TE UVS Steiermark 1999/10/01 30.10-54/1999

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Veröffentlicht am 01.10.1999
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karin Clement über die Berufung des Herrn K M, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. W S, G, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Leoben, Strafamt vom 1.4.1999, GZ.: S 7067/97, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird die Berufung dem Grunde nach abgewiesen. Hinsichtlich der verhängten Strafe wird der Berufung Folge gegeben und diese mit S 1.000,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) neu bemessen.

Dadurch reduzieren sich die Kosten des Verfahrens erster Instanz auf S 100,--.

Diese Beträge sind innerhalb von vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu entrichten. Das Straferkenntnis wird insofern richtiggestellt, daß die verletzte Rechtsvorschrift zu lauten hat: § 75 Abs 4 KFG. Die Strafnorm ist richtigerweise § 134 Abs 1 KFG.

Im Übrigen bleibt der Spruch unberührt.

Text

Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe es unterlassen in der Zeit vom 4.10.1997 bis 22.10.1997 nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der Bundespolizeidirektion Leoben, Zahl: Fe 250/92, den über die entzogene Lenkberechtigung ausgestellten Führerschein von der Bundespolizeidirektion Leoben am 29.12.1989 unter Zahl:  für die Gruppen, A, B, C, E, F und G unverzüglich der Behörde abzuliefern.

Der Berufungswerber habe dadurch die Rechtsvorschriften des § 29 Abs 3 FSG verletzt und wurde wegen dieser Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe von S 3.000,-- (150 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 37 Abs 1 FSG verhängt. Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit welcher im wesentlichen vorgebracht wird, daß es dem Berufungswerber unmöglich gewesen sei dem Bescheidauftrag Folge zu leisten, zumal sich der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt im Strafvollzug in der Justizanstalt Garsten aufgehalten habe. Er sei erst am 22.10.1997 entlassen worden. Die Lenkerberechtigung habe sich an einem Verwahrungsort befunden, der niemandem zugänglich sei. Er habe im Zuge eines Heimganges im Jahre 1996 die Lenkerberechtigung nebst anderen Dokumenten, welche er ursprünglich seiner Mutter übergeben habe, aus dem Zugriffsbereich der Mutter entfernt und in einem nur dem Berufungswerber zugänglichen versperrbaren Schrank eingesperrt. Im übrigen wird noch vorgebracht, daß Verfolgungsverjährung eingetreten sei.

Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 10.8.1999 kann nachfolgender Sachverhalt festgestellt werden:

Der Berufungswerber befand sich zum Zeitpunkt der Zustellung des Bescheides am 3.10.1997 im Strafvollzug in der Justizanstalt Garsten. Die Lenkerberechtigung war ursprünglich dem Berufungswerber im Zuge der Verhaftung abgenommen worden und gerichtlich verwahrt worden. Am 18.12.1995 verständigte die Bundespolizeidirektion Leoben den Berufungswerber dahingehend, dass beabsichtigt sei die Lenkerberechtigung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit zu entziehen, nachdem das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 23.3.1994 ergangen war. Am 28.12.1995 übergab der Berufungswerber seiner Mutter, Frau H M, die Lenkerberechtigung. Der Berufungswerber hatte bei seinem ersten Freigang am 17.7.1997 seine Dokumente in einer Kiste mit doppelten Boden, welche er mit Holzsschrauben zugeschraubt habe, am Balkon der Wohnung P versteckt. In dieser Wohnung wohnte seine Mutter. Nach der Zustellung des Bescheides über den Führerscheinentzug am 3.10.1997 hat der Berufungswerber nichts unternommen. Der Berufungswerber wusste, dass er am 22.10.1997 entlassen werde und nahm an, dass bis zu diesem Zeitpunkt ohnedies ein Freigang nicht mehr möglich sei, wie ihm dies sein Wachkommandant mitgeteilt hatte. Der Berufungswerber hat keinerlei Anstrengungen unternommen einen Rapport zu erreichen bzw. in anderer Weise die Anstaltsleitung über den zugestellten Führerscheinentzugsbescheid in Kenntnis zu bringen oder ein Telefonat mit seiner Mutter zu erreichen.

Seine Mutter, H M, welche in der Lage gewesen wäre den Führerschein mit Hilfe eines Schraubenziehers aus dem Versteck zu holen, wurde vom Berufungswerber nicht verständigt und hatte keine Kenntnis davon, dass der Berufungswerber den Führerschein unverzüglich abliefern sollte.

Der Berufungswerbers hat im Zuge eines Freiganges am 17.7.1997 die Lenkerberechtigung der Mutter wieder abgenommen und sie selbst in einer Kiste versteckt. Dass der Berufungswerber nach Erhalt des Bescheides vom 29.9.1997, nach Zustellung am 3.10.1997 versucht hat über die Anstaltsleitung in den Besitz der Lenkerberechtigung zu gelangen oder dass er versucht hat, in irgendeiner Weise mit seiner Mutter Kontakt aufzunehmen, kann nicht festgestellt werden. Der Berufungswerber hat selbst angegeben nach Zustellung des Bescheides nichts unternommen zu haben. Seinen Angaben diesbezüglich kann gefolgt werden. Auch hat die Mutter glaubwürdig dargelegt, dass sie von diesem Bescheid vor Entlassung ihres Sohnes am 22.10.1997 keine Kenntnis hatte.

Das Vorbringen des Berufungswerbers, daß er nicht in der Lage gewesen sei, aufgrund seiner Haft den Führerschein abzuliefern, ist im Ergebnis nicht berechtigt. Gemäß § 75 Abs 4 KFG 1967, welche Bestimmung zum Tatzeitpunkt anzuwenden ist, ist nach Eintritt der Vollstreckbarkeit des Entziehungsbescheides der über die entzogene Lenkerberechtigung ausgestellte Führerschein, sofern er nicht bereits abgenommen wurde, unverzüglich der Behörde abzuliefern. Daraus ergibt sich, daß die Verpflichtung zur Ablieferung des Führerscheines den Berufungswerber trifft. Dabei ist auch der Umstand grundsätzlich ohne Einfluß, daß sich der Berufungswerber in Haft befand. Es ist zwar richtig, daß die Unmöglichkeit der Erfüllung einer unvertretbaren Leistung - um eine solche handelt es sich bei der Ablieferung eines Führerscheines - einen Mangel an Verschulden der strafbaren Tat nach sich zieht. Aufgrund seiner Haft war der Berufungswerber zwar in seinen Möglichkeiten der Ablieferungspflicht nachzukommen eingeschränkt, die Erfüllung der Leistung aber an sich nicht unmöglich. Der Berufungswerber hat nämlich nicht einmal behauptet, die ihm zumutbaren Schritte unternommen zu haben, wozu er jedenfalls verpflichtet gewesen wäre. Der Berufungswerber hat nicht versucht der Anstaltsleitung sein Problem darzulegen, wie der Führerschein zu beschaffen sei. Auch wenn der Berufungswerber in seinen Möglichkeiten der Ablieferungspflicht nachzukommen eingeschränkt war, war er jedenfalls nicht außer Stande die in der gegebenen Situation möglichen und zumutbaren Schritte zu unternehmen. Hätte er diese Schritte unternommen und wäre in weiterer Folge aufgrund der Reaktion der Anstaltsleitung eine Ablieferung des Führerscheins nicht möglich gewesen, wäre die Strafe über den Berufungswerber auch nicht rechtens zu verhängen gewesen. Die Unmöglichkeit der Erfüllung der unvertretbaren Leistung fand erst mit Verlust des Dokumentes, welches der Berufungswerber behauptet am 23.10.1997 mit der Post verschickt zu haben, statt. Die Erstbehörde hat aber über diesen Zeitpunkt hinaus ohnedies dem Berufungswerber die Tat nicht zur Last gelegt. Da der Führerschein gemäß § 75 Abs 4 KFG unverzüglich der Behörde abzuliefern ist und nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dies die sofortige Leistung bedeutet, hat der Berufungswerber für die Zeit vom 4.10.1997 bis 22.10.1997 die angelastete Verwaltungsübertretung zu verantworten und war daher spruchgemäß zu entscheiden (vgl. VwGH vom 20.10.1992, 92/11/0097). Da das Führerscheingesetz erst mit 1.11.1997 in Kraft trat, waren zum Tatzeitpunkt noch die Bestimmungen des Kraftfahrgesetzes anzuwenden und die verletzte Rechtsvorschrift und die Strafnorm im Straferkenntnis zu verbessern.

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung vorgenommen worden ist. Die Verjährungsfrist beträgt bei Verwaltungsübertretungen, wie im vorliegenden Fall, sechs Monate; sie ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Im gegenständlichen Fall ist die Verfolgungsverjährungsfrist am 22.4.1998 abgelaufen, da die Tat am 22.10.1997 beendet war. Der Einwand des Berufungswerbers, es müsste Verfolgungsverjährung angenommen werden, ist daher unbegründet. Die erstinstanzliche Behörde hat innerhalb der im § 31 Abs 2 VStG vorgeschriebenen Verjährungsfrist von sechs Monaten ab der strafbaren Tätigkeit eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs 2 und 3 VStG mit Rechtshilfeersuchen vom 11.12.1997, sowie auch mit Ladungsbescheid von 8.1.1998 gesetzt. Eine Verfolgungsverjährung ist demnach nicht eingetreten.

Im Hinblick auf die Strafhöhe ist zu berücksichtigen, daß gemäß § 19 Abs 1 VStG Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder

Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, ist.

Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Als mildernd kann die Unbescholtenheit des Berufungswerbers gewertet werden. Erschwerungsgründe liegen keine vor. Als Verschulden muss Fahrlässigkeit angenommen werden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse

(monatliches Nettoeinkommen S, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) wurden bei der nunmehrigen Bemessung der Strafe im Hinblick auf § 134 Abs 1 KFG entsprechend berücksichtigt und erscheint die nunmehr festgesetzte Strafe diesen persönlichen Verhältnissen angepasst. Im Hinblick auf den geänderten Strafrahmen des § 134 Abs 1 KFG im Vergleich zu § 37 Abs 1 FSG konnte die Strafe spruchgemäß herabgesetzt werden und erscheint diese ausreichend um den Berufungswerber in Hinkunft vor weiteren Übertretungen der gleichen Art abzuhalten.

Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens zweiter Instanz fallen gemäß § 64 VStG durch diese Entscheidung nicht an, der Kostenbeitrag des erstinstanzlichen Strafverfahrens war als Folge der Herabsetzung der verhängten Strafe entsprechend zu reduzieren.

Schlagworte
Führerschein Ablieferungspflicht Unterlassung Haft Entschuldigungsgrund Verlust
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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