Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Gerhard Wittmann, Dr. Erwin Ganglbauer und Dr. Helmut Pollak, über die Berufung des Herrn Ing. Johannes R, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Alfred L und Dr. Klaus R, Kaiserfeldgasse 22, 8010 Graz, gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses des Bürgermeisters der Stadt Graz, Gewerbeamt, vom 9.3.1998, GZ.: A 4-St 488/1-1996/304, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe laut Strafantrag des Arbeitsinspektorates Leoben vom 28.06.1996 als gemäß § 9 Abs 2 VStG verantwortlicher Beauftragter des Arbeitgebers der Bauunternehmung G Ges.m.b.H. mit dem Sitz in G, F-gasse Nr. 14, vier Verstöße gegen die Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung (BauV) zu verantworten, die anläßlich einer Kontrolle der Baustelle 8784 Trieben Postkabelverlegung Abschnitt St. Lorenzen am 20.06.1996 durch das Arbeitsinspektorat festgestellt worden seien. In seiner Berufung vom 09. April 1998 wurde unter anderem eingewandt, der Berufungswerber sei nicht verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs 2 VStG anzusehen. Zur Entscheidung über Punkt 1.) des angefochtenen Erkenntnisses, in welchem eine Geldstrafe in Höhe von S 12.000,-- verhängt wurde, hat gemäß § 51 c VStG der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark durch eine aus drei seiner Mitgliedern gebildete Kammer zu entscheiden. Hinsichtlich der Punkte 2.), 3.) und 4.), in welchen Geldstrafen in Höhe von S 2.000,--, S 3.000,-- und S 1.000,-- verhängt wurden, hat der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark die Entscheidung durch ein Einzelmitglied zu fällen. Da es sich im gegenständlichen Fall um die Lösung einer Rechtsfrage handelt, welche aufgrund der Aktenlage gelöst werden konnte und eine öffentliche, mündliche Verhandlung nicht beantragt wurde, konnte auf eine solche verzichtet werden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt fest:
1.) Sachverhalt
Die Bauunternehmung G Ges.m.b.H. ist im Firmenbuch unter FN 58036 y eingetragen. Handelsrechtlicher Geschäftsführer ist seit 24.03.1983 Ing. Franz L. Zusätzlich zum Firmensitz verfügt die Bauunternehmung G Ges.m.b.H. über Filialen in Birkfeld, Bruck a.d. Mur, Deutschlandsberg, Haus im Ennstal, Liezen und Stadtschlaining im Burgenland. Laut Dienstzettel wurde der Berufungswerber mit Dienstantritt am 12. Juni 1989 mit dem Einstellungsort in Graz als Bautechniker eingestellt. Er war für den gesamten Kabelbau des Unternehmens verantwortlich und hatte in diesem Bereich die gesamte Baustellenabwicklung der ihm übertragenen Kabelbauarbeiten in der ganzen Steiermark und fallweise auch in anderen Bundesländern durchzuführen. Sein Aufgabenbereich umfaßte auch die Kalkulation, die Durchführung von Auftragsverhandlungen und die selbständige Abwicklung der notwendigen Bauarbeiten als Bauleiter. Die vorstehenden Aufgaben nahm der Berufungswerber auch betreffend die Baustelle Postkabelverlegung Trieben
von Bauarbeiten gemäß § 3 Bauarbeiterschutzverordnung, BGBl. Nr. 340/1994" eigenhändig ausfüllte, welches an das Arbeitsinspektorat Leoben abgesandt wurde.
Mit Unterfertigung der Urkunde vom 20.06.1995 wurde der Berufungswerber zum verantwortlichen Beauftragten für die Bauunternehmung G Ges.m.b.H. mit Sitz in 8022 Graz, Feldgasse 14, bestellt. Der sachliche Zuständigkeitsbereich wurde mit Einhaltung der Arbeitsinspektionsgesetze 1993, BGBl. Nr. 27 (ArbIG) und Einhaltung aller Arbeitnehmerschutzvorschriften" umschrieben.
Der örtliche Zuständigkeitsbereich wurde folgendermaßen definiert:
Für alle zur selbständigen Ausführung der Firma Bauunternehmung
G Ges.m.b.H. und G Hoch- und Industriebauges.m.b.H. übertragenen Bauarbeiten im Bereich der Arbeitsstätte Graz". Dieser Bestellung stimmte der Berufungswerber laut Unterschrift am 30.06.1995 zu. In der Baustellenmeldung vom 15.04.1996, welche der Berufungswerber eigenhändig ausfüllte, trug er unter Punkt 2.) verantwortlicher Beauftragter auch seinen eigenen Namen ein.
2.) Beweiswürdigung
Der vorstehende unbestrittene Sachverhalt geht aus den in den wesentlichen Punkten übereinstimmenden schriftlichen Auskünften des Berufungswerbers, der Post und Telekom Austria und der Bauunternehmung G Ges.m.b.H. hervor.
3.) Rechtliche Beurteilung
§ 9 VStG ("besondere Fälle der Verantwortlichkeit") lautet auszugsweise:
(1) Für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder Personengemeinschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte (Abs 2) bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
(2) Die zur Vertretung nach außen Berufenen sind berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereich des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereich des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
(3) Eine physische Person, die Inhaber eines räumlich oder sachlich gegliederten Unternehmens ist, kann für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche ihres Unternehmens einen verantwortlichen Beauftragten bestellen.
(4) Verantwortlicher Beauftragter kann nur eine Person mit Wohnsitz im Inland sein, die strafrechtlich verfolgt werden kann, ihrer Bestellung nachweislich zugestimmt hat und der für den ihrer Verantwortung unterliegenden klar abzugrenzenden Bereich eine entsprechende Anordnungsbefugnis zugewiesen ist."
§ 23 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 - ArbIG - ("Bestellung von verantwortlichen Beauftragten") lautet:
(1) Die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 des Verwaltungstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52, in der jeweils geltenden Fassung für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes wird erst rechtswirksam, nachdem beim zuständigen Arbeitsinspektorat eine schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des/der Bestellten eingelangt ist. Dies gilt nicht für die Bestellung von verantwortlichen Beauftragten auf Verlangung der Behörde gemäß § 9 Abs 2 VStG.
(2) Arbeitnehmer/innen können für die Einhaltung von Arbeitnehmerschutzvorschriften und für die Einhaltung dieses Bundesgesetzes zu verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs 2 und 3 VStG rechtswirksam nur bestellt werden, wenn sie leitende Angestellte sind, denen maßgebliche Führungsaufgaben selbstverantwortlich übertragen sind.
(3) Der Arbeitgeber/die Arbeitgeberin hat den Widerruf der Bestellung und das Ausscheiden von verantwortlichen Beauftragten nach Abs 1 dem zuständigen Arbeitsinspektorat unverzüglich schriftlich mitzuteilen."
Eindeutig steht fest, daß der Berufungswerber innerhalb der G Bauunternehmung Ges.m.b.H. für die ihm zur Last gelegten Verwaltungsdelikte verantwortlich war. Nichts desto trotz hat er die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung im Sinne des § 9 Abs 2 VStG als verantwortlicher Beauftragter nicht übernommen. An die Form der Bestellung eines verantwortlich Beauftragten ist nämlich gemäß der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, so siehe z.B. Erkenntnis vom 07.10.1997, Zl. 95/11/0088, eine hohe Anforderung zu stellen. Der räumliche oder sachliche Bereich eines Unternehmens, für den ein verantwortlicher Beauftragter bestellt ist, ist klar abzugrenzen. Bei Fehlen einer klaren Abgrenzung kommt keine wirksame Bestellung eines verantwortlich Beauftragten nach § 9 Abs 2 letzter Satz VStG zustande. Im entsprechenden Formular sind als örtlicher Zuständigkeitsbereich die Bauarbeiten im Bereich der Arbeitsstätte Graz festgeschrieben. Vor dem Hintergrund, daß die Bauunternehmung G Ges.m.b.H. in Filialen gegliedert ist, ist es mit dieser Formulierung aber keineswegs klar, daß der Berufungswerber die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung für sämtliche Kabelverlegearbeiten ohne Rücksicht auf die Örtlichkeit der Baustelle übernommen hat. Mangels Klarheit der Formulierung liegt daher für die verfahrensgegenständliche Baustelle keine den Bedingungen des § 23 Abs 1 ArbIG 1993 entsprechende Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten vor, sodaß schon aus diesem Grund das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen war.