Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn Alfred S, geb. am 19.12.1964, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Johann P, in M, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 29.04.1997, GZ.: 15.1 1997/4497 wie folgt entschieden:
Der Berufung wird gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) in Verbindung mit dem § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) Folge gegeben, und das bekämpfte Straferkenntnis dahingehend abgeändert, als daß unter Anwendung der Strafbestimmung des § 99 Abs 3 lit. a StVO über den Berufungswerber gemäß § 19 VStG die Geldstrafe mit S 500,-- (im Uneinbringlichkeitsfalle 5 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) neu festgesetzt wird.
Dadurch vermindert sich der Kostenbeitrag für das Verwaltungsstrafverfahren erster Instanz auf den Betrag von S 50,--; dieser Betrag ist - ebenso wie die Geldstrafe - binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu ersetzen.
I.) Mit der Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 07.04.1997 wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 10.02.1997 um 03.22 Uhr in 8700 Leoben, auf der S 6 auf Höhe des StrKm 86,625, in Fahrtrichtung Bruck a.d. Mur als Lenker des Sattelkraftfahrzeuges Aufleger Kennzeichen BR-ATP 55 die für Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7.500 kg die in der Zeit von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 10 km/h überschritten.
Wegen Übertretung der Rechtsvorschrift des § 42 Abs 8 StVO verhängte die Behörde unter Anwendung der Strafbestimmung des § 99 Abs 2a StVO über den Berufungswerber eine Geldstrafe von S 3.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfalle 5 Tage Ersatzfreiheitsstrafe). Mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis gab die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung dem Einspruch des Herrn Alfred S gegen die oben genannte Strafverfügung, mit dem er die Herabsetzung der dort ausgesprochenen Strafe beantragte, keine Folge. Das Strafausmaß wurde wie in der Strafverfügung ausgesprochen beibehalten; als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens wurde der Betrag von S 300,-- vorgeschrieben. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß eine Strafherabsetzung hier nicht in Frage gekommen sei, weil die anzuwendende Strafnorm für die gegenständliche Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 3.000,-- bis S 30.000,-- (im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis 6 Wochen) vorsehe.
II.) In der rechtzeitig erhobenen Berufung sowie in seinem ergänzenden Schriftsatz vom 14.05.1998 brachte der Berufungswerber im wesentlichen vor, die Verhängung einer Geldstrafe von S 3.000,-- bei Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um 10 km/h müsse als exzessiv angesehen werden. Neben der Darlegung verfassungsrechtlicher Bedenken wies der Berufungswerber darauf hin, daß die von der Behörde angezogene Strafbestimmung des § 99 Abs 2 lit.a StVO auf die hier in Rede stehende Übertretung nicht anzuwenden sei. Nach dieser Bestimmung seien nur Lenker von Fahrzeugen zu bestrafen, die gegen Fahrverbote des § 42 StVO oder einer aufgrund des § 42 StVO erlassenen Fahrverbotsverordnung (Fernreiseverordnung) verstoßen haben. Die dem Berufungswerber angelastete Geschwindigkeitsüberschreitung sei nach § 99 Abs 3 lit.a StVO zu ahnden, weil die in Rede stehende Geschwindigkeitsüberschreitung keinen Verstoß gegen ein Fahrverbot oder eine aufgrund § 42 StVO erlassenen Fahrverbotsverordnung darstelle, auch wenn der gesamte § 42 StVO die Überschrift Fahrverbot für Lastkraftfahrzeuge trägt. Zwischen Fahrverboten und Geschwindigkeitsvorschriften innerhalb des § 42 StVO müsse differenziert werden. § 99 Abs 2 lit.a StVO spreche nicht etwa von einem Verstoß gegen § 42 StVO oder gegen eine aufgrund des § 42 StVO erlassenen Fahrverbotsordnung, sondern von Verstößen gegen Fahrverbote des § 42 StVO. Der Berufungswerber beantragte in Anwendung der Strafnorm des § 99 Abs 3 lit.a StVO die von der ersten Instanz verhängte Geldstrafe auf S 500,-- herabzusetzen.
III.) Dem Berufungsbegehren kommt aus nachstehenden Gründen Berechtigung zu:
Gemäß § 42 Abs 8 StVO dürfen ab 1. Jänner 1995 Lastkraftfahrzeuge mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr nicht schneller als 60 km/h fahren. Die Behörde hat für bestimmte Gebiete, Straßen oder Straßenstrecken durch Verordnung diese erlaubte Höchstgeschwindigkeit zu erhöhen, sofern dadurch nicht der Schutz der Bevölkerung vor Lärm beeinträchtigt wird.
Nach § 99 Abs 2a StVO begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 3.000,-- bis S 30.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von 48 Stunden bis 6 Wochen zu bestrafen, wer als Lenker eines Fahrzeuges gegen die Fahrverbote des § 42 StVO oder einer aufgrund des § 42 StVO erlassenen Fahrverbotsverordnung verstößt.
Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall die vom Berufungswerber als Lenker eines unter die Bestimmung des § 42 Abs 8 StVO fallenden LKWs begangene Geschwindigkeitsüberschreitung unter Anwendung der oben zitierten Strafnorm (Verhängung der Mindeststrafe von S 3.000,--) bestraft. Bereits aus der Gegenüberstellung der übertretenen Rechtsvorschrift mit der von der Behörde angezogenen Strafbestimmung geht klar hervor, daß hier die Behörde eine unrichtige Strafbestimmung angewendet hat. Der erkennende Senat kann sich der Argumentation des Berufungswerbers vollinhaltlich anschließen, zielt doch § 99 Abs 2a StVO dem Wortlaut nach auf die Übertretung von Fahrverboten ab, deren Nichtbeachtung der Gesetzgeber einer besonders strengen Bestrafung unterwerfen wollte. Auf Geschwindigkeitsüberschreitungen, die LKW-Lenker zu der in der im § 42 Abs 8 StVO angeführten Nachtzeit begehen, findet - mangels einer Spezialnorm - die Strafbestimmung des § 99 Abs 3 lit.a StVO Anwendung, die einen Strafrahmen bis zu S 10.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe Arrest bis zu 3 Wochen) vorsieht. Vor diesem Hintergrund ist die von der Behörde verhängte Geldstrafe neu zu bemessen, ohne auf die den § 99 Abs 2a StVO betreffenden Ausführungen in der Berufung näher eingehen zu müssen.
§ 19 Abs 1 VStG enthält jene objektiven Kriterien, die Grundlage für jede Strafbemessung sind. Demnach ist bei der Wertung der Tat innerhalb der Grenzen des gesetzten Strafrahmens insbesondere davon auszugehen, in welchem Ausmaß diejenigen Interessen gefährdet worden sind, deren Schutz die Strafdrohung dient. Der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist ebenso bei der Strafbemessung zu berücksichtigen. Die vom Berufungswerber übertretene Bestimmung des § 42 Abs 8 StVO legt für LKWs über 7 Tonnen in der Zeit von 22.00 Uhr bis 05.00 Uhr eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h fest, die vom jeweiligen Lenker jedenfalls einzuhalten ist. Der Berufungswerber hat unbestrittenermaßen diese Höchstgeschwindigkeit auf der beanstandeten Fahrt um 10 km/h überschritten. Damit hat der Berufungswerber dem Zweck der Norm - den Schutz der Bevölkerung vor Lärm - zuwidergehandelt, zumal auch geringere Beschleunigungsintensitäten (von 60 km/h auf 70 km/h) den vom LKW ausgehenden Geräuschpegel erhöhen können.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die Berufungsbehörde hat im Sinne dieser Bestimmung als erschwerend nichts, als mildernd die absolute Unbescholtenheit des Berufungswerbers gewertet. Was die subjektive Tatseite anlangt, so ist dem Berufungswerber zumindest leichtes Verschulden am Zustandekommen der Geschwindigkeitsüberschreitung vorzuwerfen, da er nicht mit der von ihm zu erwartenden Sorgfalt die von ihm gefahrene Geschwindigkeit kontrollierte.
Das in Berufung gezogene Strafausmaß war schon deshalb herabzusetzen, weil die belangte Behörde - wie schon dargestellt - der Bestrafung des Berufungswerbers eine unrichtige Strafnorm zugrunde gelegt hat, die anzuwendende Strafnorm aber einen wesentlich geringeren Strafrahmen vorsieht, wobei bei der konkreten Strafbemessung auch auf den geringeren Unrechtsgehalt der Tat (die Geschwindigkeitsüberschreitung betrug nur 10 km/h) sowie auf die persönlichen Verhältnisse des Berufungswerbers (monatliches Nettoeinkommen als Berufskraftfahrer in der Höhe von S 16.000,--, sorgepflichtig für eine vierköpfige Familie) Rücksicht zu nehmen war. Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.