Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karl-Heinz Liebenwein über die Berufung des Herrn KR H T, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 27.4.1999, GZ.: 15.1 1998/4171, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 und 3 VStG eingestellt.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er wäre als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma M L W und daher als gemäß § 9 VStG Verantwortlicher verpflichtet gewesen, für die Einhaltung der Bestimmungen der LMKV Sorge zu tragen. So sei von einem Organ des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung, Fachabteilung für das Gesundheitswesen, am 15.1.1998, um 09.30 Uhr, in der Firma M L W, Filiale H, eine Warenprobe bei "Brüsseler Spitze - Leberpastete" gezogen und der zuständigen Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Graz zum Zwecke der Beurteilung übermittelt worden. Bei der Warenprobe handelte es sich um verpackte Ware im Sinne der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung.
Gemäß dem Befund der formalen Überprüfung nach der LMKV entspreche die Kennzeichnung der Warenprobe nicht der genannten Verordnung.
Fehlendes Kennzeichnungselement: Dem Verzeichnis der Zutaten ist eine geeignete Bezeichnung voranzustellen, in der das Wort
Zutaten
Er habe daher eine Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs 1 Z 7 lit a LMKV 1993 begangen und wurde über ihn deshalb gemäß § 74 Abs 5 Z 2 LMG 1975 eine Geldstrafe in der Höhe von § 500,-- , für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 24 Stunden, verhängt. Neben der Vorschreibung von S 50,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens (§ 64 VStG) wurde dem nunmehrigen Berufungswerber auch der Ersatz der Untersuchungskosten bei der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung in Graz gemäß § 45 Abs 2 LMG in der Höhe von S 702,-- auferlegt.
Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und in dieser unter nochmaligem Hinweis auf das ohnedies bereits erstattete Vorbringen im wesentlichen ausgeführt, dass es sich nicht um eine verpackte Ware gehandelt hätte. Durch die beigelegten Rechnungsbelege sei zweifelsfrei zu erweisen, dass die verfahrensgegenständliche Leberpastete nicht für den Selbstbedienungsverkauf ausgeliefert wurde, schließlich sei das diesbezügliche Gutachten eindeutig falsch.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark stellt hiezu nachfolgendes fest:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat. Somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51 c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Gemäß § 66 Abs 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Aus nachstehenden Gründen erübrigt sich ein näheres Eingehen auf das konkrete Berufungsvorbringen:
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Hiezu sind entsprechende, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich.
Der Vorschrift des § 44a Z 1 VStG wird somit dann Rechnung getragen, wenn im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen wird, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen und der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmal zur Verantwortung gezogen zu werden (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3.10.1985, Slg. NF 11894/A). Entscheidend dafür, welche Tathandlung die Behörde der Verwaltungsvorschrift unterstellt hat, ist daher die Bezeichnung im Spruch des Erkenntnisses. Die objektive Tatseite einer Verwaltungsübertretung ist das vom Tatbestand erfaßte, äußere menschliche Verhalten. Dieses Verhalten kann in einem Tun oder in einem Unterlassen bestehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH ist es nach der zitierten Gesetzesstelle rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Umstände so genau zu umschreiben, dass
1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt
worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und
2.) die Identität der Tat (z. B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht (Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13.6.1984, Slg. NF 11.466/A).
Auf den Wortlaut des Spruchs des angefochtenen Straferkenntnisses wurde bereits eingangs der Begründung näher hingewiesen. Er entspricht aus nachstehenden Gründen nicht den obgenannten Erfordernissen des § 44 a VStG.
Eine Verwaltungsübertretung der LMKV 1993 bzw. des LMG 1975 setzt grundsätzlich voraus (vgl. § 1 LMG), dass Lebensmittel, Verzehrprodukte etc. in Verkehr gebracht werden, worunter unter anderem das Gewinnen, Herstellen, Behandeln, Einführen, Lagern, Verpacken, Bezeichnen, Feilhalten etc. zu verstehen ist. Im Gegensatz zur (alten) Regelung der LMKV 1973, die den jeweils Verantwortlichen ausdrücklich bestimmte, ist nunmehr jeder für die Einhaltung der Bestimmungen der LMKV 1993 verantwortlich, der Lebensmittel und Verzehrprodukte in Verkehr bringt. Verantwortlich sind daher: der "verpackende" Erzeuger, der Verpacker, derjenige, der die verpackte Ware kennzeichnet bzw. kennzeichnen lässt, der Importeur, der Vertreiber und der (Letzt-)verkäufer. Damit ergeben sich vor allem in der Praxis wegen der zu beachtenden Verjährungsfristen Probleme und wird in erster Linie derjenige verantwortlich gemacht werden, der die Ware als letzter in Verkehr gebracht hat (vgl. Kommentar zu § 1 LMKV, Barfuß-Smolka-Onder, Manz, große Gesetzesausgabe, 2. Auflage SS 51 ff.).
Im konkreten Fall wurde nunmehr, wie dem Verfahrensakt der Strafbehörde I. Instanz zu entnehmen ist, die verfahrensgegenständliche Probe dem Gutachten der BALMU Graz vom 1.4.1998, vor allem aber der Anzeige der Fachabteilung für das Gesundheitswesen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 21.4.1998 nach, in einer Filiale der M L W in H, gezogen und hinsichtlich des Inverkehrbringens ohne nähere Angaben offensichtlich ausschließlich dieser Umstand dem nunmehrigen
Berufungswerber angelastet. Nach Ansicht der erkennenden Behörde stellt aber das Ziehen der Warenprobe allein keinesfalls ein Inverkehrbringen eines Lebensmittels im Sinne des § 1 Abs 2 LMG 1975 dar.
Da lediglich im Probenbegleitschreiben als Beilage zur Anzeige der Fachabteilung für das Gesundheitswesen beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung vom 21.4.1998 beim Ort der Auffindung der später untersuchten Warenprobe der Verkaufsraum
niemals Gegenstand einer tauglichen Verfolgungshandlung war, lässt der Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses allein diesbezüglich nicht mit der gemäß § 44 a Z 1 VStG gebotenen Deutlichkeit erkennen, worin die Inverkehrsetzung der beanstandeten Ware eigentlich bestanden hat (vgl. VwGH 12.3.1984, 10/1124/80 u.a.).
Wenngleich auch aus den näheren, bereits aufgezeigten Umständen, geschlossen werden kann, dass die beanstandete Warenprobe in einem Lebensmitteldetailgeschäft zum Verkauf feilgehalten wurde, so ist vor allem auch unter Hinweis auf die Tatzeit (15.1.1998) festzuhalten, dass dieses Feilhalten am im Spruch näher bezeichneten - offensichtlichen - Tatort doch wohl durch die M L W erfolgte, deren Unternehmenssitz sich in W befindet und die auch in H einen Filialbetrieb führt, der in gewerberechtlicher Hinsicht den gesetzlichen Bestimmungen entsprechend angemeldet war.
Eine Verfolgungshandlung hinsichtlich einer strafrechtlich verantwortlichen Person der genannten Firma im Sinne des § 9 VStG wegen einer Verwaltungsübertretung des § 4 Z 7 a LMKV erfolgte jedoch offensichtlich nicht, vielmehr wurde, wie dem Spruch des angefochtenen Bescheides in dieser Hinsicht eindeutig zu entnehmen ist, der Berufungswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer der M L W zur Verantwortung gezogen. Dieser war jedoch zumindest zum verfahrensrelevanten Tatzeitpunkt handelsrechtlicher Geschäftsführer der Firma L T mit dem Sitz in W (siehe dazu auch Auszug aus dem Firmenbuch im Verfahrensakt der Strafbehörde I. Instanz).
Die genannte Firma T wiederum scheint dem Probenbegleitschreiben der Fachabteilung für das Gesundheitswesen vom Amt der Steiermärkischen
Landesregierung vom 15.1.1998 nach (nur) als Lieferant, der an diesem Tag gezogenen und folglich beanstandeten Warenprobe auf. Ein Vorhalt an den Berufungswerber, die gegenständliche Verwaltungsübertretung allenfalls durch Lieferung an die M L W verantworten zu müssen, erfolgte jedoch nicht. Dazu ist ergänzend und der Ordnung halber auszuführen, dass bei einem durchaus möglich gewesenen "Lieferungsvorhalt" naturgegebenermaßen von einem anderen Tatzeitpunkt
auszugehen gewesen wäre, erfolgte doch den diesbezüglich unbedenklichen, vom Berufungswerber anlässlich der Erhebung des gegenständlichen Rechtsmittels vorgelegten Geschäftsunterlagen nach, die Lieferung der verfahrensgegenständlichen, beanstandeten Leberpastete am 22.12.1997.
Da überdies hinsichtlich der fehlenden bzw. mangelhaften Umschreibung des Sachverhalts bereits Verfolgungsverjährung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG eingetreten ist - gemäß § 74 Abs 7 LMG ist eine Verfolgung nur binnen Jahresfrist zulässig -, war der Berufungsbehörde eine Verbesserung des Spruchs verwehrt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 23.3.1984,83/02/0159; 22.2.1994,91/07/0009, u.v.a.) darf dem Berufungswerber nämlich nach Ablauf der Verjährungsfrist kein anderer Sachverhalt zur Last gelegt werden. Änderungen der rechtlichen Qualifikation sind hingegen auch außerhalb dieser Frist zulässig.
Es war daher der Berufung Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das gegen den Berufungswerber eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.