Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Michael Herrmann über die Berufung des Herrn Johann P, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Kurt K, G-Gasse 39/III, G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Voitsberg, vom 08.10.1997, GZ.: 15.1 1997/201, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen.
Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung dahingehend Folge gegeben, daß der Berufungswerber gemäß § 21 VStG ermahnt wird.
Mit dem im Spruch genannten Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe als Jagdberechtigter der Eigenjagd Temmel Salla am 24.10.1996 nicht für die Erfüllung des für das Jagdjahr 96/97 festgesetzten Abschußplanes gesorgt, da er einen nicht genehmigten Hirschen der Klasse II erlegt habe. Hiedurch habe er eine Übertretung des § 56 Abs 2 iVm § 56 Abs 6 des Stmk. Jagdgesetzes begangen und wurde hiefür eine Geldstrafe in der Höhe von S 3.000,-- (1 Tag 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
In seiner fristgerechten Berufung vom 24.10.1997 führte der Berufungswerber aus, daß sich das Straferkenntnis lediglich auf die glaubwürdige Aussage des Zeugen Franz L stütze, welcher den erlegten Hirschen im grünen Zustand besichtigt habe, wobei eine exakte Bestimmung des Alters von Rotwild, wenn überhaupt nur mittels einer Begutachtung des Zahnschliffes erfolgen könne. Diesbezüglich wurde auf ein etwaiges Gutachten des Institutes für Bodenkultur in Wien verwiesen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu nachfolgendes fest:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat zu, in dessen Sprengel nach dem Ausspruch der Behörde erster Instanz die Tat begangen wurde; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Die Erhebungen der entscheidenden Behörde betreffend einer Begutachtung des Zahnschliffes erbrachten, daß gemäß den Ausführungen des Forschungsinstitutes für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien die beiden Kiefer 1 "Temmel" aufgrund der mangelhaften Ausbildung von Zementzonen beim Kiefer leider nicht bestimmbar sind. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat am 03.11.1998 eine öffentliche, mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Berufungswerbers unter Beiziehung des Zeugen Franz L durchgeführt.
Aufgrund dieser Verhandlung und des Inhaltes der Verwaltungsakten wurde folgender Sachverhalt festgestellt:
Unbestritten ist, daß der Berufungswerber am 24.10.1996 in der Dämmerung einen Hirsch in der Eigenjagd Temmel Salla, Besitzer Franz H, B, erlegt hat. Diesbezüglich ist auszuführen, daß in Entsprechung des Abschußplanes 96/97 für das gegenständliche Revier ein Abschuß für einen Hirsch der Klasse III (2 - 4jährig) festgelegt wurde.
In Entsprechung der Aussage des Zeugen Franz L, der in seiner Funktion als Hegemeister in den Morgenstunden des 25.10.1996 den Hirsch beim sogenannten "Temmelhof" besichtigte, war der Hirsch der Klasse II zuzuordnen. Wie der Zeuge weiters ausführte, erfolgte der Abschuß laut den Angaben des Berufungswerbers in der Dämmerung und ist beim Ansprechen ein Mißgeschick = Malheur
Diesbezüglich ist auszuführen, daß eine Besichtigung des Hirschen durch den Bezirksjägermeister, der die Anzeige legte, nicht erfolgte, bzw. auch eine Bewertung durch die Trophäenkommission nicht durchgeführt wurde.
In Entsprechung der Angaben des Berufungswerbers ging dieser beim Ansprechen des tatgegenständlichen Hirschen davon aus, daß es sich um einen Hirsch der Klasse III handelt, wobei der Berufungswerber nunmehr eingestand, daß es sich beim erlegten Hirschen um einen Hirsch der Klasse II handeln könnte, bzw. liegt nunmehr in diesem Bereich ein Tatsachengeständnis vor. Ergänzend sei erwähnt, daß in Entsprechung der Angaben des Zeugen L der Hirsch ordnungsgemäß aufgebrochen bzw. weidmännisch versorgt war und es sich beim Berufungswerber um einen erfahrenen Jäger handelt, der bis dato niemals negativ in Erscheinung getreten ist.
Gemäß § 21 Abs 1 VStG kann die Behörde ohne weiteres Verfahren von der Verhängung einer Strafe absehen, wenn das Verschulden des Beschuldigten geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind. Sie kann den Beschuldigten jedoch gleichzeitig unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid ermahnen, sofern dies erforderlich ist, um den Beschuldigten von weiteren strafbaren Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Hinsichtlich des Verschuldens ist auszuführen, daß die Behörde davon ausgeht, daß der Berufungswerber keinesfalls die Absicht hatte, einen Hirsch der Klasse II zu erlegen und ihm vielmehr beim Ansprechen in der Dämmerung ein Fehler passierte. Diesbezüglich ist zu erwähnen, daß auch andere Jagdkameraden der Ansicht waren, daß es sich bei dem erlegten Hirsch eventuell um einen Hirsch der Klasse III handeln könne. Es sei auch darauf verwiesen, daß Hegemeister L, dessen Beurteilung des Hirschen als einen solchen der Klasse II keinesfalls angezweifelt wird, ergänzend ausführte, daß eine exakte Altersfeststellung nur aufgrund eines sogenannten Zahnschliffes möglich ist und es schon oft zu Fehlbeurteilungen ohne Kenntnis des Ergebnisses des Zahnschliffes gekommen ist. Es ist daher davon auszugehen, daß das Verschulden des Berufungswerbers insofern als geringfügig anzusehen ist, als vom äußeren Erscheinungsbild nur schwer zu unterscheiden war, ob es sich um einen Hirsch der Klasse III oder der Klasse II handelte.
In atypischen Situationen muß man zwar ein erhöhtes Maß an Sorgfalt verlangen, doch muß man sich hüten, die Anforderungen an die objektive Sorgfaltspflicht zu überspannen und nicht schon die Versäumung bloßer Sorgfaltsmöglichkeiten, sondern die Verletzung tatsächlicher Sorgfaltspflichten, die die Rechtsordnung auferlegt, als sorgfaltswidrig bezeichnen (VwGH 12.06.1989, Zl. 88/10/0169).
Was nunmehr die Folgen der Tat betrifft, so sei diesbezüglich auf die Ausführungen des Amtssachverständigen DI Stadlmann im Verfahren vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat (GZ: UVS 30.10-80/93, Bescheid vom 11.08.1994) verwiesen, wonach die Folgen der Tat in Bezug auf die vorhandenen oder zu erwartenden Wildschäden im Revier unbedeutend sind, zumal beide Hirsche (Klasse II und Klasse III) den gleichen Futterbedarf aufweisen, sodaß eine Wirkung auf die Wildschadensituation im Revier nicht zu erwarten ist, auch wenn im allgemeinen gesehen die geringsten Wildschäden in denjenigen Gebieten auftreten, wo die Altersstruktur der vorhandenen Tier den natürlichsten Verhältnissen entspricht. Dies im Unterschied bei Erlegung eines männlichen Tieres statt eines weiblichen Tieres, wodurch aufgrund der Fortpflanzung eine Erhöhung des Bestandes allgemein zu erwarten wäre und somit auch ein tatsächlich erhöhter Futterbedarf im Revier.
Die Folgen der Tat können somit, im gleichgelagerten tatgegenständlichen Fall, als geringfügig angesehen werden, da offensichtlich ein tatsächlicher Schaden weder zu beziffern noch zu erwarten ist.
Da somit, wie ausgeführt, das Verschulden des Berufungswerbers geringfügig ist und die Folgen der Übertretung unbedeutend sind, hatte der Beschuldigte einen Rechtsanspruch auf Anwendung der gesetzlichen Bestimmung des § 21 Abs 1 (VwGH 28.10.1980, 263/80). Eine Ermahnung war
auszusprechen, um den Berufungswerber in Hinkunft zu noch sorgfältigerer Ansprache vor einem Abschuß anzuhalten bzw. auch im Hinblick auf die generalpräventive Wirkung in der Jägerschaft. Betreffend des im Spruch des angefochtenen Bescheides ausgesprochenen Verfalls der Trophäe des tatgegenständlichen Hirschen gemäß § 78 Abs 1 des Stmk. Jagdgesetzes ist festzustellen, daß der Verfall auch eine Strafe darstellt, wohingehend die Behörde bei Anwendung des § 21 VStG auf jede Bestrafung verzichtet (VwGH 24.9.1951, Zl. 1997/49). Der Verfall der Trophäe ist daher als gegenstandslos anzusehen.