Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Erwin H, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk, vom 8.10.1996, Zl MBA 3-S 6652/96, betreffend Übertretung des Arbeitszeitgesetzes, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Begründung:
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 3. Bezirk, vom 8.10.1996, wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe als Obmann und somit zur Vertretung nach außen Berufener des Vereins V-Austria zu verantworten, daß dieser Verein mit Sitz in Wien, F-gasse, am 10.6.1996 den Organen des Arbeitsinspektorates für den 1. Aufsichtsbezirk keine Aufzeichnungen der täglich geleisteten Arbeitszeit der im Verein beschäftigten "helfenden Mitglieder" vorgelegt habe. Er habe dadurch § 26 Abs 1 des Arbeitszeitgesetzes (AZG) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über den Bw gemäß § 28 Abs 1 AZG eine Geldstrafe in der Höhe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 2 Tage) verhängt. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit S 200,-- bestimmt. In seiner gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung brachte der Bw im wesentlichen vor, die Nichtvorlage von Unterlagen an inspektionsbefugte Organe einer Behörde habe schon begrifflich zur Voraussetzung, daß diese Organe eine Urkundenvorlage verlangen. Dies sei nicht geschehen. Tatsächlich seien am Vormittag des 10.6.1996 im Vereinsbüro des V ein Vertragsbediensteter und ein Beamter des Arbeitsinspektorates für den 1. Aufsichtsbezirk erschienen und hätten dort die 75jährige Tante einer Vereinsangestellten angetroffen. Diese habe (das Büro sei vorübergehend nicht besetzt gewesen) aushilfsweise Telefondienst verrichtet und den beiden erschienenen Herren naturgemäß keine Auskunft über Vereinsangelegenheiten geben können. Beide Einschreiter hätten sich daraufhin wieder entfernt. Am Nachmittag desselben Tages seien die genannten Personen neuerlich erschienen, diesmal in Begleitung eines weiteren Organs des Arbeitsinspektorates für Bauarbeiten und eines Vertreters der Kammer für Arbeiter und Angestellte Wien. Sie hätten hierbei die Vereinsangestellte Isolde Marie B getroffen, die zwischenzeitig in das Büro zurückgekehrt gewesen sei. Diese hätten sie darüber belehrt, daß sämtliche Vereinsmitglieder des V Arbeitnehmer seien und die Herausgabe einer Liste mit den Namen und Adressen aller Vereinsmitglieder verlangt. Frau B habe dem entgegengehalten, daß der Verein außer drei Bürokräften keine Dienstnehmer beschäftige und sei dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Sie habe die Erschienenen aber nicht daran gehindert, das Vereinsbüro zu durchsuchen und eine größere Anzahl von Kopien anzufertigen. Danach hätten sich die vier genannten Personen wieder entfernt. Weiteres sei an diesem Tag nicht vorgefallen. Abgesehen davon, daß die oben genannten Einschreiter niemanden zur Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen aufgefordert, sondern die Offenlegung der Namen und Adressen aller Vereinsmitglieder verlangt haben, haben diese ihre Aufforderungen auch keiner zur Vertretung des Vereins V beauftragten oder bevollmächtigten Person bekanntgegeben. Die Zeugin B sei eine Angestellte des Vereins, nicht aber zu dessen Vertretung nach außen befugt oder als für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften Verantwortliche bestellt. Entsprechendes gelte für ihre oben genannte Tante. Der Bw rügte ferner, daß dem angefochtenen Straferkenntnis kein Ermittlungsverfahren zugrunde liege. Die Erstbehörde bestrafe ihn ausdrücklich deshalb, weil der von ihm vertretene Verein dem Arbeitsinspektorat bestimmte Unterlagen nicht vorgelegt habe und beurteile dies als eine Verletzung des § 26 Abs 1 AZG. Diese Beurteilung sei unrichtig. Die genannte Norm beziehe sich auf das Führen von Aufzeichnungen. Letzteres sei zwar eine Voraussetzung von ersterem, mit diesem aber nicht gleichzusetzen. Darüber hinaus sei die erstbehördliche Beurteilung, die sogenannten "helfenden Mitglieder" des Vereins V seien Arbeitnehmer, verfehlt. Das Arbeitsinspektorat für den 1. Aufsichtsbezirk gab mit Schreiben vom 8.1.1997 zu dieser Berufung eine Stellungnahme ab. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 31.7.1997 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der Dr Christian Ba als Vertreter des Bw (der Bw selbst war zur Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen) und Herr Peter K als Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 1. Aufsichtsbezirk teilnahmen. Auf die Frage, ob Aufzeichnungen überhaupt geführt worden seien, schwieg der BwV und verwies auf die künftig einzuvernehmenden Zeugen sowie auf seine schriftlichen Ausführungen. Der Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 1. Aufsichtsbezirk gab an, Frau B habe am Nachmittag des Kontrolltages angegeben, ihrer Ansicht nach seien die helfenden Mitglieder keine Arbeitnehmer und müßten daher keine Aufzeichnungen geführt werden und seien diese daher auch nicht vorzulegen. Die Anzeige beziehe sich konkret auf die am Nachmittag des 10.6.1997 erfolgte Kontrolle. Bei dieser Kontrolle sei auch Herr He von der Arbeiterkammer dabeigewesen, auf dessen Initiative die Kontrolle erfolgt sei. Anschließend wurde Herr Peter K auch als Zeuge einvernommen. Dabei gab er folgendes an:
"Ich habe von Herrn He von der Arbeiterkammer einen Anruf bekommen und teilte dieser mit, daß in diesem Verein helfende Mitglieder beschäftigt würden (und zwar rund um die Uhr). Daraufhin haben wir den Verein besucht. Am Vormittag konnten wir nur die Tante antreffen und haben einige Kopien angefertigt. Sonstige Informationen konnte uns die Tante nicht geben. Von der Tante haben wir erfahren, daß es bei den helfenden Mitgliedern um Ausländer gehe. Wir haben dann zu Mittags die Kollegen von der illegalen Ausländerbeschäftigung verständigt und diese haben ersucht, bei einer nochmaligen Kontrolle anwesend zu sein. Wir sind dann am Nachmittag (Herr He, Frau Br, Herr Di und ich) nocheinmal in das Büro des Vereines gegangen. Dabei ist es vor allem darum gegangen, uns die Arbeitszeitaufzeichnungen anzuschauen um zu sehen, ob diese tatsächlich rund um die Uhr beschäftigt würden. Das weitere war die illegale Beschäftigung von Ausländern, was aber nicht mein Bereich ist. Wir haben uns dann die Unterlagen der Ausländer angesehen. Es ist dies eine Art Stammblatt mit Fotos der Ausländer und der Angabe, welche Ausbildung sie in ihrer Heimat gemacht haben. Irgendeine Arbeitszeitaufzeichnung schien darauf aber nicht auf. Desweiteren haben wir uns Unterlagen angeschaut, wo die helfenden Mitglieder eingesetzt werden. Auch darin haben wir keine Hinweise auf Arbeitszeitaufzeichnungen gefunden. Es wurden dann auch etliche Kopien angefertigt, die aber nicht unser AI betroffen haben. Gesprochen haben wir dabei mit Frau B. Sie hat uns eine Visitenkarte gegeben, wo Geschäftsführerin daraufsteht. Auf die Frage, ob Arbeitsaufzeichnungen geführt würden, erklärte Frau B, sie sei der Meinung, die helfenden Mitglieder seien keine Arbeitnehmer und müßten daher keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt werden und seien diese daher auch nicht vorzulegen.
Über Befragen des BwV:
Der Obmann selber wurde nicht aufgefordert, irgendwelche Unterlagen vorzulegen. Ich bin davon ausgegangen, daß Frau B als Geschäftsführerin den Verein nach außen vertritt und daß sie auch nach außen verantwortlich ist. Am Vormittag sind wir an der Anfertigung von Kopien nicht gehindert worden. Wir haben dann auch gesagt, daß wir wieder gehen und erst am Nachmittag kommen, weil die Tante ja nicht zuständig gewesen ist und sie angab, sie vertrete nur. Wir wollten von den helfenden Mitgliedern die Beschäftigungsdauer sehen, dh, von wann bis wann sie jeweils eingesetzt sind. Wo sie eingesetzt sind, ist mir vom Gesetz her egal, weil es für mich nur um die Einhaltung der Arbeitszeit geht. Haben Sie oder ein anderes einschreitendes Organ die Vorlage von Mitgliederlisten verlangt? Ich habe solche Listen nicht verlangt. Ich nehme an, daß die Kollegen von der Ausländerbeschäftigung dies verlangt haben.
Haben Sie oder andere der eingeschrittenen Organe im Folgenden eine falsche Anzeige wegen gerichtlich strafbarer Handlungen erstattet oder veranlaßt, um im Folgenden bei der Staatsanwaltschaft u LG für Strafsachen Wien Einsicht in die beschlagnahmten Mitgliederlisten zu nehmen? Der Verhandlungsleiter erklärt, daß diese Frage an der Sache vorbeigeht und daher nicht zugelassen wird. Der BwV erklärt, daß die Frage deshalb wesentlich ist, weil ihre Klärung Aufschluß darüber gibt, was die einschreitenden Organe am 10.6.1996 wirklich begehrten."
Mit Schriftsatz vom 26.8.1997 teilte der Bw mit, die Beweisanträge auf seine persönliche Vernehmung und die zeugenschaftliche Einvernahme der Frau Isolde Marie B zurückzuziehen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 1.9.1997 eine weitere mündliche Verhandlung durch, an der Dr Christian Ba als Vertreter des Bw (der Bw selbst war unentschuldigt nicht erschienen) teilnahm. Der BwV erklärte, das Arbeitsinspektorat habe nicht unmißverständlich die Vorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen verlangt, sondern die Vorlage aller möglichen Unterlagen, insbesondere die Namen und Adressen von Vereinsmitgliedern.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 1.12.1997 eine weitere mündliche Verhandlung durch, an der Dr Christian Ba als Vertreter des Bw und Herr Peter K als Vertreter des Arbeitsinspektorates für den 1. Aufsichtsbezirk teilnahmen. Mit Schreiben vom 27.11.1997 hatte die als Zeugin geladen gewesene Frau Isolde B mitgeteilt, sie könne der Ladung krankheitsbedingt nicht Folge leisten (eine Krankenstandsbestätigung lag bei). Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte schließlich am 9.2.1998 eine weitere mündliche Verhandlung durch, an der Dr Christian Ba als Vertreter des Bw teilnahm und in der Frau Isolde B als Zeugin einvernommen wurde. Diese gab dabei folgendes an:
"Es sind keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt worden, denn es waren Mitglieder; dies habe ich auch den Herren gesagt. Zur damaligen Zeit war ich beim V tätig. Nunmehr bin ich dort nicht mehr tätig. Ich kann mich insoweit noch erinnern, als am Nachmittag glaublich drei Herren und eine Dame gekommen sind und sagten mir, sie wollen Einsicht nehmen in die Vereinsunterlagen. Ich habe ihnen die Ordner gegeben, die sie wollten. Von den Kontrollorganen sind dann einige Unterlagen aus den Ordnern herausgenommen worden, und mußte ich diese dann in der Folge kopieren. Ich wurde dann gefragt, ob wir Aufzeichnungen über die Arbeitszeit führen von unseren helfenden Mitgliedern. Diese Frage habe ich verneint, weil es keine Arbeitszeit war.
Über Befragen des BwV:
Meines Wissens nach wurde der Obmann nicht aufgefordert, solche Aufzeichnungen vorzulegen. Sie haben damals hauptsächlich (bzw nur) die Mitgliederlisten wollen; dh sie haben die Ordner bekommen, wo die Mitglieder alphapetisch angeführt gewesen sind, weil Mitgliederlisten haben wir nicht geführt."
Abschließend führte der BwV aus, das Verfahren habe ergeben, daß die Behörde einerseits nicht unmißverständlich die Vorlage spezifischer Arbeitszeitaufzeichnungen, sondern Einsicht in alle möglichen Vereinsunterlagen (insbesondere Namens- und Adressenlisten der Vereinsmitglieder) begehrt habe und andererseits auch diese Aufforderung nicht an einen Vertretungsberechtigten des Vereins gerichtet worden sei. Außerdem habe das Verfahren ergeben, daß kein dem § 26 Abs 1 AZG entsprechender Sachverhalt vorliege. Anschließend wurde der Berufungsbescheid samt wesentlicher Begründung mündlich verkündet.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 26 Abs 1 AZG idF gemäß BGBl Nr 446/1994 hat der Arbeitgeber zur Überwachung der Einhaltung der in diesem Bundesgesetz geregelten Angelegenheiten in der Betriebsstätte Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu führen. Der Beginn und die Dauer eines Durchrechnungszeitraumes sind festzuhalten.
Nach § 26 Abs 6 leg cit haben die Arbeitgeber dem Arbeitsinspektorat die erforderlichen Auskünfte zu erteilen und auf Verlangen Einsicht in die Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden zu geben.
Zufolge des § 28 Abs 1 Z 4 leg cit sind Arbeitgeber und deren Bevollmächtigte, die ua die Aufzeichnungspflichten gemäß § 26 Abs 1 bis 5 oder die Auskunfts- und Einsichtspflichten gemäß § 26 Abs 6 verletzen, sofern die Tat nicht nach anderen Vorschriften einer strengeren Strafe unterliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde, soweit es sich um Betriebe handelt, die der bergbehördlichen Aufsicht unterstehen, von der Berghauptmannschaft mit einer Geldstrafe von S 300,-- bis S 6.000,-- zu bestrafen. Die Übertretung nach § 26 Abs 6 zweiter Halbsatz AZG begeht der Arbeitgeber, der Aufzeichnungen im Sinne des § 26 Abs 1 leg cit führt, dem Arbeitsinspektorat jedoch die Einsichtnahme in diese Aufzeichnungen verweigert. Nicht diese Übertretung, sondern jene nach § 26 Abs 1 leg cit wird begangen, wenn die dort genannten Aufzeichnungen nicht geführt werden (vgl das Erkenntnis des VwGH vom 29.7.1993, Zl 91/19/0176).
Mit Schreiben vom 17.6.1996 erstattete das Arbeitsinspektorat für den 1. Aufsichtsbezirk Anzeige gegen den V, weil bei einer am 10.6.1996 erfolgten Überprüfung der Betriebsstätte in Wien, F-gasse festgestellt worden sei, daß für die im Verein beschäftigten "helfenden Mitglieder" keine Aufzeichnungen über die täglich geleistete Arbeitszeit vorgelegt worden seien. Dies stelle eine Übertretung des § 26 Abs 1 AZG dar. Die Erstbehörde hat dem Bw im angefochtenen Straferkenntnis angelastet, der Verein V (als dessen Obmann der Bw verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich sei) habe den Organen des Arbeitsinspektorates für den 1.
Aufsichtsbezirk am 10.6.1996 keine Aufzeichnungen der täglich geleisteten Arbeitszeit der im Verein beschäftigten "helfenden Mitglieder" vorgelegt, und darin die Begehung der Übertretung nach § 26 Abs 1 AZG erblickt.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens geht der Unabhängige Verwaltungssenat Wien davon aus, daß Aufzeichnungen im Sinne des § 26 Abs 1 AZG (betreffend die erwähnten "helfenden Mitglieder") vom Verein V nicht geführt wurden, sodaß auch kein Schluß darauf möglich ist, die Vorlage von (vorhandenen) Aufzeichnungen sei verweigert worden. So wird in der Stellungnahme des Arbeitsinspektorates für den 1. Aufsichtsbezirk vom 8.1.1997 darauf hingewiesen, die bei der Kontrolle angetroffene Frau B sei der Ansicht gewesen, daß die beim Verein beschäftigten "helfenden Mitglieder" keine Arbeitnehmer seien und somit keine Aufzeichnungen über geleistete Arbeitsstunden, Pausen etc geführt werden müßten bzw somit auch nicht vorzulegen seien. Der als Zeuge einvernommene Peter K gab an, sie hätten sich Unterlagen der Ausländer angesehen (eine Art Stammblatt mit Fotos der Ausländer und der Angabe, welche Ausbildung sie in deren Heimat gemacht haben). Irgendeine Arbeitszeitaufzeichnung sei darauf aber nicht aufgeschienen. Sie hätten sich weiters Unterlagen angeschaut, wo die helfenden Mitglieder eingesetzt würden. Auch darin hätten sie keine Hinweise auf Arbeitszeitaufzeichnungen gefunden. Auf die Frage, ob Arbeitszeitaufzeichnungen geführt würden, habe ihnen Frau B erklärt, sie sei der Meinung, daß die helfenden Mitglieder keine Arbeitnehmer seien und daher auch keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt werden müßten und diese daher auch nicht vorzulegen seien. Frau Isolde B gab bei ihrer Einvernahme als Zeugin an, es seien keine Arbeitszeitaufzeichnungen geführt worden (es habe sich nämlich um "Mitglieder" gehandelt). Die Frage der Kontrollorgane, ob sie Aufzeichnungen über die Arbeitszeit ihrer helfenden Mitglieder führen würde, habe sie verneint, weil es keine Arbeitszeit gewesen sei.
Gemäß § 24 VStG iVm § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid (unter Bedachtnahme auf das im Verwaltungsstrafverfahren geltende Verbot der reformatio in peius und die Verjährungsbestimmungen der §§ 31 und 32 VStG) nach jeder Richtung abzuändern. "Sache" ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet. Wechselt die Berufungsbehörde die von der Erstbehörde als erwiesen angenommene Tat aus, so nimmt sie eine ihr nicht zustehende Befugnis in Anspruch und belastet ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit (vgl dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.3.1997, Zl 93/11/0107).
Das angefochtene Straferkenntnis legte dem Bw die Nichtvorlage von Arbeitszeitaufzeichnungen der im Verein beschäftigten "helfenden Mitglieder" am 10.6.1996 zur Last. Unzutreffend hat die Erstbehörde diese Tat dem § 26 Abs 1 AZG statt dem § 26 Abs 6 zweiter Halbsatz AZG unterstellt. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien wäre (sofern er vom Zutreffen der von der Behörde erster Instanz dem Bw zur Last gelegten Tat überzeugt gewesen wäre) aus Anlaß der (vollen) Berufung des Bw berechtigt gewesen, diesen Subsumtionsirrtum der Behörde erster Instanz zu korrigieren, ohne daß er dadurch den Gegenstand des Berufungsverfahrens überschritten hätte (vgl dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.2.1994, Zl 93/09/0441 und vom 7.9.1995, Zl 94/09/0124).
Wie nun das ha durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben hat, sind vom V tatsächlich Arbeitszeitaufzeichnungen der "helfenden Mitglieder" nicht geführt worden. In diesem Zusammenhang sei noch einmal auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl das Erkenntnis vom 19.3.1997, Zl 93/11/0107 und die dort zitierte Vorjudikatur) hingewiesen, wonach es sich bei der Übertretung nach § 26 Abs 1 AZG einerseits und nach § 26 Abs 6 (vor der Novelle BGBl Nr 446/1994: § 26 Abs 2) zweiter Halbsatz AZG andererseits um unterschiedliche Delikte handelt. Die letztgenannte Bestimmung setzt nämlich voraus, daß vom Arbeitgeber Aufzeichnungen im Sinne des § 26 Abs 1 AZG geführt werden. Eine Verweigerung der Einsicht in nicht geführte Aufzeichnungen ist logisch nicht möglich.
Dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien ist es aber verwehrt, dem Bw nunmehr im Berufungsverfahren etwa das Nichtführen von Aufzeichnungen über die geleisteten Arbeitsstunden der "helfenden Mitglieder" anzulasten, würde doch der Unabhängige Verwaltungssenat Wien damit die von der Behörde erster Instanz als erwiesen angenommme Tat auswechseln und damit eine Befugnis für sich in Anspruch nehmen, die durch den Wortlaut des § 66 Abs 4 AVG nicht mehr gedeckt ist. Es läge nämlich dann eine unzulässige Auswechslung der von der Erstbehörde als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG durch den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien vor (unabhängig von der im vorliegenden Fall nicht mehr zu lösenden Frage, ob eine solche Verpflichtung des V zur Führung von Arbeitszeitaufzeichnungen iSd § 26 Abs 1 AZG überhaupt bestanden hat).
Aufgrund dieser Erwägungen war der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren einzustellen.