Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Hütter über die Berufung des Herrn Ing. Harald B, geb. am 01.12.1939, gegen die Punkte 1.) bis 4.) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung vom 21.04.1998, GZ.: 15.1 1998/2872, sowie gegen die in diesem Straferkenntnis vorgeschriebenen Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung zu den Punkten 1.) bis 4.) abgewiesen.
Der Berufung gegen die Auferlegung von Untersuchungskosten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz wird teilweise Folge gegeben und die Untersuchungskosten gemäß § 45 Abs 2 Lebensmittelgesetz - LMG von S 3.275,50 auf S 1.250,-
- herabgesetzt.
Der Kostenbeitrag für das Berufungsverfahren für die Punkte 1.) bis 4.) wird nach § 64 Abs 1 und 2 VStG mit insgesamt S 160,-- festgesetzt.
Dem Berufungswerber wird aufgetragen, die Geldstrafen, den Kostenbeitrag und die Untersuchungskosten binnen vier Wochen bei Exekution zu bezahlen.
Die Bezirkshauptmannschaft Graz-Umgebung als erste Instanz (die belangte Behörde) warf dem nunmehrigen Berufungswerber mit Straferkenntnis zu den Punkten 1.) bis 4.) folgenden Sachverhalt vor:
Die Firma B, in L, habe am 15.09.1997 an die Firma Ba, in Sch, folgende Waren geliefert, obwohl nach einer Untersuchung bei der BALMU Linz sich folgendes Gutachten vom 17.12.1997 ergeben habe:
Nach den Richtlinien des Österreichischen Lebensmittelbuches,
III. Auflage, Kapitel B 6 "Sirupe", Ziffer 3.1.2., würden für die Produkte dieses Kapitels die Bezeichnungen "naturrein", "echt" oder "gleichsinnig" nicht verwendet. Die vorliegenden Proben wiesen die Angaben "naturrein" auf. Sie seien daher nach den Richtlinien des zitierten Codex-Kapitels Ziffer 4.6.1. als falsch bezeichnet zu beurteilen:
1.)
"Himbeertrunk Naturrein"
2.)
"Hollerblütengetränk Naturrein"
3.)
"Brombeertrunk Naturrein"
4.)
"H+Ribiseltrunk Naturrein"
Dadurch sei jeweils § 7 Abs 1 lit c i.V.m. § 8 lit f Lebensmittelgesetz verletzt worden.
Nach § 74 Abs 1 LMG wurden vier Geldstrafen in Höhe von je S 200,-- (Ersatzarrest je 5 Stunden) verhängt.
Weiters setzte die belangte Behörde nach § 45 Abs 2 LMG die Untersuchungskosten (der BALMU Linz) insgesamt mit S 3.275,50 fest.
Der Beschuldigte berief mündlich vor der belangten Behörde. Das hierüber aufgenommene Protokoll gibt darüber Auskunft, daß die vom Berufungswerber verkauften Produkte seiner Meinung nach hinsichtlich des LMG nicht zu beanstanden gewesen seien. Er nehme aber die Strafe für die Beanstandungen nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung zur Kenntnis. Eine Untersuchungsgebühr in Höhe von S 3.275,50 könne nicht verlangt werden. Er ersuche, die Gebühr nicht vorzuschreiben bzw., wenn dies nicht möglich sei, sie "für die Feststellung der Übertretung nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung entsprechend herabzusetzen".
Der Berufungswerber kam der Aufforderung laut Schreiben der Berufungsbehörde vom 17.07.1998, näher auszuführen, was damit gemeint sei, daß die "verkauften Produkte hinsichtlich des Lebensmittelgesetzes nicht zu beanstanden waren", nicht nach. Aus dem Berufungsvorbringen ergibt sich, daß sich die Berufung nur auf die Punkte 1.) bis 4.) des Straferkenntnisses (Falschbezeichnung) bezieht, während die Punkte 5.) bis 8.) (Verstöße gegen die Lebensmittelkennzeichnungsverordnung) nicht angefochten wurden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark gelangt aufgrund der Aktenlage zu folgenden Feststellungen:
Der Berufungswerber lieferte am 15.09.1997 von seinem Betrieb in L jeweils 10 Flaschen 0,5 l "Himbeertrunk Naturrein", Hollerblütengetränk Naturrein
H+Ribiseltrunk Naturrein
Etiketten war die Bezeichnung "naturrein" vorhanden. Der Sachverhalt ergibt sich aus der Anzeige des Amtes der Oberösterreichischen Landesregierung, Abteilung Landessanitätsdienst-Lebensmittelaufsicht für den Bezirk Braunau, vom 06.03.1998, die auf einer Nachschau durch die Lebensmittelaufsicht beim Ba am 13.10.1997 basiert, sowie bezüglich der Menge der gelieferten Flaschen und des Datums der Lieferung auf dem Aktenvermerk vom 06.03.1998.
Daß die jeweiligen Proben die Bezeichnung "naturrein" aufwiesen und dies dem Österreichischen Lebensmittelbuch, III. Auflage, Kapitel B 6 "Sirupe", Ziffer 3.1.2., widerspricht, ergibt sich aus den vier amtlichen Untersuchungszeugnissen der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz, und zwar
UZ: 005232/1997 vom 17.12.1997, betreffend Himbeertrunk,
UZ: 005233/1997 vom 18.12.1997, betreffend Hollerblütengetränk,
UZ: 005234/1997 vom 17.12.1997, betreffend Brombeertrunk und UZ: 005235/1997 vom 17.12.1997, betreffend H+Ribiseltrunk.
Rechtsbeurteilung:
(1) Es ist verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und
Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die ............... c) falsch
bezeichnet sind."
§ 8 LMG:
Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe sind ...............
f) falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten
Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung,
insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind,
wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt
der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden
Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht oder in solcher
Form oder Aufmachung oder mit verbotenen
gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9), in Verkehr gebracht
werden; ....................."
Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt, macht sich, sofern die Tat nicht nach § 63 Abs 2 Z 1 einer strengeren Strafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen."
Österreichisches Lebensmittelbuch, III. Auflage, Kapitel B 6 Sirupe
3. Bezeichnung
3.1.2 Die Bezeichnungen "naturrein", "echt", oder gleichsinnig werden für Produkte dieses Kapitels nicht verwendet."
4. Beurteilung
4.6. Falsche Bezeichnung
Als falsch bezeichnet sind - sofern nicht Verfälschung oder Nachmachung vorliegt - zu beurteilen:
4.6.1 Erzeugnisse, die als "natürlich", "echt" oder gleichsinnig bezeichnet werden;"
Dem Österreichischen Lebensmittelbuch kommt die Bedeutung eines Sachverständigengutachtens zu, von welchem - allerdings nicht ohne Angabe von Gründen und nur anhand gewichtiger gegenteiliger Gutachten - bei der Ausfüllung des Tatbestandselementes und seiner Anwendung auf einen konkreten Sachverhalt abgegangen werden darf (Koja, Die Rechtsnatur des Lebensmittelbuches, ÖJZ 1979, 385). Es hat somit für alle am Verkehr mit Lebensmitteln Beteiligten (Wirtschaftstreibende, Gerichte, Verwaltungsbehörden, Untersuchungsanstalten) den Charakter eines vorweggenommenen Sachverständigengutachtens (mit genereller Geltung) über die konkrete Verbrauchererwartung. Es werden darin jene Gesichtspunkte kodifiziert, die für den Verbraucher mit Lebensmitteln, deren Untersuchung und Beurteilung maßgebend sind (VwGH 16.12.1982, 82/16/138).
Im vorliegenden Fall steht die Bezeichnung als "naturrein" auf den vier vom Berufungswerber gelieferten Sirupen im Widerspruch zum Österreichischen Lebensmittelbuch, III. Auflage, Kapitel B 6 Sirupe
verwendet wird, weshalb eine dennoch erfolgte Bezeichnung mit diesem Begriff als Falschbezeichnung zu beurteilen ist. Ein gegenteiliges Gutachten wurde vom Berufungswerber nicht vorgelegt. Seine in erster Instanz bei der Vernehmung am 20.04.1998 geäußerte Ansicht, die bezeichneten Säfte enthielten keine anderen Zutaten als die Frucht, erscheint schon insofern unzutreffend, als beispielsweise beim Hollerblütengetränk auf dem Etikett der Text: "Zusatz: Wasser, Zucker, Zitronensäure" enthalten ist. Das Kapitel B 6 gilt für Obstsirupe extra, Bittersirupe, Kräutersirupe, Sonstige Sirupe und Künstliche Sirupe und läßt die Verwendung, insbesondere der Bezeichnung naturrein
Da die vier vom Berufungswerber am 15.09.1997 in Verkehr gebrachten Sirupe die Bezeichnung "naturrein" aufwiesen, liegt ein Verstoß gegen die §§ 7 Abs 1 lit c i.V.m. § 8 Abs 1 lit f LMG vor.
Bei diesen Übertretungen handelt es sich um Ungehorsamsdelikte im Sinne des § 5 Abs 1 VStG. Bei einem solchen Delikt hat der Täter die von ihm behauptete Schuldlosigkeit glaubhaft zu machen und alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Das heißt, der Gesetzgeber präsumiert die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils durch den Beschuldigten.
Da der Berufungswerber Maßnahmen zur Verhinderung der gegenständlichen Übertretungen nicht dargelegt hat, hat er Fahrlässigkeit zu vertreten.
Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Der Schutzzweck der übertretenen Bestimmung liegt darin, keine falschen Erwartungen von Verbrauchern über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung wesentlich sind, wie hier über die Beschaffenheit eines Lebensmittels, zu wecken. Dieser Schutzzweck wurde jeweils verletzt.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die belangte Behörde wertete als mildernd nichts und als erschwerend die Vorstrafe. Sie übersah dabei aber, daß aufgrund des Bescheides vom 27.08.1996 keine Strafe ausgesprochen wurde, sondern lediglich eine Ermahnung im Sinne des § 21 Abs 1 VStG erteilt wurde. Da keine Strafe verhängt wurde, entfällt der Erschwerungsgrund, während ein Milderungsgrund, nämlich jener der Unbescholtenheit, zu berücksichtigen ist.
Zu den Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen liegen keine aktuellen Angaben vor. In erster Instanz gab der Berufungswerber ein Einkommen von ca. S 10.000,-- und Sorgepflichten für 2 Kinder an.
Da die Strafdrohung bis zu S 50.000,-- reicht, die belangte Behörde aber trotz (unberechtigter Annahme) eines Erschwerungsgrundes und ungerechtfertigter Nichtannahme eines Milderungsgrundes jeweils sehr niedrige Geldstrafen verhängte, erscheint deren Beibehaltung auch bei Entfall der diesbezüglichen Erwägungen schon aus dem Abschreckungszweck erforderlich, um weitere Übertretungen zu verhindern. Bei einer Herabsetzung der Strafen unter dem Betrag von jeweils S 200,-- läge keine Angemessenheit und Wirksamkeit der Strafen mehr vor. Die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz verzeichnete für die amtlichen Untersuchungszeugnisse UZ: 005232/1997, UZ:
005234/1997 und UZ: 005235/1997 jeweils Untersuchungskosten von S 975,-- und für das Untersuchungszeugnis UZ: 005233/1997 S 312,50. Dies hätte als Summe den Betrag von S 3.237,50 (und nicht wie im Straferkenntnis angeführt S 3.275,50) ergeben. Mit Schreiben vom 14.07.1998 teilte die Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung Linz aber mit, daß bei den Untersuchungszeugnissen UZ: 005232/1997, UZ: 005234/1997 und UZ: 005235/1997 versehentlich die gesamten Untersuchungskosten verrechnet worden seien. Es sei jeweils pro Untersuchungszeugnis nur ein Betrag von S 312,50 vorzuschreiben, was der Beschreibung der Probe nach der Gebührentarifverordnung (25 Punkte S 12,50) entspricht. Die Untersuchungskosten waren daher insgesamt mit S 1.250,-- festzusetzen.
Wenn in der Berufung geltend gemacht wird, daß die Untersuchungsgebühr für die Feststellung der Übertretung nach der LMKV entsprechend herabzusetzen sei, ist darauf zu verweisen, daß für die Feststellung der Übertretung nach der LMKV keine getrennten Kosten verrechnet wurden, sondern dies in den Kosten für die Beschreibung der Probe enthalten ist. Die die Punkte 1.) bis 4.) betreffende Berufung war somit abzuweisen, was entsprechende Kostenfolgen im Sinne des § 64 Abs 1 und 2 VStG nach sich zieht. Bezüglich der Untersuchungskosten war der Berufung teilweise stattzugeben.