Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erik Hanel über die Berufung des Ing. R. R., vertreten durch Dr. A. R. und Dr. H. B., Rechtsanwälte in V., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 11.10.1999, GZ.: 15.1 1999/3291, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird die Berufung abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG werden die Kosten des Verfahrens der zweiten Instanz mit S 800,-- (? 58,14) festgesetzt und bestimmt, dass der Berufungswerber die Strafe und die Kosten des Verfahrens der ersten und zweiten Instanz binnen vier Wochen bei sonstigem Zwang zu entrichten hat.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg vom 11.10.1999, GZ.: 15.1 1999/3291, wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 3.8.1999 um 19.18 Uhr im Gemeindegebiet St. Johann/Haide, auf der Südautobahn A 2, auf Höhe des Strkm 114,673, in Richtung Wien, als Lenker des Personenkraftwagens mit dem amtlichen Kennzeichen die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 60 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinem Gunsten abgezogen worden.
Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 20 Abs 2 StVO verletzt und wurde deshalb über ihn gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 5 Tage 12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.
Im rechtzeitig eingebrachten Rechtsmittel bringt der Berufungswerber durch seinen Rechtsvertreter vor, dass er Honorarkonsul der Republik Albanien sei. Er sei mit Bestellungsdekret vom 25.3.1996 hiezu ernannt worden. Zur Tatzeit hätte der Berufungswerber eine konsularische Tätigkeit ausgeübt, und zwar hätte er im Auftrag des albanischen Präsidenten Majdani dessen Tochter vom Flughafen Wien-Schwechat abgeholt, um sie zu einem wichtigen Termin nach Venedig zu bringen. Dieser Sachverhalt könne auf Wunsch vom albanischen Botschafter bestätigt werden. Aufgrund des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen unterliege der Berufungswerber in Wahrnehmung von konsularischen Aufgaben nicht der Jurisdiktion der Gerichts- und Verwaltungsbehörden der Republik Österreich und wäre daher der Schuldausschließungsgrund der konsularischen Immunität des Berufungswerbers gegeben und eine Verfolgung wegen der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung ausgeschlossen gewesen. Es wurde der Berufungsantrag gestellt, das angefochtene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Hartberg aufzuheben und das Strafverfahren gegen den Berufungswerber einzustellen.
Die Berufungsbehörde ist bei ihrer Entscheidung von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung. Da im angefochtenen Bescheid weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, war gemäß § 51c VStG die Zuständigkeit des Einzelmitgliedes gegeben.
Da in der Berufungsbegründung ausschließlich eine unrichtige, rechtliche Beurteilung geltend gemacht, der Sachverhalt, den die belangte Behörde festgestellt hat, nicht bestritten und auch keine Verhandlung beantragt wurde, konnte eine öffentliche, mündliche Verhandlung im Sinne des § 51e Abs 3 VStG entfallen. Der von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz festgestellte Sachverhalt, nämlich, dass der Berufungswerber am 3.8.1999 an einem im Straferkenntnis näher bestimmten Ort zu einer näher bestimmten Zeit die auf Autobahnen zulässige Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h um 60 km/h überschritten hat, blieb unbestritten.
Der Berufungswerber war nach der Aktenlage zur Tatzeit albanischer Honorarkonsul und im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft.
Zufolge des ersten Satzes des Artikel 71 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen, BGBl. Nr. 318/1969, welches auch für Albanien gilt, genießen Konsuln, die Angehörige des Empfangsstaates oder dort ständig ansässig sind, soweit der Empfangsstaat nicht zusätzliche Erleichterungen, Vorrechte und Immunitäten gewährt, lediglich Immunität von der Gerichtsbarkeit und persönliche Unverletzlichkeit in Bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen
Amtshandlungen.
Aufgrund des Umstandes, dass der Berufungswerber zur Zeit der Begehung der in Rede stehenden Verwaltungsübertretung im Hinblick auf seine österreichische Staatsbürgerschaft als Angehöriger des Empfangsstaates anzusehen war, finden die von ihm ins Treffen geführten Bestimmungen des Artikel 43 Abs 1 des gegenständlichen Übereinkommens ungeachtet dessen Artikel 58 Abs 2, wonach ausdrücklich davon die Rede ist, dass "die Artikel 43 für Honorarkonsuln gelten", keine Anwendung, weil der im Kapitel IV (Allgemeine Bestimmungen) des Übereinkommens enthaltene Artikel 71 als eine Sonderregelung für jene Fälle geschaffen worden ist, in welchem Konsuln Angehörige des Empfangsstaates sind, wobei noch darauf hinzuweisen ist, dass die Konsuln zufolge Artikel 1 Abs 2 des zitierten Übereinkommens in Berufskonsuln und Honorarkonsuln eingeteilt sind, sodass der im Artikel 71 gebrauchte Ausdruck Konsul auch die Honorarkonsuln umfasst. Der Berufungswerber kann sich daher nicht auf Artikel 43 Abs 1 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen berufen, weshalb zu prüfen war, ob sich aus Artikel 71 Abs 1 erster Satz des Übereinkommens eine Straflosigkeit des Berufungswerbers bezüglich der vorliegenden Verwaltungsübertretung ergibt.
Nach Ansicht der Berufungsbehörde ist eine Straflosigkeit des Berufungswerbers dann anzunehmen, wenn seine in Rede stehende Pkw-Fahrt entsprechend dem schon zitierten Wortlaut der letztgenannten Bestimmung als eine in Wahrnehmung seiner - konsularischen - Aufgaben vorgenommene Amtshandlung zu qualifizieren wäre. Die Berufungsbehörde vertritt, - ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 12.10.1982, Zl. 82/02/0019 -, die Auffassung, dass dem Lenken eines Personenkraftwagens durch einen Konsul grundsätzlich nicht der Charakter einer in Wahrnehmung seiner Aufgaben vorgenommenen Amtshandlung zukommen kann, weil eine solche Tätigkeit nicht zu dem im Artikel 5 des Übereinkommens umschriebenen konsularischen Aufgaben zählt. Wenngleich das Lenken eines Fahrzeuges durch einen Konsul eine der Möglichkeiten darstellt, ihn an den Ort der Ausübung seiner konsularischen Tätigkeit zu bringen, so ist deshalb noch nicht die Schlussfolgerung gerechtfertigt, dass auch das Lenken des Fahrzeuges selbst bereits notwendigerweise zu einer Amtshandlung des Konsuls werden muss.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zwischen dem Wortlaut der vom Berufungswerber - unrichtigerweise - ins Treffen geführten Bestimmung des Artikel 43 Abs 1 des Wiener Einkommens über konsularische Beziehungen und dessen Artikel 71 Abs 1 insofern ein wesentlicher Unterschied besteht, als in der erstgenannten Bestimmung von den in Bezug auf die von den Konsulen "in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben gesetzten Handlungen" die Rede ist, während im Artikel 71 Abs 1 die "in Bezug auf ihre in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenommenen Amtshandlungen" erwähnt werden. Die auf den Beschwerdeführer anwendbare Bestimmung des Artikel 71 Abs 1 des Übereinkommens spricht also von "Amtshandlungen" und - im Gegensatz zu Artikel 43 Abs 1 des Übereinkommens - nicht von Handlungen
vorliegenden Fall relevanten Handlung des Berufungswerbers - das Lenken eines Personenkraftwagens - der Charakter einer Amtshandlung zukommt.
Zur Strafbemessung ist Folgendes auszuführen:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Die Bestimmung des § 20 Abs 2 StVO 1960 legt fest, dass - sofern nicht eine geringere Höchstgeschwindigkeit vorgeschrieben oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt ist - der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h, auf Autobahnen nicht schneller als 130 km/h und auf den übrigen Freilandstraßen nicht schneller als 100 km/h fahren darf. Diese Schutzvorschrift normiert Höchstgeschwindigkeiten, die nur bei optimalen Straßen- und Sichtverhältnissen ausgeschöpft werden dürfen.
Bei erheblichen Überschreitungen der höchstzulässigen Geschwindigkeit auf Autobahnen (hier 60 km/h) wird die Verkehrssicherheit erheblich reduziert, weil solche erhöhte Geschwindigkeiten immer wieder eine Ursache für schwere und schwerste Verkehrsunfälle darstellen. Die Behörde erster Instanz handelte daher nicht rechtswidrig, wenn sie aus spezialpräventiven Überlegungen heraus über den Beschuldigten eine Geldstrafe in der Höhe von S 4.000,-- verhängte. Bei diesem Sachverhalt vermag auch der Umstand - sieht man von der erhöhten Umweltbelastung ab - dass keine nachteiligen Folgen eingetreten sind, eine Herabsetzung der Strafe nicht zu rechtfertigen (VwGH 27.9.1989, 89/03/0236).
Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
In diesem Zusammenhang war als mildernd nichts zu werten, erschwerend das exorbitante Ausmaß der Geschwindigkeitsüberschreitung sowie eine einschlägige Vormerkung aus dem Jahre 1997 (Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Villach vom 7.3.1997, wegen Übertretung des § 20 Abs 2 StVO).
Der Berufungswerber hat trotz expliziter Aufforderung der Berufungsbehörde seine Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nicht bekannt gegeben und geht die Berufungsbehörde von einem Einkommen von ca. S 30.000,-- netto/monatlich, Sorgepflichten für zwei Personen sowie durchschnittlichem Vermögen aus.
Es wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass der Berufungswerber im Falle einer Einschätzung der Einkommenslage es seiner unterlassenen Mitwirkungspflicht zuzuschreiben hat, sollte die Behörde bei dieser Einschätzung zum Nachteil des Berufungswerbers Umstände unberücksichtigt gelassen habe, die ohne seine Mitwirkung der Behörde nicht zur Kenntnis gelangen konnten (s. VwGH 14.1.1981, 3033/80). Im Übrigen entspricht die Strafbemessung unter Bedachtnahme auf die Strafobergrenze von S 10.000,-- bei den oben festgestellten Erschwerungsgründen auch ungünstigeren Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen und erschien vergleichsweise mild.
Die Festsetzung des Kostenbeitrages des Verwaltungsstrafverfahrens zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Straferkenntnisses erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe fest zu setzen ist.