Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Zotter über die Berufung des Herrn Dr Rudolf Z gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 4.8.1998, Zlen MA 4/5-08/03203-3205/1997, wegen Übertretungen des Kommunalsteuergesetzes in Zusammenhalt mit der Wiener Abgabenordnung, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren zur erstinstanzlichen Zahl MA 4/5-08/03203/1997 gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG und zu den erstinstanzlichen Zahlen MA 4/5-08/03204/1997 und MA 4/5- 03205/1997 gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Das angefochtene Straferkenntnis enthält folgenden Spruch:
"1)
MA 4/5-08/03203/1997
2)
MA 4/5-08/03204/1997
3)
MA 4/5-08/03205/1997
Sie haben es als Masseverwalter der H-GesmbH unterlassen, die Kommunalsteuer für die den Dienstnehmern der in Wien gelegenen Betriebsstätte gewährten Arbeitslöhne für den Monat
1)
April 1997, 2) Mai 1997, 3) Juni 1997 in der Höhe von
1)
S 3.725,--, 2) S 2.672,--, 3) 4.343,-- zu berechnen und bis zum Fälligkeitstag, nämlich am 1) 15.05.1997, 2) 16.06.1997,
3) 15.07.1997, zu zahlen. Sie haben dadurch die Kommunalsteuer fahrlässig verkürzt.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 11 Abs 2 des Kommunalsteuergesetzes vom 30. November 1993, BGBl Nr 819 in Zusammenhalt mit § 54 Abs 1 der Wiener Abgabenordnung - WAO in der Fassung des LGBl Nr 15/1994. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:
Geldstrafe von 1) ATS 900,--, 2) ATS 700,--, 3) ATS 1.100,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
1) 22 Stunden, 2) 17 Stunden, 3) 26 Stunden, gemäß § 15 Abs 1 Kommunalsteuergesetz.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, in der geltenden Fassung, zu zahlen:
1) ATS 90,--, 2) ATS 70,--, 3) ATS 110,--, als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, ds 10 % der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe, Kosten) beträgt daher
1) ATS 990,--, 2) ATS 770,--, 3) ATS 1.210,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen."
Dagegen hat der Beschuldigte rechtzeitig Berufung erhoben. Er verweist auf seine Stellungnahmen im erstinstanzlichen Verfahren und rügt, dass sich die angefochtenen Straferkenntnisse mit seinem Vorbringen nur unzureichend auseinander setzen. Unter Hinweis auf die im Verfahren vorgelegten Unterlagen behauptet der Berufungswerber, er habe nach den gesetzlichen Bestimmungen - wenn sie sinnrichtig angewendet und verstanden würden - nicht anders handeln können, als er gehandelt habe. Im März 1997 habe er von der Geschäftsführerin die Nachricht erhalten, dass seit November 1996 laufende Dienstnehmeransprüche für fünf Dienstnehmer nur zu einem Teil akontiert worden seien. Bis dahin habe sich keiner der fünf Dienstnehmer wegen rückständiger laufender Bezüge gemeldet oder beschwert. Die Dienstnehmer hätten darüber Bescheid gewusst, dass sich das Unternehmen im Konkurs befindet und auch über die Tatsache, dass der Berufungswerber zum Masseverwalter bestellt worden sei. Bis Dezember 1996 seien alle laufenden Verpflichtungen beglichen worden. Nachdem im März 1997 die Rückstände bei den Dienstnehmerforderungen bekannt geworden seien, habe der Berufungswerber die fälligen Masseforderungen nach § 124 Konkursordnung nicht mehr befriedigen dürfen. Vielmehr sei er gemäß § 47 Konkursordnung verpflichtet gewesen, die laufenden Dienstnehmeransprüche, für die keine Deckung durch den Insolvenzausfallsgeldfonds bestanden hätte, vordringlich zu berichtigen. Die Bestimmungen der Konkursordnung gingen als Sonderregelungen sowohl den abgabenrechtlichen Verpflichtungen als auch den steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen vor. Im Hinblick auf die Ungewissheit, welche Eingänge nach Einstellung des Geschäftsbetriebes noch zu erwarten waren, habe er zu jeder Zeit einen gewissen Stand an Massemitteln aufrecht erhalten müssen, weil nach dem Sinn des Gesetzes die auf die laufenden Dienstnehmerforderungen folgenden allgemeinen
Masseforderungen allenfalls quotenmäßig zu befriedigen seien und er überdies eine Klage über 850.000 S beabsichtigt habe, die mangels Untersagung durch das Konkursgericht in der Folge auch eingebracht worden und noch anhängig sei. Auch für diese Klage habe er Vorsorge treffen müssen. Die gesetzlichen
Bestimmungen der Abgaben- und Steuergesetze sowie der Sozialversicherungsgesetze einerseits und der Insolvenzgesetze andererseits seien nicht gerade hervorragend aufeinander abgestimmt. Als Masseverwalter habe er nur unter Beachtung der gesetzgeberischen Absichten die Massemittel so zu verwalten, wie es für alle Beteiligten zum besten gereiche und die insolvenzrechtlichen Bestimmungen zu berücksichtigen. Der Vorwurf, die angeführten Abgaben aus Fahrlässigkeit nicht rechtzeitig entrichtet zu haben, werde zu Unrecht erhoben. Nach der Übung der Gerichte sei nach Beendigung des Verwertungsverfahrens dann, wenn die vorhandenen Mittel für die gleichrangigen Masseforderungen nicht ausreichten, ein Verteilungsentwurf vorzulegen, der eine quotenmäßige Befriedigung der Massegläubiger vorsehe. Aus praktischen Überlegungen und der Unmöglichkeit einer anderen Vorgehensweise könne dies erst dann geschehen, wenn das ganze Verwertungsverfahren abgeschlossen sei, da sich der Stand an Massemitteln von einem Tag auf den anderen Tag ändern könne und eine quotenmäßige Verteilung daher wiederholt neu berechnet werden müsste. Die Praxis einer Konkursabwicklung schließe es aus, dass sich ein Masseverwalter, bei dem gleichzeitig mehrere Konkurse anhängig seien und der überdies einen Hauptberuf habe, mit den einzelnen Geschäftsführern befasse, selbst womöglich für jeden Konkurs eine Buchhaltung führe und so auf den Tag in der Lage wäre, abzurechnen und ohne Mitwirkung der von ihm aus dem Kreis der Gemeinschuldner beauftragten Personen, für jedes Versäumnis die Verantwortung zu übernehmen. Der Berufungswerber beantragt, die angefochtenen Straferkenntnisse nach allfälliger Beweisergänzung zu beheben und die Verfahren einzustellen. Nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung hat der Unabhängige Verwaltungssenat Wien über die Berufung erwogen:
Im Verfahren blieb unstrittig, dass über die abgabepflichtige Gesellschaft am 6.3.1996 das Konkursverfahren eröffnet und der Berufungswerber zum Masseverwalter bestellt wurde. Das Unternehmen wurde nach Konkurseröffnung fortgeführt. Die angeblich verkürzten Abgabenbeträge sind Masseforderungen.
1. Zum Steuerzeitraum April 1997 (erstinstanzliche Zl MA 4/5- 08/03203/1997):
In der im Berufungsverfahren durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung hat der Berufungswerber vorgebracht, im April 1997 wären keine Löhne an Dienstnehmer ausbezahlt worden, weshalb eine Kommunalsteuer für April 1997 am 15. Mai 1997 nicht fällig geworden sei. Bei der Revision sei der Steuerbetrag so ermittelt worden, dass der Bemessung die laut Lohnkonten fälligen Löhne zugrunde gelegt wurden. Erst im Mai 1997 seien jene Löhne ausbezahlt worden, die sich aus der vorgelegten Ausgaben- und Einnahmenrechnung ergäben. Laut der vom Berufungswerber vorgelegten Ausgaben- und Einnahmenrechnung sind im April 1997 keine Löhne ausbezahlt wurden. Dazu ist das zuständige Revisionsorgan des Magistrates der Stadt Wien in der mündlichen Verhandlung einvernommen worden. Der Zeuge hat nach Einsichtnahme in den Revisionsbericht ausgesagt, dass die maßgeblichen Zahlen der Buchhaltung entnommen worden seien. Es habe bei der Prüfung Schwierigkeiten gegeben, genau festzustellen, welche Löhne tatsächlich in welchen Zeiträumen ausbezahlt wurden. Die Zahlen seien beim Steuerberater erhoben und anschließend dem Masseverwalter zur Kenntnis gebracht worden. Mit Sicherheit könne er nicht sagen, dass die für April 1997 errechnete Kommunalsteuer von in diesem Monat tatsächlich ausbezahlten Löhnen ermittelt wurde.
Auf Grundlage der vorliegenden Einnahmen- und Ausgabenrechnung, des Vorbringens des Berufungswerbers und der Aussage des Revisionsbeamten geht der erkennende Senat davon aus, dass im April 1997 keine Löhne ausbezahlt wurden. Gemäß § 1 des Bundesgesetzes, mit dem eine Kommunalsteuer erhoben wird (Kommunalsteuergesetz 1993 - KommStG 1993) unterliegen der Kommunalsteuer die Arbeitslöhne, die jeweils in einem Kalendermonat an die Dienstnehmer einer im Inland (Bundesgebiet) gelegenen Betriebsstätte eines Unternehmens gewährt worden sind.
Gemäß § 11 Abs 1 leg cit entsteht die Steuerschuld mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Lohnzahlungen gewährt worden sind. Gemäß Abs 2 ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauf folgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.
Abgesehen von einer hier nicht relevanten Ausnahme (§ 11 Abs 1 2. Satz KommStG) entsteht die Steuerschuld also mit Ablauf des Kalendermonats, in dem die Arbeitslöhne gewährt, dh ausbezahlt worden sind. Da nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens im April 1997 keine Arbeitslöhne ausbezahlt wurden, ist in diesem Monat keine Kommunalsteuerschuld entstanden, weshalb der Vorwurf der Abgabenverkürzung in diesem Zeitraum zu Unrecht erhoben wurde und das Straferkenntnis in diesem Punkt zu beheben und das Verfahren einzustellen war.
2. Steuerzeiträume Mai 1997 und Juni 1997 (erstinstanzliche Zlen MA 4/5-08/03204/1997 und MA 4/5-08/03205/1997)
Dazu hat der Berufungswerber vorgebracht, er habe auf § 47 Konkursordnung Bedacht zu nehmen gehabt, wonach bei unzureichendem Massevermögen die Masseforderungen
anteilsmäßig zu befriedigen wären.
Gemäß § 124 Abs 1 der Konkursordnung sind die Massegläubiger ohne Rücksicht auf den Stand des Verfahrens zu befriedigen, sobald ihre Ansprüche fest stehen und fällig sind. Gemäß Abs 2 dieser Bestimmung hat der Masseverwalter dafür zu sorgen, dass die erforderlichen Beträge rechtzeitig verfügbar sind. Der Masseverwalter muss die fälligen und anerkannten Forderungen nach Maßgabe der Mittel berichtigen; er darf nicht zur Befriedigung anderer, noch nicht fälliger Forderungen, einen Deckungsfonds schaffen (OLG Wien, 3.2.1936 EvBL 1936/314). Gemäß § 47 Abs 2 Konkursordnung haben die unter § 46 Abs 1 Z 1 fallenden, vom Masseverwalter vorschussweise bestrittenen Barauslagen, nach ihnen die Masseforderungen der Arbeitnehmer (arbeitnehmerähnlichen Personen) nach § 46 Abs 1 Z 3 und Abs 2 Z 2, soweit sie nicht nach dem Insolvenzentgeltsicherungsgesetz gesichert sind oder sich nicht aus der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses ergeben, und die übrigen Kosten des Verfahrens nach § 46 Abs 1 Z 1 und 2 sowie, wenn der Konkurs als Anschlusskonkurs eröffnet wird, die Forderungen nach § 23 Abs 1 Z 1 und 2 Ausgleichsverordnung den Vorzug vor den übrigen Masseforderungen, sofern die Masseforderungen nicht vollständig befriedigt werden können.
Innerhalb gleicher Gruppen sind die Masseforderungen verhältnismäßig zu befriedigen. Geleistete Zahlungen können nicht zurückgefordert werden.
Unter § 46 Abs 1 Z 3 KO fallen die Forderungen der Arbeitnehmer auf laufendes Entgelt (einschließlich Sonderzahlungen) für die Zeit nach Konkurseröffnung.
Nur dann, wenn fest steht, dass das Massevermögen zur Befriedigung der fälligen Kraftfahrzeugsteuer und anderer fälliger Masseforderungen nicht ausreicht, braucht der Masseverwalter für ein in die Masse fallendes Fahrzeug (vorerst) keine Steuer entrichten; andernfalls ist eine Nichtentrichtung mit Abgabenerhöhung bedroht (VwGH 18.11.1983, Anwaltsblatt 1984, 627).
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gesteht dem Masseverwalter also zu, von der Bezahlung einer fälligen Abgabenschuld Abstand zu nehmen, wenn feststeht, dass zum Fälligkeitszeitpunkt das Massevermögen zur Befriedigung der Abgabe und anderer zu diesem Zeitpunkt fälliger Masseforderungen nicht hinreicht. Im vorliegenden Fall hat der Berufungswerber im Berufungsverfahren dargelegt, dass zu den in diesem Verfahren maßgeblichen Fälligkeitszeitpunkten 15.6.1997 und 15.7.1997 fällige Masseforderungen von 534.834 S bzw 1.154.816 S exklusive der Kommunalsteuer ausgehaftet haben. Dabei handelt es sich um fällige Sozialversicherungsbeiträge, Ansprüche der Arbeitnehmer aus der mit 30.6.1997 erfolgten Beendigung der Dienstverhältnisse aber auch um Ansprüche der Dienstnehmer auf rückständige Lohnzahlungen, die gemäß § 47 Abs 1 KO bei nicht
hinreichendem Massevermögen vorrangig gegenüber Abgabenschuldigkeiten zu befriedigen wären.
Dem steht laut Einnahmen- und Ausgabenrechnung zum Fälligkeitszeitpunkt 15.6.1997 ein positiver Saldo von ca 314.000 S und zum Fälligkeitszeitpunkt 15.7.1997 von 281.000 S gegenüber. Laut Angaben des Berufungswerbers habe die Verwertung einer Geschäftseinrichtung in der Folge nicht einmal 100.000 S ergeben, aus der Verwertung einiger Transportfahrzeuge sei nichts zugeflossen, da die Pfandgläubiger von ihrem Exzendierungsrecht Gebrauch gemacht hätten. Wegen Verwertung des Kundenstockes sei ein Verfahren anhängig, in dem 850.000 S eingeklagt wurden.
Die vom Berufungswerber vorgelegten Unterlagen sind unbedenklich und entstanden keine Zweifel an der Richtigkeit seiner auf diese Unterlagen gestützten Angaben, sodass sie der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden. Zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten 15.6.1997 und 15.7.1997 durfte der Berufungswerber als Masseverwalter daher davon ausgehen, dass die fälligen Masseforderungen das Massevermögen übersteigen. Nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien trifft ihn daher in den vorliegenden Fällen wegen der unterlassenen Zahlung der Kommunalsteuer unter Berücksichtigung der sich aus § 47 KO ergebenden Verpflichtung zur rangordnungsgemäßen und allenfalls anteiligen Befriedigung der Masseforderungen und der oben wiedergegebenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein strafrechtlich relevantes Verschulden. Dies gilt umsomehr, als zu den Fälligkeitszeitpunkten Arbeitnehmerforderungen auf laufendes Entgelt als Masseforderungen aushafteten, die gemäß § 47 KO gegenüber Abgabenschulden bevorrechtet sind. Das Straferkenntnis war daher auch in diesen Punkten zu beheben und das Verfahren spruchgemäß einzustellen.