TE UVS Steiermark 1998/05/12 20.3-7/98

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Veröffentlicht am 12.05.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die am 23. Jänner 1998 eingelangte Beschwerde des Herrn Gerald P, geb. am 30. August 1978, vertreten durch Herrn Mag. Karl Pi, Sachwalter (§ 273 ABGB) in L, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 67 c Abs 1 und Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG), §§ 3, 8, 9 Unterbringungsgesetz (im folgenden UbG) und § 46 Sicherheitspolizeigesetz (im folgenden SPG), wie folgt entschieden:

Die Verbringung des Beschwerdeführers am 15. Dezember 1997 von S in das Landesnervenkrankenhaus Graz durch Gendarmeriebeamte des Postens Selzthal war rechtswidrig.

Die Bezirkshauptmannschaft Liezen als belangte Behörde hat gemäß § 79 a AVG dem Beschwerdeführer einen mit S 18.800,-- Kostenaufwand binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 22. Jänner 1998 wurde nachfolgendes vorgebracht:

Herr P Gerald war am 26.11.1997 auf die geschlossene Abteilung des LNKH GRAZ eingeliefert worden, die Anhaltung wurde vorerst bis 15.12.1997 für zulässig erklärt. Am 15.12.1997 ca. zwei Stunden vor der für den Betroffenen vorgesehenen Unterbringungstagsatzung wurde die Anhaltung für beendet erklärt und dieser auf die offene Station verlegt, weil nach Auskunft der behandelnden Ärzte eine weitere Unterbringung nach den Bestimmungen des UbG unzulässig sei, bzw. mit der Begründung daß er von der Gerichtskommission ohnehin freigelegt worden wäre. Auf die Frage des zur Unterbringungstagsatzung angereisten Beschwerdevertreters gegen 10.30, wo sich der Patient nunmehr befinde, konnte keine Auskunft gegeben werden bzw. wurde darauf hingewiesen, daß dieser offengelegt sei und grundsätzlich - Zitat: 'hingehen könne, wohin er wolle'. Hr. OA Dr. H wollte mit Hr. P aber die Notwendigkeit einer weiteren freiwilligen Behandlung - wenn auch auf der offenen Station - besprechen. Zu diesem Zeitpunkt war der Beschwerdeführer - wie sich später herausstellen sollte - nicht mehr im Bereich des LNKH. Beweis.: vorzulegende Krankengeschichte,

Zeugen: Beschwerdeführervertreter, Mag. Andrea K

pA Verein für Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft, pA

Hauptstraße 4, L

In weiterer Folge hat die Station des LNKH offensichtlich die Suche nach dem Patienten aufgenommen, weil dieser nicht auffindbar war und der Beschwerdeführer darauf hingewiesen hat, daß sich der Betroffene bisher noch niemals einer freiwilligen Behandlung unterzogen habe. Die Suche blieb ergebnislos, weshalb seitens des LNKH offensichtlich mit dem Wachzimmer Kärntnerstraße der Bundespolizeidirektion GRAZ Kontakt aufgenommen wurde und diese die Fahndung nach dem Betroffenen veranlaßt haben. Als Begründung wurde angeführt, der Patient sei lediglich in Anstaltskleidung unterwegs und laufe Gefahr, sich nicht zurecht zu finden und sich selbst zu gefährden.

Lt. meinen Informationen wurde seitens des LNKH den Beamten des Wachzimmers Kärntnerstraße zusätzlich erklärt, es liege ein richterlicher Rückholauftrag (!) vor, also offenbar der Eindruck erweckt, Hr. P sei wohl auf die offene Abteilung verlegt worden, die Anhaltung sei aber noch nicht aufgehoben worden und könne dieser deshalb jederzeit wieder zurückgeholt werden, eine Überprüfung dieser Angaben des LNKH durch die Beamten hat nicht stattgefunden. Hr. P ist tatsächlich gegen 12.20 in der Wohnung seiner Mutter in S Nr. 45 eingetroffen, er hat anschließend geduscht, sich umgezogen und in der Wohnung aufgehalten. Gegen 15.00 Uhr hat die Mutter des Betroffenen, Fr. Ida P, S 45 die Station des LNKH angerufen und diese informiert, daß sich der Beschwerdeführer wiederum zu Hause befände. Daraufhin wurde ihr mitgeteilt - von wem kann sie nicht mehr sagen -, Hr. P müsse zurück ins LNKH, sie solle die Gendarmerie oder die Rettung anrufen. Die Mutter hat dies verweigert, worauf dies offensichtlich seitens der Station veranlaßt wurde. Ca. um 15.30 Uhr sind dann zwei Beamte des Gendarmeriepostens S erschienen und haben den Beschwerdeführer wiederum ins LNKH gebracht, gegen dessen Willen bzw. ohne daß irgendeine Gefahr im Verzug gewesen wäre - die Familie saß beim Kaffee. Offensichtlich ging man davon aus, daß laut Information der Bundespolizeidirektion Graz, Wachzimmer Kärntnerstraße die Anhaltung auf der geschlossenen Station des LNKH noch zulässig sei und sich dieser unerlaubterweise entfernt habe. Eine Vorführung zu einem Distriktsarzt bzw. Amtsarzt wurde nicht durchgeführt.

Beweis.: vorzulegender AV des GP Selzthal,

Ida bzw. Karin P, S 45 als Zeugen

Am 18. Dezember wurde die Anhaltung iR der Erstanhörung seitens des Gerichtes für vorläufig zulässig erklärt, die von der Patientenanwältin aufgezeigten Umstände der Einweisung seien für diese Entscheidung nicht von Relevanz, man richte sich ausschließlich nach den Bestimmungen des UbG.

In der Folge wurde Hr. P bis einschließlich 23. Dezember 1997 auf der geschlossenen Abteilung angehalten und anschließend entlassen.

BEGRÜNDUNG

Gem. § 8 UbG darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzung der Unterbringung vorliegen. Eine ärztliche Untersuchung hat nicht stattgefunden. Lediglich die Bestimmung des § 9 Abs 2 UbG erlaubt eine Verbringung in eine Anstalt bei Gefahr im Verzug. Aus dem obigen Sachverhalt ergeben sich hiefür keinerlei Hinweise.

Ein allenfalls erfolgtes Amtshilfeersuchen durch die Anstalt wäre rechtswidrig, die Unterbringung des Patienten wurde ja zuvor aufgehoben.

Die Rückführung "freiwilliger" Patienten ist aber immer nur nach Maßgabe der §§ 8 ff UbG möglich, sie unterscheidet sich nicht von der erstmaligen Vorführung. Auch dann, wenn die Unterbringung bereits aufgehoben, der Patient jedoch innerhalb der Frist neuerlich untergebracht wurde, sind alle Verfahrensschritte lt. UbG neuerlich vorzunehmen (vgl. Kopetzky, Rz 187, OGH 3 Ob 510/1995).

§ 24 Abs 1 Z 3 SPG, wonach den Sicherheitsbehörden die Ermittlung des Aufenthaltsortes hilfloser oder fremdgefährdender Personen obliegt, nach denen "gesucht wird" enthält keine Befugnis, nach erfolgreicher Fahndung eine neuerlich zwangsweise Anstaltseinlieferung vorzunehmen."

Es wurde gemäß § 67 c Abs 2 Z 5 AVG das Begehren gestellt, daß der Beschwerdeführer dadurch, "daß er am 15.12.1997 ohne Bescheinigung nach § 8 UbG gegen seinen Willen in das LNKH Graz eingeliefert worden ist, die Einweisung und Verbringung somit rechtswidrig erfolgte, in seinem verfassungsmäßig gewährleistetem Recht auf persönliche Freiheit und in seinen aus den Bestimmungen der §§ 3, 8 und 9 UbG, sowie den §§ 22 Abs 1 und 2, 28 und 105a ÄrzteG resultierenden subjektiven Rechten verletzt worden ist" und zudem pauschal der Kostenersatz gemäß § 79 a AVG beantragt.

2. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark holte die Krankengeschichte des Beschwerdeführers vom Landesnervenkrankenhaus ein sowie den Beschluß des Unterbringungsgerichtes GZ.: 19 Ub 831/97x vom 1. Dezember 1997.

3. Die Bezirkshauptmannschaft Liezen gab am 17. April 1998 nachfolgende Stellungnahme ab:

Auf Grund der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde vom 22.1.1998 ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Gerald P wurde am 26.11.1997 nach einer Brandlegung in der elterlichen Wohnung in S Nr. 45 rechtmäßig in das LNKH Graz eingeliefert. Er war dort bis zu seinem Entweichen am 15.12.1997 untergebracht.

Nachdem im LNKH festgestellt wurde, dass der Patient verschwunden war, wurde mit dem Wachzimmer Kärntner Straße der BPD Graz Kontakt aufgenommen und die Fahndung nach dem Betroffenen veranlaßt.

Auf Grund dieser Fahndung wurde der GP Selzthal am 15.12.1997 um 14.00 Uhr vom Wachzimmer Kärntner Straße der BPD Graz telefonisch verständigt, dass der Beschäftigungslose Gerald P, geb. 30.8.1978 in Leoben, wohnhaft in S Nr. 45, von der geschlossenen Abteilung des LNKH Graz in die offene Abteilung verlegt worden war und er diese Gelegenheit nutzte, aus dem Areal des LNKH Graz zu entweichen. Weiters wurde gegenüber dem GP Selzthal angegeben, dass ein richterlicher Rückholbefehl bestehe.

Da die Möglichkeit bestand, dass der Genannte die elterliche Wohnung in S Nr. 45 aufsuchen könnte, wurde der GP Selzthal um Amtshilfe ersucht.

P wurde dann in weiterer Folge von RI K und BI R des GP Selzthal in der elterlichen Wohnung in S Nr. 45 angetroffen und aufgefordert, zum GP Selzthal mitzukommen. Anschließend wurde das Wachzimmer Kärntner Straße in Kenntnis gesetzt, dass der Entwichene aufgegriffen wurde. P wurde dann in weiterer Folge durch AI Ka und BI R vom GP Selzthal in das LNKH Graz gebracht. Eine Vorführung zu einem Distriktsarzt bzw. Amtsarzt wurde nicht durchgeführt, da laut Information der BPD Graz, Wachzimmer Kärntner Straße, die Anhaltung auf der geschlossenen Station des LNKH noch zulässig sei und sich dieser unerlaubterweise entfernt habe.

In weiterer Folge wurde P bis einschließlich 23.12.1997 auf der geschlossenen Abteilung angehalten und anschließend entlassen. Die Anhaltung wurde im Rahmen der Erstanhörung seitens des Gerichtes am 18.12.1997 vorläufig zulässig erklärt.

Dazu ist auszuführen, dass nach dem Unterbringungsgesetz eine Unterbringung durch ihre (formlose) Aufhebung beendet wird. Sei es nach der Erklärung ihrer Unzulässigkeit durch das Gericht (§ 29 Abs. 3 UBG) oder sei es ohne eine solche Erklärung bei Wegfall der Voraussetzungen für die Unterbringung nach § 32 leg. cit. Eine Unterbringung endet demnach nicht schon mit dem Entweichen des Untergebrachten aus der Anstalt.

Vielmehr hat in diesem Fall die Anstalt entsprechend der ihr übertragenen Aufgabe darauf hinzuwirken, dass der durch das Entweichen geschaffene rechtswidrige Zustand im Interesse der gebotenen Gefahrenabwehr so rasch wie möglich beendet wird. Dabei macht es keinen rechtlich relevanten Unterschied, ob der untergebrachte Kranke aus einem nicht geschlossenen Bereich innerhalb der betreffenden Anstalt oder aber von außerhalb der Anstalt in den geschlossenen Bereich zurückgebracht wird. Beides ist im Hinblick auf die Sicherungsaufgabe der Anstalt durch die ihr eingeräumte Ermächtigung gedeckt. Dieser erfaßt mangels einer Unterscheidung im Gesetz die zur Aufrechterhaltung einer Unterbringung notwendigen Maßnahmen innerhalb der Anstalt wie auch die zu ihrer Wiederherstellung im Falle des Entweichens eines Untergebrachten. Der im vorliegenden Zusammenhang relevante Unterschied besteht lediglich darin, dass die Anstalt bei der Rückbringung eines aus der Anstalt entwichenen Untergebrachten in der Regel auf die Mithilfe der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes angewiesen ist.

Gegen deren Mitwirkung bestehen im gegebenen Zusammenhang keine rechtlichen Bedenken. Eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung bedarf es hiezu schon deshalb nicht, weil sich aus der in den § 8 ff UBG normierten Ermächtigung zu zwangsweisen (erstmaligen) Verbringung in eine Anstalt kraft Größenschlusses auch die Ermächtigung ergibt, entwichene Untergebrachte über Ersuchen der betreffenden Anstalt wieder in diese zurückzubringen. Die Wiedereinbringung über Ersuchen der Anstalt ist als bloße Wiederherstellung des vom Untergebrachten eigenmächtig unterbrochenen rechtlich gebotenen Zustandes und keine Verbringung in die Anstalt im Sinne des § 8 UBG. Sie unterliegt daher nicht den Regelungen der §§ 8 ff UBG.

Bei der nachträglichen Beurteilung von Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist der Wissensstand im Zeitpunkt des Einschreitens zugrunde zu legen. Die Annahme des Vorliegens der sachverhaltsmäßigen Voraussetzungen muss zum Zeitpunkt "vertretbar" gewesen sein (VWSLG 14142 A/1994). Für die Rechtmäßigkeit der Befugnis-ausübung durch Exekutivorgane kommt es nicht darauf an, ob die gesetzlichen Voraussetzungen - ex post betrachtet - richtigerweise angenommen wurden, sondern darauf, ob das Organ ihr Vorliegen aus seiner Sicht (ex ante) vertretbar annehmen durfte.

Es ist unbestritten, dass der GP Selzthal über Ersuchen der BPD Graz tätig wurde. Am GP Selzthal war bekannt, dass P in der geschlossenen Abteilung des LNKH Graz untergebracht war. Nachdem dem GP Selzthal die Information des Wachzimmers Kärntner Straße der BPD Graz vorlag, dass P aus der Anstalt entwichen war und ein richterlicher Rückholauftrag vorliege, konnten die Beamten vom GP Selzthal davon ausgehen, dass eine Wiedereinbringung über Ersuchen der Anstalt als bloße Wiederherstellung des vom Untergebrachten eigenmächtig unterbrochenen rechtlich gebotenen Zustands vorliegt und nicht eine Verbringung in die Anstalt im Sinne des § 8 UBG. Somit bestand für die einschreitenden Beamten keine Veranlassung den Zurückzubringenden einem Distriktsarzt bzw. Amtsarzt vorzuführen. Im Übrigen wird die Ansicht vertreten, dass diese Maßnahme, weil sie über Ersuchen der Anstalt vorgenommen wurde, der Anstalt zuzurechnen ist und diese - so wie jede andere Unterbringung zu wertenden freiheitsbeschränkende Maßnahme der Anstalt - der gerichtlichen Kontrolle unterliegt wodurch im Sinne der obigen Darstellung die Zuständigkeit des UVS zur Überprüfung derartiger Maßnahmen ausgeschlossen ist.

Es wird daher beantragt die gegenständliche Beschwerde wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen, bzw. in eventu als unbegründet abzuweisen."

II.1. Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 17. April 1998, wobei die Zeugen Dr. T-W, Insp. Michael L, Abt. Insp. Ka, Bez. Insp. R, Frau Ida P und Frau Karin P, als auch unter Heranziehung der vorgelegten und eingeholten Akte und Einbeziehung des medizinischen Sachverständigen-Gutachtens, erstellt von Dr. Egon Skalka, gerichtlich beeideter Sachverständiger in Graz, wurde nachfolgender, entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt:

Der Beschwerdeführer wurde am 26. November 1997 in die geschlossene Abteilung des LNKH Graz auf Grund einer § 8 UbG-Bescheinigung des Distriktsarztes von Selzthal aufgenommen und mittels Beschluß des Unterbringungsgerichtes (GZ.: 19 Ub 831/97x) die Unterbringung bis 15. Dezember 1997 für zulässig erklärt. Am 15. Dezember 1997 wurde der Beschwerdeführer in die offene Abteilung des LNKH Graz verlegt (siehe Krankengeschichte: "Patient wird in den offenen Bereich überstellt" und vorgelegter Aktenvermerk des Unterbringungsgerichtes vom 15. Dezember 1997 datiert "AV: Ub aufgehoben"). Der Beschwerdeführer verließ sohin am Vormittag das LNKH Graz und fuhr - lediglich in Anstaltskleidung - in seine Wohnung S 45.

Auf Grund des Entweichens wurde von der Zeugin Frau Dr. T-W das Wachzimmer Kärntner Straße in Graz verständigt, mit dem Ersuchen nach dem Beschwerdeführer auf Grund des Anhaltebeschlußes zu fahnden und ihn in das LNKH zurückzubringen. Der daraufhin vom Wachzimmer Kärntner Straße verständigte Gendarmerieposten Selzthal löste eine Fahndung aus und wurde der Beschwerdeführer von Beamten des Gendarmeriepostens Selzthal bei seiner Mutter in S Nr. 45 angetroffen. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, daß ein richterlicher Rückholauftrag bestehe und kam der Beschwerdeführer der Aufforderung mitzukommen ohne Widerstand nach. Der Beschwerdeführer wurde sodann direkt mit dem Dienstwagen der Gendarmerie in das LNKH Graz verbracht. Beim Antreffen des Beschwerdeführers in S 45 verhielt sich dieser ruhig und es gab auch keine Auffälligkeiten während des Transportes.

Der in der öffentlichen, mündlichen Verhandlung beigezogene medizinische Sachverständige gab auf die Frage der Zulässigkeit der weiteren Verbringung aus medizinischer Sicht nachfolgenden Befund und Gutachten ab:

Befund:

Zum Sachverhalt (fremdanamestisch bzw. laut gegenständlicher Unterlagen): Überstellung des Beschwerdeführers aus dem geschlossenen Bereich am 15.12.1997, gegen 10.00 Uhr, somit Aufhebung der Beschränkung der Bewegungsfreiheit bzw. der Unterbringung. Grund: Voraussetzungen der Unterbringung waren nicht mehr vorgelegen. Damit konform auch das eher unauffällige Verhalten des Patienten in seinen letzten stationären Tagen, sowie die Umstellung der Medikamente: Unter anderem wurde am 11.12.1997 ein Depot-Neuroleptikum schon parenteral verabreicht, welches in aller Regel bei ambulanten Patienten mit fraglicher Therapiedisziplin appliziert wird.

Anschließend verließ der Beschwerdeführer die offene Abteilung, offenbar noch vor dem Mittagessen, und traf mit Anstaltskleidung bekleidet um die Mittagszeit bzw. am frühen Nachmittag zu Hause ein. In weiterer Folge und nach vom LNKH eingeleiteter Fahndung von zwei Gendarmen zu Hause ohne Untersuchung durch einen Distrikts- bzw. Amtsarzt via Gendarmerieposten Selzthal wieder in die Anstalt verbracht worden, wo ein neuerliche (die dritte) Aufnahme des Beschwerdeführers nach Untersuchung durch zwei Fachärzte in den geschlossenen Bereich erfolgte.

Die Aufnahmsdiagnose am 26.11.1997 lautete: Anpassungsstörung im Sozialverhalten mit mangelnder Impulskontrolle, wie

Entlassungsdiagnose vom 23.12.1997: Oligophrenie mit Neigung zu Impulshandlungen.

Zum Leiden des Beschwerdeführers:

Herr P ist mit einer geistigen Behinderung, eine organische psychische Störung bzw. ein psychischer Schwächezustand im Sinne einer Oligophrenie seit Geburt behaftet, wobei eine Verstandesleistung wie bei einer schweren Debilität mit einem IQ von 70 vorzuliegen scheint. Neben dieser Intelligenzschwäche mit kindlichem Verhalten besteht ein Hang zu gesteigerter Affektivität mit Neigung zu Affektexpansionen bzw. Aggressionshandlungen. Er ist schnell erregt, leicht reizbar, erethisch aber auch anhänglich, weinerlich, zeitweise depressiv und hat bisweilen auch Heimweh. Darüberhinaus finden sich langzeitanamnestisch Hinweise für eine intermittierende Poriomanie (Wandertrieb) und Pyromanie (Brandstiftungstrieb).

Zusammenfassend leidet der Beschwerdeführer also primär an einer geistigen Behinderung (Intelligenzminderung) und kann von einer psychischen Krankheit nur dann ausgegangen werden, wenn psychopathologische Auffälligkeiten klinisch in Erscheinung treten, wobei die manifesten Symptome sodann erst eine Diagnosestellung im Sinne einer psychischen Erkrankung implizieren.

Stellungnahme zum Erscheinungsbild des Beschwerdeführers in der elterlichen Wohnung:

Folgt man den Angaben der Zeugin, so ist der Beschwerdeführer mit Anstaltskleidung ohne Socken zu Hause eingetroffen, hat sich gebadet und umgezogen. Sein ganzes Verhalten war zu Hause durchwegs unauffällig, normal und adäquat, er wollte verständlicherweise gerne zu Hause bleiben, war aber durch entsprechendes Zureden schließlich so einsichtig, ohne Gegenwehr mit den Beamten mitzufahren.

Gutachten:

Zusammenfassend kann nach Analyse des Gesamtverhaltens, sowie des Sachverhaltes bzw. der Umstände der neuerlichen Verbringung des Beschwerdeführers in das LNKH davon ausgegangen werden, daß die Voraussetzungen der Unterbringung nach der Überstellung in den offenen Bereich, zumindest bis zur neuerlichen Aufnahmeuntersuchung in der Anstalt, zu keinem Zeitpunkt vorgelegen haben.

Insbesondere läßt sich zum Zeitpunkt der Abholung des geistig Behinderten in der elterlichen Wohnung - infolge des rezenten unauffälligen klinischen Erscheinungsbildes und Gesamtverhaltens - nicht einmal die vage Möglichkeit einer drohenden Selbst- oder Fremdschädigung konstruieren.

Hinweise für das Vorliegen einer psychischen Erkrankung in eigentliche medizinischem Sinne sind im oben angeführten Zeitraum (Überstellung ad offener Bereich - Ablieferungszeitpunkt in der Station) auch nicht zu explorieren.

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die im wesentlichen übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen, des vorliegenden Aktes als auch dem medizinischen Gutachten. Auf den Umstand, daß die Zeugin Frau Dr. T-W lediglich eine Abgängigkeitsanzeige und keinesfalls einen Rückholauftrag dem Wachzimmer Kärntner Straße erteilt haben wollte (siehe Seite 3 der Verhandlungsschrift) und es letztendlich auf Grund von Verständigungsschwierigkeiten zu einem Rückholauftrag kam, war nicht näher einzugehen, da dies für die dem Beschwerdeführer zugefügte Rechtsverletzung ohne Relevanz war. Es oblag der einschreitenden Behörde sich zu vergewissern, ob ein Rückholauftrag bestand oder lediglich eine Abgängigkeitsanzeige.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:

1. Die Beschwerde über die durch die Gendarmeriebeamten des Gendarmeriepostens Selzthal veranlaßte Verbringung des Beschwerdeführers in das Landesnervenkrankenhaus Graz wurde am 23. Jänner 1998 beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark eingebracht, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ist gegeben, da die Einweisung des Beschwerdeführers vom Gendarmerieposten Selzthal in das Landesnervenkrankenhaus Graz im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde. Soweit sich die belangte Behörde als nicht zuständig erklärte, steht dem die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 7.11.1990, 90/01/0195) entgegen, wonach die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch ein Sicherheitswacheorgan jener Behörde zuzurechnen ist, in deren Vollziehungsgewalt sie gehandhabt wurde. Der Gendarmerieposten Selzthal liegt im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Liezen und ist somit die Bezirkshauptmannschaft Liezen für das Organhandeln der Sicherheitswacheorgane zuständig. Der bereits oben angesprochene Irrtum bezüglich "Rückholauftrag - Fahndungsersuchen" geht zu Lasten der belangten Behörde und steht es dieser frei, sich beim etwaigen Verursacher schadlos zu halten bzw. pro futuro eine Vorgangsweise zu wählen, die derartige Fehlinformationen ausschließt.

2. Gemäß § 3 UbG darf in einer Anstalt nur untergebracht werden, wer

1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und

2. nicht in andere Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann. Gemäß § 8 leg. cit. darf eine Person gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden, wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

Der § 9 Abs 1 UbG normiert, daß die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes berechtigt und verpflichtet sind, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzung der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzung der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen. Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

Gemäß § 46 Abs 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, daß sie an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen. Weiters sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt. Auf Grund der Zeugenaussage von Frau Dr. T-W steht fest, daß der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des Verlassens des LNKH Graz freiwillig nach dem UbG in der Anstalt war

unfreiwillige Anhaltung mittels Gerichtsbeschluß geendet hat. In einem derartigen Fall müssen neuerlich die Voraussetzungen der Unterbringung im Sinne des § 3 UbG vorliegen und geht daher die belangte Behörde mit ihrer Argumentation fehl, daß die Wiedereinbringung über Ersuchen der Anstalt nicht als bloße Wiederherstellung des vom Untergebrachten eigenmächtig unterbrochenen rechtlichen Zustandes und keine Verbringung in eine Anstalt im Sinne des § 8 UbG darstellt". Aus dem eingeholten medizinischen Gutachten geht hervor, daß "nicht einmal die vage Möglichkeit einer drohenden Selbst- oder Fremdschädigung" vorlag und dies auch für einen medizinischen Laien - wie die Gendarmeriebeamten es sind - erkennbar gewesen sein muß. Die irrige Annahme, daß ein Rückholauftrag vorliegt, geht - wie obn ausgeführt - zu Lasten der belangten Behörde. Auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer bei seiner Zurückbringung am 15. Dezember 1997 nachträglich in den geschlossenen Bereich aufgenommen wurde, kann die Verbringung in concreto nicht rechtmäßig erscheinen lassen, da das Zustandsbild des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt seines Antreffens "unauffällig, normal und adäquat" war (siehe medizinisches Gutachten Seite 10 der Verhandlungsschrift). Eine Fahndung nach einer Person im Sinne des § 24 Abs 1 Z 3 SPG schließt keinesfalls einen Rückholauftrag in sich.

Es war somit die durchgeführte Verbringung des Beschwerdeführers am 15. Dezember 1997 in das LNKH Graz ohne jegliche Grundlage und daher rechtswidrig, da auch kein wie immer gearteter Anhaltspunkt ex ante im Sinne der gesetzlichen Grundlagen vorlag.

3. Als Kosten wurden gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung UVS BGBl. Nr. 855/1995 dem Beschwerdeführer ein Betrag von S 18.800,-- zugesprochen. Dem Beschwerdeführer gebührt S 8.400,-- an Schriftsatzaufwand und S 10.400,-- an Verhandlungsaufwand.

Schlagworte
Unterbringung Rückholung Fahndung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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