Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Einzelmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn Alfred M, geb. am 5.11.1930, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 11.11.1997, GZ.: III/S-26.824/96, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen.
Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, daß über den Berufungswerber gemäß § 19 VStG eine Strafe von S 500,--, im Uneinbringlichkeitsfall 18 Stunden Ersatzarrest, welche binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten ist, verhängt wird. Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf den Betrag von S 50,--; dieser ist binnen vier Wochen ab Zustellung dieses Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 26.8.1996, um
21.30 Uhr, in Graz 14, Georgigasse vor dem Haus 2-4a, als Lenker des Kombi G-82MZB, am Kraftfahrzeug das Probefahrtkennzeichen geführt, obwohl diese Fahrt keine Probefahrt war und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 45 Abs 4 2. Satz KFG begangen. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (im Falle deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 36 Stunden) verhängt.
Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Berufung erhoben und in dieser im wesentlichen insofern Notstand geltend gemacht, als dem Berufungswerber nach Durchführung einer Probefahrt nichts anderes übrig geblieben wäre, als das von ihm verwendete Fahrzeug mit Probefahrtkennzeichen direkt vor der Einfahrt der Firma R auf einer öffentlichen Verkehrsfläche abzustellen. So sei er von einer an sich zulässigen Probefahrt nach Graz zurückgekehrt und, da das Einfahrtstor der Firma R ab 18.00 Uhr versperrt sei, gezwungen gewesen, das Fahrzeug am genannten Ort abzustellen. Im übrigen seien auch die beiden im angefochtenen Straferkenntnis erwähnten verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen bezüglich der Höhe der Strafe als irrelevant zurückzuweisen, da diese nicht einschlägig wären. Es werde daher beantragt, das Strafverfahren wegen Rechtswidrigkeit einzustellen, in eventu den Akt an die belangte Behörde zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens und Vornahme von Feststellungen und Beweiswürdigung zurückzuverweisen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Auf die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung konnte unter Hinweis auf § 51 e Abs 2 VStG verzichtet werden, da in der Berufung grundsätzlich eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wurde, im bekämpften Bescheid keine S 3.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt und die Durchführung einer Verhandlung auch nicht ausdrücklich verlangt wurde.
Aufgrund des dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark vorliegenden erstinstanzlichen Verwaltungsstrafaktes der Bundespolizeidirektion Graz ergibt sich folgender, für diese Entscheidung maßgebliche Sachverhalt:
Der Berufungswerber führte am 26.8.1996 am Pkw - Kombi der Marke Ford-Escort, weiß - das Probefahrtkennzeichen G-82MZB und wurde dieses Fahrzeug in Edelschrott bei der Familie Sch, die ein Kaufinteresse bekundet hatte, im Rahmen einer Probefahrt vorgeführt. Als der Berufungswerber zum Firmengelände der Zulassungsbesitzerin des gegenständlichen Fahrzeugs, der Firma R & Sohn Autohandelsges.m.b.H., etabliert in G, gegen 21.15 Uhr zurückkehrte, wurde das Fahrzeug , wobei das Probefahrtkennzeichen auf diesem verblieb, am Tatort abgestellt, da das Einfahrtstor zur Firma R gegen 18.00 Uhr versperrt wurde. Am darauffolgenden Tag wurde das Fahrzeug um 7.30 Uhr vom erwähnten Parkplatz, der sich direkt vor der Firma R befindet und bei dem es sich um eine öffentliche Verkehrsfläche handelt, wieder in den Firmenbereich verbracht. Es ist daher, was im übrigen auch vom Berufungswerber niemals bestritten wurde, davon auszugehen und als erwiesen anzunehmen, daß das erwähnte Fahrzeug mit dem Probefahrtkennzeichen laut Anzeige und Spruch des angefochtenen Bescheides um 21.30 Uhr des Tattages vor dem Haus Georgigasse 2- 4a abgestellt war, wobei jedoch nach Ansicht der erkennenden Behörde und im Gegensatz zu der diesbezüglichen Rechtfertigung des Berufungswerbers keine Probefahrt im Sinne des Gesetzes (mehr) vorlag.
In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen:
Gemäß § 45 Abs 4 2. Satz KFG 1967 dürfen Probefahrtkennzeichen (§ 48 Abs 3 KFG) nur bei Probefahrten geführt werden. Probefahrten im Sinne des § 45 Abs 1 KFG sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihren Teilen oder Ausrüstungsgegenständen oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen.
Es kann vollkommen außer Streit gestellt werden und sieht die erkennende Behörde keinerlei Gründe, den diesbezüglichen Angaben des Berufungswerbers nicht zu glauben, wonach dieser das erwähnte Fahrzeug am 26.8.1996 vorgeführt hat. Ausschließlich von Belang ist die Frage, inwieweit das vom Berufungswerber selbst zugegebene, auch zur Tatzeit festgestellte Abstellen des erwähnten Fahrzeuges am Tatort und dessen offenkundiges Weiterstehenlassen an dieser Stelle bis 27.8.1996 um 7.30 Uhr in einem funktionellen Zusammenhang mit dem Zweck der erwähnten Probefahrt steht bzw. stehen kann.
Der Berufungswerber vertritt diese Auffassung und verweist in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.3.1985, Zl.: 85/02/00014. Nach diesem Erkenntnis ist das bloße Abstellen eines Fahrzeuges auf einer öffentlichen Verkehrsfläche für sich noch nicht geeignet, das Vorliegen einer Probefahrt auszuschließen und die Verwendung von Probefahrtkennzeichen mit Rechtswidrigkeit zu belassen. So wird nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch das Verhalten des Lenkers bei Abstellung eines mit Probefahrtkennzeichen versehenen Fahrzeuges einer Fahrt dann nicht der Charakter einer Probefahrt genommen, wenn es in funktionellem Zusammenhang mit dem Zweck der Probefahrt steht. Das Fehlen eines solchen funktionellen Zusammenhanges ist somit ein wesentliches Tatbestandselement einer Übertretung nach § 45 Abs 4 KFG und hat daher im Spruch des Straferkenntnisses enthalten zu sein.
Dazu ist zunächst auszuführen, daß nicht nur im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, sondern auch bei der ersten tauglichen Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 VStG (Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Graz vom 13.2.1996) expressis verbis (...obwohl diese Fahrt keine Probefahrt war...) auf das Fehlen eines funktionellen Zusammenhangs zwischen dem zur Anzeige gebrachten Abstellen des Fahrzeuges und der zuvor erfolgten Probefahrt Bezug genommen wurde.
Es mag dahingestellt bleiben, aus welchen Gründen in concreto auch immer der Berufungswerber erst gegen 21.15 Uhr zur Firma R zurückgekehrt ist, unbestritten blieb, daß das Einfahrtstor ab 18.00 Uhr versperrt wird und auch am 26.8.1996 bei Rückkehr des Berufungswerbers um 21.15 Uhr, somit aber auch zur Tatzeit um
21.30 Uhr, versperrt war. Auf den Grad des Verschuldens ist noch später näher einzugehen, in diesem Zusammenhang ist jedoch bereits darauf hinzuweisen, daß der Berufungswerber selbst seine über 50jährige Beschäftigung bei der Firma R besonders erwähnt und ihm daher nicht nur aufgrund seiner diesbezüglichen Feststellungen durchaus bekannt sein mußte, zu welcher Zeit das Einfahrtstor täglich versperrt wird.
Auch wenn die Tatzeit im Spruch mit 21.30 Uhr angegeben wird, so ist dennoch in der Gesamtschau und bei rechtlicher Würdigung des vom Berufungswerber gesetzten Verhaltens festzustellen, daß dieser das eingangs näher erwähnte Fahrzeug immerhin rund zenn Stunden am Tatort abgestellt ließ, wobei ununterbrochen das Probefahrtkennzeichen geführt wurde. Unerheblich bleiben muß in diesem Zusammenhang auch die Rechtfertigung des Berufungswerbers, wonach es ihm verboten sei, die blaue Nummerntafel abzunehmen und das Kraftfahrzeug ohne Nummerntafel stehen zu lassen, da er durch eine derartige Vorgangsweise anderer Übertretung für schuldig befunden werden könnte bzw. allenfalls auch mit der Abschleppung des Fahrzeuges rechnen müßte.
Bei der im konkreten Fall übertretenen Verwaltungsvorschrift handelt es sich im Sinne des § 5 Abs 1 VStG um ein sogenanntes Ungehorsamsdelikt, zu dessen Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Der Berufungswerber hat daher glaubhaft zu machen, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Es ist wohl unzweifelhaft, daß das Abstellen des Fahrzeuges, vor allem über diesen langen Zeitraum, grundsätzlich keinesfalls mehr in funktionellem Zusammenhang mit einer Probefahrt gesehen werden kann und darf, die vorher stattgefunden hat. Durch den Umstand, daß der Berufungswerber das Fahrzeug auf einer öffentlichen Straße bis zum Öffnen der Firmentüre am nächsten Tag abgestellt hat, ist jedenfalls auch der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit der zuvor durch ihn absolvierten Probefahrt verloren gegangen, wobei kein Zweifel darüber besteht, daß diese Fahrt eine zulässige Probefahrt im Sinne des Gesetzes war, was auch durch die bereits im erstinstanzlichen Verfahren erstattete Zeugenaussage der Maria Sch mit hinreichender Deutlichkeit dokumentiert wird.
Im konkreten Fall ist vielmehr davon auszugehen, daß der Berufungswerber bereits bei Antritt der Probefahrt am 26.8.1996 durchaus davon Kenntnis hatte, daß das Einfahrtstor der Firma R, von wo er offensichtlich die von ihm angegebene Probefahrt begonnen hatte, mehr oder weniger regelmäßig gegen 18.00 Uhr versperrt wird, weshalb er, wenn nicht schon durch zeitliche Abstimmung derselben aus der Sicht der erkennenden Behörde durchaus durch gewisse Maßnahmen wie z.B. zeitgerechte Information seiner Firma, jene Dispositionen zu treffen in der Lage gewesen wäre, die es ihm ermöglicht hätten, das von ihm verwendete Kraftfahrzeug, mit dem Probefahrtkennzeichen geführt wurden, von einer Straße mit öffentlichem Verkehr, respektive vom Tatort zu verbringen.
Aus diesem Grunde gehen auch die diesbezüglichen Rechtfertigungen des Berufungswerbers ins Leere, wonach er sich im Notstand befunden hätte, ist doch bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht nachvollziehbar, inwieweit sich der Berufungswerber ausschließlich durch das verfahrensgegenständliche Abstellen des bereits mehrfach erwähnten Pkw-Kombi mit Probefahrtkennzeichen von einer unmittelbar drohenden Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen gerettet hat. Im übrigen wurde auch die Zwangslage, die in gewisser Hinsicht zweifellos bestand (geschlossenes Tor ab 18.00 Uhr), durch den Berufungswerber insoferne von diesem selbst verschuldet, als er erst so spät von der erwähnten Probefahrt zur Firma R zurückgekehrt ist. Hat er sich aber selbst, d.h. aus eigenem Verschulden in eine Zwangslage gebracht, so kann ihm Notstand im Sinne des § 6 VStG nicht zugutekommen (VwGH 30.6.1993, 93/02/0066).
Der Berufungswerber hat daher nach Ansicht der erkennenden Behörde die ihm angelastete Verwaltungsübertretung in subjektiver und objektiver Hinsicht zu verantworten, weshalb die diesbezügliche Bestrafung durch die belangte Behörde deshalb dem Grunde nach zu Recht erfolgte.
Zur Strafbemessung ist auszuführen:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Feststeht, daß die Tat keine nachteiligen Folgen nach sich gezogen hat, der Berufungswerber jedoch andererseits gegen den Schutzzweck der übertretenen Norm zumindest fahrlässig verstoßen hat, wobei darauf hinzuweisen und auch zu berücksichtigen war, daß die Abstellung des Fahrzeugs direkt vor der Firma R erfolgt ist. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Als mildernd war nichts, als erschwerend im Gegensatz zu den diesbezüglichen Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch ebenfalls nichts zu werten, da die beiden offensichtlich als erschwerend gewerteten Verwaltungsstrafvormerkungen weder einschlägig noch als auf der gleichen schädlichen Neigung beruhend zu qualifizieren sind. Auf das Ersuchen der erkennenden Behörde vom 23.2.1998, seine aktuellen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse binnen zwei Wochen bekanntzugeben, ansonsten von einem eingeschätzten monatlichen Nettoeinkommen in der Höhe von S 25.000,-- auszugehen ist, hat der Berufungswerber ausschließlich fernmündlich mit der Bemerkung reagiert, daß er dieses Schreiben nicht beantworten werde, da er die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen habe und daher auch keine Strafe bezahlen werde.
Unter Berücksichtigung der erwähnten Strafbemessungsgründe war es daher dennoch möglich, die Strafe wie im Spruch ersichtlich herabzusetzen und erscheint die nunmehr verhängte Strafe vor allem auch unter dem Gesichtspunkt der Erzielung spezialpräventiver Effekte, der Berufungswerber möge in Hinkunft von Übertretungen derselben Art abgehalten werden, als ausreichend.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.