Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erik Hanel über die Berufung des Herrn Dr. Gert R, geb. am 10.5.1960, wohnhaft in G, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 21.7.1997, GZ.: III/S-161/97, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung hinsichtlich Punkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses abgewiesen, hinsichtlich Punkt 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis hinsichtlich dieses Punktes behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG werden die Kosten des Verfahrens der zweiten Instanz mit S 200,-- festgesetzt und bestimmt, daß der Berufungswerber die Strafe und die Kosten des Verfahrens der ersten und zweiten Instanz binnen vier Wochen bei sonstigem Zwang zu entrichten hat.
Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf den Betrag von S 100,--, dieser ist binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 21.7.1997, Zl. III/S-161/97, wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 13.12.1996 um 11.57 Uhr in Graz, Roseggerkai in Richtung Süden, mit dem Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen G-95 PRB,
1.) eine Einbahnstraße entgegen der durch das Hinweiszeichen nach § 53 Abs 1 Z 10 StVO angezeigten Fahrtrichtung befahren;
2.) einen Fußgänger, der den Schutzweg erkennbar benützen wollte, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht.
Wegen Übertretung der Rechtsvorschriften des § 7 Abs 5 StVO wurde über den Berufungswerber eine Geldstrafe von S 1.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO verhängt; wegen Übertretung der Rechtsvorschrift des § 9 Abs 2 StVO eine Geldstrafe von S 1.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit. a StVO verhängt und als Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der Betrag von insgesamt S 200,-- vorgeschrieben.
In seiner rechtzeitig eingebrachten Berufung führt der Berufungswerber aus, daß er sich mit seinem PKW lediglich auf Parkplatzsuche befunden habe und nur über eine kurze Distanz eine Rückfahrbewegung gemacht habe, um in weiterer Folge in eine frei werdende Parklücke einzuparken. Im Zuge einer Parkplatzsuche könne dem Kraftfahrer die Bewegung gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung nicht als Verstoß gegen die Verkehrsregeln angelastet werden. Hinsichtlich des zweiten Tatvorwurfes wurde vom Berufungswerber Verfolgungsverjährung eingewendet.
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Am 16.3.1998 hat vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat eine öffentliche, mündliche Verhandlung stattgefunden, in der der Berufungswerber als Partei vernommen worden ist, und als Zeuge GI Heinrich P von der Bundespolizeidirektion Graz zur Sache befragt wurde.
Aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens werden nachstehende Feststellungen getroffen:
Unbestritten ist davon auszugehen, daß der Berufungswerber am 13.12.1996 um 11.57 Uhr, seinen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen G-95 PRB in Graz, am Roseggerkai in Richtung Süden lenkte. Der Berufungswerber befuhr die westliche Fahrspur des Roseggerkais im Bereich der Kreuzung mit dem Josef-Pongratz-Platz und war auf der Suche nach einem Parkplatz. Er bemerkte kurz vor einem Schutzweg eine frei werdende Parklücke, brachte nach dem Schutzweg sein Auto zum Stehen, schob zurück und stellte sein Kraftfahrzeug in der frei werdende Parklücke - übrigens ein Behindertenparkplatz - ab.
Die Strecke, die der Berufungswerber entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung zurückgelegt hat, wird vom Anzeigenleger und Zeugen GI P und dem Berufungswerber verschieden angegeben:
Anhand der vom Zeugen am Tattag angefertigten Lichtbilder, die den Berufungswerber im Zuge der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vorgehalten wurden, gab dieser diese Strecke mit insgesamt ca. 28 bis 30 m an. Der Berufungswerber sei nach Ansicht des Zeugen ca. 20 m nach dem Schutzweg stehengeblieben, sei zurückgefahren und ungefähr 8 bis 10 m vor dem Schutzweg stehengeblieben und dann in die freie Parklücke eingeschwenkt.
Vom Berufungswerber wird die Zurücklegung dieser Distanz insofern bestritten, als er davon ausgeht, daß er zum Zeitpunkt des Vorfalles eine Geschwindigkeit von ca. 50 km/h eingehalten habe und sich aus dieser Geschwindigkeit der reine Reaktionsweg mit ca. 8 m und der Bremsweg bei einer mittleren Verzögerung ca. 15 bis 20 m errechnet. Der gesamte Anhalteweg errechne sich sodann mit ca. 25 m. Dies bedeute, daß er dementsprechend ca. 25 m rückwärts fahrend zurückgelegt habe.
Die rechtliche Beurteilung ergibt folgendes:
Zu Punkt 1.) des Straferkenntnisses:
Gemäß § 7 Abs 5 StVO dürfen Einbahnstraßen nur in der durch das Hinweiszeichen nach § 53 Abs 1 Z 10 StVO angezeigten Fahrtrichtung befahren werden. Dies gilt nicht für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern, die hiedurch von der Verordnung ausgenommen werden, und für Radfahrer in solchen Einbahnstraßen, die zugleich Wohnstraßen im Sinne des § 76b StVO sind. Außer in Wohnstraßen sind in diesen Fällen Leit- oder Sperrlinien zur Trennung der entgegen der Einbahnstraße fahrenden Verkehrsteilnehmer vom übrigen Fahrzeugverkehr anzubringen, sofern die Sicherheit oder Flüssigkeit des Verkehrs dies erfordern. Vorliegend handelt es sich jedenfalls bei der befahrenen Straße - Roseggerkai - um eine Einbahnstraße, die durch das Hinweiszeichen nach § 53 Abs 1 Z 10 StVO gekennzeichnet war. Beim Berufungswerber handelte es sich zweifelsohne nicht um einen Straßenbenützer, der von dieser Bestimmung durch Verordnung ausgenommen war und ebenso um keinen Radfahrer, sodaß daher für ihn diese Bestimmung anzuwenden war.
Der Berufungswerber hat nie bestritten, tatsächlich entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung gefahren zu sein, strittig blieb lediglich die zurückgelegte Distanz, wobei aber von ihm selbst diese mit ca. 25 m angegeben wurde.
Der Berufungswerber verantwortet sich dahingehend, als er vorbringt, daß im Zuge der Parkplatzsuche die Bewegung gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung einer Einbahn nicht als Verstoß gegen die Verkehrsregeln anzulasten ist. Hiezu wird von ihm ein Urteil des OLG Wien vom 28.7.1987, 23 Bs 284/87, ZVR 1988/1, zitiert. Unbeschadet dessen, daß dieses Urteil nicht auf das verfahrensgegenständliche Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, ist das Fahrmanöver des Berufungswerbers gegen die vorgeschriebene Fahrtrichtung im gegenständlichen Fall nicht als ein solches anzusehen, das im Zuge eines Einparkmanövers stattfindet. Die Zurücklegung einer Fahrtstrecke von ca. 25 m kann jedenfalls für sich genommen keinesfalls eine Rangierbewegung, die im Zuge eines Einparkmanövers auch gegen eine vorgeschriebene Fahrtrichtung vorkommt, darstellen.
Es ist zwar dem Berufungswerber zuzustimmen, daß ein kurzes Rückwärtsfahren auf einer Einbahnstraße zum Zwecke des Einparkens als zulässig erachtet wird, das Zurücklegen einer Distanz von ca. 25 m ist jedoch nicht mehr unter den Begriff des kurzen Rückwärtsfahrens zu subsumieren.
Der Berufungswerber hat daher aus den vorstehenden Gründen die ihm vorgeworfene Verwaltungsübertretung zu verantworten.
Zu Punkt 2.) des Straferkenntnisses:
Hier wurde dem Berufungswerber des weiteren zur Last gelegt, er habe einen Fußgänger, der den Schutzweg erkennbar benutzen wollte, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt bei Verwaltungsübertretungen, wie im vorliegenden Fall, sechs Monate; sie ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.
Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (z.B. Ladung, Vernehmung, Zeugenaussage, Strafverfügung).
Am 31.12.1996 erstattete RI Heinrich P an das Strafamt der Bundespolizeidirektion Graz eine Anzeige gemäß § 7 Abs 5 StVO hinsichtlich eines unbekannten Lenkers eines Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen G-95 PRB, weil er am 13.12.1996 in Graz, am Roseggerkai in Richtung Süden dieses Fahrzeug entgegen der vorgeschriebenen Fahrtrichtung gelenkt habe. Mit Strafverfügung vom 21.2.1997 wurde hiefür der Berufungswerber mit einer Geldstrafe von S 1.000,-- bestraft, wobei vom Berufungswerber diese Strafverfügung mit dem Rechtsmittel des Einspruches bekämpft wurde. Am 13.6.1997 wurde der Meldungsleger RI Heinrich P von der Bundespolizeidirektion Graz als Zeuge niederschriftlich vernommen. Im Zuge dieser Vernehmung wurde vom Zeugen erstmals ausgesagt, daß der Berufungswerber einer Fußgängerin, die offensichtlich die Absicht hatte, eine Schutzweg am dortigen Tatort zu benützen, ein ungehindertes Überqueren der Fahrbahn verwehrte. Daraufhin erließ die belangte Behörde einen Ladungsbescheid, datiert mit 13.6.1997, indem erstmals den Berufungswerber eine Übertretung des § 9 Abs 2 StVO vorgeworfen wurde. Dieser Ladungsbescheid trägt den Stempelaufdruck: Expediert am: 13.6.1997.
Fest steht, daß dieser Ladungsbescheid vom 13.6.1997 die erste taugliche Verfolgungshandlung hinsichtlich § 9 Abs 2 StVO gegen den Berufungswerber darstellt. Die Ladung des Beschuldigten stellt eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 31 Abs 1 bzw. § 32 Abs 2 VStG dar. Sie äußert jedoch nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ihre die Verfolgungsverjährung ausschließende Wirkung, sobald sie die Sphäre der Behörde verlassen hat (vgl. hiezu VwGH vom 23.4.1984, 84/02/0079, sowie vom 17.9.1986, 84/01/005 u.a.m.). Aus dem vorliegenden Akt der Behörde erster Instanz ergibt sich zwar, daß auf dem Konzept des Ladungsbescheides vom 13.6.1997 - wie bereits erwähnt - der Stempelvermerk "Expediert am 13.6.1997" angebracht ist, jedoch auch, daß der Rückschein des RSa-Briefes beim Postamt 8010 Graz am 16.6.1997 - also drei Tage später - abgestempelt und daher erst zu diesem Zeitpunkt zur Post gebracht wurde.
Daraus ergibt sich aber, daß die erste taugliche Verfolgungshandlung, die die Verfolgungsverjährung ausschließt, erst vom 16.6.1997, sohin nach Ablauf der 6-monatigen Verjährungsfrist, datiert.
Da somit innerhalb der Verjährungsfrist keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 31 VStG gesetzt wurde, war im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden.
Zur Strafbemessung ist folgendes auszuführen:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Die Bestimmung des § 7 Abs 5 StVO regelt das Fahrverhalten auf Einbahnstraßen. Diese dürfen nur in der durch das Hinweiszeichen nach § 53 Abs 1 Z 10 StVO angezeigten Fahrtrichtung befahren werden, es sei denn es werden für bestimmte Gruppen von Straßenbenützern durch Leit- oder Sperrlinien sichtbar gemachte Ausnahmen verordnet. Ein Verstoß gegen diese Norm wiegt insoferne schwer, als die Benützer von Einbahnstraßen darauf vertrauen dürfen, daß ihnen in dieser Straße keine Fahrzeuge entgegen kommen. Die Einhaltung dieser Vorschrift dient somit im besonderen Maße der Verkehrssicherheit.
Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Der Berufungsbehörde liegen weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe vor.
Unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat, sowie der bereits angeführten objektiven und subjektiven, für die Strafbemessung entscheidenden Kriterien wird die verhängte Strafe, wie sie von der Behörde erster Instanz ausgesprochen worden ist, als vertretbar angesehen, zumal sich diese bei einem Strafrahmen bis zu S 10.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall bis zu zwei Wochen Arrest) ohnehin nur im untersten Bereich des Strafrahmens bewegt. Die verhängte Strafe erscheint daher unter dem Gesichtspunkt der Erzielung spezialpräventiver Effekte, der Berufungswerber möge in Zukunft von Übertretungen derselben Art abgehalten werden, als gerechtfertigt.
§ 65 VStG ist darauf abgestellt, daß in einem Berufungsbescheid jeweils nur über eine einzige Verwaltungsübertretung und damit über die Strafe abgesprochen wird. Der Umstand, daß in einem Bescheid über mehrere Verwaltungsübertretungen entschieden wird, bedeutet daher nicht, daß ein teilweiser Erfolg eines Rechtsmittels im Fall einer von mehreren Übertretungen zu einer Anwendung des § 65 VStG auch in jenen Fällen führen muß, in welchen der Berufung hinsichtlich einer weiteren Verwaltungsübertretung keine Folge gegeben wird (VwGH 22.1.1982, 81/02/0315). Hierauf gründet sich die im Spruch vorgenommene Kostenentscheidung.