Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Gerhard Wittmann über die Berufung des Herrn Johann E, geb. am 19.4.1942, vertreten durch Dr. Erich M, Rechtsanwalt in M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Murau vom 3.11.1997, GZ.: 15.1 1997/1315, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Auf Grund der Aktenlage ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der Gendarmerieposten Scheifling zeigte bei der Bezirkshauptmannschaft Murau an, daß am 8.10.1996, gegen 16.10 Uhr, der Lenker eines LKW-Zuges (Kennzeichen des Anhängers MU- 1 GIA) auf der L 501, auf Höhe des Straßenkilometers 3,400, im Gemeindegebiet Katsch/M. einen Radfahrer bei einem Überholvorgang durch frühzeitiges Zurücklenken an den rechten Fahrstreifen beinahe von der Fahrbahn gedrängt habe. Durch den Überholvorgang sei der Radfahrer gezwungen gewesen, auf das geschottete Bankett der L 501 zu fahren, wo er beinahe zu Sturz gekommen sei.
Am 28.10.1996 richtete die Bezirkshauptmannschaft Murau an den Berufungswerber als Zulassungsbesitzer des Anhängers mit dem Kennzeichen MU-1 GIA eine Lenkeranfrage und begehrte Auskunft darüber, wer dieses Fahrzeug am 8.10.1996, um 16.10 Uhr, auf der L 501, auf Höhe des Straßenkilometers 3,400, gelenkt/abgestellt habe. Die Lenkeranfrage wurde am 29.10.1996 übernommen. Die Lenkerauskunft, welche mit 12.11.1996 datiert ist, langte am 13.11.1996 bei der belangten Behörde ein. Der Berufungswerber gab darin an, daß das Fahrzeug zum angeführten Zeitpunkt von Herrn Manfred M, geb. am 20.5.1970, wohnhaft in N, Hauptplatz 16, gelenkt worden sei. Daraufhin erließ die Bezirkshauptmannschaft Murau eine Strafverfügung gegen Manfred M, wegen einer Übertretung nach § 16 Abs 1 lit. c StVO sowie einer Übertretung nach § 16 Abs 2 lit. b StVO. Gegen diese Strafverfügung erhob Manfred M fristgerecht Einspruch und führte aus, daß es sich um einen Irrtum handeln müsse, da er sich sicher sei, daß er an diesem Tag zur angegebenen Zeit nicht auf der L 501 unterwegs gewesen sei. Am 10.1.1997 beauftragte die Bezirkshauptmannschaft Murau den Gendarmerieposten Murau beim Zulassungsbesitzer Johann E (Berufungswerber) anhand der Tachographenblätter den damaligen Lenker zu eruieren. Im Bericht des Gendarmeriepostens Murau vom 10.3.1997 wird ausgeführt, daß aus den Tachographenscheiben als Lenker Manfred M hervorgehe. Des weiteren wurden vier Tachographenscheiben kopiert und der Bezirkshauptmannschaft Murau übermittelt. Die Tachographenscheibe vom 8.10.1996 zeigt, daß als Lenker Manfred M eingetragen ist, daß aber das Fahrzeug zwischen ca. 15.50 Uhr und ca. 16.35 Uhr nicht gelenkt wurde. Am 26.3.1997 erließ die Bezirkshauptmannschaft Murau gegen den Berufungswerber eine Strafverfügung wegen einer Übertretung des § 103 Abs 2 KFG, wobei dem Berufungswerber vorgeworfen wurde, daß er auf Grund der schriftlichen Lenkeranfrage vom 28.10.1996 binnen zwei Wochen keine richtige Auskunft erteilt habe, wer dieses Fahrzeug am 8.10.1996, um 16.10 Uhr gelenkt habe, da der von ihm namhaft gemachte Lenker die Lenkereigenschaft bestritten habe. Gegen diese Strafverfügung erhob der Berufungswerber fristgerecht Einspruch. Am 23.4.1997 wurde der namhaft gemachte Lenker Manfred M in seinem Verfahren wegen Übertretungen nach der StVO als Beschuldigter einvernommen. Dabei gab er an, daß es zwar grundsätzlich richtig sei, daß er mit dem gegenständlichen LKW-Zug am 8.10.1996 gefahren sei. Die Fahrtroute habe damals jedoch von Salzburg kommend über Predlitz, Murau und Scheifling nach Möderbrugg geführt. Die L 501 sei am 8.10.1996 überhaupt nicht von ihm befahren worden. Das Fahrzeug habe er um 16.10 Uhr des 8.10.1996 - wie auch aus dem Schaublatt ersichtlich - nicht gelenkt, sondern sei das Fahrzeug in Möderbrugg abgestellt gewesen. Er habe jedenfalls dieses Fahrzeug zum Tatzeitpunkt im Tatortbereich nicht gelenkt und könne er es sich auch nicht erklären, warum der Zulassungsbesitzer eine diesbezügliche Auskunft erteilt habe. Am 3.11.1997 erließ die Bezirkshauptmannschaft Murau gegen den BW das nunmehr angefochtene Straferkenntnis, wobei ihm vorgeworfen wurde, er habe als Zulassungsbesitzer des LKW-Anhängers mit dem Kennzeichen MU-1 GIA der Bezirkshauptmannschaft Murau auf Grund der schriftlichen Lenkeranfrage vom 28.10.1996 (zugestellt am 29.10.1996) binnen zwei Wochen keine richtige Auskunft erteilt, wer dieses Fahrzeug am 8.10.1996, um 16.10 Uhr, in Katsch/M., auf der L 501, Straßenkilometer 3,400, gelenkt habe, da die von ihm namhaft gemachte Person die Lenkereigenschaft bestritten habe und er selbst vor der Gendarmerie Murau am 10.3.1997 im Zuge des Ermittlungsverfahrens angegeben habe, dieses Fahrzeug sei damals dort nicht verwendet worden. Wegen einer Übertretung des § 103 Abs 2 KFG verhängte die Bezirkshauptmannschaft Murau eine Geldstrafe von S 2.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall ein Tag Ersatzfreiheitsstrafe) gegen den Berufungswerber. In der Begründung des Straferkenntnisses wird unter anderem ausgeführt, daß sich aus den vorgelegten Tachographenscheiben ergebe, daß eine Verwendung dieses Fahrzeuges zum Tatzeitpunkt am Tatort nicht erfolgt sei. Auf Grund dessen sei offenkundig, daß die Auskunft vom 12.11.1996 nicht der Wahrheit entspreche, weshalb dem Berufungswerber eine Übertretung des § 103 Abs 2 KFG vorzuwerfen gewesen sei.
Gegen das Straferkenntnis erhob der Berufungswerber fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß die Bestreitung der Lenkereigenschaft durch Manfred M die Behörde nicht von vornherein berechtige, davon auszugehen, daß seine Lenkerauskunft falsch gewesen sei. Wenn die Feststellung der Behörde, daß das Fahrzeug zum Tatzeitpunkt am Tatort nicht verwendet worden sei, zutreffend sei, dann habe er tatsächlich keine Lenkerauskunft bezogen auf den abgefragten Tatort bzw. die abgefragte Tatzeit erteilen können. Er bestreite auch Zulassungsbesitzer des LKW-Anhängers mit dem Kennzeichen MU-1 GIA gewesen zu sein. Der Berufungswerber schloß seiner Berufung auch eine Kopie des Tachographenblattes vom 8.10.1996 bei und beantragte die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens. Über Anfrage bei der Bezirkshauptmannschaft Murau teilte diese mit, daß der Anhänger mit dem Kennzeichen MU-1 GIA zur Tatzeit auf den Berufungswerber zugelassen war.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung von folgender rechtlicher Beurteilung ausgegangen:
Gemäß § 103 Abs 2 KFG 1967 kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw. zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Fall von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind
diese Aufzeichnungen zu führen (Verfassungsbestimmung). Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück. Wenn ein Fahrzeug nicht ausschließlich allein nur von einer einzigen Person benützt wird, hat der Zulassungsbesitzer, wenn er die verlangte Auskunft sonst nicht erteilen kann, entsprechende Aufzeichnungen zu führen bzw. wenn ihm dies nicht möglich ist, führen zu lassen, aus denen unverzüglich entnommen werden kann, wer jeweils das Fahrzeug gelenkt hat (vgl. VwGH 2.7.1980, 2615/79; VwSlg. 10.192; 15.5.1990, 89/02/0206). Will er das Risiko im Zeitpunkt der Anfrage nicht mehr eine (richtige) Auskunft geben zu können, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein auf ihn zugelassenes Fahrzeug gelenkt hat, so muß er eben durch das Führen entsprechenderAufzeichungen dafür Sorge tragen, daß er seiner Auskunftspflicht jederzeit ordnungsgemäß nachkommen kann (VwGH 28.1.1983, 83/02/0013).
Der Berufungswerber betreibt ein Transportunternehmen. Auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen ist er also verpflichtet Aufzeichnungen zu führen, welcher LKW bzw. Anhänger an welchem Tag von welchem Berufskraftfahrer seines Betriebes gelenkt wird. So erstattete der Berufungswerber die Lenkerauskunft, daß der Anhänger mit dem Kennzeichen MU-1 GIA am 8.10.1996 vom Dienstnehmer Manfred M gelenkt wurde. Dies wurde im nachfolgenden Verwaltungsstrafverfahren auch durch die Vorlage von Kopien des Tachographenblattes unter Beweis gestellt. Hinweise dafür, daß der LKW-Zug am 8.10.1996 von einer anderen Person als Manfred M gelenkt wurde, haben sich im gesamten Verwaltungsstrafverfahren nicht ergeben. Manfred M erklärte selbst anläßlich einer Einvernahme, daß er den LKW-Zug am 8.10.1996 gelenkt habe. Mit der Namhaftmachung von Manfred M als Lenker des Anhängers ist der Berufungswerber seiner Verpflichtung nach § 103 Abs 2 KFG nachgekommen und wurde auch der Zweck der Bestimmung erfüllt, nämlich, daß der Lenker des Fahrzeuges rasch ermittelt werden kann.
Im Ermittlungsverfahren hat sich dann herausgestellt, daß der LKW-Zug am 8.10.1996, um 16.10 Uhr, nicht gelenkt wurde, sondern offensichtlich (auf Grund der vorgelegten Tachographenscheibe) abgestellt war. Man muß dem Berufungswerber aber zu Gute halten, daß er davon ausgehen durfte, daß die Bezirkshauptmannschaft Murau in der Lenkeranfrage einen Tatort und eine Tatzeit angibt, die tatsächlich richtig ist. Der Schlußfolgerung der belangten Behörde kann keinesfalls zugestimmt werden, daß der Berufungswerber eine falsche Lenkerauskunft deswegen erteilt habe, weil sich auf Grund des Ermittlungsverfahrens herausgestellt habe, daß der LKW-Zug zum Tatzeitpunkt überhaupt nicht gelenkt worden sei. Da der Berufungswerber die ihm angelastete Tat nicht begangen hat, war seiner Berufung Folge zu geben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.