Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde der L-B , vertreten durch Herrn Dr. W S, Rechtsanwalt in L, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:
Die Beschwerde wegen der getroffenen Verfahrensanordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 4. März 1999, GZ.: 4.1 129-1998, wird als unzulässig zurückgewiesen.
Rechtsgrundlagen: §§ 67 a Abs 1 Z 2 und 67 c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (im folgenden AVG).
I.1. In der Beschwerde vom 29. März 1999 wird nachfolgendes vorgebracht:
a) Sachverhalt:
Mit Antrag vom 09.07.1996 hat die Beschwerdeführerin bei der belangten Behörde den Antrag gestellt, auf ihrem Grundstück Nr. der KG H die Zwischenlagerung von sortiertem Bauschutt vornehmen und dürfen und je nach Anfall von Bauschutt, Materialien mit einer mobilen Aufbereitungsanlage ca. 2 Mal jährlich den auf diesem Grundstück angesammelten, sortierten Bauschutt für eine Wiederverwendung aufzubereiten.
Zu diesem Antrag hat die Beschwerdeführerin Projektunterlagen vorgelegt, nach einer gewerberechtlichen Verhandlung hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 12.12.1996, GZ.: 4.1 50- 1996 der Beschwerdeführerin die gewerbebehördliche
Genehmigung für die Errichtung bzw. dem Betrieb eines Bauschuttlagers auf dem Grundstück Nr. der KG H nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektsunterlagen und unter Zugrundelegung der bescheidgegenständlichen Betriebsbeschreibung erteilt. Der Beschwerdeführerin wurde die Bewilligung dazu erteilt, je nach Anfall von Bauschuttmaterialien mit einer mobilen Aufbereitungsanlage ca. 2 x jährlich den am Grundstück der Nr. der KG H angesammelten, sortierten Bauschutt für eine Wiederverwendung aufzubereiten.
In diesem gewerbebehördlichen Genehmigungsverfahren wurde über die Anlage (Sieb und Brecher) verhandelt, die sich derzeit auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück befindet und betrieben wird. Eine weitere zeitliche Einschränkung als die oben genannten findet sich im Genehmigungsbescheid der belangten Behörde vom 12.12.1996 nicht, sodaß die Beschwerdeführerin auch an keine zeitliche Einschränkung gebunden ist und den Bescheid vom 12.12.1996 in der oben genannten Form
konsumieren darf.
Der oben genannte Bescheid ist rechtskräftig geworden. Mit der angefochtenen Verfahrensanordnung wurde nunmehr der Beschwerdeführerin aufgetragen, den Betrieb einer nicht genehmigten Recycling-Anlage auf dem Grundstück Nr. der KG H unverzüglich einzustellen und die Entfernung der nicht genehmigten Anlage und damit der Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes bis spätestens 30.04.1999 durchzuführen.
Dieser Bescheid wurde ohne Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 gefällt und stellt einen Akt der unmittelbaren behördlichen Befehls- und Zwangsgewalt dar.
Für den Fall der Nichtbefolgung dieser Verfahrensanordnung wurden Zwangsmaßnahmen angedroht.
b) Begründung:
Die angefochtene Verfahrensanordnung ist rechtswidrig. Die Beschwerdeführerin betreibt ihre Recycling-Anlage (Sieb und Brecher) auf dem Grundstück Nr. der KG H aufgrund der rechtskräftigen gewerbebehördlichen Genehmigung zu 4.1 50- 1996 vom 12.12.1996. Es ist daher nicht richtig, daß die Beschwerdeführerin ihre Recycling-Anlage ohne gewerberechtliche Genehmigung betreibt.
Aufgrund des zitierten der belangten Behörde vom 12.12.1996 die als zeitliche Einschränkung nur den 2 x jährlichen Betrieb vorsieht, ist die Beschwerdeführerin selbstverständlich berechtigt, ihre Recycling-Anlage zu betreiben. Diese Recycling-Anlage, wie sie derzeit vor Ort betrieben wird, war bereits Gegenstand des Verfahrens 4.1 50-1996 und kann daher nicht als nicht genehmigter Betrieb angesehen werden. Die Erlassung einer Verfahrensanordnung gemäß § 366 Abs. 1 Z3 GewO 1994 in Verbindung mit § 316 Abs. 1 GewO 1994 ist daher rechtswidrig. Der Bescheid der belangten Behörde vom 12.12.1996, 4.1 50- 1996, sowie die angefochtene Verfahrensanordnung vom 04.03.1999 zu GZ 4.1 129-1998 werden unter einem je 2fach in Kopie vorgelegt.
Der Vollständigkeit halber wird noch hinzugefügt, daß mittlerweile vor der belangten Behörde ein Betriebsanlagenverfahren hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Recycling-Anlage anhängig gemacht wurde, weil Anrainer eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch Staub- und Lärmemission behaupten. In diesem Betriebsanlageverfahren hat sich die Beschwerdeführerin des Herrn DI Dr. G T als Projektant für Lärmmessungen bedient. Es werden derzeit Lösungen für die Verminderung der Lärm- und Staubemissionen durch den Projektanten gesucht. Mit der stimmführenden Anrainerin wurde mittlerweile ein Betriebszeitenübereinkornmen für die Dauer der gewerbebehördlichen Verwaltungsverfahrens erzielt.
3. Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:
Für den Fall, daß die bekämpfte Verfahrensanordnung unverzüglich durchgesetzt wird, droht der Beschwerdeführerin ein immenser wirtschaftlicher Schaden in Millionenhöhe. Diesbezüglich wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Beschwerdeführerin im Vertrauen auf den Rechtsbestand des Bescheides vom 12.12.1996, GZ: 4.1 50-1996 der belangten Behörde die gegenständliche Recycling-Anlage angeschafft und aufgestellt hat. Sollte dieser Bescheid nunmehr als nicht rechtswirksam qualifiziert werden, muß sich die Beschwerdeführung überlegen, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Im Hinblick auf diese Umstände beantragt die Beschwerdeführerin, daß dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird bzw. daß eine allfällige zwangsweise Durchsetzung der Verfahrensanordnung durch Ersatzvornahme oder sonstiger Exekutionsmaßnahmen bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diese Beschwerde ausgesetzt wird.
4. Beschwerdeantrag:
Aufgrund der obigen Ausführungen stellt die Beschwerdeführerin den nachstehenden
ANTRAG:
Der UVS beim Land Steiermark möge die angefochtene Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 04.03.1999,
GZ: 4.1 129-1998, für rechtswidrig erklären, dies bei der gesetzlichen Kostenfolge.
Beigelegt wurde der Beschwerde ein Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 12. Dezember 1996, GZ.:
4.1 50-1996, wonach die gewerbebehördliche Genehmigung für die Errichtung bzw. dem Betrieb eines Bauschuttlagers in H, auf dem Grundstück Nummer der KG H erteilt wurde sowie die Verfahrensanordnung der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 4. März 1999, GZ.: 4.1 129-1998, mit nachfolgendem Inhalt:
Bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz wurden wiederholt Beschwerden vorgebracht, daß es durch den Betrieb Ihrer Recycling-Anlage auf Grundstück Nr. der KG H zu unzumutbaren Lärmbelästigung der Nachbarn kommt.
Festgestellt wird, daß auf Grund dieser Beschwerden ein Betriebsanlagenverfahren gem. §§ 74 ff GewO 1994
durchzuführen ist. Derzeit verfügen sie über keine Betriebsanlagen-genehmigung für eine stationäre Aufbereitungsanlage!
Unbeschadet der Durchführung eines Verwaltungsstrafverfahrens wegen Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z 3 GewO 1994 ergeht sohin gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 nachstehende Verfahrensanordnung
Der Betrieb einer nichtgenehmigten Recycling-Anlage auf Grundstück Nr. der KG H ist unverzüglich einzustellen. Die Entfernung der nichtgenehmigten Anlage und damit die Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes hat bis spätestens 30.04.1999 zu erfolgen.
Sollte dieser Anordnung nicht Folge geleistet werden, ist mit weiteren Zwangsmaßnahmen zu rechnen.
II. Die Rechtsbeurteilung ergibt folgendes:
1. Gemäß § 67 a Abs 1 Z 2 AVG entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.
Die Beschwerde langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat am 1. April 1999 ein (Postaufgabestempel 31. März 1999). Die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ist gegeben, da die von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz getroffene Verfahrensanordnung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark wirksam ist.
2. Gemäß § 67 c Abs 3 AVG ist der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen ist. Dauert der für rechtswidrig erklärte Verwaltungsakt noch an, so hat die belangte Behörde unverzüglich den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand herzustellen.
Gemäß § 360 Abs 1 Gewerbeordnung 1994 in der Fassung Gewerberechtsnovelle 1997 hat die Behörde, bei Verdacht einer Übertretung gemäß § 366 Abs 1 Z 1, 2 oder 3 leg cit, unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens dem Gewerbeausübenden bzw. Anlageninhaber mit Verfahrensanordnung zur Herstellung der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes innerhalb einer angemessenen, von der Behörde zu bestimmenden Frist aufzufordern; eine solche Aufforderung hat auch dann zu ergehen, wenn der Verdacht einer Übertretung gemäß § 367 Z 25 besteht und nicht bereits ein einschlägiges Verfahren gemäß § 78 Abs 2, § 79 c oder § 82 Abs 3 anhängig ist. Kommt der Gewerbeausübende bzw. der Anlageninhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils
notwendigen Maßnahmen, wie die Stillegung von Maschinen oder die Schließung von Teilen des Betriebes oder die Schließung des gesamten Betriebes zu verfügen.
Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist (Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundesverfassungsrechtes, 7. Auflage, Wien 1992, RdZ 608). Ein Eingriff liegt im allgemeinen nur dann vor, wenn physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehles droht (siehe ebenfalls Walter-Mayer, Grundriß des Österreichischen Bundes-verfassungsrechtes, 8. Auflage, RZ 610). Im übrigen dienen die Regelungen über sogenannte Maßnahmenbeschwerden nur der Schließung einer Lücke im Rechtsschutzsystem, nicht aber der Öffnung einer Zweigleisigkeit für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes. Unter Zugrundelegung des von der Beschwerdeführerin geschilderten Sachverhaltes läßt sich jedenfalls keine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67 a Abs 1 Z 2 AVG ableiten. Eine bloße Anordnung (ein Befehl) allein kann die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellen, wenn der Adressat einer solchen Anordnung bei Nichtbefolgung mit deren zwangsweiser Realisierung zu rechnen hat (VwGH 17.1.1995, 93/07/0126; in diesem Erkenntnis wird vom Verwaltungsgerichtshof weiter darauf hingewiesen, daß der Verpflichtete nach § 31 Abs 3 Wasserrechtsgesetz mit einer solchen zwangsweisen Realisierung rechnen muß). Bei einer Verfahrensanordnung nach § 360 Abs 1 erster Satz Gewerbeordnung ist jedoch mit einer solchen zwangsweisen Realisierung nicht zu rechnen; hat doch die Behörde gemäß § 360 Abs 1 zweiter Satz die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils
notwendigen Maßnahmen mit Bescheid zu verfügen. Schon aus diesem Grund ist ein Eingriff in die subjektiven Rechte des Adressaten einer solchen Anordnung ausgeschlossen (VwGH 8.10.1996, 96/04/0168). Die in die Beschwerde gezogene Verfahrensanordnung vom 4. März 1999 stellt somit keine Ausübung einer verwaltungsbehördlichen Befehls- und Zwangsgewalt dar.
Da somit die Beschwerde a limine zurückzuweisen ist, konnte eine öffentliche, mündliche Verhandlung gemäß § 67 d Abs 1 AVG entfallen. Auf Grund der Entscheidung war ein Abspruch über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht mehr von Nöten.