Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch den
Kammervorsitzenden Dr
Traxler und die Mitglieder Mag Waniek-Kain und Mag Obrist über die
Berufung des
Herrn , geboren am , wohnhaft in A- ,
vertreten
durch die Herren Rechtsanwälte , vom 26 07 1999, gegen das
Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung vom
07 07 1999,
Zl 300-8460-1996, wegen Bestrafung und Erklärung des Verfalles nach
dem
Glücksspielgesetz zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung Folge
gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten in Spruchpunkt I
zur Last gelegt, er habe in der Zeit von Anfang September 1996 bis zum 30 10
1996 in einem Raum in einer näher bezeichneten Gastgewerbebetriebsanlage drei
ebenfalls näher umschriebene Glücksspielapparate, welche geeignet gewesen seien,
Spielern bei einer vermögensrechtlichen Leistung von mehr als ATS 5,-- (Geräte 1 und 3 bis je ATS 50,-- und Gerät 2 bis ATS 64,-- pro Spiel) einen Gewinn von
mehr als ATS 200,-- (Gerät 1: max ATS 50000,--, Gerät 2: max ATS 64000,-- und Gerät 3: max. ATS 40000,--) zu ermöglichen, die somit dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, außerhalb einer Spielbank in betriebsbereitem Zustand
aufgestellt und auf eigene Rechnung betrieben, indem einem unbestimmten Kreis
von Personen die Möglichkeit zum Spielen gegeben wurde. Im Tatzeitraum sei zwei
näher genannten Personen mehrere Male die Möglichkeit zum Spielen geboten worden
und hätten diese mehrere tausend Schilling verspielt. Wegen Übertretung des § 52 Abs 1 Z 5 (erster Fall) Glücksspielgesetz wurde eine Geldstrafe von
ATS 70000,--
Ersatzfreiheitsstrafe von 10 Tagen) verhängt.
In Spruchpunkt II des angefochtenen Straferkenntnisses wurden die
drei
Glücksspielapparate sowie der mit diesen verbundene ebenfalls näher umschriebene
Papiergeldscanner gemäß § 17 Abs 1 VStG in Verbindung mit § 52 Abs 2 Glücksspielgesetz für verfallen erklärt.
Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung kommt aus folgenden Gründen Erfolg
zu:
Gemäß § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und
ist von der Behörde mit Geldstrafe bis zu ATS 300000,-- zu bestrafen, wer
Glücksspielapparate oder Glücksspielautomaten, die dem Glücksspielmonopol
unterliegen, außerhalb einer Spielbank betreibt (Veranstalter) oder
zugänglich
macht (Inhaber).
Nach Abs 2 dieser Bestimmung unterliegen Gegenstände, mit deren Hilfe in das Glücksspielmonopol eingegriffen wurde, sofern sie nicht gemäß § 54
einzuziehen
sind, dem Verfall.
Gemäß § 168 Abs 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit
Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wer ein Spiel, bei dem Gewinn
und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das
ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen
Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder
Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, es sei
denn, daß bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib
und um
geringe Beträge gespielt wird.
Folgender Sachverhalt liegt dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde:
Laut Anzeige des Gendarmeriepostens wurden bei einer
Überprüfung am 30 10
1996 im Gasthaus in die verfahrensgegenständlichen
Spielapparate
und der Geldwechsler vorgefunden. Diese befanden sich in einem
versperrten
Nebenraum, welcher laut Auskunft des Gastwirtes an den
Berufungswerber um den
Betrag von ATS 8000,-- monatlich vermietet worden sei. Die
Spielapparate - laut
Anzeige als "Kartenpoker" bezeichnet - seien an das Stromnetz angeschlossen und
mit dem Geldwechsler verbunden gewesen. Im erstinstanzlichen Verfahren wurden
zwei Personen, welche an diesen Spielapparaten gespielt haben, als Zeugen
einvernommen. Sie haben ausgesagt, daß sie Geldscheine in den Wechsler
eingegeben hätten. Ein Zeuge gab an, er hätte bei seinen Spielen jedes Mal
einige hundert Schilling verspielt. Der andere Zeuge berichtete, er habe ab
September 1996 insgesamt etwa ATS 4000,-- verspielt. Die gegenständlichen
Spielapparate und der Geldwechsler wurden auch einer Überprüfung durch einen Sachverständigen unterzogen. Er hat u.a. die im Straferkenntnis angeführten
Gewinn- und Verlustmöglichkeiten bei den jeweiligen Apparaten festgestellt und
mitgeteilt, daß im Geldwechsler der Betrag von ATS 38000,-- vorgefunden wurde.
In diesen hätten Banknoten bis ATS 1000,-- eingegeben werden können und habe man
per Knopfdruck auswählen können, auf welchem Apparat der
eingeworfene Betrag als
"Credit" erscheint.
Die oben bezeichnete Anzeige des Gendarmeriepostens wurde auch an das
Bezirksgericht übermittelt. Am 26 07 1997 langte bei der Bezirkshauptmannschaft Eisenstadt-Umgebung eine Benachrichtigung dieses
Gerichtes von der Beendigung des Strafverfahrens ein, aus der hervorgeht, daß
das gerichtliche Verfahren wegen § 168 StGB, welches ua gegen den Beschuldigten
dieses Verwaltungsstrafverfahrens geführt wurde, gemäß § 90 StPO
eingestellt
worden ist.
Art 4 Abs 1 des siebenten Zusatzprotokolles zur Europäischen Menschenrechtskonvention lautet (in seiner deutschen Übersetzung):
Niemand darf wegen einer strafbaren Handlung, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder
freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates
erneut vor
Gericht gestellt oder bestraft werden.
Dazu hat die Republik Österreich als Vorbehalt gemäß Art 64 EMRK eine Erklärung
abgegeben, daß sich Art 4 des siebenten Zusatzprotokolles "nur auf Strafverfahren im Sinne der Österreichischen Strafprozeßordnung" bezieht. Der Verfassungsgerichtshof sah sich jedoch bereits in seinem Erkenntnis VfSlg 14696/1996 (und diesem folgend im Erkenntnis vom 11 03 1998, G 262/97 ua)
veranlaßt, dem EGMR (Urteil vom 23 10 1995, abgedruckt in JBl 1997, 577 ff) zu
folgen, wonach diese "Erklärung" nicht den Anforderungen des Art 64 Abs 2 EMRK
entspricht, weil es an einer erschöpfenden Beschreibung der Gesetze fehlt, von
denen gesagt werden soll, daß sie mit Art 4 des siebenten Zusatzprotokolles
nicht im Einklang stehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hielt
daher diese besagte Erklärung Österreichs für ungültig. Dies bedeutet, daß Art 4
des siebenten Zusatzprotokolles zur EMRK in Österreich unbeschränkt - also auch
für Doppelbestrafungen zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden - Geltung hat.
Wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 11 03 1998, G 262/97,
ausführte, besteht die verfassungsrechtliche Grenze, die Art 4 Abs 1 des
siebenten Zusatzprotokolles zur EMRK für eine Doppel- oder Mehrfachbestrafung
zieht, darin, daß eine Strafdrohung oder Strafverfolgung wegen einer strafbaren
Handlung dann unzulässig ist, wenn sie bereits Gegenstand eines Strafverfahrens
war. Dies ist der Fall, wenn der herangezogene Deliktstypus den Unrechts- und Schuldgehalt eines Täterverhaltens vollständig erschöpft, sodaß ein weitergehendes Strafbedürfnis entfällt, weil das eine Delikt den Unrechtsgehalt
des anderen Delikts in jeder Beziehung mitumfaßt. Strafverfolgungen bzw Verurteilungen wegen mehrerer Delikte, die auf Straftatbeständen fußen, der
einander wegen wechselseitiger Subsidiarität, Spezialität oder Konsumtion
jedenfalls bei eintätigem Zusammentreffen ausschließen, bilden verfassungswidrige Doppelbestrafungen, wenn und weil dadurch ein und dieselbe
strafbare Handlung strafrechtliche mehrfach geahndet wird.
Was nun das Verhältnis des § 52 Abs 1 Z 5 erster Fall Glücksspielgesetz und des § 168 Abs 1 StGB betrifft, hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis
vom 19 06 1998, Zl G 275/96, ausgeführt, daß zwar Fallkonstellationen denkbar
seien, die unter die Strafdrohung der erstgenannten Norm, nicht aber unter
jene der zweitgenannten Bestimmung fallen. Dies allein schon deshalb, weil nach § 168 Abs 1 StGB die Veranstaltung von Glücksspielen und die Förderung von zur Abhaltung von Glücksspielen veranstalteten Zusammenkünften von der Strafbarkeit
ausgenommen sind, wenn "bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird". Dennoch werde es freilich
nicht ausgeschlossen, sondern vielmehr die Regel sein, daß eine (an sich) unter
die Strafdrohung des § 52 Abs 1 Z 5 erster Fall Glücksspielgesetz fallende
Handlung in Tateinheit mit einer unter die Strafdrohung des § 168 Abs. 1 erster
oder zweiter Fall StGB fallenden Handlung begangen wird. In diesem Fall ist in
der Regel davon auszugehen, daß das Delikt des Glücksspieles gemäß § 168 Abs 1
StGB den Unrechts- und Schuldgehalt des Deliktes des § 52 Abs 1 Z 5
erster Fall
Glücksspielgesetz vollständig erschöpft.
Die Bestrafung nach § 168 Abs 1 erster oder zweiter Fall StGB
schließt die Bestrafung wegen desselben Verhaltens nach § 52 Abs 1 Z 5 erster
Fall
Glücksspielgesetz aus.
Dieser Rechtsansicht hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof in seinem
Erkenntnis vom 22 03 1999, Zl 98/17/0134, angeschlossen. Darin wird ua ausgeführt, daß auch das vom EGMR vorausgesetzte Gebot des Art 4 des 7 ZPMRK,
die Gefahr unterschiedlicher Beurteilungen einer einzigen Tat durch verschiedene
Behörden zu vermeiden, für die vom Verfassungsgerichtshof gewählte Interpretation sprechen könnte.
Gebietet aber nach dem Vorgesagten eine verfassungskonforme Auslegung unter
Berücksichtigung des Art. 4 Abs. 1 des 7 ZPMRK die Annahme einer unechten
Idealkonkurrenz in Erscheinungsform der stillschweigenden Subsidiarität des § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz gegenüber § 168 Abs 1 StGB, so folgt daraus, daß
eine Bestrafung nach der erstgenannten Norm dann zu unterbleiben hat, wenn sich
der Täter nach der zweitgenannten Bestimmung strafbar gemacht hat.
Im vorliegenden Fall hat das Gericht das Strafverfahren gegen den Beschuldigten
gemäß § 90 StPO eingestellt. Diesfalls hat die Verwaltungsstrafbehörde die Frage, ob die von ihr dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat einen gerichtlich
zu ahndenden Tatbestand bildet, selbst zu beurteilen (VwSlg 10276A/1980).
Nach dem einleitend geschilderten Sachverhalt handelt es sich bei den
verfahrensgegenständlichen Spielapparaten um solche, bei denen die Entscheidung
über Gewinn und Verlust zufallsabhängig und selbsttätig herbeigeführt wurden.
Demnach lag im Sinne des § 168 Abs 1 StGB ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust
ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen, vor. Dem Beschuldigten wird
weiters angelastet, er sei der Veranstalter der auf diesen Apparaten betriebenen
Spiele. Der Begriff des Veranstalters eines Glücksspieles im Sinne des § 168 Abs 1 StGB ist mit jenem des Betreibers der Apparate (Veranstalter gemäß § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz) identisch (VfGH vom 19 06 1998, Zl G 275/96).
Schließlich wird dem Beschuldigten im Straferkenntnis vorgeworfen, daß er die Apparate auf eigene Rechnung betrieben hat und daß von zwei angeführten Personen
mehrere tausend Schilling verspielt wurden. Damit wird ihm jedenfalls auch
vorgeworfen, die Apparate betrieben zu haben, um sich einen Vermögensvorteil -
wie er zum Tatbild des § 168 StGB gehört - zuzuwenden.
Somit hat der Beschuldigte tatbildmäßig im Sinne des § 168 Abs 1 (erster Fall)
gehandelt, es sei denn, es wäre "bloß zum Zeitvertreib und um
geringe Beträge"
gespielt worden.
Zur Interpretation dieser Ausnahmebestimmung hat der Oberste Gerichtshof (Urteil vom 28 06 1983, Zl 11 Os 109/83) ausgeführt, daß die Beurteilung, ob um "geringe
Beträge" gespielt wird, am Einzelspiel bzw am einzelnen, jeweils über Gewinn
oder Verlust entscheidenden Spielgang zu orientieren ist. Nach der Judikatur des OGH liegt ein geringer Betrag im Sinne dieser Bestimmung vor, solange der Gesamteinsatz eines Spielers im Zuge einer Spielveranstaltung im
dargelegten
Sinn die Summe von ATS 200,-- nicht übersteigt.
Auf der Basis der im erstinstanzlichen Verfahren getroffenen Feststellungen
wurde im vorliegenden Fall nicht bloß um "geringe Beträge" gespielt:
Einer der Zeugen hat ausgesagt, daß er bei jedem Spielgang mehrere hundert Schilling
verspielt hat. Auch beim anderen Zeugen beliefen sich seine Einsätze im Zeitraum
von zwei Monaten auf rund ATS 4000,--. Nach den Feststellungen des Sachverständigen war es bei allen drei Glücksspielapparaten möglich, den Einsatz
aufzubonieren (bei zwei Apparaten in ATS 100,-- Schritten und beim dritten
Apparat in ATS 10,-- Schritten). Außerdem waren die gegenständlichen Spielapparate mit einem Papiergeldscanner verbunden, in den Banknoten im Wert
von ATS 20,-- 50,--, 100,--, 500,-- und 1000,-- eingegeben werden konnten und
per Tastendruck ausgewählt werden konnte, auf welchem Apparat der eingeworfene
Betrag als "Credit" erscheint. Demnach ist davon auszugehen, daß der Berufungswerber zu "Serienspielen" Gelegenheit bot und damit Spieler ansprechen
wollte, denen es nicht bloß um den Zeitvertreib, sondern um die Lukrierung von
theoretisch erzielbaren Gewinnen ging (VwGH vom 22 03 1999, Zl 98/17/0134). Nach
diesem Sachverhalt ist - selbst wenn auch die Möglichkeit bestand um einen, am
Einzelspiel gemessen, geringen Betrag zu spielen - aufgrund der zu "Serienspielen" verleitenden Ausstattung der Geräte und dem Umstand, daß der
theoretisch erzielbare Gewinn bei allen drei Apparaten in fünfstelliger Höhe
lag, anzunehmen, daß das Gewinnstreben der Spieler im Vordergrund lag. Von einem Spielen nur zum Zeitvertreib kann daher nicht gesprochen werden. Demnach lagen
die Voraussetzungen für eine Ausnahme von § 168 StGB nicht vor.
Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, daß das dem Berufungswerber zur Last gelegte Verhalten den Tatbestand des § 168 Abs 1 StGB und damit einer in
die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet. Mag es auch
unverständlich sein, daß dies vom Gericht nicht geahndet wurde, ist die Tat aber
von der Verwaltungsbehörde infolge stillschweigender Subsidiarität des
Tatbestandes nach § 52 Abs 1 Z 5 Glücksspielgesetz nicht zu verfolgen. Das Straferkenntnis war daher zur Gänze aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren
einzustellen.