Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch das Mitglied Dr Hrdliczka über die Berufung des Herrn Christian K vom 23.12.1997 gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 15.12.1997, Zahl S 208681-D/97, wegen Übertretung von § 7 VStG iVm 1) § 1 Abs 3 FSG,
2) und 3) jeweils § 102 Abs 1 und § 101 Abs lit a KFG 1967, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Begründung:
Im angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt:
"Sie (Herr Christian K) haben am 11. November 1997 den Herrn Gusztav P beauftragt und somit vorsätzlich dazu verleitet,
1) den Lastkraftwagen VW 70D mit dem Kennzeichen W-14 an diesem Tag um 15.00 Uhr in Wien, K-straße zu lenken und damit den Anhänger Pagu mit dem Kennzeichen W-58 mitzuführen, obwohl P nur eine Lenkberechtigung der Klasse B besitzt und damit nur Anhänger mit einem höheren zulässigen Gesamtgewicht als 750 kg mitführen darf, wenn die Summe der höchstzulässigen Gesamtgewichte des Zugfahrzeugs und des Anhängers 3.500 kg nicht übersteigt, was jedoch hier der Fall gewesen ist, da der Lastkraftwagen ein höchstzulässiges Gesamtgewicht von 2.590 kg und der Anhänger von 950 kg aufweist, was als Summe ein Gewicht von 3.540 kg ergibt;
2) den Lastkraftwagen W-1B (richtig: W-14) zu lenken, obwohl das höchstzulässige Gesamtgewicht durch die Beladung (laut Abwaage) um 210 kg überschritten worden ist;
3) damit den Anhänger W-58 mitzuführen, obwohl das höchstzulässige Gesamtgewicht des Anhängers durch dessen Beladung (laut Abwaage) um 1.200 kg überschritten worden ist."
Wegen Übertretung von § 7 VStG iVm 1) § 1 Abs 3 FSG, 2) und 3) jeweils § 102 Abs 1 und § 101 Abs lit a KFG 1967 wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) von zu 1) S 5.000,-- (7 Tagen) gemäß § 37 Abs 1 und 3 Z 1 FSG sowie zu 2) S 500,-- (18 Stunden) und zu 3) S 1.500,-- (54 Stunden) gemäß § 134 Abs 1 KFG 1967 verhängt und gemäß § 64 VStG erstinstanzliche Verfahrenskostenbeiträge von zu 1) S 500,--, zu 2) S 50,-- und zu
3) S 150,-- (das sind jeweils 10 % der verhängten Geldstrafe) vorgeschrieben.
Aus dem erstbehördlichen Akt ergibt sich folgendes:
Laut Anzeige eines Sicherheitswachebeamten wurde Gusztav P am 11.11.1997 um 15.00 Uhr als Lenker des Lastkraftwagens W-14 mit dem Anhänger W-58 im Zuge eines Verkehrsschwerpunktes in Wien, K-straße zu einer Lenker- und Fahrzeugkontrolle angehalten. Anlässlich der Amtshandlung wurde festgestellt, dass Gusztav P die in den Punkten 1) bis 3) näher beschriebenen Verwaltungsübertretungen begangen hat. Dazu ist festzuhalten, dass der LKW durch Schotter, feinen Sand sowie Kaltasphalt und der Anhänger durch einen Bagger überladen waren.
Zu seiner Rechtfertigung gab P sinngemäß an, er habe von seinem Polier (dem Berufungswerber) den Auftrag erhalten, mit diesem LKW und diesem Anhänger den Bagger zu einer Baustelle zu führen. Er habe nicht gewusst, wie schwer der Bagger sei und wieviel man mit diesem Anhänger transportieren dürfe. Den Zulassungsschein des Anhängers habe er in der Firma vergessen.
In der gegen das schließlich erlassene Straferkenntnis vom 15.12.1997 rechtzeitig erhobenen Berufung rechtfertigte sich der Berufungswerber folgendermaßen:
"Am 11. November 1997 wurde mir als Vorarbeiter durch unsere Zentrale (Firma K-GesmbH & Co KG, Wien, H-Lände) ein Kabelfehler mit Soforteinsatz gemeldet, das bedeutet unverzüglichen Einsatz. Da ich zu diesem Zeitpunkt (November 1997) mehrere Baustellen im Wiener Bereich zu betreuen hatte, bekam ich am Vortag einen zusätzlichen Bagger und PKW-Anhänger; Kennzeichen und Type der Geräte sind Ihnen bekannt. Die Geräte waren mir von Gewicht und Belastung bis dato nicht bekannt, daher gab ich - nach Rücksprache mit der Zentrale - Herrn P Gusztav den Auftrag diese zu der Örtlichkeit zu führen.
Ich ersuche Sie daher um Einstellung der Anzeige bzw um milde Umstände, da ich Herrn P Gusztav sicher nicht vorsätzlich dazu verleitet habe die Ihnen bekannten Geräte zu führen, da mir das Gewicht des Baggers nicht bekannt war."
Der unabhängige Verwaltungssenat hat erwogen:
§ 7 VStG bestimmt:
"Wer vorsätzlich veranlaßt, daß ein anderer eine Verwaltungsübertretung begeht, oder wer vorsätzlich einem anderen die Begehung einer Verwaltungsübertretung erleichtert, unterliegt der auf diese Übertretung gesetzten Strafe, und zwar auch dann, wenn der unmittelbare Täter selbst nicht strafbar ist."
Da die Schuldformen des Vorsatzes im Verwaltungsstrafgesetz nicht definiert werden, sind sie nach herrschender Ansicht in dem von § 5 StGB umschriebenen Sinn zu verstehen (vgl zB VwGH 13.11.1985, 85/01/0149, Slg NF 11.940/A; Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts4 Rz 738). Unter bedingtem Vorsatz versteht die herrschende Lehre und Judikatur zum StGB, dass der Täter den tatbildmäßigen Erfolg zwar nicht bezweckt, seinen Eintritt auch nicht als gewiss voraussieht, ihn aber ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (vgl zB Leukauf-Steininger, Kommentar zum StGB2 Rz 14 zu § 5 StGB). Von der sogenannten bewussten Fahrlässigkeit unterscheidet sich der bedingte Vorsatz dadurch, dass der Täter sich trotz der erkannten Möglichkeit der Verwirklichung des Tatbildes zur Tat entschließt, weil er auch einen solchen nachteiligen Ablauf der Ereignisse hinzunehmen gewillt ist (Foregger-Serini, StGB4 Anm IV zu § 5 StGB). Gerade darin liegt das sachlich entscheidende Merkmal des bedingten Vorsatzes. Der Täter muss nämlich die das Tatbild verwirklichende Sachverhaltsgestaltung POSITIV BEWERTET haben, bloße Gleichgültigkeit genügt nicht (Nowakowski im Wiener Kommentar zum StGB Rz 14 zu § 5 StGB insbesondere unter Berufung auf die Erkenntnisse des OGH 13 Os 20/78 und 12 Os 69/77 sowie EvBl 1975/282 und ÖJZ-LSK 1978/160; ebenso Leukauf-Steininger aaO Rz 17). Der Täter muss sich sohin mit den Möglichkeiten, die aus seinem Verhalten entstehen könnten, emotional auseinandergesetzt und ihre Verwirklichung bejaht haben (Nowakowski aaO) (siehe dazu auch VwGH 20.6.1990, 89/01/0068).
Strafbare Anstiftung nach § 7 VStG fordert eine bewusste Einwirkung auf den Täter, die ihn zu seinem Verhalten veranlasst oder in seinem Verhalten bestärkt (VwSlg 2117 A/1951; VwGH 10.9.1982, 2554/80, ZfVB 1983/4/1893). Dolus eventualis reicht für die Vorsätzlichkeit der Anstiftung aus (VwGH 10.9.1982, 2554/80).
§ 7 VStG setzt daher voraus, dass der Täter wenigstens die Verwirklichung des verwaltungsstrafrechtlich maßgeblichen Sachverhaltes ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet, also im vorliegenden Fall auch den Umstand der Verwendung eines Lastwagens mit einem Anhänger durch den Haupttäter ohne entsprechende Lenkberechtigung und in jeweils überladenem Zustand in seine Erwägung einbezogen hat. Die Erstbehörde hat lediglich aus dem Umstand, dass der Berufungswerber einen Auftrag erteilt hat, geschlossen, er habe vorsätzlich gehandelt.
Der Berufungswerber hat aber offensichtlich - wie aus seinem Berufungsvorbringen zu schließen ist - anlässlich der Auftragserteilung nicht die nötige Sorgfalt walten lassen, weshalb ihm daraus nur Fahrlässigkeit, also eine Schuldform, die für die Anwendbarkeit des § 7 VStG nicht genügt, vorgeworfen werden kann. Es trifft zwar zu, dass dem Ausdruck "beauftragen" nicht nur die Bedeutung eines bloß äußeren Bildes der Aufnahme einer Verbindung zwischen dem Berufungswerber und dem Lenker des Lastkraftwagens samt Anhänger, sondern auch die Bedeutung eines willentlichen, auf die Durchführung der den Gegenstand des Auftrages bildenden Fahrt gerichteten und diesbezüglich somit vorsätzlichen Einwirkens auf den Lenker beizumessen ist (VwGH 16.3.1983, 82/03/0182 = ZfVB 1983/5/2464). Doch bedeutet dies noch nicht, dass dem Berufungswerber bekannt war, dass der Lenker bei Erfüllung des Auftrages gegen die im Straferkenntnis genannten Vorschriften verstößt, oder der Berufungswerber zumindest um die Möglichkeit solcher Deliktsverwirklichungen gewusst, diese aber dennoch in Kauf genommen hat (siehe zu dem Ganzen insbesonders VwGH 25.11.1983, 83/02/0085).