Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied MMagDr Tessar über die Berufung des Herrn Wolfgang K gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 67, vom 28.9.1999, MA 67-RV - 047375/9/3, wegen Übertretung des § 99 Abs 3 lit a StVO 1960 iVm § 23 Abs 2a StVO 1960, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.
Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen
Straferkenntnisses lautet wie folgt:
"Sie haben am 31.10.1998 von 21.35 Uhr bis 21.50 Uhr in Wien, S-gasse als Lenker des Kraftfahrzeuges mit dem behördlichen
Kennzeichen W-56 folgende Verwaltungsübertretung begangen:
Parken des Fahrzeuges in einer Wohnstraße außerhalb der dafür gekennzeichneten Stellen.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt:
§ 99 Abs 3 lit a Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) in Verbindung mit § 23 Abs 2a StVO 1960.
Gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO wird gegen Sie eine Geldstrafe in der Höhe von ATS 600,-, im Falle der Uneinbringlichkeit 14 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt."
Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber im Wesentlichen vorbringt, keine strafbare Handlung begangen zu haben.
Erläuternd führte der Berufungswerber aus, dass seines Erachtens die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Stellungnahme der MA 46 irrelevant sei, da sich diese nur auf ein bestehendes Halteverbot beziehe.
Mit Strafverfügung vom 29.4.1999 wurde gegen den Berufungswerber wegen Übertretung des § 23 Abs 2a StVO erlassen.
Mit Schriftsatz vom 17.5.1999 brachte er dagegen einen Einspruch ein, welchem er zwei Fotos von der verfahrensgegenständlichen Wohnstraße beifügte. Aus diesen ist ersichtlich, dass die Straße mit einem Kopfsteinpflaster versehen ist, wobei für den Fahrbahnbereich ein anderes Kopfsteinpflaster als für den Fußgängergehbereich angebracht worden ist. Das den Fahrbahnbereich kennzeichnende Kopfsteinpflaster weist eine Mindestbreite von zwei Fahrstreifen auf, und ist an manchen Stellen, wie auch im verfahrensgegenständlichen Bereich, um die Breite einer Autoabstellfläche verbreitert. Dass diese Fahrbahnfläche nicht für den Fließverkehr bestimmt ist, ergibt sich auch daraus, dass am Beginn und Ende der Fahrbahnverbreiterung ein Blumentrog aufgestellt ist. Auf diese Fotos verweisend brachte der Berufungswerber vor, dass er sein Fahrzeug gemäß dem entsprechenden Kopfsteinpflaster in dem für den Straßenverkehr bestimmten Bereich abgestellt gehabt hätte, und sohin nicht die angelastete Übertretung gesetzt habe.
Mit Stellungnahme vom 3.8.1999 brachte die MA 46 vor, dass im verfahrensgegenständlichen Bereich ein Halteverbot gemäß § 52 Z 13 StVO mit dem Zusatz ?ausgenommen Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen von 6.00 - 20.00 Uhr? verordnet und entsprechend kundgemacht sei. Die erkennende Behörde schaffte den gegenständlichen Halteverbotszonenverordnungsakt bei. Demnach wurde dieses Halteverbot gesetzeskonform verordnet und kundgemacht.
DER UNABHÄNGIGE VERWALTUNGSSENAT HAT ERWOGEN:
§ 23 Abs 2a StVO lautet:
?In Wohnstraßen ist das Parken von Kraftfahrzeugen nur an den
dafür gekennzeichneten Stellen erlaubt.?
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2) vorgenommen worden ist.
Nach Abs 2 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Nach § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn in ihr der Beschuldigte konkretisiert ist und in
ihr alle gemäß § 44a VStG erforderlichen Tatbildmerkmale angeführt sind (vgl Hauer W, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, § 32 VStG Anm 1, S 923f sowie ua VwGH-verst Senat 19.10.1978, Slg NF Nr 9664/A und VwGH 19.6.1990, 89/04/0266; 23.3.1988, 87/02/0181). Dabei ist zur Beantwortung der Frage, ob Verjährung im Sinne des § 31 Abs 1 VStG eingetreten ist, von der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z 1 VStG auszugehen (vgl hiezu ua das Erkenntnis vom 19.6.1990 Zl 89/04/0266) und das dem Beschuldigten zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z 2 VStG näher zu konkretisieren und individualisieren (vgl VwGH 22.12.1992, Zl 91/04/0199).
Nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass es nach dieser Bestimmung rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass
1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,
2.) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.
Gemäß § 66 Abs 4 (welcher gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren Anwendung findet) ist die Berufungsbehörde in ihrem Recht, den erstinstanzlichen Bescheid abzuändern, insofern beschränkt, als sie nicht befugt ist, in ihrer Entscheidung den Umfang der "Sache" iSd § 66 Abs 4 AVG zu überschreiten.
Unter Sache iSd § 66 Abs 4 AVG ist nun aber die Angelegenheit zu verstehen, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde (allenfalls im Zusammenhalt mit der Begründung dieses Bescheides) gebildet hat (im Falle einer eingeschränkten Berufung der vom Rechtsmittel erfasste Teil des Bescheides, wenn dieser vom übrigen Bescheidinhalt trennbar ist) (vgl VwGH 15.2.1979, Zl 2293/77, VSlg 8864 (A), VSlg 8123 (A) und VwGH 18.9.1992, 91/17/0138; 23.10.1995, 94/04/0080). Demnach darf die Berufungsbehörde nicht über anderes entscheiden als Gegenstand der Entscheidung der Vorinstanz war (vgl VwGH 23.12.1991, 88/17/0010).
Folglich hat die erkennende Behörde nur die Frage zu prüfen, ob die beschuldigte Person die dieser Person von der Erstbehörde angelastete Tat begangen hat oder nicht. Der erkennenden Behörde fehlt sohin die notwendige Sachbefugnis zur Wahrnehmung einer der beschuldigten Person von der Erstbehörde nicht vorgeworfenen bzw von dieser nicht als erwiesen angenommenen Tat (vgl VwGH 23.10.1995, 94/04/0080). Der Inhalt des Spruches setzt sich nun aber unter Zugrundelegung der obgenannten Sprucherfordernisse gemäß § 44a VStG einerseits aus der konkretisierten Angabe von Tatort und Tatzeit und andererseits der konkretisierten Anführung aller Tatbildmerkmale zusammen.
Eine "Sache" im Sinne des § 66 Abs 4 AVG stellt sohin im Verwaltungsstrafrecht, unter Zugrundelegung der angeführten Judikatur, nicht schon ein durch Tat und Ort konkretisiertes historisches Ereignis dar. Vielmehr ist, dieser Judikatur folgend, im
Verwaltungsstrafverfahren unter "Sache" iSd § 66 Abs 4 AVG das durch eine konkrete Verhaltensangabe konkretisierte Verhalten anlässlich eines (grundsätzlich durch Ort und Zeitpunkt) bestimmt bezeichneten historischen Ereignisses zu verstehen. Im vorliegenden Fall ist das Tatfahrzeug unstrittig in dem für den Fahrzeugverkehr bestimmten Fahrbahnbereich, nämlich auf einer für den Fahrzeugverkehr im Falle einer Ladetätigkeit mit Lastfahrzeugen von 06.00 Uhr bis 20.00 Uhr zum Halten bzw Parken bestimmten Fläche, auf welcher im Übrigen das Halten und Parken verboten war, geparkt. Sohin ist davon auszugehen, dass das verfahrensgegenständliche Halte- und Parkverbot zumindest für Lastfahrzeuge mit Ladetätigkeit während des obgenannten Zeitraumes einen Bereich zum Abstellen des Fahrzeuges bestimmt, auf welchem unter Umständen auch das Parken des Fahrzeuges für die Dauer der Ladetätigkeit erlaubt ist. Eine Fläche, welche zumindest für bestimmte Fahrzeuge zu bestimmten Zeiten ausdrücklich zum Halten bzw Parken bestimmt ist, ist nach Ansicht der erkennenden Behörde als eine für das Parken von Fahrzeugen gekennzeichnete Stelle zu qualifizieren. Daran ändert auch der Umstand der Fahrzeugabstellung in einem Zeitraum, in welchem auf dieser Stelle generell das Halten bzw Parken untersagt ist, abgestellt worden ist, nichts.
Die gegenteilige Rechtsansicht würde zum Ergebnis führen, dass der Gesetzgeber durch die Bestimmung des § 23 Abs 2a StVO auch die Fälle der Abstellung in einem Halteverbot ahnden wollte. Dies würde aber voraussetzen, dass durch ein Halteverbot ein anderes Rechtsgut als durch die Bestimmung des § 23 Abs 2a StVO geschützt werden sollte. Dies ist schon bei Berücksichtigung des Regelungsortes der Bestimmung des § 23 Abs 2a StVO im Bereich der Normen über den ruhenden Verkehr nicht
anzunehmen. Es ist daher davon auszugehen, dass ein Halte- und Parkverbot eine im Vergleich zum § 23 Abs 2a StVO speziellere Gebotsnorm ist. Folglich erscheint die Übertretung des § 23 Abs 2a StVO im Falle der Abstellung eines Fahrzeuges in einem nur während bestimmter Zeiträume bzw für bestimmte Fahrzeuge ausgesprochenes Halte- und Parkverbot nicht denkbar. Sohin hat der Berufungswerber das angelastete Tatbild nicht verwirklicht.
Hinsichtlich der allfälligen Verwirklichung eines Verstoßes gegen § 52 Abs 13 StVO liegt keine Verfolgungshandlung vor. Folglich war der bekämpfte Bescheid nicht nur zu beheben, sondern war zudem das Verfahren auch spruchgemäß einzustellen, zumal unter Zugrundelegung der zuvor getätigten Rechtsausführungen eine Spruchergänzung bzw Spruchberichtigung durch die erkennende Behörde einen Verstoß gegen das Gebot "in der "Sache zu entscheiden", sohin einen Verstoß gegen § 66 Abs 4 AVG darstellen würde.