TE UVS Steiermark 1998/11/16 303.4-2/98

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Veröffentlicht am 16.11.1998
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch eine aus den Senatsmitgliedern Dr. Peter Schurl, Dr. Klaus Stühlinger und Dr. Michael Herrmann gebildete Kammer über die Berufung des Herrn Mag. N G, Graz, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. R H, Hgasse 6, G, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Graz vom 11.03.1998, GZ.: A 4 - St 772/1-1996/304, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Auf Grund des von der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf Grundlage der in Anwesenheit des Berufungswerbers, seines bevollmächtigten Vertreters sowie eines Vertreters der belangten Behörde am 16.11.1998 vorgenommenen öffentlichen, mündlichen

Verhandlung, ergeben sich folgende Feststellungen:

Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis vom 11.03.1998 war über Herrn Mag. N G auf Rechtsgrundlage der §§ 29 Abs 1 Z 3, 39 Abs 1 lit a Z 4 AWG bzw. 9 Abs 1 und 20 VStG eine Geldstrafe von S 25.000,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag, verhängt worden, da er es laut Anzeige des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 04.10.1996 in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit zur Vertretung nach außen berufenes Organ der "A GesmbH" mit dem Sitz in G, S Gasse 8, zu verantworten hätte, daß, wie anläßlich einer Verhandlung durch die Rechtsabteilung 3 am 30.10.1996 festgestellt worden wäre, am Tag dieser Überprüfung bereits Baumaßnahmen zur Adaptierung, Erneuerung und Erweiterung der bestehenden Betriebsanlage von einem namentlich bezeichneten Bauunternehmen als Generalunternehmer

ausgeführt worden wären, welche der Errichtung einer Restmüllsortieranlage in der S Gasse 8 dienten, obwohl die Errichtung einer derartigen Anlage zur Behandlung von Abfällen gemäß § 29 AWG einer Genehmigung des Landeshauptmannes bedürfe, welche am 30.10.1996 nicht vorgelegen wäre. Dieser Bescheid wird im wesentlichen damit begründet, der Sachverhalt sei insofern erwiesen, als er als solcher auch vom Beschuldigten nicht in Abrede gestellt würde, dessen Argument, er habe sich in einer Notstandssituation befunden, jedoch ins Leere ginge, da eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen im Sinne der diesbezüglichen Judikatur nicht bestanden hätte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Berufung, welche teilweise in Wiederholung des bisherigen Vorbringens damit begründet wird, der Berufungswerber könne für sich den gesetzlichen Strafausschließungsgrund des Notstandes beweisen, da die einzige Möglichkeit, die Verwaltungsübertretung zu vermeiden, gewesen wäre, die unbedingt erforderliche Müllsortieranlage (weiter) zu betreiben. Von seiten der Berufungsbehörde wurde sodann nach

Durchführung ergänzender Erhebungen mit Ladungsbescheiden vom 03.09.1998 die zur Klärung des Sachverhaltes erforderliche öffentliche, mündliche Berufungsverhandlung für 16.11.1998 angeordnet und im Beisein des Berufungswerbers, seines bevollmächtigten Vertreters sowie eines Vertreters der belangten Behörde durchgeführt.

Der Berufungswerber hat anläßlich seiner Einvernahme in der Berufungsverhandlung seinen bisher bereits formulierten Standpunkt neuerlich vertreten und ergänzend ausgeführt, die A sei im Jahr 1984 gegründet worden und habe ab 1985 den gesamten Grazer Hausmüll bzw. hausmüllähnlichen Gewerbemüll zur Entsorgung in der S Gasse übernommen. Die Betriebsanlage habe sich von Anbeginn an am Standort Sturzgasse 8 befunden, bis zum Jahr 1995 seien etwa 90.000 Jahrestonnen, seither aufgrund getrennter Sammlung etwa 45.000 Tonnen Hausmüll pro Jahr verarbeitet worden. Der vom Wirtschaftshof angelieferte Müll sei bis zur Inbetriebnahme der neuen Anlage vermahlen und in Presscontainern nach Frohnleiten zur Mülldeponie transportiert worden.

Aufgrund des technisch schlechten Zustandes der Mühlen habe ständig die Gefahr bestanden, daß der Abfall nicht mehr aufbereitet werden könnte, sodaß unbehandelter Abfall zur Mülldeponie angeliefert hätte werden müssen, was für die Stadt Graz aufgrund bestehender vertraglicher Verpflichtungen ungeheure Kosten verursacht hätte.

Es sei daher deshalb und aufgrund der erforderlichen Anpassung der Anlage an den Stand der Technik beschlossen worden, die Anlage zu erneuern, wobei die Lieferzeiten für einzelne Maschinenteile teilweise bis zu 1 Jahr betragen hätten, weshalb sehr langfristig zu planen gewesen wäre.

Ursprünglich, so ergänzte der Berufungswerber innerhalb der Berufungsverhandlung, sei die A im 51%igen Besitz der Stadt Graz gewesen, 49 % hätte die V A AG gehalten. 1991 habe die V A AG ihren Anteil an die G S AG verkauft; im seinerzeitigen Gesellschaftsvertrag sei auch eine Regelung hinsichtlich der Grundstücksbenutzung in der S Gasse und auch in G enthalten gewesen, anläßlich des Verkaufes sei eine derartige Regelung jedoch nicht mehr getroffen worden, sondern sei dieser Bereich einem eigenen Vertrag vorbehalten geblieben. Es sei jedoch trotz intensivster Bemühungen jahrelang nicht möglich gewesen, eine Regelung über Pacht oder Kauf der Grundstücke mit der Stadt Graz als Grundstückseigentümerin (und gleichzeitiger Mehrheitseigentümerin der A) zu erreichen; dies sei der A erst 1996, als die Stadt Graz von den G S ein Grundstück benötigte und eine entsprechende Regelung zu treffen war, gelungen. Das Unternehmenskonzept der A sei bereits 1984, als sie ihre Tätigkeit aufgenommen hätte, vom Gewerbeamt des Magistrates Graz überprüft worden, wobei diese Behörde, genauso wie die Handelskammer Steiermark, den Standpunkt vertreten hätte, die A würde nicht gewerbsmäßig tätig werden, weshalb eine gewerberechtliche Betriebsanlagengenehmigung der Anlage in der SGasse nicht erforderlich gewesen wäre.

Nach Änderung des bis 1994 geltenden Gesellschaftsvertrages, so erklärte der Berufungswerber ergänzend, sei schließlich am 29.08.1995 der Genehmigungsantrag gemäß § 29 AWG an den Landeshauptmann gerichtet und in weiterer Folge das Verfahren durchgeführt worden; das Müllaufkommen sei seitdem vergleichbar mit den bereits dargestellten Mengen.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 16.06.1997, GZ.: 3-38.10 25-97/26, sei sodann die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigung der Anlage in der S Gasse (erstmals) erteilt worden.

Diese Erklärungen des Berufungswerbers innerhalb der Berufungsverhandlung konnten während derselben dahingehend verifiziert werden, daß für die Anlage in der S Gasse tatsächlich vor diesem Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 16.06.1997 nur baurechtliche und wasserrechtliche Bewilligungen existiert hätten.

Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht im Verwaltungsstrafverfahren den Parteien das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Gemäß § 51e Abs 1 VStG ist, wenn die Berufung nicht zurückzuweisen oder nicht bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, daß der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, eine öffentliche, mündliche Verhandlung anzuberaumen, zu welcher die Parteien und eventuell Sachverständige und Zeugen zu laden sind; diese Verhandlung wurde am 16.11.1998 durchgeführt; da im angefochtenen Straferkenntnis eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe festgesetzt worden ist, entscheidet der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß § 51 c VStG darüber durch eine Kammer, die aus drei Mitgliedern zu bestehen hat.

Wenn eine Verhandlung durchgeführt wurde bzw. durchzuführen ist, ist gemäß § 51i VStG bei der Fällung des Erkenntnisses nur auf das Rücksicht zu nehmen, was in dieser Verhandlung vorgekommen ist. Auf Aktenstücke ist nur insoweit Rücksicht zu nehmen, als sie bei der Verhandlung verlesen wurden, es sei denn, der Beschuldigte hätte darauf verzichtet (Grundsatz der Unmittelbarkeit des Verfahrens); weiters ist Zweck dieser öffentlichen, mündlichen Verhandlung als Teil des gemäß § 37 AVG durchzuführenden Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben (Grundsatz der materiellen Wahrheitsfindung).

Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 leg cit vorgenommen worden ist; die Verjährungsfrist bei einer Verwaltungsübertretung wie der verfahrensgegenständlichen beträgt sechs Monate, diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.

Gemäß § 32 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten, von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluß der Strafsache, Verfolgungshandlung ist jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigter gerichtete Amtshandlung. Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten stafbaren Handlung zu verwirklichen (VwGH 12.5.1989, 87/17/0152). Eine Verfolgungshandlung muß, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert unter anderem, daß sie sich auf alle, die Taten betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat.

Eine Verfolgungshandlung unterbricht somit nur dann die Verjährung, wenn sie sich auf alle der Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente bezogen hat (VwGH 19.9.1984, Slg 11525A, vgl. auch VwGH 22.12.1992, Zl. 91/04/0199).

Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende, wörtliche Ausführungen erforderlich. Gemäß § 39 Abs 1 lit a Z 4 AWG in der gemäß § 1 Abs 2 VStG anzuwendenden Fassung begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 50.000,-- bis S 500.000,-- zu bestrafen, wer eine Abfall- oder Altölbehandlungsanlage errichtet, betreibt oder ändert, ohne im Besitz der nach den §§ 28 und 29 erforderlichen Genehmigung zu sein; gemäß § 29 Abs 1 Z 3 leg. cit. bedarf die Errichtung oder wesentliche Änderung sowie die Inbetriebnahme von Anlagen zur thermischen Verwertung oder sonstigen Behandlung von nicht gefährlichen Abfällen oder Altölen, ausgenommen zur stofflichen Verwertung, mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen einer Genehmigung des Landeshauptmannes.

Wie das Berufungsverfahren ergeben hat, wurde anläßlich der Überprüfung der Abfallrechtsbehörde am 30.10.1996 nicht festgestellt, es wären an einer abfallwirtschaftsrechtlich genehmigten Abfallaufbereitungs- bzw. Sortieranlage genehmigungspflichtige Änderungen ohne Vorliegen einer rechtskräftigen Änderungsgenehmigung durchgeführt worden, sondern hat sich anläßlich dieser Überprüfung ergeben, daß für die Gesamtanlage außer baurechtlichen und wasserrechtlichen Bewilligungen noch keinerlei Genehmigung aufgrund abfallrechtlicher Bestimmungen bestanden hat. Der bereits erwähnte Bescheid des Landeshauptmannes der Steiermark vom 16.06.1997 ist somit der einzige, bisher vorliegende Genehmigungsbescheid in abfallwirtschaftsrechtlicher Hinsicht, wobei sich die abfallwirtschaftsrechtliche Genehmigungspflicht dieser Betriebsanlage aufgrund des in der Berufungsverhandlung dargestellten Betriebsablaufes aus der Bestimmung des § 29 Abs 1 Z 3 AWG ergibt, da es sich bei dieser Anlage um eine solche zur Behandlung nicht gefährlicher Abfälle mit einer Jahreskapazität von mindestens 10.000 Tonnen handelt.

Die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhaltes ergibt somit aufgrund der dargestellten Rechtslage, daß hinsichtlich der Elemente der entsprechenden spruchgemäßen Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44 a Z 1 VStG in der Beschreibung des Tatbestandes diese konkrete Zuständigkeitsabgrenzung des § 29 Abs 1 Z 3 AWG enthalten hätte sein müssen (vgl. VwGH 28.06.1988, 88/04/0047), damit von einer, die Verfolgungsverjährung unterbrechenden Verfolgungshandlung im konkreten Fall ausgegangen werden könnte (VwGH 25.02.1992, 91/04/0277).

Da somit dem nunmehrigen Berufungswerber der ihm zur Last gelegte, verwaltungsstrafrechtlich relevante Tatbestand nicht innerhalb der bereits genannten Frist in entsprechend konkretisierter Weise vorgehalten worden ist, war im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte
Abfallbehandlung Genehmigungspflicht Tatbestandsmerkmal
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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