Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien entscheidet durch Mag Lammer als Vorsitzende, Dr Osinger als Berichter und Dr Maukner als Beisitzer über die von Herrn Wilhelm V, vertreten durch Rechtsanwälte, erhobene Berufung gegen das vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 23. Bezirk, wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1994 erlassene Straferkenntnis vom 4.2.1997, Zl MBA 23 - S 13229/96:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und die Verfahrenseinstellung gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG verfügt.
Gemäß § 65 VStG entfällt demgemäß die Vorschreibung eines Berufungskostenbeitrages.
Begründung:
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgende Tatanlastung:
"Sie haben als gewerberechtlicher Geschäftsführer der A-Aktiengesellschaft zu verantworten, daß diese Gesellschaft mit Sitz in N vom 17.6.1996 bis zumindest 6.11.1996 in ihrer weiteren Betriebsstätte (1 Fleischzerlegeraum ca 10 m2, und ein daran anschließender Kühlraum, ca 8 m2) in Wien, A-Straße eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage ohne die erforderliche Genehmigung betrieben hat, wobei am 6.11.1996 folgende Geräte in dieser Betriebsanlage objektiviert wurden, nämlich eine elektrische Handknochensäge, Marke F Typ K 18-01, eine Standknochensäge Marke L, eine eltronische Waage Marke B, eine Vakuummaschine Typ K, ein Kunststoffhackstock und eine Kunststoffzerlegefläche, welche in einen Nirostatisch eingebaut ist, welche geeignet sind Nachbarn durch Lärm zu belästigen, obwohl das Betreiben einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage gesetzlich zwingend verboten ist."
Dadurch sei die Rechtsvorschrift des § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1994 verletzt worden, weswegen über den Beschuldigten eine Strafe von S 37.000,-- oder 8 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 366 Einleitung GewO 1994 verhängt und der gesetzliche Verfahrenskostenbeitrag erster Instanz vorgeschrieben wurde. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der strafbare Tatbestand sei von der MA 59 angezeigt worden und es habe der Beschuldigte die Tat ohne Angabe näherer Gründe bestritten und die zeugenschaftliche Einvernahme des Anzeigelegers beantragt, doch hätte die unsubstantiierte Bestreitung des Sachverhaltes die auf persönlicher Wahrnehmung beruhenden Angaben des unter Diensteid stehenden Organes nicht zu entkräften vermögen. Gründe für mangelndes Verschulden seien nicht genannt worden und auch sonst nicht ersichtlich. Es folgen Ausführungen zu Strafbemessung. Dagegen richtet sich die vorliegende, fristgerecht eingebrachte Berufung, mit der die Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung, das Beheben des angefochtenen Straferkenntnisses und die Verfahrenseinstellung, hilfsweise die Herabsetzung der verhängten Strafe beantragt werden und (abgesehen von Ausführungen zur Verletzung von Verfahrensvorschriften, mangelndem Verschulden des Rechtsmittelwerbers und zur Frage der Strafbemessung) im wesentlichen ausgeführt wird, daß mit Bescheid der Erstbehörde vom 11.7.1996, Zl MBA 23 - Ba 6040/96, der Bi-GesmbH rechtskräftig die Genehmigung der Änderung der Betriebsanlage im Standort Wien, A-Straße erteilt worden sei, welcher Bescheid den im Straferkenntnis angeführten Fleischarbeitsraum und sämtliche inkriminierten Maschinen umfasse, welcher Bescheid zufolge der dinglichen Wirkung einer Betriebsanlagengenehmigung unabhängig von der Person des Betriebsinhabers gelte, sodaß der Sachverhalt nicht rechtswidrig sei.
Der Berufung war aus folgenden Gründen stattzugeben:
Angelastet wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1994.
Gemäß § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.
Nach der Tatumschreibung handelt es sich bei den im gegenständlichen Fall als nicht genehmigte Betriebsanlage angelasteten Anlagen um zwei zusammen 18 m2 große Räume zur Ausübung des Fleischergewerbes, dieses nach der Umschreibung der Räume und vorhandenen Geräte erkenntlich eingeschränkt auf das Zerlegen bzw Vorbereiten von (nach der dem Straferkenntnis zugrundliegenden Anzeige der MA 59 vom 14.11.1996) im Kühlraum gelagertem Fleisch.
Dem Betriebsanlagenakt ist zu entnehmen, daß mit dem an die K-genossenschaft Wien gerichteten Bescheid der Erstbehörde vom 30.8.1996, GZ: MBA XXIII - Ba 5175/1/66, im gegenständlichen Standort ein Selbstbedienungsladen zur Ausübung des Gemischtwarenhandels und Kleinverkaufs von frischem, dort näher angeführtem Fleisch, genehmigt wurde. Im Plan der Betriebsanlage sind ein Kühlhaus und ein damit in Verbindung stehender Vorbereitungsraum eingezeichnet, die von einem an den Verkaufsraum anschließenden Magazin abgetrennt sind und jeweils über Ausgänge in den Feinkostbereich des Verkaufsraumes verfügen. Mit Bescheid der Erstbehörde vom 11.7.1996, Zl MBA 23 - Ba 6040/96, wurde über Ansuchen der Bi-GesmbH eine Änderung der mit dem erstgenannten Bescheid genehmigten Betriebsanlage im gegenständlichen Standort genehmigt. Plan Nr 1 zu dem letztgenannten Bescheid läßt sich entnehmen, daß die beiden vorgenannten Räume von der Vorderseite des Lagers (angrenzend an den Verkaufsraum) an die Rückseite des Lagers verlegt wurden. Die im Fleischarbeitsraum aufgestellten Geräte sind teilweise in der amtlichen Betriebsbeschreibung zu diesem Bescheid, im einzelnen aber in der Beilage Nr 9 zu diesem Bescheid, dessen zweiter Abschnitt "Fleischabteilung (A)" lautet, aufgezählt. Sämtliche im angefochtenen Straferkenntnis angeführten Geräte finden sich in der zuletzt genannten Geräteliste.
Rechtlich ergibt sich folgendes:
Wesentlich zur Beurteilung des gegenständlichen Sachverhaltes sind
zwei Momente:
1. Aus der dinglichen Wirkung von Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden (§ 80 Abs 5 GewO 1994) ergibt sich, daß Genehmigungen für eine gewerbliche Betriebsanlage nicht mehrfach nebeneinander erteilt werden können (etwa VwGH 23.11.1993, 91/04/0205).
2. Anlagen, die einen notwendigen Bestandteil eines Projektes (einer umfassenden Betriebsanlage bilden) bzw bei denen ein untrennbarer örtlicher und einrichtungsbezogener Zusammenhang mit einer solchen (Gesamt)Betriebsanlage besteht, können nicht Gegenstand eines selbständigen
Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens gemäß § 74 GewO 1994 sein (in diesem Sinne VwGH 31.3.1992, 91/04/0267 und vom 30.10.1990, 90/04/0143).
Daraus folgt:
Waren Anlagen bereits einmal Gegenstand (Inhalt) eines Betriebsanlagengenehmigungsbescheides, sei es auch in "anderer" Art und Weise als sie sich aktuell darstellen (das heißt, selbst wenn sie sich bloß als "Änderung" dieses Konsenses im Sinne des § 81 GewO 1994 darstellen), so besteht keine Rechtsgrundlage, diese Anlagen als gesonderte, der Genehmigungspflicht gemäß § 74 GewO 1994 unterliegende Betriebsanlage anzusehen, was im Falle, daß zwischen den zu beurteilenden Anlagen(teilen) und dem übrigen bestehenden Konsens ein untrennbarer örtlicher und einrichtungsbezogener Zusammenhang besteht, selbst dann gilt, wenn die zur Beurteilung anstehenden Anlagen(teile) vom Inhaber der bestehenden Betriebsanlagengenehmigung (des Konsenses) allenfalls im Wege einer Teilauflassung der Genehmigung (§ 83 GewO 1994) rechtlich "verselbständigt" worden sein sollten.
Da die im gegenständlichen Fall zu beurteilenden beiden Räume über einen Ausgang lediglich in das Lager der mit den vorgenannten Bescheiden genehmigten Betriebsanlage (nunmehr Bi-Filiale) verfügen und auch hinsichtlich der Versorgung mit Energie etc ebenso Teil der gesamten Betriebsanlage sind, wie auch vom Betriebsablauf her die dortigen Arbeiten lediglich unselbständiger Teil der in der übrigen Betriebsanlage entfalteten Verkaufstätigkeit sind, ist davon auszugehen, daß es sich bei diesen Räumen um solche handelt, die in einem "notwendigen" Zusammenhang mit der übrigen Betriebsanlage stehen, sodaß der Vorwurf, diese Anlagen(teile) würden eine selbständige Betriebsanlage darstellen, welche gemäß § 74 GewO 1994 einer separaten Genehmigung bedürfe, weswegen mangels Vorliegen einer solchen Genehmigung der Straftatbestand des § 366 Abs 1 Z 2 GewO 1994 erfüllt sei, hier nicht zu Recht erhoben werden durfte. Es war somit der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Verfahrenseinstellung gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zu verfügen.