Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karin Clement über die Berufung der Frau E. A., wohnhaft in S., F., gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 13.8.1999, GZ.: 15.1 1998/3835, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird, wie mündlich am 18.1.2000 verkündet, der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren zu Punkt 1.) des Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG und zu Punkt 2.) des Straferkenntnisses gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde der Berufungswerberin zur Last gelegt, sie habe 1.) ihre Schäfermischlingshündin "A. " am 20.1.1998, gegen ca. 11.15 Uhr im sogenannten S. in O., Bezirk L., somit an einem öffentlichen Ort, weder mit einem Maulkorb versehen, noch so an der Leine geführt, dass eine jederzeitige Beherrschung des Tieres gewährleistet gewesen war und 2.) ihre Schäfermischlingshündin
A.
Jagdrevier O., Gemeinde R., herumlaufen lassen, wobei die Schäfermischlingshündin in weiterer Folge ein Reh gerissen und getötet habe.
Die Berufungswerberin habe dadurch die Rechtsvorschriften des
1.) § 6 a Abs 1 Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetz, LGBl. Nr. 74/84 i.d.g.F. und 2.) § 60 Abs 3 Stmk. Jagdgesetz 1986, LGBl. Nr. 23 i.d.g.F. verletzt und wurden wegen dieser Verwaltungsübertretungen Geldstrafen von 1.) S 1.500,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 14 Abs 1 Stmk. Tierschutz- und Tierhaltegesetz, LGBl. Nr. 74/84 i.d.g.F. und 2.) S 1.500,-- (36 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 77 Stmk. Jagdgesetz 1986, LGBl. Nr. 23 i.d.g.F. verhängt.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass der Hund aufgrund einer kurz zuvor erfolgten Operation nur kurze Zeit ins Freie gelassen werde. überdies bringt die Berufungswerberin vor, dass der Zeuge nur vom Hörensagen gewusst hätte, dass die Berufungswerberin zwei Hunde besitze. Sie selbst habe jedoch niemals einen Schäferhund besessen und die Hündin sei weder wolfsähnlich noch grau. Sie bezweifle, dass der Zeuge den Hund, den er nur kurz gesehen habe, anhand eines Fotos zweifelsfrei erkennen könne. Im Übrigen stellt sich die Frage, wem der zweite Hund gehörte. Die Übertretung sei daher nicht eindeutig erwiesen. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 18.1.2000, zu der die Berufungswerberin trotz ausgewiesener Ladung nicht erscheinen ist, kann nachfolgender Sachverhalt festgestellt werden:
Am 20.1.1998, gegen 11.15 Uhr arbeitete A. G. im Wald. Durch Wehklagen eines Rehs wurde er darauf aufmerksam, dass zwei Hunde hinter einem Reh herhetzten. Er beobachtete, wie ein Schäferhund das Reh am Hinterlauf und ein wolfsähnlicher Hund an der Flanke des Rehs hing. A. G. näherte sich dem Reh und den Hunden mit seiner Hacke, sodass die Hunde vom Reh abließen und Richtung E. davonrannten. Der Zeuge ging den Hunden noch bis zur Straße hinterher. Dort ersuchte er einen vorbeikommenden Bekannten den Jäger D. M. zu verständigen, damit dieser das schwerverletzte Reh von seinem Leid erlöse.
D. M. erstattete in weiterer Folge, um 13.45 Uhr am Gendarmerieposten G. Anzeige, welche BI W. aufnahm. Dieser ersuchte seinen Kollegen RI L. zu E. A. zu fahren, da der Zeuge angegeben hätte, dass es sich um einen Hund von "W." handle. RI L. erklärte der Berufungswerberin den Sachverhalt und ersuchte sie um Erlaubnis, von ihrem Hund ein Foto anfertigen zu dürfen. Dies gestattete die Berufungswerberin und fotografierte RI L. den Hund "A. ", welcher sich zu diesem Zeitpunkt zu Hause aufhielt. Die Berufungswerberin teilte RI L. in diesem Zusammenhang mit, dass ihr Hund vor kurzem einen größeren Wurf zur Welt gebracht habe und sehr geschwächt sei und sich daher kaum von zu Hause entferne.
RI L. sind bereits öfters Klagen der Nachbarn, dass sich der Hund auf der Straße herumtreibe, zugekommen. Der Hund sei jedoch nie weiter weg vom Wohnhaus der Berufungswerberin gesehen worden, sondern immer nur in unmittelbarer Nähe in der V. Die Entfernung vom damaligen Wohnhaus der Berufungswerberin in der V. in E. bis zum S. beträgt in etwa drei Kilometer. Beweiswürdigend ist festzuhalten, dass der Zeuge G. zwar einerseits mit Sicherheit behauptet, dass es sich bei den Hunden, um die Hunde der Berufungswerberin handle, welche das Reh im Wald gerissen haben, jedoch hatte er die Hunde vorher nur durch Hörensagen als die Hunde der Berufungswerberin gekannt. Als ihm während der Verhandlung das Foto von "A." gezeigt wurde, gab er an, dieses Foto zum ersten Mal zu sehen. In der Anzeige ist jedoch vermerkt, dass der Zeuge den Hund am Foto wiedererkannt hatte und es sich einwandfrei um einen der beiden Hunde handle. Frau A. besaß jedoch zum Tatzeitpunkt nur einen Hund (ausgenommen die Welpen der Hündin "A."). Der Zeuge G. identifizierte den Hund am Foto mit der Bemerkung, er habe hängende Ohren und sei daher der Hund der Berufungswerberin. Der Zeuge hinterließ dabei den Eindruck, dass er zwar der festen Überzeugung sei, dass es sich bei dem Hund, der im Wald das Reh gerissen hat, um den Hund der Berufungswerberin handelt. Aufgrund des gesamten Gehabes des Zeugen ist jedoch anzunehmen, dass dieser objektiv den Hund nicht einwandfrei wiedererkannt hat. Gemäß § 45 Abs 2 AVG hat nämlich die Behörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Weiters sind gemäß § 25 Abs 2 VStG die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Der im § 45 Abs 2 AVG genannte Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist im Zusammenhalt mit den Grundsätzen der Unmittelbarkeit des Verfahrens und der materiellen Wahrheitsforschung zu sehen. Voraussetzung für eine gesetzmäßige Beweiswürdigung ist ein ausreichend durchgeführtes Ermittlungsverfahren, in welchem die Parteien ihre Rechte geltend machen können. Diese Verpflichtung begründet als Folgewirkung die Tatsache, dass ein verwaltungsstrafrechtlicher Schuldspruch nur dann erfolgen kann, wenn der in Frage stehende Sachverhalt als absolut sicher festzustellen ist. Die Angaben des Zeugen wirkten nicht überzeugend, sodass mangels weiterer Beweise - der Hund wurde bei der Nachschau ja zu Hause angetroffen und der Entfernung zum Tatort - im Zweifel zu Punkt 1.) des Straferkenntnisses das Verfahren eingestellt werden musste. Zu Punkt 2.) des Straferkenntnisses ist auszuführen, dass gemäß § 60 Abs 3 Stmk. JagdG Hundebesitzer sich einer Übertretung schuldig machen, die ihre Hund im fremden Jagdgebiet wiederholt herumstreifen lassen. Wesentliches Tatbestandsmerkmal dieser Übertretung ist, dass das Herumstreifen wiederholt passiert ist. Im Spruch des bekämpften Straferkenntnisses und auch in den übrigen Verfolgungshandlungen wird als Tattag lediglich der 20.1.1998 genannt und fehlt das Wort "wiederholt" im Spruch des angefochtenen Straferkenntnisses. Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch eines Bescheides, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Nach ständiger Rechtssprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedeutet dies, dass die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben ist, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat unverwechselbar feststeht. Der Umfang der notwendigen Konkretisierung ist vom einzelnen Tatbild abhängig.
Der Spruch eines Straferkenntnisses muss also alle wesentlichen Tatbestandsmerkmale oder zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen umfassen, zumal es zu den selbstverständlichen Grundsätzen eines jeden Strafverfahrens gehört, dass die Tat so eindeutig umschrieben wird, dass kein Zweifel darüber bestehen kann, wofür eine Bestrafung erfolgt ist. Weder aus dem Spruch des Straferkenntnisses noch aus der Begründung ergibt sich, dass der Hund bereits öfter in einem Jagdrevier herumgestriffen ist.
Da die mangelhafte Tatbildumschreibung im Zusammenhang mit dem im Spruch des angefochtenen Bescheides erhobenen Tatvorwurf somit nicht den angeführten gesetzlichen Erfordernissen des § 44 a Z 1 VStG entspricht, war im Hinblick darauf, dass eine Sanierung dieses Mangels durch die erkennende Behörde aufgrund der Bestimmungen der §§ 31 und 32 VStG nicht mehr möglich ist, das Strafverfahren zu Folge Vorliegens von Umständen, die die Verfolgung ausschließen, gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen.