TE UVS Steiermark 1998/05/15 30.12-18/98

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Veröffentlicht am 15.05.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn DI Meinhard L, vertreten durch Dr. Helmut F und Dr. Birgit F, Rechtsanwälte in L, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 04.12.1997, GZ.: 15.1 1996/2891, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen.

Hinsichtlich der Strafhöhe wird der Berufung dahin Folge gegeben, daß die Geldstrafe auf S 3.000,-- (Ersatzarrest 12 Stunden) herabgesetzt wird.

Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verfahren der ersten Instanz auf S 300,--.

Dem Berufungswerber wird aufgetragen, den Kostenbeitrag und die Geldstrafe binnen vier Wochen bei Exekution zu bezahlen. Der Spruch des Straferkenntnisses wird in der Sachverhaltsumschreibung insofern korrigiert, als das Wort Gesellschafter in der vierten Zeile durch das Wort Geschäftsführer ersetzt wird.

Weiters wird ausgesprochen, daß die Verhängung der Ersatzarreststrafe aufgrund des § 16 VStG erfolgte. Der übrige Spruch bleibt unberührt.

Text

Die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft Liezen) als erste Instanz bestrafte den nunmehrigen Berufungswerber wegen Verletzung des § 35 Abs 1 Bauarbeiterschutzverordnung - BauV, verhängte nach § 130 Abs 1 Z 15 Arbeitnehmerschutzgesetz - ASchG eine Geldstrafe von S 6.000,-- (Ersatzarrest 24 Stunden) und warf ihm sachverhaltsmäßig mit Straferkenntnis folgendes vor:

Er sei als handelsrechtlicher Gesellschafter der BAU - P Baugesellschaft m.b.H. mit Sitz in Rottenmann dafür verantwortlich, daß am 08.05.1996 den auf der Baustelle Liezen, Pyhrnstraße 5, beschäftigten fünf Arbeitnehmern weder auf dieser Baustelle noch in deren Nähe eine entsprechend ausgestattete Abortanlage zur Verfügung gestanden sei, die den diesbezüglichen sanitären Anforderungen entsprochen habe.

Der Beschuldigte berief mit folgender Begründung:

Der Bescheid sei rechtswidrig, da es die belangte Behörde unterlassen habe, den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. § 35 Abs 1 BauV sei nicht verletzt worden, da auf der Baustelle den fünf Arbeitnehmern in unmittelbarer Nähe die Toilettenanlage der Familie Heinz O, Pyhrnstraße 3, Liezen, zur Benützung zur Verfügung gestanden sei, die den diesbezüglichen sanitären Anforderungen entsprochen habe.

Bescheinigungsmittel: DI Meinhard L und Heinz O.

Es werde der Antrag gestellt, den Bescheid aufzuheben, in eventu die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 30.04.1998 und 07.05.1998 und vernahm den Berufungswerber als Partei sowie den Arbeitsinspektor, Herrn Ing. Hannes H, Herrn Heinz O und die Arbeitnehmer der BAU - P Baugesellschaft m.b.H., Herrn Norbert H (Polier), Herrn Ing. Gerhard L (Bauleiter) sowie Manfred F (Vorarbeiter), als Zeugen. Aufgrund der Beweisergebnisse gelangt die Berufungsbehörde zu folgende Feststellungen:

Die BAU - P Baugesellschaft m.b.H. hat ihren Sitz in Rottenmann und wird durch den Berufungswerber als handelsrechtlichen Geschäftsführer vertreten. Sie begann im März 1996 in Liezen, Pyhrnstraße 3, mit der Ausführung eines Bauauftrages und beschäftigte auf dieser Baustelle fünf Arbeitnehmer. Die Arbeitszeit auf der Baustelle dauerte von 07.00 Uhr bis 16.30 Uhr. Herr Manfred F war Vorarbeiter, Herr Norbert H Polier und Herr Ing. Gerhard L Bauleiter. Das benachbarte Haus Pyhrnstraße 3 gehört Herrn Heinz O, welcher dort ein Foto-Geschäft betreibt. Der Bauherr des Objektes Pyhrnstraße 5 hatte mit der Familie O eine Vereinbarung getroffen und die Zustimmung zum Bau unter der Voraussetzung erhalten, daß er die im Haus Pyhrnstraße 3 notwendigen Adaptierungsarbeiten im Stiegenhaus auf eigene Kosten durchführt. Diese Adaptierungsarbeiten wurden durch die BAU - P Baugesellschaft m. b.H. gemacht, weshalb es sich für diese (bei beiden Objekten) nur um eine einzige Baustelle handelte, die dem Arbeitsinspektorat Leoben gemeldet wurde.

Am 08.05.1996 stand den Arbeitnehmern der BAU - P Baugesellschaft m.b.H. auf der Baustelle oder in deren Nähe keine entsprechende Abortanlage zur Verfügung. Mit Heinz O war zu diesem Zeitpunkt keine Vereinbarung über eine Toilettenbenützung getroffen worden. Die öffentliche Toilettenanlage am Hauptplatz in Liezen war ca. 340 m von der Baustelle entfernt.

Der Sachverhalt stützt sich auf folgende Beweismittel:

Die die BAU - P Baugesellschaft m.b.H. betreffenden Angaben ergeben sich aus dem Firmenbuchauszug, die Durchführung der Bauarbeiten und die Stellung der einzelnen Arbeitnehmer ergeben sich aus der Aussage des Berufungswerbers. Der Beginn der Bauarbeiten ergibt sich aus der Aussage des Zeugen Norbert H (März 1996). Ing. Gerhard L sagte aus, die Baustelle habe erst im April begonnen, Manfred F sagte aus, die Baustelle dürfte im März, vermutlich Ende März, 1996 begonnen worden sein. Es ist hier der Aussage des Poliers Norbert H, die sich im übrigen im wesentlichen mit jener des Vorarbeiters deckt, zu folgen, wonach die Bauarbeiten im März (und nicht erst im April) 1996 begonnen wurden. Daß auf der Baustelle keine entsprechend ausgestattete Abortanlage vorhanden war, wurde durch den Arbeitsinspektor Ing. Hannes H bei einer Baustellenkontrolle am 08.05.1996 festgestellt. Nach der glaubwürdigen Aussage dieses Zeugen wurde ihm vom Vorarbeiter F gesagt, daß den Arbeitnehmern (nur) das öffentliche WC in Liezen zur Verfügung stehe.

In der Berufung wurde behauptet, mit Heinz O, Pyhrnstraße 3, sei die Benützung der Toilettenanlage vereinbart gewesen. Die diesbezügliche schriftliche Vereinbarung vom 15.04.1996 (Beilage ./A bzw. ./C) wurde jedoch erst beim Verhandlungstermin vom 30.04.1998 vom Berufungswerber vorgelegt. Sie weist, wie angeführt, das Datum 15.04.1996 auf. Als Absender ist Jakob O (der 1995 verstorbene Vater des Herrn Heinz O) ausgewiesen, unterschrieben wurde sie von Herrn Heinz O. Wer dieses Schreiben verfaßt hat, war nicht feststellbar. Es weist folgenden Inhalt auf:

Sehr geehrter Herr Ing. L!

Ich bestätige Ihnen hiermit schriftlich, daß die von Ihnen beschäftigten Arbeitnehmer für die Dauer der Bauzeit meine WC-Anlagen im Objekt Pyhrnstraße 3 benützen dürfen.

Für erforderliche Reinigungsarbeiten und dergleichen werden Sie zur Gänze aufkommen. Sollte dies nicht der Fall sein, wird die Reinigung meinerseits durchgeführt und die anfallenden Kosten Ihnen in Rechnung gestellt.

Ich ersuche Sie, als Zeichen Ihres Einverständnisses ein Exemplar dieses Schreibens zu unterfertigen und an mich zu retournieren. Nach der Aussage des Herrn Heinz O hat Herr Ing. L die Erklärung verfaßt. Nach der Aussage des Letzteren aber hat Heinz O sie verfaßt. Im Schreiben ist von meinen WC-Anlagen die Rede. Im Haus Pyhrnstraße 3 sind tatsächlich zwei WCs vorhanden, das eine im Erdgeschoß, zum Geschäftsbereich gehörig und durch den Verkaufsraum und das Atelier erreichbar. Im ersten Geschoß liegt die Wohnung der Mutter des Herrn Heinz O, zu der auch ein WC gehört. Läßt nun das Schreiben selbst offen, welches der beiden WCs oder ob beide WCs benützt werden durften, sagten Herr Ing. L, Herr Manfred F und Herr Norbert H aus, es sei die Benützung des WCs im ersten Stock vereinbart gewesen. Im Gegensatz dazu sagte Herr Heinz O aus, er hätte es den Arbeitnehmern nicht gestattet, in die Wohnung seiner Mutter im ersten Stock zu gehen. Dies ist ein eklatanter Widerspruch im zentralen Punkt der angeblichen Vereinbarung. Aber auch bezüglich des Zeitpunktes der Verfassung des Schreibens ist zu bemerken, daß Herr Ing. L angab, dieses Schreiben sei verfaßt worden, als er vom Arbeitsinspektorat wegen des Baustellen-WCs schriftlich aufgefordert worden sei. Laut Beilage ./B wurde das Schreiben vom 15.04.1996 dem Arbeitsinspektorat Leoben mit Schreiben der BAU - P Baugesellschaft m.b.H. vom 28.05.1996 übermittelt. Damit wäre nach der Angabe des Herrn Ing. L das Schreiben vom 15.04.1996 somit erst nach dem 08.05.1996 verfaßt worden.

Laut Heinz O konnte die Toilette im Erdgeschoß nur während der Öffnungszeiten des Foto-Geschäftes von 08.00 Uhr bis 12.00 Uhr und 14.45 Uhr bis 18.00 Uhr, nicht aber in der Mittagspause, von den Arbeitnehmern benützt werden.

Schließlich divergieren die Aussagen auch dahin, als Herr Norbert H angab, daß die Einrichtung des Baustellen-WCs zur Einrichtung der Baustelle und damit zu seinem Aufgabenbereich gehört habe und daß er die WC-Benützung mit Herrn Heinz O vereinbart hatte, während Letzterer sich an den Polier und eine Vereinbarung mit ihm nicht erinnern konnte, aber ebenso wie Ing. L aussagte, daß die Vereinbarung mit diesem - und nicht mit dem Polier - getroffen worden sei. Es konnte daher nicht bewiesen werden, daß den Arbeitnehmern der BAU - P Baugesellschaft m.b.H. die Toiletten im Haus Pyhrnstraße 3 zur Verfügung standen. Insbesondere konnte das Schreiben vom 15.04.1996 diesen Beweis nicht erbringen. Eine Vernehmung der Mutter des Herrn Heinz O erschien entbehrlich angesichts der Aussage des Herrn Heinz O, daß er keine Arbeitnehmer in den ersten Stock hinaufgelassen hat. Die Entfernung der öffentlichen Toilettenanlage am Hauptplatz in Liezen von der Baustelle ergibt sich aus dem Schreiben der Stadt Liezen, Baurechtsamt, vom 04.05.1998.

Rechtsbeurteilung:

Nach § 35 Abs 1 BauV müssen auf jeder Baustelle oder in deren Nähe den Arbeitnehmern entsprechend ausgestattete Abortanlagen zur Verfügung stehen, die den diesbezüglichen sanitären Anforderungen entsprechen und mit Wasserspülung oder einer gleichwertigen Ausstattung versehen sind.

Wie sich aus den Sachverhaltsfeststellungen ergibt, stand den Arbeitnehmern keine Abortanlage im Haus des Heinz O, Pyhrnstraße 3, zur Verfügung.

Zwar nicht vom Vorbringen in der Berufung umfaßt, aber aus den Aussagen einzelner Zeugen ergab sich, daß die öffentliche WC-Anlage am Hauptplatz in Liezen den Arbeitnehmern als entsprechend ausgestattete Abortanlage in der Nähe der Baustelle zur Verfügung stand. Bei einer Entfernung des öffentlichen WCs von 340 m von der Baustelle dauert der Fußweg jeweils mindestens fünf Minuten für den Hinweg und den Rückweg, woraus sich im Durchschnitt eine ca. 15- minütige Abwesenheit von der Baustelle für den Gang zum WC ergibt. Es wird im Tatbestand zwar keine unmittelbare Nähe der Abortanlage zur Baustelle verlangt, jedoch scheint die angeführte Distanz im Zusammenhang mit der Dauer des Fußweges das Tatbestandsmerkmal der Nähe nicht zu erfüllen, zumal sich bei einem mehrmaligen Gang eines Arbeitnehmers zur Toilette die hiefür aufgewendete Zeit täglich so summieren würde, daß die Arbeitszeit empfindlich verkürzt würde, was den Arbeitgeber zu einem entsprechenden Druck auf die Arbeitnehmer veranlassen könnte. Ungeachtet der Unterlassung eines entsprechenden Vorbringens konnte daher die öffentliche Toilette in Liezen - schon aus dem einen Grund der zu großen Distanz von der Baustelle, bei Außerachtlassung der übrigen Voraussetzungen - die Anforderungen nicht erfüllen.

Es liegt somit ein Verstoß gegen § 35 Abs 1 BauV vor, für den der handelsrechtliche Geschäftsführer haftet.

Die Überprüfung der Strafbemessung ergab folgendes:

Nach § 130 Abs 1 Z 15 ASchG begeht, wer als Arbeitgeber entgegen diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen die Verpflichtungen betreffend die Einrichtung und den Betrieb von Arbeitsstätten oder Baustellen einschließlich der Sozial- und Sanitäreinrichtungen verletzt, eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von S 2.000,-- bis S 100.000,--, im Wiederholungsfall mit Geldstrafe von S 4.000,-- bis S 200.000,--, zu bestrafen ist. Im vorliegenden Fall ist der erste von S 2.000,-- bis S 100.000,-- reichende Strafsatz anzuwenden.

Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.

Es liegt hier eine Verletzung der sanitären Vorkehrungen auf einer Baustelle vor, durch welche fünf Arbeitnehmer betroffen waren. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die belangte Behörde vermerkte im Bescheid als mildernd nichts und als erschwerend eine einschlägige rechtskräftige Verwaltungsstrafvormerkung. Die Letztere ist dem Vorstrafenausdruck nicht zu entnehmen, da aufgrund eines Bescheides vom 03.01.1994 wegen Verletzung des § 68 Abs 4 Bauarbeiterschutzverordnung eine Einstellung des Verfahrens erfolgte, die anderen Verletzungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften - abgesehen von hier nicht einschlägigen Verletzungen von arbeitszeitrechtlichen Vorschriften - aber erst nach der Tatzeit rechtskräftig wurden. Somit entfällt der Erschwerungsgrund.

Das Verschulden ist als fahrlässig zu beurteilen, da keine entsprechende Glaubhaftmachung im Sinne des § 5 Abs 1 VStG betreffend das Fehlen eines Verschuldens erfolgt ist.

Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse:

Monatliches Einkommen: S 60.000,-- brutto, 25-%-Anteil an der Firma Pa (Stammkapital insgesamt S 5 Mio.), Sorgepflichten für drei Kinder, keine privaten Belastungen.

Wegen Entfall des Erschwerungsgrundes konnte die Geldstrafe auf S 3.000,-- (Ersatzarrest 12 Stunden) herabgesetzt werden. Das Straferkenntnis war im Sachverhaltsbereich durch Ersatz des Wortes Gesellschafter durch Geschäftsführer zu korrigieren. Die Berufung war dem Grunde nach abzuweisen, bezüglich der Strafhöhe war ihr im angeführten Ausmaß Folge zu geben.

Schlagworte
Baustelle Abortanlage Nähe
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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