TE UVS Steiermark 1999/07/26 303.11-22/98

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Veröffentlicht am 26.07.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch seine Kammermitglieder Dr. Wigbert Hütter, Dr. Gerhard Wittmann und Dr. Karin Clement über die Berufung des Herrn F K, vertreten durch Dr. F R und Dr. H-M P, Rechtsanwälte in S, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Gröbming vom 21.8.1998, GZ.: 15.1- 1997/1229, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung in beiden Punkten Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

Text

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen, Politische Expositur Gröbming vom 21.8.1998, GZ: 15.1-1997/1229, wurde dem Berufungswerber als Inhaber der Firma F K, Bauabdichtungen, Versiegelungen und Verfugungen mit der Betriebsstätte in D-N, folgende arbeitnehmerschutzrechtlichen Übertretungen vorgeworfen:

Auf der Baustelle Neubau

Verladerampe, geschah am 15.1.1997 gegen 15.15 Uhr ein Arbeitsunfall; im Zuge der nachfolgenden Unfallsaufnahme wurden Übertretungen nach der Bauarbeiterschutz-verordnung (BauV) festgestellt.

1.) Die Leitern der beiden Arbeitnehmer M B und R M waren zum Unfallszeitpunkt nicht ausreichend gegen Abgleiten gesichert. Zum Zeitpunkt dieser Arbeiten befand sich auf dem Vordach eine durchgehend kompakte Eisschicht mit einer Stärke von zirka 1,7 cm. Diese Eisschicht wurde von den Arbeitnehmern aber nicht entfernt, sondern sie wurde lediglich nur zu Eisschollen unterschiedlicher Größe zerschlagen. Auf diese Eisschollen wurden dann Spanplatten mit den Ausmaßen von zirka 40 x 60 cm aufgelegt, auf denen dann die Leitern aufgesetzt wurden. Eine zusätzliche Abstützung oder Befestigung der Leitern gab es nicht. Das Vordach war weder durch ein Schutzgeländer, noch durch sonstige Sicherungsmaßnahmen abgesichert. Um zirka 15.15 Uhr rutschte jene Leiter, auf der sich M B befand, mitsamt der Unterlegespanplatte auf der nassen, mit kleinen Eisteilchen behafteten Kunststoffauflage nach hinten weg. Laut Feststellungen der Gendarmerie war diese Kunststoffauflage auf dem Vordach auch noch beim Eintreffen der Gendarmeriebeamten als sehr rutschig zu bezeichnen. B verlor das Gleichgewicht und stürzte zirka 5 Meter im freien Fall in die Tiefe. Er erlitt beim Aufprall schwere Kopfverletzungen, an denen er verstarb.

2.) Die beiden Arbeitnehmer wurden vom Arbeitgeber (von Ihnen) vor der Aufnahme der Tätigkeit auf der gegenständlichen Baustelle nicht über die sichere Durchführung der Arbeiten unterwiesen."

Dadurch habe der Berufungswerber Verwaltungsübertretungen 1.) gemäß "§ 74/1" BauV und 2.) gemäß "§ 154/1" leg cit begangen und wurden über ihn von der Erstbehörde in Punkt 1.) eine Geldstrafe von S 30.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 40 Tage Ersatzarrest) und in Punkt 2.) eine Geldstrafe von S 10.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 14 Tage Ersatzarrest) verhängt. In der Begründung wurde zunächst ausgeführt, dass es am 15.1.1997 zu einem tödlichen Arbeitsunfall an der S in G gekommen sei. Dies unter anderem auch, weil Sicherheitsbestimmungen nicht eingehalten worden seien. Der Beschuldigtenvertreter habe angegeben, daß der beschuldigte Arbeitgeber sehr wohl die entsprechenden Sicherheitsanweisungen gegeben habe. Zur rechtlichen Würdigung wurde ausgeführt, dass es unbestritten sei, dass es durch mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen zu dem tödlichen Arbeitsunfall gekommen sei. Ein Arbeitgeber sei verpflichtet, durch besondere Maßnahmen (Kontrollen, Anweisungen) dafür zu sorgen, dass Sicherheitsbestimmungen von den Arbeitnehmern eingehalten werden. Der Beschuldigtenvertreter habe nicht nachweisen können, dass der Beschuldigte alles Erdenkliche unternommen habe, damit die Bestimmungen eingehalten werden. Auch aus der Urteilsbegründung durch das Gericht gehe hervor, dass der Arbeitgeber für die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen zur Verantwortung zu ziehen sei. Die Behörde erachte somit beide Verstöße als erwiesen. Zur Strafbemessung wurde lapidar bemerkt, dass auf Grund des tödlichen Unfalles die ausgesprochenen Strafen "wohl" tat- als auch schuldangmessen seien.

Der Berufungswerber erhob gegen die Straferkenntnis fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung, wobei ausgeführt wurde, dass mit keinem Wort erwähnt werde, aus welchem Grund wem ein strafbarer Vorwurf zu machen sei. Das Straferkenntnis sei im Punkt 1.) unüberprüfbar, die Erstbehörde habe den mehr schlecht als recht festgestellten Sachverhalt auch völlig verfehlt subsumiert. Schließlich wurde beantragt, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Die Berufungsbehörde geht auf Grund der Aktenlage von folgendem Sachverhalt aus:

Am 15.1 1997 führten die beiden Arbeiter der Firma F K, Bauabdichtungen, D-E, nämlich R M und M B Abdichtungsarbeiten an den Fenstern der "S" in G durch. Um diese Arbeiten durchführen zu können, wurden von den beiden Arbeitnehmern auf der Überdachung der nordseitig gelegenen Verladerampe der Halle, in einer Höhe von zirka fünf Metern, Leitern aufgestellt. Zum Zeitpunkt dieser Arbeiten befand sich auf dem Vordach eine durchgehend kompakte Eisschicht mit einer Stärke von zirka 1,7 cm. Diese Eisschicht wurde von den Arbeitnehmern nur zu Eisschollen unterschiedlicher Größe zerschlagen. Auf diese Eisschollen wurden dann Spanplatten mit den Ausmaßen von zirka 40 x 60 cm aufgelegt, auf denen dann die Leitern aufgesetzt wurden. Eine zusätzliche Abstützung oder Befestigung der Leitern gab es nicht. Das Vordach war weder durch ein Schutzgeländer noch durch sonstige Sicherungsmaßnahmen abgesichert. Um zirka 15.15 Uhr rutschte jene Leiter, auf der sich M B befand, mitsamt der Unterlegespanplatte auf der nassen, mit kleinen Eisteilchen behafteten Kunststoffauflage nach hinten weg. B verlor das Gleichgewicht und stürzte zirka fünf Meter im freien Fall in die Tiefe. Er erlitt beim Aufprall schwere Kopfverletzungen, an denen er verstarb.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 2 Abs 1 VStG sind, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, nur die im Inland begangen Verwaltungsübertretungen strafbar. Nach Abs 2 der genannten Bestimmung ist eine Übertretung im Inland begangen, wenn der Täter im Inland gehandelt hat oder hätte handeln sollen oder wenn der zum Tatbestand gehörende Erfolg im Inland eingetreten ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Übertretungen von Arbeitnehmerschutzvorschriften als Ort, an dem die Übertretung begangen wurde, jener Ort anzusehen, an dem die gesetzlich gebotene Vorsorgehandlung unterlassen wurde. Tatort der Verwaltungsübertretung ist somit der Sitz der Unternehmensleitung, weil auch an diesem Ort die Dispositionen und Anordnungen zur Verhinderung der Verstöße gegen Arbeitnehmerschutzbestimmungen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 24.6.1994, 94/02/0021; 27.1.1995, 94/02/0407 u.v.a.m.). Auf die Lage der Baustelle kommt es nicht an (vgl. VwGH 26.1.1996, 95/02/0243, 0244).

Im gegenständlichen Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass der Berufungswerber als Inhaber der Firma F K mit Sitz in Deutschland im Sinne des § 2 Abs 2 VStG jedenfalls nicht "im Inland hätte handeln sollen".

Der Eintritt des zum Tatbestand gehörenden Erfolges im Inland im Sinne des § 2 Abs 2 VStG setzt das Vorliegen eines sogenannten Erfolgsdeliktes voraus. Darunter ist ein solches Delikt zu verstehen, bei dem der Eintritt des Erfolges Tatbestandsvoraussetzung für das Vorliegen des vollendeten Deliktes ist. Der Umstand, dass ein Gebot oder Verbot einen bestimmten Zweck verfolgt, macht diesen Zweck noch nicht zum Tatbestandsmerkmal und damit dessen Vereitelung noch nicht zum Erfolg im Sinne des § 2 Abs 2 (vgl. VwGH 7.7.1989, 89/18/0055; 11.12.1996, 96/03/0251). Beim Erfolg im Sinne der genannten Bestimmung handelt es sich vielmehr um die durch ein Verhalten herbeigeführte - kausale - Folge, die aus einer Verletzung oder Gefährdung des geschützten Rechtsgutes bestehen kann und Teil des Tatbestandes ist (vgl. Walter-Mayer, Grundriss des Österreichischen Verwaltungsverfahrensrechtes, 6. Auflage, Rz. 727; Hellbling, Kommentar zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen II, 29). Ein derartiger Erfolg gehört nicht zum Tatbestand der dem Berufungswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nach § 74 Abs 1 BauV (Leitern müssen derart beschaffen und aufgestellt sein, dass sie gegen Abgleiten, Verkanten und gegen zu starkes Durchbiegen gesichert sind) und nach § 154 Abs 1 BauV (Arbeitnehmer müssen vor der erstmaligen Aufnahme der Tätigkeit auf der Baustelle in der sicheren Durchführung der Arbeiten unterwiesen werden). Die gegenständlichen Übertretungen stellen keine Erfolgsdelikte dar. Der Arbeitsunfall vom 15.1.1997 stellt kein Tatbestandsmerkmal der gegenständlichen Übertretungen der BauV dar.

Da somit von einer Begehung der Verwaltungsübertretungen im Inland durch die Firma F K mit Sitz in D-N nicht gesprochen werden kann, ist der Berufungswerber als Inhaber dieses Unternehmens gemäß § 2 Abs 1 VStG im Inland nicht strafbar. Dem Arbeitsinspektorat Leoben wurde mit Schreiben des Unabhängigen Verwaltungssenates vom 11.6.1999 die Rechtsansicht der Berufungsbehörde mitgeteilt. Die mitbeteiligte Partei äußerte sich bis dato nicht.

Es war daher der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und die Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

Schlagworte
Tatort Ausland Unternehmenssitz Baustelle Ungehorsamsdelikt Firmeninhaber Verantwortlichkeit
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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