TE UVS Wien 1999/01/07 03/P/36/3571/98

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Veröffentlicht am 07.01.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Dr Wolfram T, vertreten durch Rechtsanwälte, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 8.10.1998, Zl Cst 58 383-D/98 Ju, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Verhandlung entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.

Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

Text

Begründung:

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 8.10.1998 wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe am 24.2.1998 um

8.15 Uhr in Wien, K-gasse, Richtung stadteinwärts als Lenker des KFZ mit dem behördlichen Kennzeichen W-40 einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befunden habe, nicht das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn ermöglicht, da er nicht, obwohl erforderlich, vor dem Schutzweg angehalten habe. Er habe dadurch § 9 Abs 2 StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 90 Stunden) verhängt wurde. Gleichzeitig wurden die vom Bw zu ersetzenden Verfahrenskosten mit S 150,-- bestimmt.

In seiner dagegen innerhalb offener Frist erhobenen Berufung rügte der Bw, es gebe nach den Ergebnissen des Behördenverfahrens weder eine Anzeige noch irgendein Beweisergebnis darüber, daß dieser Vorwurf berechtigt wäre. Es existiere nicht einmal eine Anzeige, offenbar sei vom Meldungsleger lediglich ein Computercode eingegeben worden, der keine Tatbeschreibung enthalte, sondern sich auf die Wiedergabe des gesetzlichen Tatbestandes, den er verletzt haben solle, beschränke. Es sei eine konkrete Stellungnahme zum Anzeigeninhalt praktisch unmöglich gewesen, weil eine Anzeige nicht existent sei. Wenn man dem Straferkenntnis die von der Meldungslegerin angefertigte Skizze zugrundelege, dann sei der angebliche Tathergang völlig unklar. Nach dieser Skizze habe der Fußgänger den Zebrastreifen vor seinem Fahrzeug überquert. Nach dem Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses solle er allerdings einem Fußgänger das Überqueren nicht ermöglicht haben, da er vor dem Schutzweg nicht angehalten habe. Aus der von der Meldungslegerin angefertigten Skizze ergebe sich aber das Gegenteil. Diese Skizze zeige einen vor dem Fußgängerweg haltenden Pkw und die Gehrichtung des Fußgängers. Diese Skizze zugrundegelegt, wäre sein Pkw mit dem Fußgänger kollidiert, hätte er nicht angehalten, sondern wäre er weitergefahren. Wenn ein Fußgänger - so führte der Bw weiters aus - einem Fahrzeuglenker ein Handzeichen gebe, nicht anzuhalten, sondern weiterzufahren, dann sei der Fußgänger weder behindert noch gefährdet, wenn sich der Fahrzeuglenker diesem Handzeichen gemäß verhalten habe. Es sei daher beantragt worden, den Fußgänger auszuforschen und einzuvernehmen, der angeblich behindert worden sei. Aus § 9 Abs 2 StVO ergebe sich eine unbedingte Anhaltepflicht nicht. Wenn ein Fußgänger einem herannahenden Fahrzeuglenker ein Handzeichen gebe, anstelle anzuhalten weiterzufahren, dann befinde sich dieser Fußgänger nicht auf dem Schutzweg und wolle ihn erkennbar auch nicht benützen. Wenn der Fahrzeuglenker dennoch wegen eines Verstoßes nach § 9 Abs 2 StVO bestraft werden solle, dann müßte dem Fahrzeuglenker wohl der Vorwurf gemacht werden, daß er sich dem Schutzweg mit einer derart hohen Geschwindigkeit genähert habe, daß ihm ein Anhalten völlig unmöglich gewesen wäre. Ein derartiger Vorwurf werde ihm aber nicht gemacht und wäre auch völlig unberechtigt. Mit Ausnahme des Spruches des angefochtenen Straferkenntnisses gebe es also keinen einzigen Hinweis darauf, daß der gegen ihn erhobene Vorwurf berechtigt wäre. Die recht weit hergeholte Begründung, daß auch ein auf einem Fußgängerübergang getöteter Fußgänger nicht beweisen könne, daß er gar kein Handzeichen zum Weiterfahren des Fahrzeuglenkers gegeben habe, vermöge das Straferkenntnis nicht zu rechtfertigen. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien führte am 16.12.1998 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der Bw gehört und die Meldungslegerin als Zeugin einvernommen wurde.

Der Bw gab bei seiner Einvernahme als Beschuldigter folgendes an:

"Ich habe mich zur fraglichen Zeit dem hier relevanten Fußgängerübergang angenähert und einen Fußgänger dort - meiner Erinnerung nach - noch auf dem Gehsteig stehend - gesehen. Es war kein direkter dichter Kolonnenverkehr, sondern sind die Fahrzeuge in einigem Abstand hintereinander gefahren. Es wäre sich durchaus ausgegangen, wenn ich gebremst hätte, um den Fußgänger das Überqueren des Zebrastreifens zu ermöglichen. Ich hatte mit dem Fußgänger Blickkontakt und er hat mir mit einer Bewegung aus dem Handgelenk angedeutet, daß ich weiterfahren solle, was ich dann auch gemacht habe. Ob der Fußgänger zu dem Zeitpunkt, als er die Handbewegung machte, schon einen Schritt nach vor auf dem Zebrastreifen gemacht hat, vermag ich heute nicht mehr eindeutig zu sagen. Wenn der Fußgänger diese Handbewegung nicht gemacht hätte, dann hätte ich jederzeit stehenbleiben können. Es war der Abstand zum Fußgänger nicht besorgniserregend oder gefährlich."

Die Meldungslegerin (Frau Insp S) gab bei ihrer Einvernahme als Zeugin folgendes an:

"Ich kann mich heute an den gegenständlichen Vorfall nicht mehr erinnern. Ich hatte zu dieser Zeit mit der Schulwegsicherung zu tun. Bei solchen Fällen schreibe ich mir auf einen Zettel den Paragraphen, der meiner Meinung nach übertreten worden ist, auf. Darüber hinaus notiere ich mir auch noch das Kennzeichen und die Tatörtlichkeit. Wo sich der Fußgänger befunden hat, kann ich heute nicht mehr angeben. In einem solchen Fall muß sich der Fußgänger auf dem Schutzweg befunden haben, denn sonst mache ich keine Anzeige. Zur Frage, ob der Fußgänger durch das vorbeifahrende Fahrzeug stehenbleiben mußte oder etwa zurücktreten mußte, kann ich keine Angabe machen. Auf die Frage, ob ich ein Handzeichen des Fußgängers wahrnehmen konnte, gebe ich an, ich kann mich nicht mehr erinnern, es ist schon so lange her. Wenn es für mich offensichtlich gewesen wäre, daß der Fußgänger ein Handzeichen für den Fahrzeuglenker zum Weiterfahren gegeben hätte, dann hätte ich sicher keine Anzeige erstattet. Die im Akt befindliche Skizze auf Abl 18 zeigt die Tatörtlichkeit. Die Skizze zeigt den Fußgänger und die von diesem eingehaltene Richtung und ebenso die Richtung des Fahrzeuges. Konkrete Entfernungsangaben kann ich heute keine mehr machen."

Die anwesende Partei verzichtete auf die mündliche Verkündung des Berufungsbescheides.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Gemäß § 9 Abs 2 StVO idF der 19. StVO-Novelle, BGBl Nr 518/1994 hat der Lenker eines Fahrzeuges, das kein Schienenfahrzeug ist, einem Fußgänger, der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will, das unbehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Zu diesem Zweck darf sich der Lenker eines solchen Fahrzeuges einem Schutzweg nur mit einer solchen Geschwindigkeit nähern, daß er das Fahrzeug vor dem Schutzweg anhalten kann, und er hat, falls erforderlich, vor dem Schutzweg anzuhalten.

Das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gründet sich auf eine (Computer-) Anzeige, wonach der (männliche) Lenker des Fahrzeuges der Marke BMW mit dem Kennzeichen W-40 am 24.2.1998 um

8.15 Uhr in Wien, K-gasse Richtung stadteinwärts den Deliktscode "A032" verwirklicht habe. Der Standort der Meldungslegerin sei in Wien, K-straße gewesen. Die Anzeige erfolge auf Grund eigener dienstlicher Wahrnehmungen (der Meldungslegerin Frau Insp S). Der Bw machte schon in seiner Stellungnahme vom 24.6.1998 darauf aufmerksam, daß der Tathergang auf Grund der Anzeige völlig unklar sei. Eine Stellungnahme sei praktisch unmöglich, weil ein Anzeigeninhalt nicht existent sei. Der Bw warf die Frage auf, wie eine Behinderung vorliegen könne, wenn der Fußgänger seine Schrittgeschwindigkeit reduziere und dem Lenker des Fahrzeuges ein Zeichen gebe, weiterzufahren. Der (offenbar nicht ausgeforschte) Fußgänger könne bezeugen, daß er nicht "behindert" worden sei (andernfalls hätte er ja wohl kaum dem Lenker ein Handzeichen zum Weiterfahren gegeben).

In ihrer Stellungnahme vom 30.6.1998 hielt die Meldungslegerin ihre in der Anzeige gemachten Angaben vollinhaltlich aufrecht (hiezu sei bemerkt, daß die Anzeige ein bestimmtes Fahrzeug, eine Tatzeit, einen Tatort und einen Deliktscode enthält). Wenn die angebliche Zeichenabgabe zum Weiterfahren des Fahrzeuglenkers durch den Fußgänger offensichtlich und auch für sie sichtbar gewesen wäre, dann hätte sie sicher von einer Anzeigenerstattung abgesehen (dieser Stellungnahme war auch eine Skizze angeschlossen). In seiner Stellungnahme vom 2.9.1998 wiederholte der Bw abermals sein Vorbringen, wonach schon der Anzeige keine genaue Umschreibung der vorgeworfenen Tathandlung zugrundeliege, sondern einfach ein Computercode eingegeben worden sei, sodaß nicht nachvollziehbar sei, welche Tathandlung ihm konkret vorgeworfen würde.

Die Erstbehörde führte zur Begründung des angefochtenen Straferkenntnisses aus, nach der früheren Rechtslage sei einem Fußgänger zwar der Vorrang auf dem Schutzweg zugute gekommen, es sei ihm aber das plötzliche Betreten der Straße untersagt gewesen. Vor allem auf einem Schutzweg getötete Fußgänger hätten daher die Behauptung des Autolenkers, sie hätten die Fahrbahn überraschend betreten, nicht widerlegen können. Der Gesetzgeber habe daher in der geltenden Fassung des § 9 Abs 2 StVO eine unbedingte Anhaltepflicht für Fahrzeuglenker eingefügt, die auch durch behauptete Handzeichen des Fußgängers nicht durchbrochen sei. Ein getöteter Fußgänger könnte ja ebensowenig die Behauptung des Lenkers widerlegen, er habe den Autofahrer durch Handzeichen zum Weiterfahren aufgefordert. Daß ein Fußgänger bei der Annäherung eines Fahrzeuges, dessen Geschwindigkeit ihm ein rechtzeitiges Anhalten nicht zu gewährleisten scheine, anhalte, sei ein natürliches Schutzverhalten und widerlege nicht den Vorwurf der Behinderung, im Gegenteil liege gerade darin die Behinderung. Dieser Rechtsansicht der Erstbehörde vermag der Unabhängige Verwaltungssenat Wien nicht beizupflichten. Die Bestimmung des § 9 Abs 2 StVO wurde (durch die 19. StVO-Novelle) nicht zuletzt wegen des hohen Anteiles an Fußgängerunfällen auf Schutzwegen reformiert. Es galt insbesondere, den unbedingten Vorrang eines Fußgängers, der einen Schutzweg benütze, zu unterstreichen. Dies solle vor allem dadurch geschehen, daß dieser Vorrang nicht nur Fußgänger, die sich bereits auf dem Schutzweg befinden, sondern auch solchen, die den Schutzweg erkennbar benützen wollen, eingeräumt wird. Damit werde der in der Praxis vorherrschenden, und aus der Sicht der Verkehrssicherheit berechtigten Erwartungshaltung von Fußgängern im Hinblick auf die Schutzwirkung dieser Querungshilfe entsprochen (vgl die Wiedergabe der Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur 19. StVO-Novelle (1580 Blg NR 18 GP) in Messiner, StVO, 9. Auflage, Seite 281, Anm 5 zu § 9 Abs 2). Von der Wartepflicht ist der Fahrzeuglenker aber befreit (und daran hat sich durch die erwähnte 19. StVO-Novelle nichts geändert), wenn der bevorrangte Fußgänger eindeutig und freiwillig (zB durch Handzeichen) zu erkennen gibt, daß er auf seinen Vorrang verzichten will. Das gilt aber nicht, wenn der Kraftfahrer dem bevorrangten Fußgänger dadurch zum Verzicht veranlaßt, daß er sich dem Schutzweg zu schnell nähert (vgl Messiner, StVO, 9. Auflage, Seite 282).

Zweck der Vorschrift des § 9 Abs 2 StVO ist es, einem Fußgänger (der sich auf einem Schutzweg befindet oder diesen erkennbar benützen will) das ungehinderte und ungefährdete Überqueren der Fahrbahn zu ermöglichen. Nur insoweit kommt dem Fußgänger ein sogenannter "Vorrang" zu. Hat beispielsweise ein Fußgänger die Fahrbahnhälfte, auf der sich das Fahrzeug nähert, bereits überquert und fährt er im Übersetzen der Straße unverweilt fort, so kann der Umstand, daß sich dieser Fußgänger noch auf dem Schutzweg befindet, kein zwingender Grund für ein Anhalten des Fahrzeuges sein. Ebenso kann es etwa bei Straßen von erheblicher Breite unbedenklich sein, wenn ein Fahrzeuglenker den Schutzweg noch überquert, obwohl ein Fußgänger bereits - von der linken Straßenseite kommend - den Schutzweg betreten hat, aber noch so weit entfernt ist, daß er, selbst bei Beschleunigung seiner Fortbewegung, durch das Fahrzeug nicht gehindert oder gefährdet werden kann. Wo aber Umstände dieser Art nicht vorliegen, dh also in allen Fällen, in denen ein Fußgänger, der den Schutzweg bereits betreten hat (bzw nunmehr auch diesen erkennbar benützen will), bei Fortsetzung seiner beabsichtigten Straßenüberquerung durch das sich näherende Fahrzeug gehindert oder gefährdet werden könnte, hat der Lenker des Fahrzeuges den "Vorrang" des Fußgängers zu beachten und dementsprechend die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges zu vermindern oder dasselbe anzuhalten. Auch die Aufnahme eines sogenannten bloßen Augenkontaktes, der nichts anderes bedeutet, als daß Fahrzeuglenker feststellen konnten, der Fußgänger habe das Herannahen des Fahrzeuges wahrgenommen, vermag an der Verpflichtung des Fahrzeuglenkers nichts zu ändern. Wohl kann der Fußgänger auf den ihm zukommenden "Vorrang" verzichten, doch müssen für die Annahme eines solchen Verzichtes konkrete, objektiv wahrnehmbare Reaktionen des Fußgängers auf Grund des vorhergegangen Augenkontaktes vorliegen, die mit Grund die Annahme rechtfertigen, daß er freiwillig und nicht etwa aus Furcht, überfahren zu werden, auf die Überquerung der Straße vor dem Fahrzeug verzichtet (vgl dazu näher das Erk des VwGH vom 30.4.1964, Zl 1048/63, VwSlg 6327/A).

Die Auffassung der Erstbehörde, es bestehe nunmehr eine unbedingte Anhaltepflicht für Fahrzeuglenker, die auch durch behauptete Handzeichen des Fußgängers nicht durchbrochen sei, findet im Gesetz keine Deckung. Die Erstbehörde ist aber darauf hinzuweisen, daß es etwa - auf eine diesbezügliche Behauptung des Beschuldigten hin - naheliegend ist, diesen einzuvernehmen, um sich ein Bild von dessen Glaubwürdigkeit machen zu können.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat in seiner Verhandlung am 16.12.1998 den Bw persönlich einvernommen. Dieser schilderte die damaligen Vorgänge aus seiner Sicht (und soweit sie ihm noch erinnerlich waren). So schilderte er, der Fußgänger habe mit ihm Blickkontakt gehabt und ihm mit einer Bewegung aus dem Handgelenk heraus angedeutet, daß er weiterfahren solle, was er dann auch gemacht habe. Hätte der Fußgänger diese Handbewegung nicht gemacht, dann hätte er jederzeit stehen bleiben können. Es sei der Abstand zum Fußgänger nicht besorgniserregend oder gefährlich gewesen. In der Anzeige (Aktenseite 1) findet sich die bloße Angabe des Deliktcodes "A032". Bei ihrer Einvernahme in der mündlichen Verhandlung konnte sich die Meldungslegerin (was aber wegen der verstrichenen Zeit nicht weiter verwunderlich ist) an den gegenständlichen Vorfall nicht mehr erinnern. Sie erklärte, daß sie sich in solchen Fällen auf einem Zettel den Paragraphen, der ihrer Meinung nach übertreten worden sei, das Kennzeichen und die Tatörtlichkeit aufschreibe. Wo sich der Fußgänger befunden habe, konnte sie bei ihrer Einvernahme nicht mehr angeben. Dieser müsse sich aber in einem solchen Fall auf dem Schutzweg befunden haben, denn sonst würde sie ja die Anzeige nicht machen. Zur entscheidungswesentlichen Frage (vgl dazu zB die Erk des VwGH vom 31.3.1993, Zl 92/02/0334 und vom 25.2.1988, Zl 87/02/0088), ob der Fußgänger durch das vorbeifahrende Fahrzeug des Bw stehenbleiben oder etwa gar zurücktreten habe müssen, konnte die Meldungslegerin keine Angaben machen. Auf die Frage, ob sie ein Handzeichen des Fußgängers habe wahrnehmen können, erklärte die Meldungslegerin, sie könne sich nicht mehr daran erinnern, es sei schon so lange her gewesen. Wenn für sie ein solches Zeichen offensichtlich gewesen wäre, dann hätte sie aber keine Anzeige erstattet. Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien zweifelt nun nicht daran, daß die Meldungslegerin bei der Erfüllung der ihr obliegenden Aufgaben gewissenhaft und sorgfältig vorgeht. Der Bw vermochte aber durchaus glaubwürdig darzulegen, daß ihm der Fußgänger mit einer Bewegung aus dem Handgelenk gedeutet habe, er solle weiterfahren, was er dann auch gemacht habe. Wenn nun die Meldungslegerin zur fraglichen Zeit mit der Schulwegsicherung befaßt war (wobei sie dabei ihre Aufmerksamkeit ja den gesamten Geschehnissen am Schulweg widmen mußte), so kann nicht ausgeschlossen werden, daß sie lediglich eine auf dem Schutzweg befindliche Person und das vorbeifahrende Fahrzeug des Bw wahrgenommen hat, nicht aber die vom Bw behaupteten (und vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien als glaubwürdig erachteten) Handzeichen des Fußgängers. Der Grundsatz "in dubio pro reo" stellt eine Regel für jene Fälle dar, in denen im Wege des Beweisverfahrens und anschließender freier Würdigung der Beweise in dem entscheidenden Organ nicht mit Sicherheit die Überzeugung von der Richtigkeit des Tatvorwurfes erzeugt werden konnte. Nur wenn nach Durchführung aller Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten  verbleiben, hat nach dem genannten Grundsatz ein "Freispruch" zu erfolgen (vgl zB die Erk des VwGH v 15.5.1990, Zl 89/02/0082 und v. 28.11.1990, Zl 90/02/0137).

Ein solcher Fall liegt hier vor, sodaß der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen war.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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