TE UVS Steiermark 1998/09/07 20.3-11/96

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Veröffentlicht am 07.09.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde des Herrn Mag. Christian B, vertreten durch Herrn Dr. Reinhard K, Rechtsanwalt in W, wegen Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß §§ 67 a Abs 1 Z 2, 67 c Abs 1 und Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) und §§ 88, 35 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 28 Abs 2 Sicherheitspolizeigesetz (im folgenden SPG), wie folgt entschieden:

Die Feststellung der Identität und Erhebung der personenbezogenen Daten (Name, Geburtsdatum und Wohnanschrift) sowie des Berufes durch einen Beamten des Gendarmeriepostens Selzthal am 9. November 1996, um 13.35 Uhr, in Selzthal, war rechtswidrig. Gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995, hat die Bezirkshauptmannschaft Liezen dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens in der Höhe von S 18.920,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Text

I.1. In der beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 26. November 1996 eingelangten Beschwerde wurde die Rechtswidrigkeit der "Feststellung meiner Identität und Erhebung personenbezogener Daten durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Selzthal am 9.11.1996 von 13.30 Uhr bis 15.35 Uhr" geltend gemacht.

2. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 12. März 1997, GZ.: UVS 20.3-11/96-13, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Feststellung der Identität und Erhebung der personenbezogenen Daten (Name, Geburtsdatum und Wohnanschrift) durch einen Beamten des Gendarmeriepostens Selzthal am 9. November 1996, um ca. 13.35 Uhr, als unbegründet abgewiesen und soweit sich die Beschwerde gegen die Erhebung der Beschäftigung des Beschwerdeführers wendet, zurückgewiesen.

3. Gegen die Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark wurde Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht und mit Urteil des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Juli 1998, Zl.: 97/01/0448, der Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes behoben. In der Begründung führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass sowohl die Erhebung der Identität als auch des Berufes des Beschwerdeführers in concreto rechtswidrig war, wobei die Vorgangsweise im § 35 Sicherheitspolizeigesetz (im folgenden SPG) keine Deckung findet und man sowohl die Frage nach der Identität als auch nach dem Beruf als einheitlichen Akt zu werten hätte (näheres siehe Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes).

II.1. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark geht auf Grund der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 5. März 1997, wobei der Beschwerdeführer, Frau Ingrid F und der Zeuge Grp. Insp. Adolf D einvernommen wurden, von nachfolgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

Während einer kurzzeitigen Unterbrechung der Zugreise in Selzthal begab sich der Beschwerdeführer zum Wohnhaus Selzthal Nr. 248, um die genaue Adresse einer Siedlungsgenossenschaft auf einer Anschlagtafel im unversperrten Hausflur eruieren zu können, nachdem er zuvor in unmittelbarer Nähe vom Bahnhof einen Rohbau eines Mehrfamilienhauses gesehen hatte, der von dieser Siedlungsgenossenschaft errichtet wurde. Der Beschwerdeführer hatte nämlich die Absicht, seinen Wohnort außerhalb von Wien zu verlegen und war daher an verschiedenen Objekten interessiert. Während der Beschwerdeführer im Begriffe war sich die Adresse der Siedlungsgenossenschaft von der Anschlagtafel zu notieren, wurde er von der Haussprecherin, der Zeugin Frau Ingrid F, angesprochen, ob sie ihm helfen könne. Der Beschwerdeführer lehnte die Hilfe ab und teilte der Zeugin mit, dass er die Adresse der Siedlungsgenossenschaft abschreiben würde. Auf der Anschlagtafel befanden sich auch die Namen sämtlicher Hausparteien. Die Zeugin erwiderte, dass der Beschwerdeführer die Adresse auch über das Telefonbuch finden würde und vermeinte in dem offenen Rucksack des Beschwerdeführers, der zum Zwecke des Herausholens von Schreibutensilien geöffnet war, ein Telefonbuch zu erkennen. Tatsächlich handelte es sich um ein anderes Buch, wahrscheinlich um ein Kursbuch der österreichischen Bundesbahn. Auch vermutete die Zeugin, dass der Beschwerdeführer Adressen der Hausbewohner aufgeschrieben habe, weshalb sie sofort fernmündlich den Gendarmerieposten Selzthal über den Vorfall informierte. Als Grund hiefür gab die Zeugin an, dass zu diesem Zeitpunkt ein Mann Schulkinder belästigte und sie den Verdacht hegte, dass der Beschwerdeführer damit im Zusammenhang stehe, da er die Adressen der Hausbewohner aufschrieb. Sie teilte den Verdacht auch dem Gendarmeriebeamten mit.

Der Gendarmeriebeamte, Grp. Insp. Adolf D, begab sich mit dem Dienstfahrzeug sofort zum Vorfallsort und traf auf den zum Bahnhof zurückgehenden Beschwerdeführer. Im Zuge des Gespräches wurde der Beschwerdeführer aufgefordert sich auszuweisen. Der Beschwerdeführer zeigte den Führerschein vor und wurde sodann auch nach der genauen Adresse gefragt. Er gab auf weitere Befragung bereitwillig seine Daten bekannt, einschließlich seines Berufes. Auch erklärte der Beschwerdeführer dem Gendarmeriebeamten den Grund seines Aufenthaltes und warum er die Adresse der Siedlungsgenossenschaft abgeschrieben habe. Sodann entfernte sich der Beschwerdeführer und wurde vom Gendarmeriebeamten eine Dasta-Anfrage durchgeführt. Zum Zeitpunkt der Identitätsfeststellung beim Beschwerdeführer war der Gendarmeriebeamte in Kenntnis, dass sich einige Tage zuvor Belästigungen von Schulkindern in einem Nachbarort ereigneten, und dass es sich hiebei um eine männliche Person gehandelt habe. Eine genauere Beschreibung der Person war ihm nicht bekannt. Die Belästigungen fanden am Schulweg statt, wobei der Umstand, dass die örtliche Schule ca. 200 bis 300 Meter vom Haus Selzthal Nr. 248 entfernt war, in ihm den Verdacht eines möglichen Zusammenhanges des Beschwerdeführers mit den Belästigungen aufkommen ließen, um eine Identitätsfeststellung zu rechtfertigen. Auch war ihm der Umstand, dass es in der Umgebung Telefonanrufe gab, bei denen Kinder sexuellen Belästigungen ausgesetzt wurden, bekannt."

2. Die getroffenen Feststellungen gründen sich auf die im wesentlich übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen sowie des Beschwerdeführers. Auch die eingebrachten Schriftsätze stehen mit den Aussagen in keinem Widerspruch.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:

1. Gemäß § 88 Abs 4 SPG entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat über Beschwerden gemäß Absatz 1 und Absatz 2 durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67 c bis 67 g AVG.

Die Beschwerde über die Identitätsfeststellung langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 26.11.1996 (Postaufgabestempel 25.11.1996) ein, wodurch die

6-wöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die vom Beamten des Gendarmeriepostens Selzthal vorgenommene Handlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde.

2. Die Frage, ob es sich beim Vorfall um ein "schlichtes Polizeihandeln" im Sinne des § 88 Abs 2 SPG oder um eine Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß § 88 Abs 1 SPG handelt, kann für die Beurteilung des angefochtenen Verwaltungsaktes als auch für den Rechtsschutz des Beschwerdeführers offen bleiben (siehe Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Seite 6, zweiter Absatz). Fest steht auch, dass die Aufforderung von Seiten des Gendarmeriebeamten "nicht in Form eines Ersuchens gefaßt war, sondern mit anordnendem Charakter und daher mit Duldungsanspruch vorgetragen wurde" und somit eine Identitätsfeststellung nach § 35 SPG vorgelegen hat (VwGH-Entscheidung Seite 11, zweiter Absatz). Die rechtliche Beurteilung ergibt, dass das Verhalten des Beschwerdeführers weder in Zusammenhang mit einem gefährlichen Angriff stand noch habe er über einen Angriff Auskunft erteilen können (§ 35 Abs 1 Z 1 SPG), wodurch unter diesem Gesichtspunkt eine Identitätsfeststellung unzulässig war. Laut Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes kann man nur dann von einem gefährlichen Angriff sprechen, wenn es "zur Verwirklichung bestimmter mit gerichtlicher Strafe bedrohter Tatbestände oder zumindest eines als Vorbereitungshandlung hiefür zu qualifizierendes Verhalten, welches in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandsverwirklichung" kommt (Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Seite 12 und 13). Auch sieht der Verwaltungsgerichtshof in dem Fall keine Anwendung des § 35 Abs 1 Z 2 lit. a SPG gegeben, wonach eine Identitätsfeststellung an einem Aufenthaltsort möglich ist, bei dem sich mit beträchtlicher Strafe bedrohte Handlungen ereignen. Hiebei wäre der konkrete Verdacht für die Identitätsfeststellung erforderlich gewesen (Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes Seite 14, zweiter Absatz). Es ist somit davon auszugehen, "dass eine Identitätsfeststellung zur Vorbeugung eines (bloß) wahrscheinlichen Angriffes im Gesetz nicht vorgesehen ist". Die Frage nach dem Beruf des Beschwerdeführers wurde bereits vom Verwaltungsgerichtshof nach § 35 Abs 2 SPG als "unzulässige Fassette der Identitätsfeststellung" betrachtet, jedoch mit der Erhebung der übrigen Daten als einheitlicher Akt gewertet.

4. Als Kosten wurde gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl. Nr. 855/1995, dem Beschwerdeführer ein Betrag von S 18.920,-- zugesprochen. Dem Beschwerdeführer gebührt S 8.400,-- an Schriftsatzaufwand, S 10.400,-- an Verhandlungsaufwand und S 120,-- an Stempelgebührenersatz (S 120,-- für Beschwerdeschrift). Das Mehrbegehren war zum Teil deshalb abzuweisen, da bei Pauschalbeträgen der Zuspruch einer Umsatzsteuer entfällt (VwGH 21.9.1978, Zl.: 101/77) und auch bei einer ergänzenden Äußerung (Äußerung vom 17. Februar 1997) keiner neuerlicher Schriftsatzaufwand zugesprochen wird (VwGH 15.12.1975, Zl.: 1189, 1191/74) und die Äußerung auch nicht einen Stempelgebührenersatz nach sich zieht (VwSlg. 7505 A/1969). Soweit pauschal die Fahrtkosten begehrt wurden, läßt dies ebenfalls noch keine Kostenersatzpflicht begründen, da ein derartiger Kostenzuspruch erst anhand eines konkret geforderten Betrages möglich ist (VwSlg. 7227 A/1967).

Schlagworte
Beschwerde Identitätsfeststellung Befolgung Angriff Verdacht Belästigungen Konkretheit Unzulässigkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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