TE Vfgh Erkenntnis 2007/11/30 B895/06

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Veröffentlicht am 30.11.2007
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Index

82 Gesundheitsrecht
82/04 Apotheken, Arzneimittel

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
EMRK Art6 Abs1 / Verfahrensgarantien
ApothekenbetriebsO 2005 §13
ApothekerkammerG 2001 §39, §41
RezeptpflichtG §3, §4

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durchdie Verhängung einer Disziplinarstrafe über einen Apotheker wegenAusfolgung rezeptpflichtiger Arzneimittel in größerem Ausmaßlediglich aufgrund der ihm per Fax zugekommenen Rezepte anMitarbeiter mehrerer Spitäler; vertretbare Annahme eines sorglosenUmgangs mit der Rezeptpflicht; keine willkürliche Strafbemessung,keine in die Verfassungssphäre reichenden Verfahrensfehler, keineVerletzung im Recht auf ein faires Verfahren

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen und dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abgetreten, ob der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden ist.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer ist Konzessionär und verantwortlicher Leiter einer Apotheke in Wien. Mit Erkenntnis des Disziplinarrates der Österreichischen Apothekerkammer vom 15. Juni 2005 wurde über den Beschwerdeführer wegen des Disziplinarvergehens nach §39 Abs1 Z2 Apothekerkammergesetz die Strafe des schriftlichen Verweises verhängt. Der Beschwerdeführer habe in der Zeit von 2001 bis mindestens 2003 gegen §13 Apothekenbetriebsordnung verstoßen, indem er es zuließ, dass in seiner Apotheke entgegen den Vorschriften des §4 Abs3 Rezeptpflichtgesetz rezeptpflichtige Arzneimittel in größerem Ausmaß lediglich aufgrund der ihm per Fax zugekommenen Rezepte an Mitarbeiter mehrerer Spitäler ausgefolgt wurden. Er habe dadurch die ihn treffenden Berufspflichten verletzt.

2. Der gegen diesen Bescheid vom Disziplinaranwalt erhobenen Berufung gab der Disziplinarberufungssenat der Österreichischen Apothekerkammer beim Bundesministerium für Gesundheit und Frauen, die nunmehr belangte Behörde, mit Erkenntnis vom 1. Februar 2006 dahingehend Folge, dass über den Beschwerdeführer gemäß §41 Abs1 Z2 Apothekerkammergesetz eine Geldstrafe iHv drei Gehaltskassenumlagen verhängt wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer zum Ersatz der Kosten des Berufungsverfahrens verpflichtet.

Begründend verweist der Disziplinarberufungssenat auf eine bereits vorliegende disziplinarrechtliche Verurteilung des Beschwerdeführers (betreffend die Abgabe einer hohen Menge an Medikamenten an einen einzelnen Kunden und den anschließenden Weiterverkauf durch diesen an suchtmittelabhängige Personen) und führt dazu Folgendes aus:

"Es liegt daher sowohl der letztgenannten Verurteilung als auch dem nunmehrigen Verfahren eine Sorglosigkeit und Schlampigkeit des Mag. pharm. Dr. M. [des nunmehrigen Beschwerdeführers] im Umgang mit seinen Überwachungspflichten im Sinne des §13 Abs1 Apothekenbetriebsordnung zur Last, so dass in beiden Fällen das Fehlverhalten auf einem gleichartigen Charaktermangel beruht. Darüber hinaus war in beiden Verfahren dasselbe geschützte Rechtsgut betroffen. Zweck der Apothekenbetriebsordnung sowie auch des Rezeptpflichtgesetzes ist es, die Sicherheit des Medikamentenverkehrs zu gewährleisten und einen Missbrauch rezeptpflichtiger Medikamente zu vermeiden. Schon im letzten Verfahren wurde die Einhaltung der Rezeptpflicht bzw. die Überprüfung der vorgelegten Rezepte vom Disziplinarbeschuldigten nicht mit der gebotenen Sorgfalt überprüft. Derselbe Vorwurf trifft auch für das gegenständliche Verfahren zu.

Die Vorverurteilung ist daher als unmittelbar einschlägig zu werten und bei der Strafzumessung zu berücksichtigen."

Die belangte Behörde kommt im Weiteren zu folgendem Schluss:

"Dem vom Disziplinarrat als mildernd gewerteten teilweisen Geständnis sowie der gezeigten Einsicht kommt hingegen, wenn |berhaupt, geringes Gewicht zu. Nur ein reumütiges Geständnis ist schon nach dem Gesetzestext (§34 Absl Z.17 StGB) als mildernd zu werten. Ein bloßes Zugeben von Tatsachen ohne Eingeständnis der Schuld ist nicht strafmildernd (LSK 1980/19). Im gegenständlichen Verfahren bekannte sich Mag. pharm. Dr. M. noch in der Verhandlung vom 9. März 2005 nicht schuldig. Über Befragen gab er an, sogar noch während anhängigen Verfahrens relevante Rezepte vernichtet zu haben.

Erst am 15. Juni 2005 bedauerte er mögliche Verfehlungen. Dem entgegen führte er in seiner Berufungsbeantwortung jedoch aus, er fühle sich ungerecht behandelt und durch die Kammer 'stärker gleichheitswidrig beobachtet'.

Diese Einstellung zeugt von wenig Schuldeinsicht, so dass das späte Tatsachengeständnis kaum als mildernd ins Gewicht fallen kann.

Darüber hinaus ist der Disziplinarrat in seinem Disziplinarerkenntnis vom 15. Juni 2005 zu Unrecht davon ausgegangen, dass einerseits niemandem ein Nachteil erwachsen sei, andererseits auch das Ansehen des Apothekerstandes keinen Schaden genommen habe.

Entgegen dieser Ansicht wurden durch die hohen gewährten Rabatte und die aufgrund der Vernachlässigung von Sorgfaltspflichten 'vereinfachte Bestellmöglichkeit' ortsansässigen Apotheken in hohem Maße Kunden abgezogen, so dass diese sehr wohl einen Nachteil in Form eines nicht unbeträchtlichen Verdienstentganges hatten. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Disziplinarbeschuldigte selbst argumentierte, er habe seit Einstellung der inkriminierten Bestellpraxis Umsatzrückgänge von ca. 30 %.

Was die Beeinträchtigung des Ansehens des Apothekerstandes betrifft, so ist es zwar richtig, dass dieser Fall nie auf breiter öffentlicher Basis diskutiert wurde, andererseits jedoch ist im Auge zu behalten, dass ein großer Personenkreis von diesen Bestellmöglichkeiten Gebrauch machte und daher auch von der Praxis des Mag. pharm. Dr. M. Kenntnis erlangte. Eine solche Sorglosigkeit im Umgang mit der Rezeptpflicht ist jedoch jedenfalls geeignet, das Vertrauen in den Apothekerstand als solcher zu erschüttern.

Unter Ausschaltung der letztgenannten Argumente, die der Disziplinarrat der Österreichischen Apothekerkammer in seinem Erkenntnis zugunsten des Disziplinarbeschuldigten herangezogen hatte und unter Berücksichtigung der zusätzlichen Erschwerungsgründe erscheint ein bloßer schriftlicher Verweis keineswegs geeignet, um Mag. pharm. Dr. M. einerseits das Unrecht seines Fehlverhaltens entsprechend vor Augen zu führen und andererseits für die Zukunft ein Umdenken zu bewirken. Dies beweist schon der Umstand, dass die im letzten Disziplinarberufungserkenntnis vom 16. November 2000 verhängte Geldstrafe von Schilling 100.000,- verbunden mit der Entziehung des Rechtes zur Ausbildung von Aspiranten beim Disziplinarbeschuldigten nur wenig Eindruck hinterließ, zumal dieser keine erkennbaren Konsequenzen für sich und seinen Geschäftsbetrieb aus der Verurteilung zog. Zwar ist zuzugestehen, dass im gegenständlichen Fall die sich aus der Pflichtverletzung ergebenden Schäden und Konsequenzen nicht so weitreichend sind wie bei der letzten Verurteilung, dennoch bedarf es unter Abwägung der genannten Erschwerungs- und Milderungsgründe und im Hinblick auf die zuletzt ergangene Disziplinarverurteilung diesmal einer empfindlichen und spürbaren Geldstrafe, um bei Mag. pharm. Dr. M. eine (nicht bloß vordergründige) Einsicht herbei zu führen.

Aber auch aus Gründen der Generalprävention wäre ein bloßer Verweis ein falsches Signal, zumal im Interesse des gesamten Berufsstandes deutlich klargestellt werden muss, dass Berufspflichten uneingeschränkt ernst zu nehmen sind und auch von der Disziplinarbehörde ernst genommen werden.

In Anbetracht der durch die vorschriftswidrige Vorgangsweise über einen Zeitraum von immerhin rund drei Jahren lukrierten Umsatzsteigerungen von immerhin 30 % gegenüber den Umsätzen, die bei gesetzeskonformer Vorgangsweise erzielt hätten werden können erscheint die verhängte Freiheitsstrafe [richtig: Geldstrafe] von drei Gehaltskassenumlagen bei einem Strafrahmen von bis zu 15 Gehaltskassenumlagen ohnehin noch moderat."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein faires Verfahren (Art6 Abs1 EMRK) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung des "verfassungswidrigen §13 Abs1 Apothekenbetriebsordnung ..., kundgemacht in BGBl. II Nr. 65/2005" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde unter Zuerkennung von Aufwandsersatz beantragt.

II. Zur Rechtslage:

1. §§39 und 41 Apothekerkammergesetz 2001 (ApKG), BGBl. I 111, lauten auszugsweise:

"4. Abschnitt

Disziplinarverfahren

Disziplinarvergehen

§39. (1) Apotheker oder Aspiranten machen sich eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie

1.

durch ihr Verhalten der Allgemeinheit, den Kunden oder den Kollegen gegenüber die Ehre oder das Ansehen der Apothekerschaft beeinträchtigen oder

2.

Berufspflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie nach diesem Bundesgesetz oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind.

..."

"Disziplinarstrafen

§41. (1) Disziplinarstrafen sind

1. der schriftliche Verweis,

2.

Geldstrafen bis zur Höhe des 15fachen Betrages der Gehaltskassenumlage, die für einen im Volldienst angestellten Apotheker auf Grund der Bestimmungen des Gehaltskassengesetzes, BGBl. Nr. 254/1959, jeweils zu leisten ist,

3.

die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes auf Ausbildung von Aspiranten,

4.

die zeitliche oder dauernde Entziehung des Wahlrechtes und der Wählbarkeit zur Apothekerkammer,

5.

die zeitliche oder dauernde Entziehung des Rechtes zur Leitung einer Apotheke,

6.

das Verbot der Ausübung des Apothekerberufes bis zur Dauer von drei Jahren.

(2) Welche dieser Strafen zu verhängen ist, ist ebenso wie die Bemessung der Strafe insbesondere nach der Größe des Verschuldens und der daraus entstandenen oder drohenden Nachteile, vor allem auch für die Kunden und Patienten, sowie dem Ausmaß der Beeinträchtigung des Standesansehens zu beurteilen. Bei Bemessung der Geldstrafe ist auch auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten Bedacht zu nehmen. Die §§32 bis 34 StGB sind sinngemäß anzuwenden. Die Disziplinarstrafen können auch nebeneinander verhängt werden.

..."

2. Gemäß §58 Abs6 ApKG unterliegen Entscheidungen des Disziplinarberufungssenates weder der Aufhebung noch der Abänderung im Verwaltungsweg. Die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofes ist zulässig.

3. §13 Apothekenbetriebsordnung, BGBl. II 171/1934 idF BGBl. 240/1991, lautete auszugsweise:

"§13. (1) Dem Betriebsführer (Konzessionsinhaber, Pächter, Leiter, Stellvertreter) der Apotheke steht die ausschließliche Leitung in allen Angelegenheiten, die der Betrieb einer Apotheke mit sich bringt, zu. Vereinbarungen, durch die sein Leitungsrecht eingeschränkt wird, sind rücksichtlich der ihm nach den Apothekenvorschriften zukommenden Befugnisse und Verpflichtungen ohne rechtliche Wirkung.

..."

Die Apothekenbetriebsordnung trat mit 31. Dezember 2004 außer Kraft. Die Apothekenbetriebsordnung 2005 - ABO 2005, BGBl. II 65, ist am 9. März 2005 in Kraft getreten.

4. §3 Rezeptpflichtgesetz lautete in der Stammfassung, BGBl. 413/1972:

"§3. (1) Ein Rezept im Sinne des Bundesgesetzes hat zu enthalten:

a)

Den Namen und Berufssitz des gemäß §1 zur Verschreibung Berechtigten;

b)

den Namen der Person oder der Krankenanstalt, für die das Medikament bestimmt ist;

              c)              die Bezeichnung des verordneten Arzneimittels;

d)

die Darreichungsform, Menge und Stärke des verordneten Arzneimittels;

e)

die Gebrauchsanweisung - bei pharmazeutischen Spezialitäten jedoch nur dann, wenn der Verschreibende eine von der beigedruckten oder beigelegten Gebrauchsanweisung abweichende anordnet;

              f)              bei Verschreibungen für ein Kind dessen Geburtsjahr;

              g)              das Ausstellungsdatum und

              h)              die eigenhändige Unterschrift des Verschreibenden.

(2) Fehlen die im Abs1 litd, e und g angeführten Angaben, so darf der Apotheker nach eingeholter Weisung des Arztes die fehlenden Angaben nachtragen.

(3) Fehlt die im Abs1 litf angeführte Angabe, so hat der Apotheker dies nach Feststellung zu ergänzen."

§3 Abs1 lith Rezeptpflichtgesetz, BGBl. 413/1972 idF BGBl. I 139/2002 (in Kraft getreten am 1. September 2002), lautet:

"§3. (1) ...

h) die Unterschrift oder sichere elektronische Signatur des Verschreibenden.

..."

§4 Abs3 und 4 Rezeptpflichtgesetz lauten in der (bislang nicht geänderten) Stammfassung:

"§4. ...

(3) Bei jeder Abgabe eines rezeptpflichtigen Arzneimittels ist auf dem Rezept die Bezeichnung der Apotheke, der Tag der Abgabe und das Kennzeichen des Expedierenden zu vermerken.

(4) Die Abgabe eines rezeptpflichtigen Arzneimittels auf Grund eines Rezeptes, das nicht den Vorschriften des §3 entspricht oder dessen Gültigkeit abgelaufen ist, ist verboten.

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1.1. Der Beschwerdeführer behauptet - ohne eingehende Begründung - die Verfassungswidrigkeit des §13 Abs1 ABO 2005. Hiezu genügt es darauf hinzuweisen, dass das vom Beschwerdeführer gesetzte disziplinarrechtlich relevante Verhalten in den Zeitraum 2001 bis 2003 fällt, in welchem die von ihm als verfassungswidrig erachtete Norm (noch) nicht in Geltung stand und sohin auch im vorliegenden Fall nicht präjudiziell ist.

1.2. Bedenken gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden generellen Rechtsnormen sind vom Beschwerdeführer im Übrigen nicht vorgebracht worden und beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass des vorliegenden Falles auch nicht entstanden. Es ist daher ausgeschlossen, dass der Beschwerdeführer wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

2.1. Der Beschwerdeführer macht geltend, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein. Nach Darlegung seiner Rechtsauffassung, dass ein Originalrezept bei Abgabe von Arzneimitteln nicht körperlich beim Apotheker vorliegen muss, begründet der Beschwerdeführer diese Rechtsverletzung wörtlich wie folgt (im Original enthaltene Fußnoten sind hier nicht wiedergegeben):

"Weiters stellt das obige Vorgehen neben den allgemeinen Verfahrensvorschriftsverletzungen auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes dar, da die Behörde hier ein Ermessen

-

falsch

-

zumindest überzogen

ausgeübt hat.

Es ist weiters vom Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen worden, dass [es] gleichheitswidrig ist, eine derartige Strafe zu verhängen, wenn geringes Verschulden des Beschuldigten und unbedeutende Folgen der Übertretung nachgewiesen werden.

Dass bei allen Bestellungen Originalrezepte vorgelegen sind, wird von niemandem bestritten.

Dass daher dem Rezeptpflichtgesetz entsprochen wurde, ist unstrittig.

Der einzige strittige Punkt ist, ob sie auch bei der Abholung vorgelegen sind bzw. überhaupt vorliegen mussten, da eine derartige Verpflichtung nicht besteht und ein Rezept letztendlich auch nur als Nachweis für die Bezugsberechtigung gilt.

Dass es in Einzelfällen vorgekommen sein kann, dass derartige Rezepte nicht dem Mitarbeiter zum Zeitpunkt der Abholung gezeigt wurden, kann vom Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden, da er diese Arbeit nicht selbst verrichtet hat und die Rezepte immer wieder bei Privatverkäufen gemäß §4 Rezeptpflichtgesetz beim Patienten/Kunden verbleiben.

Dies deshalb, da diese bis zu sechs Mal verwendet werden können, und bei freier Apothekenwahl eine Rückgabe auch Sinn macht.

Es ist in diesem vorliegenden Fall auch aufgrund der Unsachlichkeit eine Verschärfung der Strafdrohung bewirkt worden, die bei Verwaltungsdelikten im Vergleich zu gerichtlich zu ahndenden Delikten jedenfalls überzogen war.

Das Ergebnis dieser eigenartigen Situation, die sich aus dieser falschen Ermessensausübung und der gleichheitswidrigen Anwendung des §4 Rezeptpflichtgesetzes im Zusammenhang mit §13 Abs1 Apothekenbetriebsordnung ergibt, ist, dass unstrittig ist, dass für jede einzelne Bestellung auch ein Originalrezept vorgelegen ist.

Der Vorwurf der Überwachungspflichtverletzung im Zusammenhang mit der ausgesprochenen Strafe ist daher dem Grunde - und auch eventualiter in weiterer Folge der Höhe nach - jedenfalls unsachlich und nicht von objektiven Kriterien getragen, zumal ja auch von der Disziplinarbehörde keine Beweise vorgelegt wurden, wonach ein disziplinäres Vergehen vorliegt."

Schließlich kommt der Beschwerdeführer zu dem Schluss, dass "überhaupt nicht konkretisiert" wurde, "welche Aufsichtspflicht hier detailliert verletzt wurde, weshalb es sich hier bei der Entscheidung der Disziplinaroberbehörde um eine falsche Ermessensausübung und somit eine Verletzung des Gleichheitssatzes handelt."

2.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

Ein solcher Vorwurf ist der belangten Behörde jedoch nicht zu machen. Wenn der Disziplinarberufungssenat, der Berufung des Disziplinaranwaltes folgend, zum Ergebnis gelangt, dass die disziplinarrechtliche Vorverurteilung des Beschwerdeführers als unmittelbar einschlägig zu werten und bei der Strafzumessung zu berücksichtigen ist, ist ihm aus verfassungsrechtlicher Sicht jedenfalls nicht entgegenzutreten; auch ist der Behörde kein in die Verfassungssphäre reichender Fehler vorzuwerfen, wenn sie bei Zusammenschau aller Ereignisse zum Schluss kommt, dass die "Sorglosigkeit" des Beschwerdeführers im Umgang mit der Rezeptpflicht geeignet war, das Vertrauen in den Apothekerstand zu erschüttern. Insbesondere begegnet die darin zum Ausdruck kommende Auffassung der belangten Behörde, dass den Anforderungen des §4 Rezeptpflichtgesetz durch die Vorlage von im Telefaxweg (d.h. in Kopie) übermittelten Rezepten nicht Genüge getan wird, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.

Auch aus dem Vorbringen, er habe "[i]m Vertrauen" auf geführte Gespräche "auf die Einvernahme der vom Disziplinaranwalt geführten Zeugen des Betriebsrates verzichtet" und der Disziplinaranwalt demgegenüber zugesagt, dass er gegen eine "endgültige Beendigung der Auseinandersetzung ... keine Einwände [habe]", lässt sich für die Behauptung des Beschwerdeführers, der Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, nichts gewinnen. Ungeachtet des Umstandes, dass den Verwaltungsakten keinerlei Anhaltspunkt für das Bestehen einer solchen Übereinkunft entnommen werden kann, hätte dem stets anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer bekannt sein müssen, dass die im Verfahren maßgeblichen Rechtsvorschriften - selbst bei einem "Teilzugeständnis" - den Disziplinaranwalt keineswegs (auch nicht aus verfahrensökonomischen Gründen) zu einem Berufungsverzicht verpflichten. Selbst wenn das "Teilzugeständnis" des Beschwerdeführers nur mit Blick auf ein Gespräch mit dem Disziplinaranwalt erfolgt sein mag, kann dies an der verfassungsrechtlichen Beurteilung nichts ändern.

3. Soweit der Beschwerdeführer im Hinblick auf die ihm zur Last gelegte Verletzung der Aufsichtspflicht auch eine Verletzung im Recht auf ein faires Verfahren iSd Art6 Abs1 EMRK geltend macht, ist auf die Ausführungen zu Punkt III.2. zu verweisen.

4. Den schließlich in der Beschwerde enthaltenen weitwendigen Ausführungen zu den "tatsächlichen Motiven" des Disziplinarverfahrens kommt für die verfassungsrechtliche Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles keine Relevanz zu, weshalb sich der Verfassungsgerichtshof auch nicht veranlasst sieht, auf die Anregung des Beschwerdeführers, zu Fragen der Abgrenzung von "Nahversorgungseinzugsgebieten" oder zur Gewährung von Preisnachlässen ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH zu initiieren, einzugehen.

5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, dass der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen und gemäß Art144 Abs3 B-VG antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (vgl. §58 Abs6 ApKG).

6. Der Ausspruch über die Kosten stützt sich auf §88 VfGG. Kosten an die belangte Behörde als Ersatz des Vorlage- und Schriftsatzaufwands waren nicht zuzusprechen, weil dies im VfGG nicht vorgesehen ist und eine sinngemäße Anwendung des §48 Abs2 VwGG im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht kommt (zB VfSlg. 16.960/2003).

IV. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Apotheken, Disziplinarrecht, fair trial

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2007:B895.2006

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2009
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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