Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn Jakob M, gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Graz, Rechtsamt, vom 15.1.1997, GZ.: A3-K-St 439/1996-1, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe Ende August/Anfang September 1996 am Zentralfriedhof in Graz die 1982 beigesetzte Leiche des Herrn Heinrich H aus dem Grab 32 A 841 enterdigt und in die Gruft 13 A 214 umgebettet, ohne
1. die hiefür notwendige Bewilligung der Gemeinde gehabt zu haben und
2. hiefür befugt gewesen zu sein, da Enterdigungen nur von befugten Leichenbestattungsunternehmen durchgeführt werden dürfen.
Er habe dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
zu 1. § 41 Abs 1 Z 15 iVm. § 28 Abs 1
zu 2. § 41 Abs 1 Z 16 iVm. § 29 Abs 1
je Steiermärkisches Leichenbestattungsgesetz 1992, LGBl. Nr. 45/1992 i.d.g.F.
Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn zu Punkt 1. eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (im UEF 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) auf der Rechtsgrundlage des § 41 Abs 1 Z 15 Stmk. Leichenbestattungsgesetz und zu 2. eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (im Falle deren Uneinbringlichkeit 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) auf der Rechtsgrundlage des § 41 Abs 1 Z 16 des Stmk. Leichenbestattungsgesetzes verhängt.
Ferner wurden gemäß § 64 VStG S 700,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens vorgeschrieben.
Begründet wurde das Straferkenntnis im wesentlichen damit, daß die dem Beschuldigten zur Last gelegten Tathandlungen aufgrund des Geständnisses des Beschuldigten und der Zeugenaussage der Frau Josefa H festgestellt und erwiesen wären. Da weder ein Schuld- noch Strafausschließungsgrund vorgelegen wäre, sei wie im Spruch zu entscheiden gewesen.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben, in der unter anderem ausgeführt wurde, daß die dem Berufungswerber angelasteten Arbeiten im Falle einer Beauftragung der Grazer Stadtwerke ja auch nicht seitens der Bestattung, sondern wiederum von ihm in seiner Funktion als Totengräber durchzuführen gewesen wären, dies vielleicht im Beisein eines Vertreters des Bestattungsunternehmens.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung konnte unter Hinweis auf § 51 e Abs 1 VStG abgesehen werden.
Im konkreten Fall ist unter besonderem Hinweis auf die, ausschließlich Sache des Berufungsverfahrens im Sinne des § 66 Abs 4 AVG bildende, dem Berufungswerber angelastete Verwaltungsübertretung des Stmk. Leichenbestattungsgesetzes 1992, LGBl. Nr. 45/1992 i.d.g.F., darauf hinzuweisen, daß die als verletzte Verwaltungsvorschriften zitierten §§ 28 und 29 bezogen auf die als erwiesen angenommenen Taten, vor allem aber ihrer spezifischen Regelungsinhalte systemimmanent als unabdingbar zusammengehörend anzusehen sind, somit aber auch eine jedenfalls zu berücksichtigende besondere Wechselwirkung zueinander aufweisen.
Während im § 28 Abs 1 leg cit (Punkt 1. der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung) normiert wird, daß die Enterdigung einer bereits beigesetzten Leiche zum Zweck der Umbettung oder Überführung einer Bewilligung der für den Friedhof zuständigen Gemeinde bedarf, normiert § 29 Abs 1 leg cit (Punkt 2. der dem Berufungswerber angelasteten Verwaltungsübertretung), daß Enterdigungen nur von befugten Leichenbestattungsunternehmen vorgenommen werden dürfen.
Daraus folgt aber rechtslogisch im Sinne der obigen Ausführungen, daß eine Bewilligung im Sinne des § 28 Abs 1 leg cit ausschließlich nur einem befugten Leichenbestattungsunternehmen erteilt werden kann und darf und niemals einer anderen Person oder Einrichtung, unabhängig davon, ob diese als Totengräber, Friedhofsverwalter und dergleichen fungiert oder bezeichnet wird. Unerheblich dabei muß auch bleiben, ob Enterdigungsarbeiten in weiterer Folge, also nach Vorlage bzw. Erteilung einer nach dem Gesetz erforderlichen Bewilligung der Gemeinde in Form eines Werkvertrages oder wie auch sonst immer möglich oder auch normalerweise de facto von dem für einen Friedhof zuständigen Totengräber durchgeführt werden. Wie dem vorliegenden Verfahrensakt der Strafbehörde I. Instanz unzweifelhaft zu entnehmen ist, besitzt der Berufungswerber keine Gewerbeberechtigung für das gebundene Gewerbe der Bestatter im Sinne des § 124 Z 3 GewO 1994. Dies bedeutet, daß er in seiner Funktion als Friedhofsverwalter und/oder Totengräber keinesfalls Normadressat einer Bewilligung im Sinne des § 28 Abs 1 des Stmk. Leichenbestattungsgesetzes 1992 sein konnte. So wird ihm aber gerade in Punkt 1. des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vorgeworfen, die Enterdigung und Umbettung "ohne im Besitz der hiefür notwendigen Bewilligung der Gemeinde gewesen zu sein" durchgeführt zu haben. Eine solche Bewilligung kann aber, worauf bereits hingewiesen wurde, nur über Antrag eines befugten Leichenbestattungsunternehmens und nur diesem erteilt werden, würde nicht die Regelung des § 29 Abs 1 leg cit ihres Sinngehalts verlustiggehen.
Aus der Sicht der erkennenden Behörde wäre somit angesichts der durchaus, auch durch das Ermittlungsverfahren der belangten Behörde objektivierten Sachverhaltsfeststellungen, die vom Berufungswerber grundsätzlich ohnehin zugegeben wurden, gegen diesen allenfalls ein Verwaltungsstrafverfahren wegen unbefugter Gewerbeausübung einzuleiten gewesen.
Es ergibt sich daher, daß eine Verwaltungsübertretung nach dem Stmk. Leichenbestattungsgesetz nur dann vorliegt, wenn der nunmehrige Berufungswerber keine gewerblichen Tätigkeiten im Sinne des § 1 Abs 2 GewO 1994 durchgeführt hat.
Aus den objektiven Unterlagen im Verfahrensakt der belangten Behörde ergeben sich durchaus Hinweise für das Vorliegen einer gewerblichen Tätigkeit. So wurde über die Auftraggeberin eine Rechnung in Vorlage gebracht, aus der sich ergibt, daß der Berufungswerber für die durchgeführten Arbeiten S 30.000,-- in Rechnung gestellt hat. Neben der damit dokumentierten Gewinnerzielungsabsicht spricht vor allem der im eigenen Namen ausgestellte Rechnungsbeleg für eine Selbständigkeit der Tätigkeit im Sinne der zitierten gesetzlichen Bestimmung (vgl. VwGH 2.3.1977, 1880/76, Slg. 9263 u.a.).
Schließlich kann der Rechtfertigung des Berufungswerbers entnommen werden, daß diesem, wenn nicht schon zuvor desöfteren geschehen, durchaus attestiert werden muß, daß er diese zur verwaltungsstrafrechtlichen Beurteilung gelangte einmalige Handlung in der Zukunft, einen entsprechenden Auftrag vorausgesetzt, wiederholt hätte, weshalb auch das für das Vorliegen einer gewerbsmäßigen Tätigkeit erforderliche Kriterium der Regelmäßigkeit der Tätigkeit unter ausdrücklichen Verweis auf § 1 Abs 4 GewO 1994 vorliegt bzw. erfüllt ist.
Als Schlußfolgerung dieser Feststellungen ergibt sich daher aus der Sicht der erkennenden Behörde, daß es sich bei der dem Berufungswerber zu Punkt 2) des angefochtenen Bescheides angeführten und angelasteten Tätigkeit um die gewerbsmäßige Durchführung einer Enterdigung gehandelt hat.
Der Aktenlage nach führte der Berufungswerber nämlich genau jene Tätigkeiten aus, die dem § 130 Abs 1 Z 1 GewO 1994 nach dem Gewerbe der Bestatter vorbehalten sind.
Wenngleich die Berufungsbehörde zwar den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern kann, so bleibt diese Berechtigung doch auf die Ahndung der dem Beschuldigten im Strafverfahren I. Instanz zur Last gelegten Tat beschränkt (vgl. VwGH 24.6.1948, Slg. 460A, 7.12.1978, 859/77 u.a.). Die Bestätigung des angefochtenen Straferkenntnisses unter gleichzeitiger Abänderung des Spruches durch Heranziehung einer bisher dem Berufungswerber nicht zur Last gelegten Tat erweist sich aber als unzulässig (siehe VwGH 17.3.1980, 2251/79, 23.4.1986, 85/03/0171).
Es ist daher dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark als Berufungsbehörde verwehrt, dem Berufungswerber in der Berufungsentscheidung eine Übertretung der Gewerbeordnung 1994 anzulasten bzw. vorzuwerfen, käme doch ein derartiges Vorgehen einer unzulässigen Auswechslung der als erwiesen angenommenen Tat gleich (siehe VwGH 27.9.1962, Slg. 5871A, 15.3.1979, 3055/78).
Gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben oder ausschließen.
Zufolge der vorstehenden Feststellungen war daher spruchgemäß zu entscheiden.