TE UVS Steiermark 1999/12/01 30.14-22/99

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.12.1999
beobachten
merken
Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung des Herrn M S, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. G R, J, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 22.2.1999, GZ.: 15.1 1997/1648, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

I. Mit dem bekämpften Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber eine Übertretung des § 103 Abs 1 KFG iVm Art. 8 (1) EG-Verordnung 3820/85 zur Last gelegt und hiefür gemäß § 134 Abs 1 KFG eine Geldstrafe von S 1.000,-- (ein Tag und 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt. Hinsichtlich des Tatvorwurfes enthält der Strafbescheid den Verweis "siehe Kopie der Anzeige der Bundespolizeidirektion Leoben vom 8.2.1997". Gegen diesen Strafbescheid erhob Herr M S fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung, in dem er Verfolgungsverjährung einwendete: Die erste Verfolgungshandlung seitens der Behörde sei am 1.8.1997 mit einem Ladungsbescheid an den Beschuldigten ergangen, wobei im Ladungsbescheid lediglich darauf hingewiesen worden sei, dass sich der Beschuldigte an die Kopie der Anzeige der Bundespolizeidirektion Leoben vom 8.2.1997" halten möge. Hinsichtlich der angeblich verletzten Gesetzesvorschrift sei auch nur ganz allgemein auf das "KFG 1997" verwiesen worden. In der erwähnten Kopie der Anzeige der Bundespolizeidirektion Leoben seien nun aber mehrere Delikte angeführt, insbesondere vorwiegend solche, welche nicht den Transportunternehmer, sondern ausschließlich den Fahrer strafbar machen würden (zB. fehlende Eintragungen am Schaublatt usw.).

In weiterer Folge habe es die Behörde erster Instanz nicht der Mühe wert gefunden, ihren Tatvorwurf gegenüber dem Beschuldigten selbst zu konkretisieren, sodass nach einhelliger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Verfolgungsverjährung anzunehmen sei.

Der Berufungswerber beantragte, der Unabhängige Verwaltungssenat möge ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung der gegenständlichen Berufung Folge geben, das angefochtene Straferkenntnis ersatzlos beheben und das anhängige Verwaltungsstrafverfahren einstellen. II. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung, die auf Grund der Aktenlage ohne öffentliche, mündliche Verhandlung getroffen werden konnte, von folgender Sach- und Rechtslage ausgegangen:

Die im bekämpften Strafbescheid zitierte Anzeige der Bundespolizeidirektion Leoben, Motorisierte Verkehrsgruppe/B vom 8.2.1997 (Anzeige Nr. 972/97), hat nachstehenden Wortlaut:

Betr.: 1.) K R; Nichteinhaltung der Ruhezeiten. Nichtbetätigen der Schaltvorrichtung am Kontrollgerät. 4 x fehlende Eintragungen am Schaublatt;

Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Übertr. gem. EG-VO 3820/85 Art 8/1, und EG-VO 3821/85 Art. 15/3, 15/5 a, b und § 98 Abs. KFG i.V. § 58 Abs. 1 lit. e KDV.

2.) Verantwortlicher der Fa. S T; Anstiftung zu einer Verwaltungsübertretung, Übertretung gem. § 7 VStG.

Anzeige Nr. 972/97

Tatzeit: 6.2.1997, um 19.55 Uhr, (Anhaltung) bzw. in der Zeit von

3.2.1997, 6.25 Uhr bis zur Anhaltung.

Tatort: 8700 Leoben, S 6, Km 85,5 in Richtung St. Michael.

Angezeigter: 1.) K R, Kraftfahrer, am 13.12.1965, in Villach geboren, österreichischer Staatsbürger, in K, wohnhaft.

Führerschein: Nr., für die Gruppen A,B,C,E,F,G von BH Judenburg am 6.4.1988 ausgestellt.

2.) Verantwortlicher der Fa. S T in S G, etabliert.

Kraftwagenzug: Lastkraftwagen: JU, Volvo. Anhänger: JU, Schwarzmüller.

Zulassungsbesitzer: Für beide Fahrzeuge Fa. S T in S G, etabliert.

Beweismittel (Zeugen): Die eigene dienstliche Wahrnehmung der SWB K sowie die Angaben des Angezeigten und die kopierten Schaublätter.

Sachverhalt: Am 6.2.1997, um 19.55 Uhr, fuhr Herr K auf der S 6, in Richtung St. Michael. Auf Höhe des Km 85,5 wurde er Zwecks einer Fahrzeug- und Lenkerkontrolle angehalten. Bei der Kontrolle der Schaublätter konnten folgende Übertretungen festgestellt werden.

1.) EG-VO 3820/85 Art 8/1:

Nichteinhalten der vorgeschriebenen Ruhezeiten:

In der Zeit von 3.2.1997, 6.25 Uhr, bis durchgehend 4.2.1997,

20.30 Uhr, wurde keine durchgehende Ruhezeit von mindestens 8 zusammenhängenden Stunden eingehalten. Es wurde in diesem gesamten Zeitraum (Einsatzzeit von 38 h 5 min.) lediglich zwei größere Unterbrechungen, von denen die größere 5 h 20 min betrug, gemacht.

In der Zeit von 5.2.1997, 6.50 Uhr bis durchgehend 6.2.1997,

19.55 Uhr, wurde keine durchgehende Ruhezeit von mindestens 8 zusammenhängenden Stunden eingehalten. Es wurde in diesem gesamten Zeitraum (Einsatzzeit von 37 h 10 min) lediglich eine größere Unterbrechung, von 2 h 50 min gemacht. Nach dieser Einsatzzeit wurde er am oben angeführten Tatort angehalten.

2.) EG-VO 3821/85 Art 15/3:

Nichtbetätigen der Schaltvorrichtung am Kontrollgerät: 4 x

Es wurde während er Zeit von 3.2.1997, 6.25 Uhr, bis zum Zeitpunkt der Anhaltung, die Schaltvorrichtung am Kontrollgerät von Herrn K nicht betätigt (siehe Schaublätter).

3.) EG-VO 3821/85 Art 15/5 lit. a,b:

Fehlende Eintragungen am Schaublatt: 4 x

Weiters fehlen auf den Schaublättern 1,2,3 und 4 die erforderlichen Eintragungen (siehe Schaublätter).

4.) § 98 Abs. 1 KFG i.V. § 58 Abs. 1 Zif. 2 lit. e KDV:

Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit: Am 6.2.1997, in der Zeit zwischen 18.05 Uhr und 18.55 Uhr eine Geschwindigkeit zwischen 85 und 100 km/h, und von 19.20 Uhr und 19.55 Uhr eine Geschwindigkeit zwischen 80 und 100 km/h (siehe Schaublätter).

Zu seiner Rechtfertigung befragt gab Herr K sinngemäß folgendes an: "Es ist richtig, dass ich zuviel gefahren bin. Der Chef teilt einen für die Fahrten ein und da kommt man oft mit den vorgeschriebenen bzw. vorgegebenen Zeiten nicht zusammen. Dass ich zu schnell gefahren bin, weiß ich. Mehr gebe ich dazu nicht an".

Der Verantwortliche der Fa. S T hat in Kauf genommen, dass Herr K die Vorschriften bezüglich der Ruhezeiten, auf Grund des zeitlichen Druckes nicht einzuhalten vermag bzw. hat er ihn dadurch vorsätzlich zur Begehung einer Verwaltungsübertretung veranlasst.

Der Zulassungsbesitzer bzw. der Verantwortliche der Fa. S T konnte zur Rechtfertigung nicht befragt werden. Da Herr K die Vorschriften, hinsichtlich der vorgeschriebenen Ruhezeiten, nicht eingehalten hat, wurde der Kraftwagenzug am Parkplatz der Oberlandhalle in der Pichlmayergasse, zwecks Konsumierung der vorgeschriebenen Mindestruhezeit, entsprechend der Bestimmungen des § 102/12 lit. k KFG, abgestellt.

Aufgrund des außergewöhnlichen Ermüdungszustandes von Herrn K (da er bei einer Einsatzzeit von 37 h 10 min lediglich eine Unterbrechung von 2 h 5 min hatte), wurde ihm der Führerschein gemäß § 76 Abs. 1 KFG vorläufig abgenommen. Bestätigung wurde ausgefolgt. Nach Konsumierung der Mindestruhezeit wurde der Führerschein Herrn K gemäß § 76 Abs. 2 wieder ausgefolgt und die Fahrt von ihm fortgesetzt.

Beilage: 4 Schaublätter bzw. deren Kopien"

Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende wörtliche Ausführungen erforderlich. Im vorliegenden Fall erhebt die belangte Behörde die "Anzeige" zur Verfolgungshandlung (Ladungsbescheid vom 1.8.1997) und verwendet sie als Umschreibung der als erwiesen angenommene Tat im Sinne des § 44 a Z 1 VStG im Spruch des Straferkenntnisses. Diese Vorgangsweise ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Anzeige alle Merkmale einer tauglichen Verfolgungshandlung aufweist und den Anforderungen des Konkretisierungsgebotes § 44 a Z 1 VStG entspricht. Beide Voraussetzungen liegen bei der hier zu beurteilenden Anzeige - und darauf hat der Berufungswerber zurecht hingewiesen - nicht vor: Die Anzeige enthält mehrere Delikte, die unterschiedlichen Beschuldigten zuzuordnen sind. Die belangte Behörde hätte die Anzeige sichten und dem Berufungswerber konkret vorhalten müssen, welche Punkte der Anzeige ihn betreffen und welches Delikt er in welcher Begehungsform - als mittelbarer Vorsatztäter (Anstifter, Zulassungsbesitzer) oder als unmittelbarer Täter (Arbeitgeber) - durch welche Handlungen begangen hat. Ebensowenig wurde der Anordnung des § 44 a Z 2 VStG entsprochen, wonach die Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, anzuführen ist. Die von der belangten Behörde im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses genannten Gesetzesstellen "§ 103 Abs 1 KFG iVm Art. 8 Abs 1 EG-VO 3820/85" stehen untereinander in keinem Zusammenhang. Während § 103 Abs 1 KFG die Pflichten des Zulassungsbesitzers (Fahrzeugzustand; Verbandszeug, Warneinrichtung; Überlassen des Lenkens) regelt, enthält Art. 8 Abs 1 der zitierten EG-VO Bestimmungen, die an den Fahrer als Normadressaten gerichtet sind (Ruhezeitregelungen).

Es war daher den Berufungsausführungen uneingeschränkt zu folgen, antragsgemäß das bekämpfte Straferkenntnis zu beheben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.

Schlagworte
Verfolgungshandlung Anzeige Konkretisierung Begehungsform
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten