TE Vfgh Erkenntnis 1998/12/1 B2997/97

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.1998
beobachten
merken

Index

82 Gesundheitsrecht
82/03 Ärzte, sonstiges Sanitätspersonal

Norm

B-VG Art18 Abs2
Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien §11
ÄrzteG §81

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Abweisung eines Antrags auf sofortige Rückerstattung von zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer geleisteter Beiträge nach Verzicht eines Arztes auf die Berufsausübung; dreijährige Wartefrist auch im Falle des Verzichts gesetzeskonform; Zitierfehler in der entsprechenden Bestimmung des Ärztegesetzes vom Verordnungsgeber in zulässiger Weise korrigiert

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Facharzt für Radiologie. Er hat mit 16. Dezember 1996 seine Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen eingestellt. Mit Schreiben vom 13. Februar 1997 hat er der für ihn zuständigen Ärztekammer für Wien seinen dauerhaften Verzicht auf die Berufsausübung mitgeteilt und seinen Ärzteausweis zurückgelegt. Gemäß §81 Abs1 Ärztegesetz 1984 und §11 Abs3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien stand dem Beschwerdeführer die Rückzahlung von Teilen der von ihm entrichteten Beiträge zum Wohlfahrtsfonds dieser Ärztekammer zu.

1.1. Das Ärztegesetz in der Fassung vor der Novellierung durch BGBl. 1994/100 sah eine solche Rückzahlung für die Fälle der Berufseinstellung und des Verzichtes auf die Berufsausübung ausdrücklich erst nach Ablauf einer dreijährigen Wartefrist vor. Dies ergab sich aus einem Verweis in dem diese Wartefrist anordnenden §81 Abs1 auf die entsprechenden Fälle der Beendigung der Berufsausübung durch Berufseinstellung und Verzicht in §32 Abs2 Z1 und Z3 leg. cit.

1.1.1. Durch die erwähnte Novellierung des Ärztegesetzes mit BGBl. 1994/100 wurden die Tatbestände des Erlöschens und des Ruhens der ärztlichen Berufsberechtigung zusammengeführt und in §32 Abs1 mit einer neuen Numerierung aufgezählt. Der Fall der mehr als dreimonatigen tatsächlichen Berufseinstellung war nunmehr in §32 Abs1 Z3,derjenige der Streichung aufgrund eines Disziplinarerkenntnisses in §32 Abs1 Z5 und derjenige des Verzichtes in §32 Abs1 Z6 leg. cit. genannt.

1.1.2. §81 Abs1 Ärztegesetz lautete in der genannten Fassung jedoch wie folgt:

"Bei Streichung eines Kammerangehörigen aus der Ärzteliste (§32 Abs3) gebührt ihm der Rückersatz in sinngemäßer Anwendung der vorstehenden Bestimmungen in Höhe von mindestens 50 vH; erfolgt die Streichung gemäß §32 Abs1 Z3 oder 5, gebührt dieser Rückersatz nach Ablauf von drei Jahren ab dem Verzicht bzw. der Einstellung der Berufsausübung, sofern nicht zwischenzeitlich eine neuerliche Eintragung in die Ärzteliste erfolgt oder ein Anspruch auf Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds besteht."

Der Verweis in §81 Abs1 ÄrzteG wurde somit der neuen Numerierung des §32 Abs1 insoweit nur unzureichend angepaßt, als nunmehr zwar einerseits die Fälle des Verzichts und der Berufseinstellung als für den Fristenlauf maßgebend weiterhin genannt werden, in diesem Zusammenhang aber nicht auf §32 Abs1 Z3 und 6 Ärztegesetz verwiesen, sondern von einer "Streichung gemäß §32 Abs1 Z3 und 5" gesprochen wird.

1.2. Die mit §81 Abs1 Ärztegesetz korrespondierende Bestimmung des §11 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien blieb zunächst unverändert; mit Beschluß vom 24. Juni 1997 wurde sie allerdings mit Wirkung vom 1. Juli 1997 dahingehend verändert, daß auf die Neufassung der Streichungsgründe in §32 Abs1 ÄrzteG Bezug genommen wurde. Dabei wurde allerdings das vorerwähnte Zitat in §81 Abs1 ÄrzteG "korrigiert". §11 Abs3 Satz 4 der Satzung lautet: "Wenn das Fondsmitglied auf die Ausübung des ärztlichen Berufes verzichtet, oder diesen tatsächlich länger als drei Monate nicht ausübt (§32 Abs1 Z3 und 6 ÄG), hat die Rückerstattung der Beiträge erst nach Ablauf von drei Jahren ab dem Verzicht bzw. der Einstellung der Berufsausübung zu erfolgen (§81 Abs1 ÄG)."

1.3. Auf Grund dieser Satzungsbestimmung wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf sofortige Rückerstattung der ihm zustehenden Beträge vom Verwaltungsausschuß des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mit Bescheid vom 2. Juli 1997 abgewiesen. Der Beschwerdeausschuß der Ärztekammer für Wien bestätigte diesen Bescheid und wies die dagegen erhobene Beschwerde ab.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. In ihr behauptet der Beschwerdeführer, wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden zu sein und begehrt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Verwaltungsakten vorgelegt.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Dem Gesetzgeber ist in §81 Abs1 ÄrzteG 1984 idF BGBl. 1994/100 offenbar ein Zitierfehler unterlaufen: Ausdrücklich wird in §81 Abs1 Ärztegesetz 1984 in der zitierten Fassung zwar auf die Ziffern 3 und 5 des §32 Abs1 leg. cit. verwiesen, inhaltlich wird jedoch aus der Formulierung des letzten Satzes deutlich, daß der Gesetzgeber u wie schon vor der Novellierung u nicht den Fall einer Streichung auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, sondern denjenigen des Verzichtes auf die Berufsausübung erfassen wollte (arg.: "...nach Ablauf von drei Jahren ab dem Verzicht bzw. der Berufseinstellung...").

In den erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage wird zu Artikel I Z69 und 70 (§§81 Abs1 dritter Satz, erster und zweiter Halbsatz) festgehalten: "Es handelt sich lediglich um Zitatanpassungen" (1361BlgNR XVIII. GP, 42). Eben diese Anpassung ist dem Gesetzgeber offenbar mißlungen; dafür aber, daß er die Rechtslage materiell ändern wollte, findet sich keinerlei Hinweis.

Diese Interpretation wird durch das neue Ärztegesetz, BGBl. I/1998/169, kundgemacht am 10. November 1998, gestützt. Dort verweist §115 Abs1 wieder u wie schon vor der Novelle BGBl. 1994/100 u auf die Tatbestände der Berufseinstellung und des Verzichtes, aufgeführt nunmehr in §59 Abs1 Z3 und 6 leg. cit.

2. Bei widersprüchlichem Gesetzeswortlaut des §81 Abs1 Ärztegesetz in der Fassung BGBl. 1994/100 deutet nichts darauf hin, daß der Gesetzgeber damals die Rechtslage hätte ändern wollen und bloß vergessen hätte, die Wendung über den Fristenlauf der neuen Rechtslage anzupassen; auch die Gesetzesmaterialien sprechen gegen eine solche Auslegung. Anhand der Bestimmungen über den Fristenlauf und unter Berücksichtigung der Nachfolgeregelung des §115 Abs1 iVm §59 Abs1 Z3 und 6 Ärztegesetz 1998 muß vielmehr von einem bloßen Zitierfehler ausgegangen werden.

3. Der Beschwerdeführer wirft daher dem Verordnungsgeber im Ergebnis zu Unrecht vor, den Gesetzgeber in unzulässiger Weise korrigiert zu haben. Der Verordnungsgeber hat sich vielmehr materiell innerhalb des Rahmens bewegt, den das (in diesem Punkt widersprüchlich formulierte) Ärztegesetz bei wohlverstandener Interpretation vorgab: die ausdrückliche Erwähnung des Falles des Verzichts in §81 Abs1 letzter Satz ÄrzteG 1984 idF BGBl. 1994/100 zeigt deutlich, daß das Ärztegesetz für diesen Fall (und daher auch im Beschwerdefall) die dreijährige Wartefrist vor Rückzahlung der zustehenden Beträge angewendet wissen wollte.

§11 Abs3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien in der hier anzuwendenden Fassung ist deshalb nicht mit der behaupteten Gesetzwidrigkeit behaftet.

4. Das Verfahren hat somit nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten.

Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Ärzte Versorgung, Versorgungsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1998:B2997.1997

Dokumentnummer

JFT_10018799_97B02997_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten