Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Helmut Pollak über die Berufung des Herrn K W, G gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 30.10.1998, GZ.: 15.1 1998/5326, wie folgt entschieden:
Spruch I
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird die Berufung in Punkt 1.) abgewiesen. Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG werden die Kosten des Verfahrens der zweiten Instanz mit S 140,-- festgesetzt und bestimmt, daß der Berufungswerber die Strafe und die Kosten des Verfahrens der ersten und zweiten Instanz binnen vier Wochen bei sonstigem Zwang zu bezahlen hat.
Spruch II
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird der Berufung Folge gegeben,
das Straferkenntnis in Punkt 2.) behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
In der Anzeige der Bundesgendarmerie, Grenzkontrollstelle Spielfeld vom 22.7.1998, GZ P 2136/98 ist Herrn K W in seiner Eigenschaft als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Kraftfahrzeuges an einem genau angegebenen Tatort und Tatzeitpunkt in zwei Fällen eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung zur Last gelegt worden. Der Anzeige nach zu Folge sei er verdächtig, einen PKW gelenkt zu haben, obwohl 1.) die am Fahrzeug angebrachte Begutachtungsplakette mit der Lochung 8/97 (Nachfrist 12/97) abgelaufen und 2.) am Fahrzeug kein internationales Unterscheidungskennzeichen für Österreich (A) angebracht war.
Anhand dieser Anzeige erließ die Behörde erster Instanz, die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz mit Strafverfügung vom 10.8.1998 in Punkt 1) eine alle Tatbestandselemente umfassende taugliche Verfolgungshandlung. In Punkt 2.) führte sie wie folgt aus: Sie haben am 7.6.1998 um 19.50 Uhr im Gemeindegebiet von Spielfeld auf der A 9, bei Höhe Strkm 229,8 in Fahrtrichtung Leibnitz das internationale Unterscheidungskennzeichen nicht geführt, obwohl Fahrzeuge bei Verlassen des Heimatstaates ein solches zu führen haben. Ungeachtet des Wortlautes der Bestimmung des § 80 KFG subsumierte die Behörde erster Instanz diese Übertretung der Bestimmung des § 82 Abs 4 KFG und verhängte eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,--. Unbeschadet der Tatsache, der der Berufungsbehörde anheim gestellt ist, eine falsche Zitierung einer Strafbestimmung richtigzustellen ist jedoch in diesem Punkt auszuführen, daß so - Wortlaut der Anzeige - Herr K W von Slowenien kommend in Fahrtrichtung Leibnitz die Grenzkontrollstelle Spielfeld passierte. Unter Heranziehung des Wortlautes der Bestimmung des § 80 KFG müssen Kraftfahrzeuge mit inländischen Kennzeichen beim Verlassen des österr. Bundesgebietes hinten außer dem Kennzeichen auf einer Tafel oder auf dem Fahrzeug selbst das Unterscheidungszeichen für Österreich führen. Es ist begrifflich ausgeschlossen, daß ein Lenker eines Kraftfahrzeuges auf der A 9, in Fahrtrichtung Leibnitz das Bundesgebiet verläßt. Somit fehlt ein wesentliches Tatbestandsmerkmal, was auch schon aus der Fahrtrichtung im Spruch der Strafverfügung aufscheint. Dem zu Folge war in Punkt 2.) das Strafverfahren mangels Verwirklichung eines strafrechtlichen Tatbestandes einzustellen.
Wegen der Übertretung des § 36 e KFG erließ die Behörde eine alle Tatbestandselemente umfassende taugliche Verfolgungshandlung und verhängte eine Geldstrafe von S 700,--. Gegen diese Strafverfügung erhob Herr K W binnen offener Frist den Einspruch und führte aus, er wäre am 2.6.1998 von der Bundespolizeidirektion Graz, Wachzimmer Schmiedgasse, kontrolliert und beanstandet worden, was sich anhand des Lenkerverständigungszettels beweisen ließe. In weiterer Folge ist dem Berufungswerber die Möglichkeit eingeräumt worden, sich vor der Bundespolizeidirektion Graz zu rechtfertigen. Dem zu Folge fühle er sich, wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung hinsichtlich der Begutachtungsplakette nicht schuldig. Weiters gab er an, er sei vom Wachzimmer Schmiedgasse angewiesen worden innerhalb einer Woche, beginnend mit 2.6.1998 die ordnungsgemäße Begutachtungsplakette vorzuweisen. Diesem Auftrag sei er auch nachgekommen und fuhr er mit seinem Auto fristgerecht am 8.6.1998 vor das Wachzimmer Schmiedgasse vor. Bei der Amtshandlung vor Ort habe er dem Gendarmeriebeamten am 7.6.1998, einem Sonntag, diesen Umstand eingehend dargelegt. Der Beamte vor Ort nahm jedoch diese Frist nicht zur Kenntnis. Daraufhin ist dann das Straferkenntnis erlassen worden und wurde Herr W wegen der Übertretung des 36 e KFG mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 700,-- und wegen der Übertretung des "§ 82 Abs 4 KFG" (wohl eher § 80 KFG) mit einer Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (jeweils Ersatzfreiheitsstrafen) bestraft. Binnen offener Frist ist dagegen die Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark erhoben worden.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 51 c des VStG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Berufungen durch ein Einzelmitglied, wenn im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.
Gemäß § 51e Abs 2 Z 3 des VStG kann eine öffentliche, mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn in der Berufung nur eine unrichtige, rechtliche Beurteilung behauptet wird oder wenn sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid oder nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder wenn im bekämpften Bescheid eine S 3.000,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, es sei denn, daß eine Partei die Durchführung einer Verhandlung ausdrücklich verlangt. Im hier vorliegenden Fall mußte eine öffentlich, mündliche Verhandlung nicht anberaumt werden, da einerseits eine S 3.000,-- übersteigende Geldstrafe nicht verhängt worden ist und andererseits die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens nicht in Frage gestellt wurde.
Wegen der Übertretung in Punkt 2.) ist auf das Ausgeführte zu verweisen. Zu Punkt 1.) des Berufungsvorbringens ist zu erläutern, daß anhand des Lenkerverständigungszettels vom 2.6.1998 lediglich zu entnehmen ist, es werde dem Berufungswerber eingeräumt, um sich weitere Mühe zu ersparen, binnen 24 Stunden in die oben angeführte Dienststelle oder in jedem Wachzimmer in Graz die Organmandatsstrafe zu bezahlen, sonst müßte die Anzeige erstattet werden. Von der vom Berufungswerber behaupteten einwöchigen Frist, welche beim Aussteller im Falle eines Verkehrsunfalles Amtshaftungsfolgen nach sich ziehen könnte ist in dem Lenkersverstädigungszettel keine Rede. Darin befindet sich lediglich die Erläuterung, daß das Kraftfahrzeug mit dem behördlichen Kennzeichen G-95FOD, Volvo schwarz, um 10.20 Uhr in Graz, Innere Stadt, Landhausgasse Nr. 2 geparkt angetroffen wurde und neben einer Übertretung des § 23 Abs 23 StVO auch eine Übertretung des § 36 lit e KFG beanstandet wird, da die Prüfvignette im Sinne des § 57 a KFG die Lochung 8/97 aufweist und die Nummer der Vignette EOM1079 ist. Diese Vignette ist auf das Kennzeichen G-20951 ausgestellt.
Wenn der Berufungswerber vermeint, er könne aus der Formulierung des Lenkerverständigungszettels noch am 8.6.1998 entnehmen, daß ihm der Sicherheitswachebeamte, der die Beanstandung festgestellt hat, die Berechtigung einräumte vom 2.6.1998 bis 8.6.1998 ohne ordnungsgemäße Begutachtungsplakette das Kraftfahrzeug auf Straßen mit öffentlichen Verkehr zu lenken, so irrt er. Bei dieser Annahme geht er nämlich davon aus, daß einem Sicherheitswachebeamten eine Kompetenz zusteht, die ihm der Gesetzgeber nicht eingeräumt hat. Im § 36 lit e KFG ist klar und eindeutig festgelegt, daß ein Lenken von Kraftfahrzeugen auf Straßen mit öffentlichen Verkehr ausschließlich mit einer gültigen Begutachtungsplakette zulässig ist. Eine Ausnahme bzw. Toleranzregel neben der Frist der Gültigkeit der Plakette ist in dieser gesetzlichen Bestimmung nicht vorgesehen und findet sich auf dem angeführten Lenkerverständigungszettel vom 2.6.1998 nicht einmal der geringste Anhaltspunkt für die vom Berufungswerber vorgenommene Fehlinterpretation des Niedergeschriebenen. Von Seiten der erkennenden Behörde besteht somit kein Zweifel, daß Herr W wissentlich, somit vorsätzlich vom 2.6.1998 bis zum 8.6.1998 ein Kraftfahrzeug ohne gültige Begutachtungsplakette auf Straßen mit öffentlichen Verkehr lenkte.
Zur Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Die Bestimmung des § 36 lit e KFG soll sicherstellen, daß ausschließlich verkehrs- und betriebssichere Fahrzeuge auf Straßen mit öffentlichen Verkehr gelenkt werden. Zum Nachweis dieser Verkehrs- und Betriebssicherheit erstellt ein Sachverständiger ein Gutachten, dokumentiert dies in seinem Prüfbericht, welcher dem Zulassungbesitzer im Zuge der Begutachtung ausgehändigt wird und wird diese Begutachtung in Form einer Prüfplakette am Fahrzeug unter Angabe der nächstfolgenden Begutachtung dokumentiert. Nur anhand dieser Begutachtungsplakette ist es den Sicherheitswachebeamten möglich zu überprüfen, ob ein verkehrs- und betriebssicheres Fahrzeug auf Straßen gelenkt wird. Anderenfalls müßte in jedem Fall bei einem begründeten Zweifel eine amtswegige Überprüfung eines Kraftfahrzeuges stattfinden.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Als erschwerend ist die lange Frist der Nichtüberprüfung des Kraftfahrzeuges (Lochung 8/97, Nachfrist 12/97, Zeitpunkt der Kontrolle 6/98) zu werten, als mildernd ist die Unbescholtenheit zu werten, sodaß im Hinblick auf die durchschnittlichen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse (Einkommen S 15.000,-- monatlich netto, kein Vermögen, keine Sorgepflichten aus der Tätigkeit des selbständigen Kaufmannes) die ausgesprochene Strafe innerhalb des Strafrahmens des KFG (Geldstrafe bis zu S 30.000,--) dem Ausmaß des vorsätzlichen Verschuldens angepaßt und gerechtfertigt ist. Die vom Berufungswerber versuchte Verteidigung, irrtümliche Annahme eines rechtfertigenden Sachverhaltes in der Form, er habe einen Lenkerverständigungsgzettel und habe dem zu Folge die Berechtigung ein Fahrzeug zu lenken, kann den Berufungswerber keinesfalls entschuldigen. Es ist davon auszugehen, daß es sich um einen geprüften Kraftfahrzeuglenker handelt, welcher nach Ablegung der Lenkerprüfuing und Aushändigung des Führerscheines in ausreichendem Ausmaß über die gesetzlichen Bestimmungen informiert zu sein hat. Des weiteren kann auch bei wohlwollendster Interpretation des Lenkerverständigungszettels nicht die Berechtigung das Fahrzeug bis 8.6.1998 ohne gültige Begutachtungsplakette zu Lenken herausgelesen werden. Somit war spruchgemäß zu entscheiden.
Der Ausspruch über den Ersatz der Verfahrenskosten war eine Folge der Bestrafung und stützt sich auf die im Spruch angeführte Gesetzesstelle wonach 20 % der von der Behörde erster Instanz verhängten Strafe als Kosten des Verfahrens der zweiten Instanz vorzuschreiben sind.