Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland hat durch sein Mitglied Mag Obrist über die Berufung des Herrn ***, geboren am ***, wohnhaft in A-*** vertreten durch Herrn Rechtsanwalt ***, vom 14 06 1999, gegen
das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 21 05 1999, Zl 300-6291-1998, wegen Bestrafungen nach dem Arbeitszeitgesetz
zu Recht erkannt:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG in Verbindung mit § 51 Abs 1 VStG wird der Berufung I. zu Spruchpunkt I. Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 und 3 VStG eingestellt;
II. zu Spruchpunkt II. dahingehend Folge gegeben, dass die verhängte Geldstrafe auf ATS 3000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen) herabgesetzt wird; weiters wird der Tatvorwurf dahingehend berichtigt,
dass nach dem Namen des Arbeitgebers dessen Sitz "*****" einzufügen und die Einsatzzeit wie folgt zu umschreiben ist: "Die Einsatzzeit betrug am 30 08 1998 von 07 10 Uhr bis 22 00 Uhr, insgesamt 14 Stunden
50 Minuten, obwohl diese 12 Stunden nicht überschreiten durfte"; als Übertretungsnorm ist richtig § 16 Abs 2 Arbeitszeitgesetz zu zitieren.
Im übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen. Der Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens erster Instanz verringert sich auf ATS 300,--.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde dem Beschuldigten zur Last
gelegt, er habe es als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Arbeitgebers, der ***GmbH, zu verantworten, dass ein namentlich genannter Lenker wie folgt beschäftigt worden sei:
"I. Die Lenkzeit betrug vom 30 08 1998 bis 31 8 1998 13 Stunden und 30 Minuten
II. Die Einsatzzeit betrug vom 30 08 1998, 07 10 Uhr, bis 31 8 1998, 15 30 Uhr, 32 Stunden 20 Minuten".
Wegen Übertretung des Artikel 6 Abs 1 der EWG-VO 3820/85 (zu I) und des § 16 Abs 3 Arbeitszeitgesetz (zu II) wurde eine Geldstrafe von je
ATS 5 000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von je 5 Tagen) verhängt.
Der dagegen fristgerecht erhobenen Berufung kommt zu Spruchpunkt I. aus folgenden Gründen Erfolg zu:
Nach der hier angezogenen Bestimmung des Artikel 6 der EWG-Verordnung
3820/85 darf die "Tageslenkzeit", das ist die Gesamtlenkzeit zwischen
zwei täglichen Ruhezeiten oder einer täglichen und einer wöchentlichen
Ruhezeit, 9 Stunden nicht überschreiten. Sie darf zweimal pro Woche auf 10 Stunden verlängert werden.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 09 06 1994 in der Rechtssache C- 394/92 entschieden, dass der Begriff "Tag" im Sinne der Verordnung (EWG) Nr 3820/85 als gleichwertig mit dem Begriff "Zeitraum von 24 Stunden" zu verstehen ist. Er bezieht sich auf jede Zeitspanne dieser
Dauer, die in dem Moment beginnt, in dem der Fahrer nach einer wöchentlichen oder täglichen Ruhezeit den Fahrtenschreiber in Gang setzt. Demnach ist also nach dem im vorstehenden Absatz zitierten Tatbestand strafbar, wer innerhalb eines 24-Stunden Zeitraumes die vorstehend genannte Gesamtlenkzeit überschreitet.
Im vorliegenden Fall wurde dem Beschuldigten sowohl in der Anzeige des
Arbeitsinspektorates als auch im Verwaltungsverfahren und schließlich
im Straferkenntnis eine Übertretung des oben zitierten Artikels der Verordnung angelastet, wobei die Tat im Spruch des Straferkenntnisses
dem Wortlaut der Anzeige folgend derart umschrieben ist, dass "die Lenkzeit vom 30. bis 31 8 1998 13 Stunden und 30 Minuten" betragen habe. Nach diesem Tatvorwurf wurde die Lenkzeit also im längsten Fall
in einem 48-Stunden Zeitraum geleistet. Gesonderte Feststellungen darüber, auf welchen Zeitraum in den beiden angegebenen Tagen sich die
festgestellte Lenkzeit bezieht, wurden nicht getroffen. Aus Spruchpunkt II. könnte allenfalls abgeleitet werden, dass diese Lenkzeit im Rahmen der überprüften Einsatzzeit (das war vom 30 08 1998, 7 10 Uhr, bis 31 08 1998, 15 30 Uhr, was einen Zeitraum von 32 Stunden 20 Minuten ergibt) festgestellt wurde. Da also keine Feststellungen darüber getroffen wurden, dass sich die angegebene Lenkzeit auf einen Zeitraum von 24 Stunden bezieht, wie dies nach der
oben ausgeführten Rechtslage erforderlich ist, wurde das Arbeitsinspektorat im Berufungsverfahren ersucht, die beiden Schaublätter (für den 30. und 31 08 1998) neuerlichen zu überprüfen und die daraus ersichtlichen Zeiten mit den konkreten Uhrzeitangaben mitzuteilen. Dem wurde nicht nachgekommen. Es ist sohin der Versuch, den schon in der Anzeige des Arbeitsinspektorates unzureichend dargestellten Tatvorwurf zu klären und den diesem Tatvorwurf zugrundeliegenden Sachverhalt zu ermitteln, mangels geeigneter Mitwirkung des die Anzeige erstattenden Arbeitsinspektorates gescheitert.
Eine Gesamtlenkzeit für einen Zeitraum von zwei Tagen ist allerdings nirgends geregelt. Auch dass an jedem dieser beiden Tage die "Tageslenkzeit" überschritten worden sei, kann aus obigem Tatvorwurf nicht abgeleitet werden. Diesfalls müsste die zusammengerechnete Lenkzeit mindestens 18 Stunden betragen. Es war also das Verfahren betreffend die dem Beschuldigten in diesem Punkt vorgeworfene Verwaltungsübertretung spruchgemäß einzustellen.
Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Straferkenntnisses wurde folgendes erwogen:
Der Berufungswerber bringt vor, die Tagesarbeitszeit vom 30 08 1999 habe gegen 22 00 Uhr geendet. Dann habe der Lenker ein neues Schaublatt eingelegt und sei in ein Gasthaus gefahren, was eine Privatfahrt außerhalb der Tagesarbeitszeit darstelle. Diese Privatfahrt sei nicht zur Einsatzzeit zu rechnen und sei diese daher nicht überschritten worden. Bis ca. 07 15 Uhr des nächsten Tages habe
er geschlafen und erst dann die Fahrt für den Arbeitgeber fortgesetzt.
Im übrigen bestreitet der Berufungswerber sein Verschulden an der Übertretung. Er habe ein Kontrollsystem eingerichtet. Er führe unangekündigte periodische Überprüfungen der Fahrtenbücher und Fahrtenschreiber durch und würden die Lenker ständig belehrt, die Lenk- und Ruhezeiten einzuhalten. Der Lenker in diesem Verfahren habe
noch nie eine solche Übertretung begangen.
Die Einsatzzeit von Lenkern umfasst nach § 16 Abs 1 Arbeitszeitgesetz
die zwischen zwei Ruhezeiten anfallende Arbeitszeit und die Arbeitszeitunterbrechungen. Gemäß § 16 Abs 2 Arbeitszeitgesetz darf die Einsatzzeit grundsätzlich 12 Stunden nicht überschreiten. Abs 3 dieser Bestimmung erlaubt eine kollektivvertragliche Verlängerung der
Einsatzzeit unter der Voraussetzung, dass die vorgeschriebene
tägliche
Ruhezeit eingehalten wird.
Der Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs (Stand März 1998) macht in seinem Artikel VIa, Punkt 18, von dieser Ermächtigung Gebrauch und sieht vor, dass die Einsatzzeit über 12 Stunden hinaus soweit verlängert werden darf, dass die innerhalb eines
Zeitraumes von 24 Stunden vorgeschriebene tägliche Ruhezeit eingehalten wird.
Der objektive Tatbestand eines Verstoßes gegen die Bestimmungen über die zulässige Einsatzzeit liegt nach der oben geschilderten Rechtslage
vor, wenn die Zeit zwischen dem Beginn und dem Ende der Tagesarbeitszeit das festgesetzte Ausmaß überschreitet. Unstrittig ist
im vorliegenden Fall der dem Beschuldigten im Verfahren vorgeworfene Beginn der Einsatzzeit am 30 08 1998 um 07 10 Uhr. Dieser Umstand ergibt sich auch aus der der Anzeige beigeschlossenen Kopie des Schaublattes von diesem Tag, weshalb diesbezügliche weitere Erhebungen
nicht für erforderlich erachtet werden. Was das Ende der Einsatzzeit betrifft, folgt der Verwaltungssenat mangels gegenteiligem Beweisergebnis den eigenen Angaben des Berufungswerbers. Er hat sich im Verfahren stets damit gerechtfertigt, die Arbeitszeit des Lenkers habe an diesem Tag gegen 22 00 Uhr geendet. Somit ergibt sich für den
30 08 1998 eine Einsatzzeit von 14 Stunden 50 Minuten.
Zur grundsätzlichen Berechnung der Einsatzzeit wird im übrigen auf folgendes hingewiesen:
Unter der Einsatzzeit sind die zwischen dem Beginn und dem Ende der Tagesarbeitszeit liegenden Lenkzeiten, Zeiten für sonstige Arbeitsleistungen und Zeiten der Arbeitsbereitschaft sowie die als Unterbrechungen der so verstandenen Arbeitszeit zu wertenden Ruhepausen und Lenkpausen zu verstehen. § 2 Abs 1 Z 2 Arbeitszeitgesetz definiert die Tagesarbeitszeit als die Arbeitszeit innerhalb eines ununterbrochenen Zeitraumes von 24 Stunden. Die Berechnung der Einsatzzeit hat sich daher auf einen Zeitraum von 24 Stunden zu beziehen. Außerdem verbietet es der im obigen Sinn zu verstehende Begriff Einsatzzeit, dass Ruhezeiten in diesen eingerechnet werden. Auch wenn diese nicht in dem gesetzlich erforderlichen Maß eingehalten worden sein sollten, ist deren Berücksichtigung als Einsatzzeit nicht zulässig. Dies stellt eine andere Verwaltungsübertretung (s. Artikel 8 der EWG VO 3820/85 in Verbindung mit § 28 Abs 1a Z 2 Arbeitszeitgesetz) dar. Es könnte jedoch, wenn der 24-stündige Zeitraum seit Beginn der Tagesarbeitszeit
(1. Teil) nach Konsumation der Ruhezeit noch nicht abgelaufen ist und
die Einsatzzeit danach fortgesetzt wird, diese bis zum Ende des 24- Stunden Zeitraumes "weitergerechnet" werden, indem sie insoweit als "zweiter Teil" zum "ersten" Teil der Einsatzzeit dazugerechnet wird. Wird die Fahrt nach Ablauf der 24 Stunden fortgesetzt, ist vom Beginn
einer neuen Tagesarbeitszeit auszugehen und die Einsatzzeit wiederum (wie vorstehend beschrieben) zu berechnen.
Entsprechend der bereits oben zitierten Regelungen des § 16 Abs 3 Arbeitszeitgesetz und des bezughabenden Kollekivvertrages ist eine Verlängerung der grundsätzlich zulässigen Einsatzzeit von 12 Stunden nur erlaubt, wenn innerhalb eines Zeitraumes von 24 Stunden die vorgeschriebene tägliche Ruhezeit eingehalten wird. Diese Ruhezeit hat
nach Artikel 8, Unterabsatz 1, EWG VO 3820/85, mindestens 9 Stunden (drei Mal wöchentlich, sonst 11 Stunden) zu betragen. Sohin hätte der
Lenker im vorliegenden Fall, wenn seine Einsatzzeit um 22 00 Uhr endete, eine Ruhezeit jedenfalls bis 07 00 Uhr einzuhalten gehabt. Dies war nicht der Fall. Wie sich aus dem ebenfalls der Anzeige beigeschlossenen Schaublatt (Kopie) für den 31 08 1998 ergibt, zeigt der Streckenschrieb die erste Fahrbewegung bereits kurz nach 03 00 Uhr. Jedenfalls zu dieser Zeit hat der Lenker also wieder zu arbeiten
begonnen. Die diesbezügliche Behauptung des Berufungswerbers, die Arbeitszeit habe an diesem Tag um 07 10 Uhr begonnen, ist daher nicht
glaubhaft. Das Schaublatt zeigt, dass der LKW bereits vorher gelenkt wurde. Dass es sich auch hiebei um eine Privatfahrt gehandelt habe, wird vom Berufungswerber selbst nicht vorgebracht. Da nach diesem Erhebungsergebnis die vorgeschriebene Ruhezeit nicht eingehalten wurde, also die nach dem Kollektivvertrag vorgesehene Voraussetzung für eine Verlängerung der Einsatzzeit nicht vorliegt, ist von der nach
§ 16 Abs 2 Arbeitszeitgesetz zulässigen Einsatzzeit von 12 Stunden auszugehen. Diese wurde überschritten.
In diesem Zusammenhang wird festgestellt, dass dem Beschuldigten mit der im Spruch neu formulierten Einsatzzeit keine andere Tat vorgeworfen wird, es wurde lediglich im Rahmen der ihm im erstinstanzlichen Verfahren vorgeworfenen Einsatzzeitüberschreitung eine zeitliche Einschränkung vorgenommen. Weiters war in den Tatvorwurf der Sitz des Unternehmens (Tatort) aufzunehmen. Dieser war
in der rechtzeitigen Verfolgungshandlung (Aufforderung zur Rechtfertigung als Beschuldigter vom 28 12 1998) enthalten und war daher eine diesbezügliche Korrektur zulässig.
Der weiteren Rechtfertigung des Berufungswerbers im Hinblick auf ein mangelndes Verschulden ist unter Hinweis auf § 5 Abs 1 VStG zu entgegnen, dass der Beschuldigte glaubhaft zu machen hat, dass ihm die
Einhaltung der objektiv verletzten Vorschriften ohne sein Verschulden
unmöglich war. Was die Einhaltung der hier angezogenen Arbeitszeitvorschriften anlangt, so hat der Arbeitgeber ein dem konkreten Betrieb entsprechendes Kontrollsystem einzurichten und darüber hinaus alle sonstigen im konkreten Betrieb möglichen und zumutbaren Maßnahmen zu treffen, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Arbeitszeit sicherzustellen, wozu es etwa gehört, die Arbeitsbedingungen und Entlohnungsmethoden so zu gestalten, dass sie keinen Anreiz zur Verletzung der Arbeitszeitvorschriften darstellen. Nur wenn der Arbeitgeber glaubhaft macht, dass ein Verstoß gegen Arbeitszeitvorschriften durch einen Lenker trotz Bestehens und Funktionierens eines solchen, von ihm im einzelnen darzulegenden Systems ohne sein Wissen und ohne seinen Willen erfolgte, kann ihm der
Verstoß nicht zugerechnet werden.
Mit dem oben beschriebenen Vorbringen ist es dem Berufungswerber nicht
gelungen, ein entsprechendes Maßnahmen- und Kontrollsystem darzutun. Die Kontrolle der Fahrtenbücher und Schaublätter und die Erteilung von
Belehrungen ist nicht ausreichend und stellt dies nur einen Teil eines
betrieblichen Kontrollsystems dar. Es bedarf geeigneter Maßnahmen, die
unter vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften gewährleisten. Das Vorbringen des
Berufungswerbers reicht also zur Glaubhaftmachung eines mangelnden Verschuldens nicht aus. Fahrlässiges Verhalten ist dem Berufungswerber
sohin anzulasten und ist damit auch die subjektive Tatseite erfüllt.
Zur Strafbemessung:
Die zum Schutz der Gesundheit von Arbeitnehmern geschaffenen arbeitszeitrechtlichen Vorschriften lassen das öffentliche Interesse daran erkennen, welches durch die jeweilige Tathandlung nicht unerheblich beeinträchtigt wurde. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat
kann selbst bei Fehlen sonstiger nachteiliger Folgen nicht als gering
angesehen werden. Dass die Einhaltung der Vorschriften eine besondere
Aufmerksamkeit erfordert hätte oder, dass die Verwirklichung der Tatbestände aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können, ist weder hervorgekommen noch auf Grund besonderer Tatumstände
anzunehmen und kann daher das Verschulden des Berufungswerbers nicht als geringfügig angesehen werden.
Bei der Strafbemessung war erschwerend zu werten, dass der Berufungswerber bereits einschlägig vorbestraft ist.
Gleichzeitig war auf die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers Bedacht zu nehmen (Einkommen: ATS 40 000,-- brutto monatlich, Vermögen:
Einfamilienhaus,
Sorgepflichten: Gattin und zwei Kinder).
Eine Strafe muss auch geeignet sein, den Berufungswerber von einer Wiederholung der Tat ausreichend abzuschrecken und generalpräventive Wirkungen zu entfalten.
Unter Bedachtnahme auf den gesetzlichen Strafsatz (ATS 1 000,-- bis 25 000,--) und die übrigen oben ausgeführten Strafzumessungsgründe sowie den Umstand, dass von einer Einsatzzeitüberschreitung des Lenkers von kapp drei Stunden auszugehen ist, war die verhängte Strafe
spruchgemäß herabzusetzen.