Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Karin Clement über die Berufung des Herrn J. M., gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 17.12.1998, GZ.: III/S-11.515/98, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung zu Punkt 1.) und 2.) des Straferkenntnisses Folge gegeben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG zu Punkt
1.) des Straferkenntnisses und gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG zu Punkt 2.) des Straferkenntnisses eingestellt.
Hinsichtlich Punkt 3.) 4.) und 5.) des Straferkenntnisses wird die Berufung abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 120,-- (? 8,72) binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.
Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 17.3.1998, 1.) um
8.45 Uhr, in Graz, Idlhofgasse - Prankergasse, in Richtung Norden, als Lenker eines Fahrrades (Herrenfahrrad) das deutlich sichtbar angebrachte Vorschriftszeichen "Einfahrt verboten" nicht beachtet; 2.) zwischen 9.05 Uhr und 9.10 Uhr, in Graz, in Höhe des Hauses Idlhofgasse 20, es als Fußgänger unterlassen, die Fahrbahn in angemessener Eile und ohne Behinderung des Fahrzeugverkehrs zu überqueren. Er habe sich in die Mitte der Fahrbahn gestellt und habe dadurch den Fahrzeugverkehr blockiert; um 9.30 Uhr, in Graz, Idlhofgasse vom Haus Nr. 20 bis zur Kreuzung mit der Prankergasse, ein Fahrrad auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt, das mangelhaft ausgerüstet gewesen sei, da es 3.) nicht mit einer hellleuchtenden Lampe mit weißem oder gelblichem nicht blendendem Licht ausgerüstet
gewesen sei; 4.) nicht mit einem roten Rücklicht ausgerüstet
gewesen sei; 5.) nicht mit einem roten Rückstrahler ausgerüstet gewesen sei.
Der Berufungswerber habe dadurch die Rechtsvorschriften des 1.) § 52 lit a Z 2 StVO, 2.) § 76 Abs 5 StVO, 3.) § 66 Abs 2 Z 3 StVO, 4.) § 66 Abs 2 Z 4 StVO und 5.) § 66 Abs 2 Z 5 StVO verletzt und wurden wegen dieser Verwaltungsübertretungen Geldstrafen von 1.) S 500,-- (18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO, 2.) S 500,-- (18 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO, 3.) S 200,-- (10 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO,
4.) S 200,-- (10 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO und 5.) S 200,-- (10 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO verhängt.
Dagegen richtet sich die rechtzeitig eingebrachte Berufung, mit welcher im Wesentlichen ausgeführt wird, dass der Berufungswerber das Vorschriftszeichen "Einfahrt verboten" beachtet habe. Er habe das Rad am Gehsteig am Zeichen vorbeigeschoben. Zu Punkt 2.) führte der Berufungswerber aus, dass er nicht als Fußgänger an die gegenständliche Stelle gelangt sei, sondern legal per Rad. Dort seien ihm widerrechtlich linksfahrende Kraftfahrzeuge entgegengekommen, die an widerrechtlich geparkten Kraftfahrzeugen links vorbeigefahren seien. Wegen der Behinderung seiner Fahrt habe er die Polizei telefonisch verständigt. Das Rad sei mit einer Lichtanlage ausgerüstet gewesen, der Akkuteil mit Lampe sei im Rucksack gewesen. Während der gegenständlichen Fahrt zeigte ein Rücklicht am Rad nach hinten, das wegen des Tageslichtes nicht in Betrieb gewesen sei. Das Rad hätte einige rote nach hinten gerichtete Rückstrahler aufgewiesen. Die Beamten hätten das Fahrrad nicht besehen und sich nicht die Reflektoren zeigen lassen. Eine Besichtigung sei auf Anfrage möglich.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der öffentlichen, mündlichen Verhandlung vom 13.10.1999 an Ort und Stelle, Idlhofgasse - Prankergasse kann nachfolgender Sachverhalt festgestellt werden:
Die Idlhofgasse im Ortsgebiet von Graz verläuft annähernd in Nord - Süd Richtung, die kreuzende Prankergasse in Ost - West Richtung. Zum Tatzeitpunkt war an der Kreuzung Idlhofgasse - Prankergasse jeweils über die jeweiligen Fahrbahnen ein Zebrastreifen. An der Einmündung der Idlhofgasse in die Prankergasse befand sich das Verkehrsschild "Einfahrt verboten" gemäß § 52 a Z 2 StVO. Heute befindet sich an diesem Verkehrszeichen die Zusatztafel "ausgenommen Radfahrer", welche jedoch zum Tatzeitpunkt noch nicht vorhanden war. Am 17.3.1998 verließ der Berufungswerber um ca. 8.45 Uhr mit seinem Fahrrad das Haus Idlhofgasse Nr., wobei er am westlichen Gehsteig der Idlhofgasse, Richtung Norden ging. Dabei schob er sein Fahrzeug über den westlichen Zebrastreifen der Prankergasse bis nach dem Verkehrszeichen "Einfahrt verboten" in der Idlhofgasse. Nach diesem Verkehrsschild hat der Berufungswerber sein Fahrzeug auf die Fahrbahn gestellt und ist aufgestiegen und fuhr Richtung Norden auf der Idlhofgasse weiter. An der Engstelle, auf Höhe des Hauses Idlhofgasse 20, wobei auf der rechten Fahrbahnseite auch PKWs parkten, kam dem Berufungswerber ein PKW entgegen. Weder der Berufungswerber noch der PKW-Lenker versuchten auszuweichen und aufgrund der Engstelle blieben beide Lenker vis a vis voneinander stehen. In weiterer Folge bildete sich hinter dem PKW, der die Idlhofgasse Richtung Süden befahren hatte, ein Stau. Der Berufungswerber wollte als Radfahrer jedoch nicht nachgeben und schob ebenfalls nicht zurück, wie auch der PKW-Lenker nicht zurückschob, um die Verkehrssituation zu bereinigen.
Die beiden Zeugen BI P. und GI Z. wurden über die Verkehrsleitzentrale in die Idlhofgasse gerufen. Da sie von der Annenstraße durch den Stau der sich in der Idlhofgasse gebildet hatte ebenfalls nicht vorwärts kamen, begab sich BI P. zu Fuß zum Haus Idlhofgasse Nr. 20. Dabei konnte er feststellen, dass der Berufungswerber mit seinem Fahrrad quer zur Fahrbahnlängsachse stand und somit die Fahrbahn für den Richtung Süden fahrenden Verkehr in der Idlhofgasse blockiert wurde. Weder BI P., noch GI Z. haben augenscheinlich wahrgenommen, dass der Berufungswerber das Verkehrszeichen Einfahrt verboten
Prankergasse missachtet hat und mit seinem Fahrrad fahrend entgegen diesem Verkehrsgebot in die Idlhofgasse eingefahren ist.
Das Fahrrad des Berufungswerbers war weder mit einer mit dem Fahrrad fest verbundenen Lampe mit weißem oder gelblichem nicht blendendem Licht versehen, noch mit einem roten Rücklicht oder einem roten Rückstrahler. Auf dem Fahrrad befand sich am Kotschützer ein rot-weiß gestreiftes Band aufgeklebt, welches, wenn es von einer anderen Lichtquelle angestrahlt wird, das Licht reflektiert.
Beweiswürdigend ist festzuhalten, dass die Übertretung nach Punkt 1.) des Straferkenntnisses lediglich aufgrund der Angaben des Berufungswerbers selbst in die Anzeige aufgenommen wurde, welche jedoch nach Darstellung des Berufungswerbers von den Beamten anlässlich der Amtshandlung missverstanden wurden. Da der Berufungswerber in der Verhandlung und im späteren Verwaltungsstrafverfahren und auch in der Verhandlung vor dem UVS dezidiert aussagte, dass er bis zu diesem Bereich sein Fahrzeug geschoben habe, liegen keinerlei objektive Beweise für diese Verwaltungsübertretung vor. Hinsichtlich der Ausrüstungsmerkmale am Fahrrad des Berufungswerbers kann auf die Angaben des Berufungswerbers selbst verwiesen werden, wonach sich am Fahrrad lediglich eine Lichthalterung vorne befunden habe, die Lampe jedoch im Rucksack mitgeführt worden sei. Auch das Rücklicht sei im Rucksack transportiert worden. Der rote Rückstrahler sei insofern montiert gewesen, als auf dem Rad ein rot-weiß gestreiftes Band am Kotschützer aufgeklebt worden sei. Dass tatsächlich ein roter Rückstrahler mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2, der nicht höher als 60 cm auf der Fahrbahn angebracht war, am Fahrrad montiert war, wurde vom Berufungswerber nicht einmal selbst behauptet. In rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhaltes ist zu Punkt 2.) des Straferkenntnisses festzuhalten, dass gemäß § 76 Abs 5 StVO Fußgänger die Fahrbahn in angemessener Eile zu überqueren haben. Außerhalb von Schutzwegen haben sie den kürzesten Weg zu wählen; hiebei dürfen sie den Fahrzeugverkehr nicht behindern. Der Berufungswerber hat die Idlhofgasse, Richtung Norden fahrend, als Radfahrer benutzt und musste verkehrsbedingt aufgrund des entgegenkommenden PKWs und der Fahrbahnenge sein Fahrrad zum Stillstand bringen. Da weder der PKW-Lenker versuchte die Verkehrssituation durch zurückschieben oder auslenken zu bereinigen und auch der Berufungswerber als Radfahrer keinerlei Manöver durchführte, um die Fahrbahn für den PKW-Verkehr, Richtung Süden,
freizugeben, entstand sozusagen eine Pattstellung. Da der StVO jedoch nicht zu entnehmen ist, dass ein verkehrsbedingt zum Stillstand gekommener Radfahrer automatisch zum Fußgänger wird, trifft die Bestimmung des § 76 Abs 5 StVO für die in der Anzeige geschilderte und sachverhaltsmäßige an Ort und Stelle erhobene Verkehrssituation nicht zu. Der Berufungswerber wollte die Fahrbahn nicht als Fußgänger überqueren, sondern vielmehr mit seinem Fahrrad die Idlhofgasse Richtung Norden befahren. Er hat daher nicht gegen die Bestimmung des § 76 Abs 5 StVO verstoßen, sodass diesbezüglich das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen war.
Zu Punkt 3.), 4.) und 5.) des Straferkenntnisses ist in rechtlicher Beurteilung davon auszugehen, dass gemäß § 66 Abs 2 StVO jedes einspurige Fahrrad - sofern sich aus Abs 2 a nichts anderes ergibt - folgendermaßen ausgerüstet sein muss:
1. mit zwei voneinander unabhängigen, sicher wirkenden Bremsvorrichtungen,
2. mit einer helltönenden Glocke zum Abgeben von Warnungszeichen,
3. mit einer hellleuchtenden mit dem Fahrrad fest verbundenen Lampe mit weißem oder gelblichem nicht blendendem Licht, das die Fahrbahn mindestens 15 m, jedoch nicht mehr als 20 m weit nach vorne ausreichend beleuchtet,
4. mit einem roten Rücklicht, dessen Wirksamkeit vom Fahrer während der Fahrt überwacht werden kann, ohne dass dieser in der sicheren Führung des Fahrrades beeinträchtigt ist,
5. mit einem roten Rückstrahler mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2, der nicht höher als 60 cm über der Fahrbahn angebracht sein darf und bei Dunkelheit und klarem Wetter im Lichte eines Scheinwerfers auf 150 m sichtbar ist; der Rückstrahler darf mit dem Rücklicht (Z4) verbunden sein,
6.
mit gelben Rückstrahlern an den Pedalen,
7.
mit Reifen oder Felgen, deren Seitenwände ringförmig zusammenhängend weiß oder gelb rückstrahlend sind, oder an jedem Rad mit mindestens zwei nach beiden Seiten wirksamen gelben Rückstrahlern mit einer Lichteintrittsfläche von mindestens 20 cm2.
Der Berufungswerber selbst hat nicht einmal behauptet, dass die entsprechenden Ausrüstungsmerkmale am Fahrrad vorhanden waren. Dass die reflektierende Folie, welche zwar immerhin eine gewisse Sicherheit den der StVO entsprechenden Ausrüstungsmerkmalen entspricht, kann dem Gesetz nicht entnommen werden und wurde vom Berufungswerber auch nicht dargelegt. Es bleibt daher zu prüfen, ob die über den Berufungswerber verhängten Strafen zu Punkt 3.) bis 5.) des Straferkenntnisses schuld- und tatangemessen durch die Erstbehörde verhängt wurden.
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Der Zweck der im § 66 StVO normierten Ausrüstungsvorschriften für Fahrräder liegt unter anderem darin, die Wahrnehmbarkeit von Fahrrädern im fließenden Verkehr für alle Verkehrsteilnehmer zu erleichtern. Dabei dienen diese Bestimmungen vorrangig dem Schutz des Radfahrers selbst.
Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Es liegen weder Erschwerungs- noch Milderungsgründe vor. Unter Berücksichtung der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Berufungswerbers (monatlich nach eigenen Angaben S netto, kein Vermögen, keine Sorgepflichten) können die über den Berufungswerber verhängten Strafen zu Punkt 3.) bis 5.) des Straferkenntnisses als schuld- und tatangemessen betrachtet werden.
Die Festsetzung des Kostenbeitrages zum Verwaltungsstrafverfahren zweiter Instanz ergibt sich zu den Punkten 3.) bis 5.) des Straferkenntnisses aus § 64 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Straferkenntnisses erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.