Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Gerhard Wittmann, Dr. Helmut Pollak und Dr. Michael Herrmann über die Berufung des Herrn Siegfried K, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Josef K und Mag. Gregor R, aus G, gegen die Punkte 1.) bis 3.) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Liezen vom 7.4.1998, GZ.: 15.1 1996/1582, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben und das Straferkenntnis wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde behoben.
Die Bezirkshauptmannschaft Liezen als erste Instanz (die belangte Behörde) sprach laut Straferkenntnis den nunmehrigen Berufungswerber zu den Punkten 1.) bis 3.) jeweils einer Übertretung der Bauarbeiterschutzverordnung - BauV schuldig und verhängte Geldstrafen. Sie warf ihm sachverhaltsmäßig vor, daß er am 06.11.1995 auf einer in Trieben gelegenen Baustelle als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Franz O GmbH mit dem Sitz in G, L-straße 14 - diese ist persönlich haftende Gesellschafterin des Arbeitgebers, der Franz O & CO KG mit Sitz in G, L-straße 14 - nicht für die Einhaltung bestimmter Arbeitnehmerschutzvorschriften gesorgt habe.
Der Beschuldigte berief durch seine Vertreter binnen offener Frist. Ungeachtet der Berufungsgründe ist jedoch von Amtswegen die Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist im Falle der Haftung eines zur Vertretung einer juristischen Person nach außen berufenen Organs im Bereich des Arbeitnehmerschutzrechtes der Sitz der Unternehmungsleitung Tatort der Verwaltungsübertretung, weil an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße zu treffen gewesen worden. Es wird auf das Verwaltungsgerichtshof-Erkenntnis 95/02/0243 vom 26.01.1996 verwiesen. Nach dieser Rechtsprechung kommt es auf die Lage der Baustelle nicht an. Aus diesem Grund ist die belangte Behörde zur Erlassung des Straferkenntnisses unzuständig gewesen. Aus dem Firmenbuchauszug FN 101809 w ergibt sich, daß die Franz O Gesellschaft m.b.H. ihren Sitz in der politischen Gemeinde G hat und durch drei handelsrechtlichen Geschäftsführer, neben dem Berufungswerber, Franz O und Ing. Robert G vertreten wird. Nach dem Firmenbuchauszug FN 25749 hat die Franz O & CO KG ihren Sitz in der politischen Gemeinde G. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die Franz O Ges.m.b.H.
Einen verantwortlichen Beauftragten hat der Berufungswerber nicht bestellt.
Nach § 27 Abs 1 VStG ist zur Ahndung von Verwaltungsübertretungen die Behörde zuständig, in deren Sprengel die Verwaltungsübertretung begangen worden ist, auch wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg in einem anderen Sprengel eingetreten ist.
Bei Angelegenheiten, die sich auf den Betrieb einer Unternehmung usw. beziehen (z.B. Angelegenheiten des Arbeitnehmerschutzes), kommt es für die örtliche Zuständigkeit der einschreitenden Strafbehörden grundsätzlich nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird. Als Ort, an dem die gebotenen Vorsorgehandlungen unterlassen worden sind, um Verwaltungsübertretungen in Filialen zu vermeiden, ist der Sitz der Unternehmensleitung anzusehen (VwGH 88/08/0049, 88/08/0080,0081 vom 31.03.1989).
Dies bedeutet aber nicht, daß für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde ausschließlich der Ort maßgebend ist, den das Firmenbuch als Sitz des Unternehmens nennt. Vielmehr ist jener Ort maßgebend, von dem aus der Täter die ihm obliegende Unternehmensleitung im Tatzeitpunkt tatsächlich ausgeübt hat bzw. ausüben hätte sollen. Dieser Ort kann und wird in der Regel identisch sein mit dem Firmensitz, der im Firmenbuch eingetragen ist, doch ist für die Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde nach dem VStG nur der Ort maßgebend, an dem die Unternehmensleitung tatsächlich ausgeübt wird. Ist dies ein anderer Ort als der im Firmenbuch angegebene Firmensitz, so kann aus Letzterem nicht auf die örtlich zuständige Behörde geschlossen werden (VwGH 90/19/0107 vom 18.06.1990 mit weiteren Nachweisen).
Für den vorliegenden Fall bedeutet das, daß die belangte Behörde für die Erlassung des Straferkenntnisses nicht zuständig sein konnte, da die Franz O & CO KG in ihrem Sprengel keinen Firmensitz hat. Das Straferkenntnis war daher zu beheben. Zuständig zur Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens in erster Instanz ist vielmehr jene Behörde, in deren Sprengel der Ort der tatsächlichen Unternehmensleitung (G) gelegen ist.
Über die Punkte 4.) und 5.) des Straferkenntnisses hat der Unabhängige Verwaltungssenat durch ein Einzelmitglied zu entscheiden.