Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Helmut Pollak über die Berufung des Herrn E W, wohnhaft in A, U, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W R, H, B R, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 23.11.1998, GZ.: III/S-15.367/98, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird die Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
In der Anzeige der Bundespolizeidirektion Graz, Verkehrsunfallkommando vom 12.4.1998, Verkehrsunfallanzeige Nr. 442 ist Herrn E W in seiner Eigenschaft als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges an einem genau angegebenen Tatort und Tatzeitpunkt eine Übertretung der Straßenverkehrsordnung zur Last gelegt worden, da dieser im Verdacht stand die Fahrtgeschwindigkeit nicht den gegebenen Umständen, insbesondere den Straßenverkehrs- und Sichtverhältnissen angepasst zu haben, da er gegen den quer auf der Fahrbahn angehaltenen PKW des Zweitbeteiligten mit dem behördlichen Kennzeichen G-51GIC stieß. Wegen dieser Übertretung erließ die Behörde erster Instanz mit Strafverfügung vom 5.6.1998 eine alle Tatbestandselemente umfassende, taugliche Verfolgungshandlung und verhängte wegen der Übertretung des § 20 Abs 1 StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe), dies gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO.
Binnen offener Frist erhob der Berufungswerber dagegen Einspruch und erläuterte darin, dass er sich ungerechtfertigt verfolgt fühle. Vielmehr habe sich der Unfall auf dem Privatparkplatz nur für P-Mitarbeiter ereignet. Die Einfahrt zum gegenständlichen Privatparkplatz (Werksgelände) ist durch eine Tafel mit dem Wortlaut: "Privatgrundstück, Benützung nur für Werksangehörige der S-D-P F GesmbH auf eigene Gefahr" gestattet. Des weiteren ist auf dem Schild vermerkt, dass im Betrieb zumindestens auf dem Werksgelände und auf dem Parkplatz die Straßenverkehrsordnung gelte. Die Angaben des Berufungswerbers sind von der Bundespolizeidirektion Graz, Wachzimmer Liebenau mit Bericht vom 23.7.1998 überprüft worden (GZ S-15.367/98). In dem Bericht ist weiters angeführt, dass bei der jeweiligen Einfahrt ein Schranken vorhanden ist, welcher jedoch die meiste Zeit während der Betriebszeit offen ist. Der Unfallsort befindet sich im äußeren Bereich des Firmengeländes (firmeneigene Parkplätze) und nicht im Inneren des Werksareals.
Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens ist das Straferkenntnis erlassen worden und verhängte die Behörde erster Instanz über den Berufungswerber eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,--.
Binnen offener Frist ist vom Vertreter des Berufungswerbers ein Rechtsmittel eingebracht worden, in welchem er die Qualifikation des Werkparkplatzes der S-D-P F GesmbH als öffentliche Straße in Frage stellte.
Der Berufung kommt Berechtigung zu.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Wenn in dem mit Berufung angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde entscheiden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern durch ein Einzelmitglied. Ansonsten entscheiden sie, abgesehen von den gesetzlich besonders geregelten Fällen, durch Kammern, die aus drei Mitgliedern bestehen.
Gemäß § 51 e VStG ist eine öffentliche, mündliche Verhandlung nicht anberaumt worden, da es sich bei der Lösung des hier vorliegenden Problems um die Beantwortung einer Rechtsfrage handelt und auch von der Behörde erster Instanz eine S 3.000,-- übersteigende Geldstrafe nicht verhängt worden ist und beide Parteien eine öffentlich, mündliche Verhandlung nicht beantragt haben.
Von Seiten der erkennenden Behörde ist mit der S-D-P F GesmbH Rücksprache gehalten worden und erteilte das Rechtsbüro, dieses vertreten durch Frau K, folgende Auskunft: Beim gegenständlichen Parkplatz handelt es sich um einen Privatgrund, die Benützung ist ausdrücklich nur für Beschäftigte der S-D-P F GesmbH auf eigene Gefahr gestattet. Ein Schranken selbst existiert lediglich bei der Ausfahrt Richtung Raaba, die Einfahrt Richtung Liebenauer Hauptstraße ist mit einer Kette versehen, welche im Bedarfsfall die Einfahrt von Fahrzeugen verhindert. Bei dieser Kette handelt es sich um eine bauliche Einrichtung, welche zum Absperren des gesamten Fahrzeugverkehres geeignet ist. Beim gegenständlichen Parkplatz handelt es sich um ein Werksgelände, welches jedoch außerhalb des umzäunten inneren Werksgeländes ist.
Gemäß § 1 Abs 1 StVO gilt die StVO für Straßen mit öffentlichen Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benutzt werden können. Anhand des Berichtes der Bundespolizeidirektion Graz, Wachzimmer Liebenau, vom 23.7.1998 ist jedoch eindeutig festgestellt und auch dokumentiert, dass der Parkplatz beim S-D-P Werk ausschließlich von Werksangehörigen benutzt werden darf. Daraus resultiert jedoch, dass es sich hier um einen geschlossenen Personenkreis handelt, der von vornherein feststeht und die private Verkehrsfläche beparken darf. Unter Berücksichtigung der Entscheidung 49, siehe auch Messiner Straßenverkehrsordnung, 9. Auflage, Seite 15, sind Straßen innerhalb eines Werksgeländes von der Straßenverkehrsordnung ausgenommen, da sie nicht als solche mit öffentlichen Verkehr gelten. In diesem Sinne hat auch der Verwaltungsgerichtshof am 14.4.1964 entschieden, siehe auch ZVR 1965/96. Dieser Entscheidung entgegenstehend ist die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz vom 1.12.1977, 8BS433/77, diese abgedruckt in ZVR 1978/142. Der Widerspruch ergibt sich jedoch lediglich darin, wenn die gegenständliche Verkehrssituation ausschließlich zivilrechtlich betrachtet wird. Aufgrund der Bestimmungen des ArbeitnehmerInnenschutzgesetzes haben auch im Werksgelände gewisse Verkehrsregeln zu gelten. Es bleibt dem Grundeigentümer unbenommen, welche Verkehrsregeln er innerhalb seines Werksgeländes aufrecht erhält. Daraus resuliert jedoch, dass der Werksinhaber die Verkehrsregeln innerhalb seines Betriebsgeländes frei und selbständig wählen kann. Die S-D-P F GesmbH wählte als Verkehrsregel innerhalb ihres Parkplatzes die Straßenverkehrsordnung. Aus der Wahl der Straßenverkehrsordnung jedoch einen strafrechtlichen Anspruch heraus abzuleiten, ist nicht denkbar. Das Recht des Staates, Strafen wegen Missachtung der Straßenverkehrsordnung zu verhängen, gilt ausschließlich für Straßen mit öffentlichen Verkehr. Hätte die S-D-P F GesmbH dies gewollt, so wäre der Parkplatz als Verkehrsfläche mit öffentlichen Verkehr deklariert worden und nicht ausschließlich für namentlich bekannte Werksangehörige der S-D-P F GesmbH auf eigene Gefahr. Dass die StVO auf diesem Werksparkplatz gilt, bedeutet nicht, dass die Strafbestimmungen des § 99 für die Person, welche den Parkplatz benützt, anwendbar sind.
Mangels des Vorliegens der Qualifikation einer Straße mit öffentlichen Verkehr war demzufolge das Strafverfahren gegen den Berufungswerber E W einzustellen.