Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Gerhard Wittmann, Dr. Erwin Ganglbauer und Dr. Helmut Pollak über die Berufung des Herrn Adolf V, gegen Punkt 1.) des Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Radkersburg vom 9.2.1998, GZ.: 15.1 1997/2731, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber in Punkt 1) zur Last gelegt, anläßlich einer Kontrolle des Arbeitsinspektorates Graz am 1.9.1997 in seinem Betrieb in O, B R sei festgestellt worden, daß in der Arbeitsstätte die CO2-Laseranlage in Betrieb gewesen sei, obwohl dafür keine gewerbebehördliche Bewilligung vorgelegen sei. Bei der Kontrolle sei Plexiglas geschnitten worden. Ebenso sei bei einer weiteren Kontrolle am 9.6.1997 dort Plexiglas geschnitten worden. Er habe somit gegen § 93 ASchG verstoßen. Über ihn wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (zwei Tage und 20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. In der Berufung vom 9.2.1998 wurde vom Berufungswerber ausgeführt, er habe nicht gewußt, dass er dafür eine Bewilligung benötige. Als er dies erfahren habe, sei alles sofort in die Wege geleitet worden.
Aus dem gewerberechtlichen Akt der Bezirkshauptmannschaft Radkersburg 4.1-85/95 geht hervor, dass der Berufungswerber selbst am 9. Jänner 1992 um die gewerberechtliche Genehmigung für die Hinzunahmen von Betriebsräumen und Aufstellung neuer Maschinen auf den Grundstücken Nr. 1210 und 1211 KG L ersucht hat. Aus diesem Akt geht weiters hervor, dass Gegenstand des gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahrens unter anderem auch die Vorschreibung von Auflagen für die gegenständliche CO2-Laseranlage, die für das Schneiden von Kunststoffteilen dient und bei welcher eine Absaugung sowie eine Absicherung des Gefahrenbereiches durch bewegte Maschinenteile fehlt, ist. Das gewerbebehördliche Genehmigungsverfahren ist bis heute nicht abgeschlossen.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu fest:
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, daß die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich. Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG wird somit dann Rechnung getragen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11894/A). Entscheidend dafür, welche Tathandlung die Behörde der Verwaltungsvorschrift unterstellt hat, ist daher die Bezeichnung im Spruch des Erkenntnisses. Die objektive Tatseite einer Verwaltungsübertretung ist das vom Tatbestand erfaßte, äußere menschliche Verhalten. Dieses Verhalten kann in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehen.
§ 92 Abs 1 ASchG (Arbeitsstättenbewilligung) lautet:
Arbeitsstätten, die infolge der Art der Betriebseinrichtungen der Arbeitsmittel, der veränderten Arbeitsstoffe oder Arbeitsverfahren in besonderem Maß eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer bewirken können, dürfen nur aufgrund einer Bewilligung der zuständigen Behörde errichtet und betrieben werden (Arbeitsstättenbewilligung).
§ 93 Abs 1 Z 1 (Ausnahmen von der Bewilligungspflicht) lautet:
Eine Arbeitsstättenbewilligung ist nicht erforderlich für genehmigungspflichtige Betriebsanlagen im Sinne der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194.
§ 93 Abs 2 lautet:
In den in Abs 1 angeführten Genehmigungsverfahren sind die Belange des Arbeitnehmerschutzes zu berücksichtigen. Die genannten Anlagen dürfen nur genehmigt werden, wenn sie den Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechen und zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichen, falls vorzuschreibenden geeigneten Bedingungen und Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalls voraussehbaren Gefährdungen für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vermieden werden. Für die Vorschreibung von Auflagen ist § 92 Abs 2 letzter Satz anzuwenden (dieser lautet: Solche Auflagen sind vorzuschreiben, wenn sie 1) nach den konkreten Fällen des Einzelfalls zur Gewährung der Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmermaßnahmen erforderlich sind, die über die in diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen enthaltenen Anforderungen hinausgehen oder 2) die Vorschreibung von Auflagen zur Konkretisierung oder Anpassung der in diesem Bundesgesetz oder den dazu erlassenen Verordnungen vorgesehenen Anforderungen an die konkreten Fälle des Einzelfalls erforderlich ist).
§ 74 Abs 1 und 2 (Betriebsanlagen GewO 1994) lauten:
Abs 1: Unter einer gewerblichen Betriebsanlage ist jede örtliche Einrichtung zu verstehen, die der Entfaltung der gewerblichen Tätigkeit regelmäßig zu dienen bestimmt ist.
Abs 2: Gewerbliche Betriebsanlagen dürfen nur mit Genehmigung der Behörde (§ 333, § 334, § 335) errichtet oder betrieben werden. Wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,
1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 450/1994 in der jeweils geltenden Fassung unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden. Als dingliche Rechte im Sinne des Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs 1 Z 4 lit g angeführten Nutzungsrechte;
2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen;
3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kuranstalten oder die Verwendung der im Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienenden benachbarten Anlagen unter Einrichtungen zu beeinträchtigen;
4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder
5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf grundwasserrechtliche Vorschriften vorgeschrieben ist. Nach der Zusammenschau der vorstehend angeführten gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich, daß ein Arbeitsstätten-Bewilligungsverfahren nicht durchzuführen ist und daher ein Verstoß gegen die in § 92 normierte Arbeitsstätten-Bewilligungspflicht begrifflich nicht in Frage kommt, insoweit ein Betriebsanlagen-Genehmigungsverfahren gemäß § 74 GewO 1994 durchzuführen ist. Aus dem Gewerbeakt der Bezirkshauptmannschaft Radkersburg geht zweifelsfrei hervor, daß ein derartiges Verfahren vor dem gegenständlichen Tatzeitpunkt begonnen und noch nicht abgeschlossen wurde. Bei diesem Verfahren wäre der Schutz der Arbeitnehmer zu berücksichtigen, wobei Aspekte der Gefährdung des Lebens und der Gesundheit der Arbeitnehmer für sich alleine jedoch noch keine Genehmigungspflicht der Betriebsanlage begründen können. Der Berufungswerber hat also mit Sicherheit nicht gegen die Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes verstoßen, sondern kommt allenfalls eine Subsumierung des Tatvorwurfs als Verletzung von § 74 GewO in Frage.
Ein Schuldspruch nach der Gewerbeordnung muß jedoch, um das Erfordernis des § 44 a Z 1 VStG zu erfüllen, auch jene Tatumstände enthalten, die eine Beurteilung dahin zulassen, ob die vorliegende Betriebsanlage die in § 74 Abs 2 genannten Interessen zu beeinträchtigen geeignet und daher genehmigungspflichtig ist (Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24.11.1992, Zl.: 90/04/0310). Diesen Bedingungen entspricht der Spruch des gegenständlichen Straferkenntnisses nicht, weil aus ihm nicht hervorgeht, welche Wirkung der genehmigungslose Betrieb der CO2-Laseranlage in bezug auf die in § 74 Abs 2 Z 1 - 5 GewO normierten und von Gesetzes wegen zu beachtenden Interessen hat. Es war dem Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark mangels einer tauglichen Verfolgungshandlung verwehrt, den Spruch in diesem Sinne zu verbessern. Es war daher das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren aus formellen Gründen einzustellen, ohne daß es zur Klärung dieser Rechtsfrage der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung bedurft hätte.