderes bestimmen:

...

...

5. der Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält (Mindesthaltbarkeitsdatum) mit den Worten:

"mindestens haltbar bis ...", wenn der Tag genannt wird; "mindestens haltbar bis Ende ...", wenn nur Monat oder Jahr genannt werden, bestimmt nach

a)

Tag und Monat, wenn deren Haltbarkeit weniger als drei Monate,

b)

Monat und Jahr, wenn deren Haltbarkeit zwischen drei und 18 Monaten und

 c) dem Jahr, wenn deren Haltbarkeit mehr als 18 Monate beträgt;

in Verbindung mit der Angabe "mindestens haltbar ..." ist entweder das Datum selbst oder die Stelle, an der es in der Etikettierung angegeben ist, einzusetzen;

...

Gemäß § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 macht sich, wer den Bestimmungen einer auf Grund der §§ 15 Abs 7 oder 8 lit a oder b, 19 oder 31 Abs 1 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 25.000,-- S zu bestrafen.

Der Bw hält seine Bestrafung für rechtswidrig, weil eine Tatanlastung  hinsichtlich des Tatbestandselementes "ohne weitere Verarbeitung" (gemeint wohl: innerhalb der einjährigen Verjährungsfrist des § 74 Abs 6 LMG 1975) fehle; dieser Mangel sei nicht mehr sanierbar.

Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, der Berufung zum Erfolg zu verhelfen.

Im Zuge einer lebensmittelpolizeilichen Kontrolle wurde am 4.5.1995 in einem Verkaufsstand am N-markt (aus der Kühlvitrine) als Probenmenge eine Bauernleberpastete entnommen und einer Untersuchung durch die Lebensmitteluntersuchungsanstalt unterzogen. Im Probenbegleitschreiben ist noch festgehalten worden, der anwesende Angestellte (Herr F) habe angegeben, daß die Ware in der vorliegenden Aufmachung im Einzelhandel zum Preis von S 550,-- pro Kilo verkauft werde.

Die Lebensmitteluntersuchungsanstalt stellte in ihrem Gutachten dann fest, daß bei der vorliegenden als "Bauernleberpastete" bezeichneten Probe das Mindesthaltbarkeitsdatum im Sinne des § 4 Z 5 LMKV 1993 fehle.

Die Erstbehörde richtete an den Bw eine mit 9.1.1996 datierte, ihm am 15.1.1996 zugestellte Aufforderung zur Rechtfertigung, deren Wortlaut mit jenem des in der Folge ergangenen Straferkenntnisses übereinstimmt. Am 29.1.1996 erschien eine Mitarbeiterin der den Bw vertretenden Rechtsanwaltskanzlei bei der Erstbehörde und nahm Akteneinsicht. In seiner Stellungnahme vom 12.2.1996 brachte der Bw ua vor, bei der Bauernleberpastete werde auf der Vorderseite ein Schmucketikett angebracht, das alle erforderlichen Kennzeichnungselemente bis auf das Mindesthaltbarkeitsdatum enthalte. Darüber hinaus erfolge mit einem Zusatzetikett die Kennzeichnung des Mindesthaltbarkeitsdatums. Er selbst, aber auch seine Mitarbeiter, kontrollierten die entsprechende Etikettierung der Packungen. Bei den durchgeführten Überprüfungen sei jedoch nicht auffällig geworden, daß auf der als Probe gezogenen Packung das Etikett mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum fehle. Einzig mögliche Erklärung sei, daß durch Fett bzw Feuchtigkeit sich dieses Etikett von der Packung gelöst habe. Er glaube, daß ihm ein subjektives Fehlverhalten nicht zur Last gelegt werden könne. Auch glaube er, daß alle Voraussetzungen für eine Maßnahme im Sinne des § 21 VStG vorlägen.

Am 25.11.1996 und am 21.2.1997 wurde Herr Ali F bei der Erstbehörde als Zeuge einvernommen. Dabei gab er ua an, die Ware sei täglich von ihm kontrolliert worden (bezugnehmend auf das Mindesthaltbarkeitsdatum). Der Bw habe ihn zu dieser Kontrolle beauftragt. Der Bw habe auch die Durchführung seiner Anweisungen überwacht.

Unter dem Datum des 20.2.1997 erließ die erstinstanzliche Behörde daraufhin gegen den Bw das angefochtene Straferkenntnis. Gemäß § 44a VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, zu enthalten:

1.

die als erwiesen angenommene Tat;

2.

die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist;

3.

die verhängte Strafe und die angewendete Gesetzesbestimmung;

4.

den etwaigen Ausspruch über privatrechtliche Ansprüche;

5.

im Fall eines Straferkenntnisses die Entscheidung über die Kosten.

Gemäß § 74 Abs 6 LMG 1975 ist die Verfolgung einer Person wegen einer der in den Abs 1 bis 5 angeführten Verwaltungsübertretungen unzulässig, wenn gegen sie binnen Jahresfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen wurde. Es kommt daher in einem Fall wie dem vorliegenden nicht die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 31 Abs 2 VStG, sondern die einjährige Verjährungsfrist des § 74 Abs 6 LMG 1975 zur Anwendung. Die Bestrafung des Bw wäre demnach unzulässig, wenn innerhalb dieser Frist eine Verfolgungshandlung iSd § 32 Abs 2 VStG gegen den Bw nicht vorgenommen worden wäre.

Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist unter einer Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl) zu verstehen, und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat. Bei dieser Beschreibung der für eine Verfolgungshandlung wesentlichen Kriterien wird auf eine bestimmte Person als Beschuldigten abgestellt, dem eine konkrete strafbare Handlung oder Unterlassung angelastet wird. Die Verfolgungshandlung muß sich daher auf eine bestimmte Person als Beschuldigten, auf eine bestimmte Tatzeit, den ausreichend konkretisierten Tatort und sämtliche Tatbestandselemente der durch die Tat verletzten Verwaltungsvorschrift iSd § 44a Z 2 VStG beziehen. Dabei ist die Rechtsprechung zu § 44a VStG zu beachten, wonach die Tat so eindeutig umschrieben sein muß, daß kein Zweifel besteht, wofür der Täter zur Verantwortung gezogen wird. Dies ist dann der Fall, wenn die Tat dem Beschuldigten in so konkreter Umschreibung vorgeworfen wird, daß er in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Beschuldigte rechtlich davor geschützt ist, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl das Erkenntnis des VwGH v 24.6.1996, Zl 95/10/0144).

Dem Probenbegleitschreiben ist ua zu entnehmen, daß das beanstandete Lebensmittel in einer Kühlvitrine (in einem Verkaufsstand beim N-markt) aufgefunden wurde. Es kann daher (auch) in Ansehung des Tatbestandsmerkmales des Inverkehrbringens (vgl hiezu § 1 Abs 2 LMG 1975) vernünftigerweise kein Zweifel daran bestehen, für welche Tat der Bw zur Verantwortung gezogen werden soll. Auch sei bemerkt, daß einer Mitarbeiterin der Rechtsanwaltskanzlei des Bw am 29.1.1996 Einsicht in den gesamten Verwaltungsstrafakt gewährt wurde. Bereits mit Schreiben vom 9.1.1996 hatte die Erstbehörde den Bw zur Rechtfertigung zum Vorwurf der Übertretung der LMKV 1993 aufgefordert, wobei die Tat wortgleich wie in dem in der Folge ergangenen Straferkenntnis umschrieben worden war. Entgegen der Auffassung des Bw bezieht sich der Vorwurf, "... in Wien, N-markt das verpackte Lebensmittel Bauernleberpastete zum Verkauf an den Letztverbraucher angeboten und somit in Verkehr gesetzt" zu haben, auch auf das den Tatbestandselementen "verpackte Waren, die - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt sind" (§ 1 Abs 1 LMKV 1993) korrespondierende Sachverhaltsmoment (vgl zum Ganzen insb das Erkenntnis des VwGH vom 8.7.1987, Zl 86/10/0060). Im übrigen sei bemerkt, daß der Bw im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht einmal behauptet hat, daß die hier relevante Ware nicht - ohne weitere Verarbeitung - für den Letztverbraucher bestimmt gewesen sei. Auch ließ der Bw unbestritten, daß das verpackte Lebensmittel "Bauernleberpastete" zum Tatzeitpunkt in dem näher erwähnten Verkaufsstand am N-markt zum Verkauf angeboten wurde, wobei das Mindesthaltbarkeitsdatum iSd § 4 Z 5 LMKV 1993 gefehlt hat. Es war daher von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes der dem Bw zur Last gelegten Tat auszugehen.

Zum Tatbestand der dem Bw zur Last gelegten Verwaltungsübertretung gehört weder der Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr. Es handelt sich somit um ein Ungehorsamsdelikt iSd § 5 Abs 1 VStG. Bei diesen Delikten besteht nach § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG die Rechtsvermutung für das Verschulden (in Form fahrlässigen Verhaltens) des Täters. Bestreitet er dieses, so hat er nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes initiativ alles darzutun, was für seine Entlastung spricht, insbesondere, daß er solche Maßnahmen getroffen habe, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen mit Grund die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften erwarten ließen (vgl dazu das Erk des VwGH v 6.5.1996, Zl 94/10/0116).

Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters wiederholt zum Ausdruck gebracht, daß die im heutigen Wirtschaftsleben notwendige Arbeitsteilung es nicht zuläßt, daß sich der Unternehmer (Arbeitgeber, strafrechtlich Verantwortliche) aller Belange und Angelegenheiten persönlich annimmt; es muß ihm vielmehr zugebilligt werden, die Besorgung einzelner Angelegenheiten anderen Personen selbstverantwortlich zu überlassen und die eigene Tätigkeit in diesen Belangen auf mögliche und zumutbare Maßnahmen zu beschränken, die unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten lassen. Es wäre somit Sache des Bw gewesen, der Behörde von sich aus darzulegen, welches für den vorliegenden Betrieb (Marktstand) entsprechend wirksame Kontrollsystem er eingerichtet habe, von dem mit gutem Grund erwartet werden konnte, daß es die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Vorschriften gewährleisten werde (zu den Anforderungen an die Glaubhaftmachung eines adäquaten Kontrollsystems vgl zB das Erkenntnis des VwGH v 16.11.1993, Zl 93/07/0022). Davon ausgehend reichen die Hinweise des Bw (in seiner Stellungnahme vom 12.2.1996; in seiner Berufung brachte der Bw zur Frage des Verschuldens überhaupt nichts mehr vor) keineswegs aus, ihn zu entlasten, hat er doch damit nicht einmal behauptet, ein entsprechend wirksames Kontrollsystem im Sinne der oben dargelegten Anforderungen eingerichtet zu haben. Die wirksame Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten (etwa des Herrn F) iSd § 9 Abs 2 und 4 VStG ist vom Bw auch nicht behauptet worden.

Da es dem Bw somit nicht gelungen ist, den Mangel seines Verschuldens an der gegenständlichen Übertretung der LMKV 1993 glaubhaft zu machen, konnte gemäß § 5 Abs 1 zweiter Satz VStG ohne weiteres Fahrlässigkeit angenommen werden.

Aufgrund dieser Erwägungen war der Berufung in der Schuldfrage somit keine Folge zu geben und das angefochtene Straferkenntnis insoweit zu bestätigen.

Die Änderung des Spruches erfolgte lediglich zur näheren Präzisierung der dem Bw zur Last gelegten Tat, der verletzten Rechtsvorschrift und der Strafnorm.

Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40-46 VStG) überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches (StGB) sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Tat schädigte in nicht unerheblichem Maße das Interesse der Konsumenten an einer ausreichenden Information über die Ware, die sie zu ihrem eigenen Gebrauch oder Verzehr erwerben. Es sind keine Umstände hervorgekommen, wonach der objektive Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung hinter jenem an sich mit einer derartigen Übertretung verbundenen Unrechtsgehalt wesentlich zurückgeblieben oder über diesen wesentlich hinausgegangen wäre. Das Verschulden des Bw konnte nicht als gering eingestuft werden, da weder hervorgekommen ist, noch aufgrund der Tatumstände anzunehmen war, daß die Einhaltung der Vorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte oder daß die Verwirklichung des Tatbestandes aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Wie schon oben näher ausgeführt worden ist, konnte nicht davon ausgegangen werden, daß der Bw in seinem Unternehmen ein ausreichend funktionierendes Kontrollsystem bezüglich der Einhaltung der LMKV 1993 eingerichtet hat. In den Fällen, in denen ein geeignetes Maßnahmen- und Kontrollsystem (hier: zur Verhinderung von Übertretungen der LMKV 1993) nicht eingerichtet wurde, kann von einem geringfügigen Verschulden (iSd § 21 Abs 1 VStG) nicht mehr gesprochen werden (vgl das Erk des VwGH v 24.3.1994, Zl 92/18/0461).

Als erschwerend wurde kein Umstand gewertet, als mildernd wurde berücksichtigt, daß der Bw zum Tatzeitpunkt (noch) verwaltungsstrafrechtlich unbescholten war. Diese Unbescholtenheit wäre nämlich nur dann zu verneinen, wenn eine (rechtskräftige) Verurteilung wegen einer Verwaltungsübertretung zum Zeitpunkt der Begehung der (gegenständlichen) Übertretung der LMKV 1993 vorgelegen wäre (vgl das Erk des VwGH v 3.12.1992, Zl 91/19/0169); dies ist aber nach der Aktenlage (AS 10, 13, 20) nicht der Fall gewesen.

Hinsichtlich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse ging der Unabhängige Verwaltungssenat Wien von den Angaben des Vertreters des Bw aus (Einkommen von ca S 15.000,-- netto monatlich, kein Vermögen, sorgepflichtig für Gattin und 1 Kind). Als übertretene Norm wird im erstinstanzlichen Straferkenntnis § 74 Abs 5 Z 1 iZm § 77 Abs 1 Z 19 LMG 1975 iVm §§ 1 und 4 Z 5 der LMKV 1993 angeführt. Auch die verhängte Strafe wurde von der Erstbehörde auf § 74 Abs 5 Z 1 LMG 1975 gestützt.

Nach § 74 Abs 5 Z 1 LMG 1975 begeht eine Verwaltungsübertretung, wer den Bestimmungen der im § 77 Abs 1 Z 1, 3, 4 bis 16 oder 18 bis 31 angeführten Rechtsvorschriften zuwiderhandelt. Zu den in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Vorschriften gehört auch die LMKV 1973.

Im vorliegenden Fall war aber nicht mehr die LMKV 1973 anzuwenden - und wurde auch nicht angewandt -, sondern die LMKV 1993. Zuwiderhandlungen gegen diese Norm sind aber nicht durch § 74 Abs 5 Z 1, sondern durch § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 unter Strafe gestellt. Im Spruch wurden daher die verletzte Rechtsvorschrift und die Strafnorm richtiggestellt (vgl dazu das Erk des VwGH v 30.6.1997, Zl 97/10/0045).

Unter Bedachtnahme auf diese Strafzumessungsgründe und den bis S 25.000,-- reichenden gesetzlichen Strafrahmen ist die nunmehr verhängte Geldstrafe von S 700,-- durchaus angemessen und keineswegs zu hoch. Eine Strafe in diesem Ausmaß erscheint ausreichend, um den Bw künftig von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 64 und 65 VStG. Dem Bw wurde auch ein Betrag von S 313,-- als Ersatz der Barauslagen für amtliche Untersuchungskosten vorgeschrieben. Das hier relevante amtliche Untersuchungszeugnis der Lebensmitteluntersuchungsanstalt (U-Zahl: 4187/95A) enthält neben einer Beschreibung der Warenprobe folgendes Gutachten:

"Bei der vorliegenden als "Bauernleberpastete" bezeichneten Probe handelt es sich um eine verpackte Ware, die den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung vom 29. Jänner 1993, BGBl Nr 72/93 in der derzeit gültigen Fassung unterliegt.

Folgendes Kennzeichnungselement gemäß LMKV 1993 fehlt:

-

Der Zeitpunkt, bis zu dem die Ware ihre spezifischen Eigenschaften behält (Mindesthaltbarkeitsdatum), im Sinne des § 4, Z 5.

Ein konkreter Vorschlag zur Angabe der dem gegenständlichen Produkt angemessenen Mindesthaltbarkeit kann von der untersuchenden Stelle nicht erstellt werden. Wegen unterschiedlicher Produktionsbedingungen ist das Mindesthaltbarkeitsdatum vom Hersteller in Eigentverantwortlichkeit auf Grund von Erfahrungswerten oder Lagerversuchen zu ermitteln. In Abhängigkeit eines solcherart ermittelten Mindesthaltbarkeitsdatums hätte die Deklaration wie folgt zu lauten:

"mindestens haltbar bis ....." unter Angabe von Tag und Monat, wenn die Haltbarkeit der gegenständlichen Ware weniger als drei Monate beträgt; in diesem Fall kann die Angabe der Charge (Los) entfallen. Im Zusammenhang mit der Bezeichnung "mindestens haltbar bis ....." ist das Datum selbst oder die Stelle auf der Verpackung, an der das Datum angegben ist, anzuführen."

Gemäß § 64 Abs 3 VStG ist für den Fall, daß im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens Barauslagen erwachsen sind (§ 76 AVG) dem Bestraften der Ersatz dieser Auslagen aufzuerlegen, sofern sie nicht durch Verschulden einer anderen Person verursacht sind. Gemäß § 35 Abs 2 LMG 1975 hat sich der Landeshauptmann zur Erfüllung seiner Aufgaben besonders geschulter Organe als Aufsichtsorgane zu bedienen. Konkret ist nun dem hier relevanten Gutachten lediglich zu entnehmen, daß auf der als "Bauernleberpastete" bezeichneten Probe die Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums gefehlt hat. Die einwandfreie Feststellung des Umstandes, daß auf dem hier kontrollierten Lebensmittel das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht vorhanden war, muß einem geschulten Aufsichtsorgan auch zugemutet werden (vgl das Erk des VwGH v 29.3.1995, Zl 90/10/0147).

Nach ha Auffassung war die gegenständliche Untersuchung durch die Lebensmitteluntersuchungsanstalt zur Feststellung der dem Bw zur Last gelegten Übertretung des § 4 Z 5 LMKV 1993 nicht erforderlich, sodaß dem Bw die Kosten dieses Gutachtens auch nicht aufzuerlegen sind (vgl zum Ganzen auch das Erk des VwGH v 16.6.1986, Zl 86/10/0024).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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