TE UVS Steiermark 1999/03/15 30.16-6/99

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Veröffentlicht am 15.03.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn J M, vertreten durch Dr. H S und Mag. H S, Rechtsanwälte in G, K-gasse 8, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg vom 15.12.1998, GZ.:

15.1 1997/3952, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma W und S, W GesmbH und somit im Sinne des § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufene Person eine Verwaltungsübertretung nach § 20 LMG zu verantworten, da im Rahmen einer in seinem Betrieb in W am 26.6.1997 durchgeführten Kontrolle durch Lebensmittelaufsichtsorgane der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung für das Gesundheitswesen, im Detail näher beschriebene Mängel bei der Anlieferzone, dem Vorgefrier-, Räucher-, Verpackungs-, Vorreife- und Lagerraum sowie bei der WC-Anlage festgestellt worden wären, die alle dazu geeignet seien, Lebensmittel hygienisch nachteilig zu beeinflussen, die in seinem Betrieb verarbeitet würden, obgleich eine Vermeidung dieser hygienisch nachteiligen äußeren Einwirkungen nach dem jeweiligen Stand der Wissenschaft möglich und nach der Verkehrsauffassung nicht unzumutbar wäre. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn daher gemäß § 74 Abs 5 Z 3 LMG eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--, im Falle deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von einem Tag, verhängt. Begründet wurde dieses Straferkenntnis im wesentlichen damit, daß die im Spruch aufgezeigten Mängel ausschließlich baulicher Natur und daher nicht der Verantwortlichkeit des Wursters R R zuzuordnen wären.

Gegen diesen Strafbescheid wurde mit dem ausdrücklichen Antrag, auch eine mündliche Verhandlung abzuhalten, fristgerecht Berufung erhoben und in dieser ausgeführt, daß die Verantwortlichkeit des Berufungswerbers für die ihm angelastete Verwaltungsübertretung nicht hinreichend geklärt sei, die Strafbemessung nicht dem Schuldgehalt entspreche, vor allem aber mangelnde Feststellungen betreffend der Zumutbarkeit der Behebung der aufgezeigten Mängel vorlägen, womit auch eine Überspannung der Vorsorgepflichten gegeben sei. Schließlich lägen aber auch Verstöße gegen § 44 a VStG vor, da u.a., um dem Konkretisierungsgebot zu entsprechen, die belangte Behörde Punkt für Punkt darzustellen gehabt hätte, welche Einwirkungen für die Lebensmittel im Zusammenhang mit den zitierten Mängeln zu befürchten wären.

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat erwogen:

Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.

Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

Die Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung konnte unter Hinweis auf § 51 e Abs 2 VStG entfallen, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, daß der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrnes abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Ehe auf offenkundige Verstöße gegen das Konkretisierungsgebot des § 44 a Z 1 VStG, die ansatzweise auch in der Berufungsschrift erwähnt wurden, noch ausführlich einzugehen sein wird, ist eingangs darauf hinzuweisen, daß dem Berufungswerber - wie bereits eingangs der Begründung ausgeführt - eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 LMG 1975 angelastet wurde.

Aus dem vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde ergibt sich zweifelsfrei, daß es sich zumindest zum Tatzeitpunkt (26.6.1997) beim Betrieb des nunmehrigen Berufungswerbers, der es - um auf das diesbezügliche Berufungsvorbringen nur am Rande der Ordnung halber hinzuweisen - trotz dreimaliger Aufforderung der belangten Behörde unterlassen hat, Nachweise hinsichtlich der allfälligen Bestellung eines verantwortlich Beauftragten im Sinne des § 9 Abs 2 VStG in Vorlage zu bringen, weshalb aus Sicht der erkennenden Behörde eine Verfolgung desselben in seiner Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer der näher bezeichneten GesmbH durchaus gesetzeskonform war, um einen Betrieb handelt, der mit der Fleischbe- und verarbeitung befaßt war, wobei allein aus dem Firmenwortlaut bereits die Herstellung bzw. der Vertrieb von Wurst- und Schinkenspezialitäten hervorgeht bzw. auf den Firmengegenstand hingewiesen wird.

Daraus ergibt sich jedoch in rechtlicher Hinsicht, daß gerade die zur Anzeige gebrachten, umfassenden hygienischen Mißstände, ohne auf diese im einzelnen eingehen zu müssen, in erster Linie in entsprechenden Verfahren nach dem Fleischuntersuchungsgesetz, der Fleischhygieneverordnung, allenfalls aber auch nach der Fleischverarbeitungsbetriebs-Hygieneverordnung in Behandlung zu nehmen und in zweiter Linie auch verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden gewesen wären, fällt der erwähnte Betrieb des Berufungswerbers doch in den Anwendungsbereich der zitierten Gesetze bzw. Verordnungen. Während nun aber § 74 Abs 5 Z 3 LMG als Übertretungsnorm einer Verwaltungsübertretung nach § 20 LMG, soferne eine Bestrafung nach dieser Bestimmung überhaupt in Erwägung zu ziehen ist, ausdrücklich normiert, daß die dort angeführten Verwaltungsübertretungen, wiederum bezogen auf den Tatzeitpunkt mit einer Geldstrafe bis zu S 25.000,-- zu ahnden waren, soferne sie nicht nach anderen Bestimmungen einer strengeren Strafe unterliegen, sieht die im Anlaßfall anzuwendende Strafsanktionsnorm des Fleischuntersuchungsgesetzes, BGBl. Nr. 522/1982 i.d.g.F. - die Fleischhygieneverordnung stützt sich auf § 38 des Fleischuntersuchungsgesetzes - eine Geldstrafe bis zu S 60.000,-

- im Übertretungsfalle vor.

Des weiteren ist ferner darauf hinzuweisen, daß sich in den für Fleischbe- bzw. verarbeitungsbetriebe anzuwendenden Bestimmungen mehr oder minder fast textgleiche Regelungen wie im Lebensmittelgesetz 1975 bezüglich der hygienischen und sonstigen Vorkehrungen beim Inverkehrbringen von Fleisch befinden, woraus sich in rechtlicher Hinsicht ergibt, daß unter Verweis auf § 22 VStG eine kumulative Bestrafung auszuscheiden hat, da sich, wie bereits erwähnt, im gegenständlichen Fall die Strafdrohungen bei Verstößen nach dem Lebensmittelgesetz 1975 und der Fleischhygieneverordnung ausschließen.

Im konkreten Fall liegt daher nach der Rechtslage eine unechte (scheinbare) Idealkonkurrenz (auch Gesetzeskonkurrenz) vor, bei welcher der Täter zwar nur eine deliktische Handlung begangen hat, diese jedoch Merkmale mehrere Deliktstypen aufweist, wobei aber mit der Unterstellung unter einen Deliktstypus der Unrechtsgehalt voll erfaßt wird. Im Anlaßfall ist vom Vorliegen einer Subsidiarität auszugehen, da der Deliktstypus des § 20 LMG zunächst alle Merkmale des anderen enthält (im besonderen z. B. §§ 1, 5, 8 Abs 5, 32 u.a. der Fleischhygieneverordnung), darüber hinaus aber auch noch andere, durch die der Sachverhalt in spezifischer Weise erfaßt wird, während die beiden Deliktstypen zueinander im Verhältnis von Gattung und Art stehen. Dabei geht jedoch angesichts der Betriebsart das spezielle Delikt (Übertretung der Fleischhygieneverordnung u.a.) dem allgemeinen Delikt (hier: § 20 LMG 1975) vor, letzteres wird durch ersteres verdrängt (siehe Ausführungen zu § 22 VStG in Hauer/Leukauf, Handbuch des Österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Linde-Verlag S 867, UVS f. d. Stmk. vom 12.5.1997, 30.16-39/97-2, VwGH 22.5.1989, 88/10/0173).

Daneben erscheint aber ungeachtet der aufgezeigten Problematik auch ein Verstoß gegen das Konkretisierungsgebot des § 44 a Z 1 VStG vorliegend, anders ausgedrückt, es wurde dem Berufungswerber gegenüber innerhalb der für eine Verwaltungsübertretung des LMG im Sinne des § 75 Abs 7 leg cit bestehenden Verfolgungsfrist von einem Jahr keine, eine Bestrafung nach dieser Gesetzesstelle rechtfertigende Verfolgungshandlung - soferne eine solche überhaupt möglich gewesen wäre - gesetzt.

Während bereits im § 1 Abs 1 LMG 1975 ausdrücklich davon die Rede ist, daß sich dieses Bundesgesetz auf das Inverkehrbringen von Lebensmitteln bezieht, findet sich auch in der seitens der belangten Behörde dem Berufungswerber angelasteten Übertretungsnorm des § 20 LMG dieses Kriterium ("Wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe in Verkehr bringt").

Die erste Verfolgungshandlung stellt dem Akteninhalt nach im konkreten Fall die Strafverfügung der belangten Behörde vom 24.6.1998 dar, wobei aus dem diesbezüglichen Spruch mit keinem Wort auf das Inverkehrbringen von Lebensmittel schlechthin, respektive Angaben, worin ein solches besteht, eingegangen wird. Damit wurde jedoch dem erwähnten Konkretisierungsgebot eindeutig zuwidergehandelt (vgl. VwGH 17.3.1997, 93/10/0066, 6.5.1996, 96/10/0045, 0046, 0047). Festgestellt wird in diesem Zusammenhang jedoch, daß im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses, allerdings außerhalb der Frist des § 75 Abs 7 LMG, plötzlich vom Verarbeiten von Lebensmitteln

interpretativem Wege durchaus ein Inverkehrbringen im Sinne des § 1 Abs 2 LMG 1975 umschrieben wurde.

Die Verwendung der Bezeichnungen Anlieferzone oder auch Lagerraum im Spruch der Strafverfügung bzw. des angefochtenen Straferkenntnisses, ohne sonstige zweckdienliche Hinweise auf ein Inverkehrbringen von Lebensmitteln erscheint der belangten Behörde in diesem Zusammenhang nicht ausreichend zu sein, um im Analogieschluß auf ein damit erwiesenes, respektive im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Lebensmitteln stehenden Tathandeln Schlüsse zu ziehen. So finden sich nämlich ausgerechnet den im angefochtenen Bescheid verbliebenen - diverse weitere Räumlichkeiten bzw. deren Unzulänglichkeiten wurden aus nicht nachvollziehbaren Gründen, nicht mehr aufgenommen - Lagerraum betreffend in der Anzeige der Fachabteilung für das Gesundheitswesen vom 3.7.1997 u.a. nachstehende Feststellungen: "Hier werden keine Lebensmittel gelagert".

Schließlich ist der diesbezüglichen Rüge im Berufungsantrag zu folgen, wonach die belangte Behörde zumindest die aufgezeigten Mängel im Vorgefrierraum sowie auch der Anlieferzone betreffend jegliche Feststellungen schuldig geblieben ist, inwieweit z.B. mit einer schadhaften Türe unmittelbar eine hygienisch nachteilige Beeinträchtigung von Lebensmitteln verbunden ist (vgl. VwGH 26.1.1998, 97/10/0156).

Nicht hingegen kann jedoch dem diesbezüglichen Berufungsvorbringen gefolgt werden, wonach die Zumutbarkeit im Einzelfall zu prüfen und die Vorsorgepflicht in concreto überspannt werden würde. So handelt es sich bei einer Übertretung nach § 74 Abs 5 Z 3 LMG iVm. § 20 leg cit um ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Dies bedeutet, daß die Vorsorgepflicht nicht nur dann verletzt wird, wenn der hygienisch nachteilige Einfluß tatsächlich eingetreten ist; es genügt vielmehr eine abstrakte Gefährdung (vgl. VwGH 21.12.1992, 92/10/0190 u.a.). Im Hinblick auf das Vorliegen von im Anlaßfall zufolge der getroffenen Feststellungen nur nach dem Fleischuntersuchungsgesetz zu ahndender Versäumnisse, deretwegen jedoch keine taugliche Verfolgungshandlung gesetzt wurde, war daher das gegenständliche Strafverfahren im Sinne der zitierten gesetzlichen Bestimmungen einzustellen und erübrigt sich deshalb auch näher auf das sonstige Berufungsvorbringen einzugehen, insbesonders war ebenfalls unter Hinweis auf die zitierte gesetzliche Bestimmung von der beantragten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung abzusehen.

Schlagworte
Fleischverarbeitung Betrieb Hygiene Spezialität Subsidiarität Strafbestimmung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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