Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Maukner über die Berufung des Herrn Dipl-Ing Andrzej T, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 12. Bezirk, vom 28.11.1997, Zl MBA 12 - S 7726/97, betreffend eine Verwaltungsübertretung nach § 367 Z 2 iVm § 9 der Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber ein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens nicht auferlegt.
Begründung:
1. Das obzitierte Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
"Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der R-GmbH zu verantworten, daß diese Gesellschaft nach dem Ausscheiden des gewerberechtlichen Geschäftsführers, Herrn Ernst F, mit 31.5.1997, trotz Verkürzung der Frist zur Bestellung eines Geschäftsführers auf unverzüglich mit Bescheid vom 23.6.1997, Zahl MBA 12 - G/G/5667/97, rechtskräftig am 1.7.1997, in der Zeit vom 14.7.1997 bis 20.8.1997 in Wien, M-straße das Baumeistergewerbe ausgeübt hat, ohne die Genehmigung der Bestellung eines Geschäftsführers gemäß § 176 GewO 1994 erhalten zu haben.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 367 Z 2 in Verbindung mit § 9 GewO 1994
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von Schilling 3.000,--, falls diese uneinbringlich ist,
Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen,
gemäß § 367 Einleitungssatz GewO 1994
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 -
VStG zu zahlen:
300,-- Schilling als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher 3.300,-- Schilling. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
In der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wird im wesentlichen folgendes ausgeführt:
"Der strafbare Sachverhalt wurde mit Schreiben der MA 59-MAA 12 vom 20.8.1997 zur Anzeige gebracht.
Im fristgerecht eingebrachten Einspruch gegen die Strafverfügung des MBA 12 vom 25.9.1997 wendet der Beschuldigte, vertreten durch RA, ein, daß er, unverzüglich nach Verkürzung der Frist zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers durch die Behörde für die Bestellung eines gewerberechtlichen Geschäftsführers in der Person von Herrn Heinz L bei seiner Wohnsitzgemeinde P um Ausstellung der Strafregisterbescheinigung ersucht, diese habe er jedoch trotz mehrfacher Urgenz erst am 25.8.1997 erhalten.
Dem Vorbringen des Beschuldigten wird folgendes entgegengehalten:
Nach dem Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers der R-GmbH für das Baumeistergewerbe in Wien, M-straße, Herrn Ernst F, per 31.5.1997 wurde mit Bescheid vom 23.6.1997 die Frist zur Bestellung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers dahingehend verkürzt, daß unverzüglich (ha wurde eine Frist von zwei Wochen angenommen) ein neuer Geschäftsführer zu bestellen ist, die aufschiebende Wirkung einer Berufung wurde ausgeschlossen. Der Bescheid ist am 1.7.1997 in Rechtskraft erwachsen. Trotz Fristverkürzung ist das Ansuchen um Bestellung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers bei der Magistratsabteilung 63 erst am 1.9.1997 eingelangt. Mit Bescheid der MA 63 vom 3.11.1997, Zahl MA 63 - R 332/97, wurde die Bestellung des Herrn Heinz L zum Geschäftsführer bei Ausübung des Baumeistergewerbes genehmigt."
2. Ohne auf die Berufungsausführungen einzugehen, ergibt sich rechtlich folgendes:
Gemäß § 367 Z 2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 30.000,-- zu bestrafen ist, wer trotz der auf Grund des § 9 bestehenden Verpflichtung zur Bestellung eines Geschäftsführers ein bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe ausübt, ohne die Genehmigung der Bestellung eines Geschäftsführers gemäß § 176 erhalten zu haben.
§ 127 Z 4 GewO 1994 bestimmt, daß das gebundene Gewerbe Baumeister der Bewilligungspflicht unterliegt.
Nach § 9 Abs 1 leg cit können juristische Personen Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben. § 9 Abs 2 leg cit bestimmt, daß im Falle des Ausscheidens des Geschäftsführers das Gewerbe bis zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers, längstens jedoch während sechs Monaten, weiter ausgeübt werden kann. Die Behörde hat diese Frist zu verkürzen, wenn mit der weiteren Ausübung des Gewerbes ohne Geschäftsführer oder Pächter eine besondere Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden ist. Nach § 176 Abs 1 GewO 1994 bedarf der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung eines im § 127 angeführten gebundenen Gewerbes einer Genehmigung für die Bestellung eines Geschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes. Diese Genehmigung ist so zu erwirken, daß sie vor Ablauf der Frist des § 9 Abs 2 GewO 1994 vorliegt. Mit Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den 12. Bezirk vom 23.6.1997, MBA 12 - G/G/5667/97, wurde die der R-GmbH zustehende Frist zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers oder Pächters innerhalb von sechs Monaten ab Ausscheiden des bisherigen Geschäftsführers gemäß § 9 Abs 2 GewO 1994 dahingehend verkürzt, daß "unverzüglich" ein neuer Geschäftsführer oder Pächter zu bestellen ist; die aufschiebende Wirkung einer Berufung wurde gemäß § 64 Abs 2 AVG ausgeschlossen. Dieser Bescheid wurde am 1.7.1997 zugestellt und hat in der Folge die R-GmbH dagegen rechtzeitig Berufung erhoben (bei den Ausführungen im Spruch und in der Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses, wonach der Bescheid am 1.7.1997 in Rechtskraft erwachsen sei, handelt es sich daher offensichtlich um einen Irrtum der bescheiderlassenden Behörde; vielmehr war wohl gemeint, daß der Bescheid - weil am 1.7.1997 zugestellt - ab diesem Zeitpunkt vollstreckbar sei). Das Magistratische Bezirksamt für den 12. Bezirk hat mit dem vorzitierten Bescheid vom 23.6.1997 die Frist zur Bestellung eines neuen Geschäftsführers gemäß § 9 Abs 2 GewO 1994 auf "unverzüglich" - also ohne Setzung einer konkreten Frist - verkürzt; in der oben wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses wird ohne jede weitere Erläuterung ausgeführt, daß (für unverzüglich) eine Frist von zwei Wochen "angenommmen" worden sei.
Diese Annahme der Behörde erster Instanz, die Einräumung einer Frist von zwei Wochen genüge, um es der R-GmbH zu ermöglichen, einen anderen Geschäftsführer oder Pächter zu bestellen, dürfte auf die offenbar von der Behörde erster Instanz vertretene Auffassung zurückzuführen sein, daß die Bestellung eines neuen Geschäftsführers oder Pächters im Sinne des § 9 Abs 2 GewO 1994 durch den Inhaber eines bewilligungspflichtigen gebundenen Gewerbes mit der Antragstellung abgeschlossen sei (siehe dazu die oben wiedergegebene Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses: "Trotz Fristverkürzung ist das Ansuchen um Bestellung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers bei der Magistratsabteilung 63 erst am 1.9.1997 eingelangt."). Wie bereits oben ausgeführt, ist die Genehmigung so zu erwirken, daß sie vor Ablauf der Frist des § 9 Abs 1 GewO 1994 liegt; diese Interpretation ergibt sich aus dem eindeutigen Wortlaut der Z 2 des § 367 GewO 1994.
Der Berufungswerber konnte mangels Setzung einer genau festgelegten Frist davon ausgehen, daß die Behörde mit der der R-GmbH auf "unverzüglich" verkürzten Frist eine solche Frist festgesetzt hat, die es der Gesellschaft tatsächlich ermöglichte, bei ernsthaftem Betreiben die Bestellung eines neuen Geschäftsführers oder Pächters im Sinne des § 9 Abs 2 GewO 1994 (also einschließlich der Genehmigung durch die zuständige Gewerbebehörde) zu erwirken. Nach den Erfahrungen in der Verwaltungspraxis ist aber hiefür ein Zeitraum von mindestens zwei Monaten zu berücksichtigen. (Wie sich aus den diesbezüglichen Erläuterungen zu der Gewerberechtsnovelle 1988 ergibt, wurde vom Gesetzgeber die vormalige Zweimonatsfrist eben gerade deswegen durch die Novelle 1988 auf sechs Monate verlängert, weil - wie in der Praxis immer wieder festgestellt worden war - diese Frist oft nur schwer eingehalten werden konnte.)
Die Berücksichtigung eines Zeitraumes von (mindestens) zwei Monaten für die "unverzügliche" Bestellung eines anderen Geschäftsführers oder eines Pächters im voraufgezeigten Sinne des § 9 Abs 2 GewO 1994 ab Zustellung des Bescheides vom 23.6.1997 (1.7.1997) führt aber zu dem Ergebnis, daß das dem Berufungswerber für den konkreten Tatzeitraum 14.7.1997 bis 20.8.1997 angelastete Verhalten (noch) nicht rechtswidrig war, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
3.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 65 VStG.
4.
Gemäß § 51e Abs 1 VStG konnte die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung unterbleiben.