Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn Robert P, geb. am 2.4.1966, vertreten durch die Rechtsanwaltssozietät E - H - N - F & Partner in G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 9.2.1998, GZ.: 15.1-1997/14668, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 27.9.1997, um 01.15 Uhr, in Peggau, auf der A 9, Höhe Strkm. 165,500 in Richtung Spielfeld, als Lenker des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen (D) S-RP466 (Pkw) die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h erheblich überschritten und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs 2 StVO 1960 begangen.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn gemäß § 99 Abs 3 a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (im Falle deren Uneinbringlichkeit fünf Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und im wesentlichen Mangelhaftigkeit des Verfahrens insofern geltend gemacht, als keinerlei Sachverständigenfeststellungen bezüglich des Meßgerätes, mit dem die erhebenden Beamten die behauptete Geschwindigkeitsüberschreitung festgestellt haben wollen, getroffen wurden. Den Wahrnehmungen des Berufungswerbers nach, sei die Geschwindigkeitsfeststellung nicht mit einem entsprechend geeichten Gerät erfolgt. Ein Nachfahren mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h wäre fast überhaupt nicht möglich gewesen. Im übrigen gebe es keinerlei Meßstreifen etc. Nach den Erklärungen der einschreitenden Beamten sei die Feststellung der Geschwindigkeitsüberschreitung lediglich über den Tachometer des Gendarmeriefahrzeuges erfolgt. Schließlich sei der dem Berufungswerber zur Last gelegte Sachverhalt unzulänglich konkretisiert, da eine ziffernmäßige Bestimmung der angeblich eingehaltenen Fahrgeschwindigkeit fehle. Der Vorwurf einer erheblichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit sei unzulänglich und dürfe nicht zu einer Verurteilung führen, weshalb beantragt werde, das Straferkenntnis aufzuheben, das Strafverfahren einzustellen, in eventu der Behörde I. Instanz die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Zufolge dieses Vorbringens wurde eine öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark für den 12.5.1998 anberaumt, zu der neben dem Berufungswerber über dessen ausgewiesenen Vertreter auch die Beamten RI. G und RI. L des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark - Verkehrsabteilung, als Zeugen geladen wurden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Während das durchgeführte Ermittlungsverfahren grundsätzlich ergab, daß der Berufungswerber die zulässige Höchstgeschwindigkeit jedenfalls erheblich überschritten hat, war auf die diesbezüglich gewonnenen Verfahrensergebnisse aus nachstehenden Erwägungen nicht mehr näher einzugehen und das Verfahren demnach einzustellen:
Dem Berufungswerber wurde im Zuge des gesamten erstinstanzlichen Verfahrens eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs 2 StVO vorgehalten, wobei das konkrete Tatbild in der eingangs der Begründung näher angeführten Form beschrieben wurde. Seitens der erkennenden Behörde ist jedoch in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, daß vor allem im Hinblick auf die Tatzeit (hier 1:15 Uhr) aber auch den Tatort zutreffendenfalls eine Verwaltungsübertretung des § 1 lit c der Verordnung des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 2.11.1989 (BGBl. Nr. 527/1989) über Geschwindigkeitsbeschränkungen auf bestimmten Autobahnen zur Nachtzeit vorliegt.
Zufolge der angeführten Bestimmung wurde aufgrund des § 43 Abs 1 und 2 lit a StVO 1960 unter anderem nämlich auch für die Pyhrnautobahn A 9 im gesamten Bereich - ausgenommen die nicht verfahrensrelevanten Bosruck- und Gleinalmtunnel - in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr die erlaubte Höchstgeschwindigkeit für die Lenker der übrigen Kraftfahrzeuge (hier: Pkw) mit 110 km/h festgesetzt.
Dem Berufungswerber wurde aber weder generell eine Verwaltungsübertretung der zitierten Verordnung vorgehalten, noch im speziellen ihm gegenüber jemals der Vorwurf einer Überschreitung der auf den Tatort und die konkrete Tatzeit bezugnehmenden höchstzulässigen Geschwindigkeit von 110 km/h erhoben. Der Berufungsbehörde ist es nunmehr aber verwehrt - allenfalls auch unter Verwendung der Ergebnisse der Berufungsverhandlung -, eine Änderung des Spruchs vorzunehmen. Neben der Frist des § 31 Abs 2 VStG, die bereits abgelaufen ist, zu der aber auch das Verbot einer reformatio in peius kommt, welches verletzt werden würde, wenn dem Berufungswerber jetzt (erstmals) vorgehalten werden müßte, die auf Autobahnen erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h und nicht jene von 130 km/h (jeweils unter Berücksichtigung des Tatortes und der Tatzeit) überschritten zu haben, kommt schließlich als weiteres Argument vor allem noch folgendes hinzu:
Die verordnete Höchstgeschwindigkeit von 110 km/h drängt die in § 20 Abs 2 StVO normierte (ansonsten) auf Autobahnen generell zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h zurück, weshalb diese Höchstgeschwindigkeit ausdrücklich bei der Tatbildumschreibung anzuführen ist. So ist die ziffernmäßige Angabe der erlaubten Höchstgeschwindigkeit (hier: 110 km/h) als wesentliches Tatbestandsmerkmal einer Verwaltungsübertretung der zitierten Verordnung erforderlich (vgl. sinngemäß VwGH 8.11.1985, 85/18/0069; 20.1.1988, 87/03/0197).
Somit wäre im Sinne der vorigen Ausführungen eine Spruchkorrektur eine unzulässige Auswechslung der Tat, wozu die Berufungsbehörde nach § 66 Abs 4 AVG aber nicht berechtigt ist (siehe VwGH 27.9.1962, Slg. 5871A, 15.3.1979, 3055/78 u.a.).
Da der Berufungswerber somit die ihm im angefochtenen Bescheid der belangten Behörde angelastete Verwaltungsübertretung nicht begangen hat, war unter Hinweis auf § 45 Abs 1 Z 2 VStG spruchgemäß zu entscheiden.