Einstellung nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG zweier Verfahren wegen Übertretung des § 101 TKG (Telefonwerbeverbot), da der Berufungswerber schon rechtskräftig wegen Übertretung des § 12 Abs 3 WAG bestraft worden war. Obwohl das TKG als spätere Norm der zitierten WAG-Bestimmung derogiert hat, mußte das Verfahren eingestellt werden, um eine rechtswidrige Doppelbestrafung zu vermeiden.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Dr Helm über die Berufung des Herrn Bernhard B, vertreten durch Rechtsanwältin, gegen das Straferkenntnis des Fernmeldebüros für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 5.1.1999, GZ: 102060-JD/98, wegen Übertretung des § 101 des Telekommunikationsgesetzes, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung vom 25.8.1999, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG hat der Berufungswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber Folgendes zur Last gelegt:
"Sie haben als gem § 9 VStG verantwortlicher Geschäftsführer der Fa B-gesmbH, Wien, W-Straße, durch einen Mitarbeiter der Firma B-gesmbH, am 8.4.1998, Herrn Dr Johannes N, zu Werbezecken angerufen.
Sie haben weiters als gem § 9 VStG verantwortlicher Geschäftsführer durch einen Mitarbeiter der Firma B-gesmbH, am 25.5.1998 Herrn Dkfm Lutz S, zu Werbezecken angerufen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:
§ 101 des Telekommunikationsgesetzes (TKG), BGBl Nr 100/1997.
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie gemäß § 104 Abs 3 Z 22 TKG (Telekommunikationsgesetz) folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von ATS 5.000,--, falls diese uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe von 3 Tagen.
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
ATS 500,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10 % der Strafe (je ein Tag Arrest wird gleich ATS 200,-- angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher ATS 5.500,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 54d VStG)."
In seinem form- und fristgerecht eingebrachten Rechtsmittel hat der Berufungswerber inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht, da seiner Meinung nach nicht jeder telefonischer Kontakt mit Verbrauchern dem Schutzzweck des § 101 TKG unterfalle, sondern lediglich dann der Tatbestand dieser Norm erfüllt werde, wenn für bestimmte Produkte in der Art geworben werde, dass dadurch der Schutz des Verbrauchers nicht mehr gewährleistet sei oder voreilige Kaufentscheidungen herbeigeführt werden würden. Weiters wird die Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet, da die Behörde ihre - von der oben dargestellten - abweichende Rechtsmeinung nicht ausreichend begründet habe und weil ihre Beweiswürdigung Widersprüche enthalte.
In der öffentlichen mündlichen Verhandlung hat der Berufungswerber durch seine Vertreterin vorgebracht, er sei bereits einmal wegen der selben Sache bestraft worden, und zwar gemäß § 12 Abs 3 Wertpapieraufsichtsgesetz mit Straferkenntnis vom 14.8.1999, GZ: S 00005/1998-0103. Gegen dieses Straferkenntnis sei Berufung erhoben worden und habe bereits eine Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien zur Zahl UVS-06/10/689/98 stattgefunden, sei jedoch noch kein Bescheid ergangen. Unter einem wurde das erstinstanzliche Straferkenntnis vorgelegt, wobei festgestellt wurde, dass es sich auf den Anruf bei Dr Johannes N beziehe; es laufe aber auch ein Strafverfahren wegen des anderen Vorfalles (Dkfm S). Dieses legte die Vertreterin des Berufungswerbers am 31.8.1999 vor (Straferkenntnis vom 14.8.1998, GZ: S 00005/1998-0165). In der Verhandlung wurde durch die rechtsfreundliche Vertreterin des Berufungswerbers vorgebracht, dass § 12 Abs 3 WAG die lex specialis zu § 101 TKG sei und eine Bestrafung nach der erstgenannten Bestimmung eine nach der zweitgenannten daher ausschließe.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat dazu erwogen:
§ 101 des Telekommunikationsgesetzes, BGBl I Nr 100/1997, lautet:
"Anrufe - einschließlich des Sendens von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers sind unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss."
Demgegenüber lautet § 12 Abs 3 des Wertpapieraufsichtsgesetzes, BGBl Nr 753/1996:
"Die telefonische Werbung für eines der in § 1 Abs 1 Z 7 lit a - f BWG genannten Instrumente und für Instrumente, Verträge und Veranlagungen gemäß § 11 Abs 1 Z 3 ist gegenüber
Verbrauchern verboten, sofern der Verbraucher nicht zuvor sein Einverständnis mit einem solchem Anruf erklärt hat oder wenn nicht mit dem Verbraucher bereits eine Geschäftsbeziehung besteht, es sei denn, dass er die telefonische Werbung abgelehnt hat."
§ 1 Abs 1 Z 7 lit a - f des Bankwesengesetzes - BWG bestimmt Folgendes:
"Ein Kreditinstitut ist, wer auf Grund der § 4 oder § 103 Z 5 dieses Bundesgesetzes oder besonderer bundesgesetzlicher
Regelungen berechtigt ist, Bankgeschäfte zu betreiben. Bankgeschäfte sind die folgenden Tätigkeiten, soweit sie gewerblich durchgeführt werden: ...
7. Der Handel auf eigene oder fremde Rechnung mit
a) ausländischen Zahlungsmitteln (Devisen- und Valutengeschäft);
b)
Geldmarktinstrumenten;
c)
Finanzterminkontrakten (futures) einschließlich gleichwertigen Instrumenten mit Barzahlung und Kauf- oder Verkaufsoptionen auf die in lit a und d bis f genannten Instrumente einschließlich gleichwertigen Instrumenten mit Barzahlung (Termin- und Optionsgeschäft);
d) Die Zinsterminkontrakten, Zinsausgleichsvereinbarungen (Forward Rate Agreements); Zins- und Devisenswaps sowie Swaps auf Substanzwerte oder auf Aktenindizes ("equity swaps");
e)
Wertpapieren (Effektengeschäft);
f)
von lit b bis e abgeleiteten Instrumenten, sofern der Handel nicht für das Privatvermögen erfolgt."
§ 11 Abs 1 Z 3 WAG bestimmt sodann Folgendes:
"Bei der Erbringung von gewerblichen Dienstleistungen, die mit Wertpapieren oder der sonstigen Veranlagung des Vermögens von Kunden in Zusammenhang stehen, sind die Interessen der Kunden bestmöglich zu wahren und insbesondere die §§ 12 bis 18 zu beachten. Als Dienstleistungen in diesem Sinne gelten: ...
3. Der Handel mit
a)
Finanzinstrumenten gemäß § 2 Z 34 lit e BWG,
b)
Verträgen über Edelmetalle und Waren gemäß Z 2 lit e, 4 und 5 der Anlage 2 zu § 22 BWG und
c) Veranlagungen gemäß § 1 Abs 1 Z 3 Kapitalmarktgesetz - KMG, BGBl Nr 625/1991, sowie die Vermittlung von Geschäftsgelegenheiten zum Erwerb oder zur Veräußerung solcher Instrumente oder Veranlagungen."
§ 2 Z 34 lit e BWG bestimmt Folgendes:
"Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind: ...
34. Finanzinstrumente: ...
e) ausländische Kapitalanlagefondanteile gemäß § 24 Abs 1 InvFG 1993, soweit diese keine Wertpapiere verkörpern."
Die gegenständliche Verwaltungsübertretung ist gemäß § 104 Abs 3 Z 23 TKG mit Geldstrafe bis zu ATS 500.000,-- bedroht. Die Übertretung des § 12 Abs 3 WAG ist hingegen gemäß § 27 Abs 2 leg cit mit Geldstrafe bis zu ATS 300.000,-- bedroht. Wie sich aus den obzitierten Bestimmungen ergibt, weist das Telefonwerbeverbot des Wertpapieraufsichtsgesetzes gegenüber jenem des Telekommunikationsgesetzes zwar gewisse Merkmale der Spezialität auf; so betrifft es speziell die Werbung für bestimmte Geldanlagen. Eine weitere Einschränkung liegt darin, dass es nur für Werbung gegenüber Verbrauchern gilt. Eben daraus ergibt sich aber, dass es sich nicht um eine lex specialis gegenüber dem TKG handeln kann, da der Strafrahmen im WAG bis ATS 300.000,--, im TKG jedoch bis ATS 500.000,-- reicht und nicht anzunehmen ist, dass der Gesetzgeber Telefonwerbung bei Verbrauchern gegenüber Telefonwerbung bei Geschäftsleuten durch die geringere Strafdrohung privilegieren wollte. Da ein Spezialitätsverhältnis zwischen beiden Normen sohin ausscheidet, hätte - die Identität des Tatvorwurfs vorausgesetzt - grundsätzlich die lex posterior-Regel zur Anwendung zu gelangen, welche zu einer Bestrafung nach dem TKG führen würde. Zum Zeitpunkt der Entscheidung über die im Gegenstand angelastete Übertretung des Telekommunikationsgesetzes hat jedoch der Unabhängige Verwaltungssenat Wien über die Berufungen gegen die beiden auf Grund des Wertpapieraufsichtsgesetzes ergangenen Straferkenntnisse bereits entschieden, und zwar zur Zahl UVS-06/10/689/98 am 11.11.1999 (hinsichtlich des Anrufs bei Dr Johannes N am 8.4.1998) und UVS-06/18/690/98 am 18.10.1999 (hinsichtlich des Anrufs bei Dkfm Lutz S am 25.5.1998). Da gegen diese Entscheidungen kein ordentliches Rechtsmittel zulässig ist, sind beide Berufungsbescheide in Rechtskraft erwachsen.
Obwohl die Schutzzwecke der beiden Telefonwerbeverbote unterschiedliche Akzente setzen - während § 12 Abs 3 WAG eine Konsumentenschutzbestimmung ist, bezweckt § 101 TGK in erster Linie den Schutz der Privatsphäre und die Hintanhaltung des Missbrauchs von Fernmeldeeinrichtungen - so wird doch durch beide Bestimmungen das gleiche Verhalten mit Strafe bedroht, nämlich ein Telefonanruf zu Werbezwecken. Eine Bestätigung des in erster Instanz nach dem TKG ergangenen Straferkenntnisses würde somit zu einer rechtswidrigen Doppelbestrafung führen.
Da zwei rechtskräftige, wegen der beiden angelasteten Verhaltensweisen ergangene Straferkenntnisse einer neuerlichen Bestrafung sohin entgegenstanden, war spruchgemäß zu entscheiden.