Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Fritz über die Berufung des Herrn Dr Franz P gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, vom 20.4.2000, Zl S 184586-Mg/99/Mül, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Gemäß § 65 VStG wird dem Berufungswerber kein Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Margareten, vom 20.4.2000 wurde der Berufungswerber (Bw) schuldig erkannt, er habe es als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen WU-7 unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 9.2.2000, zugestellt am 11.2.2000, Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug am 28.10.1999 um 12.56 Uhr in Wien, M-gürtel Richtung W-Gürtel gelenkt habe. Der Bw habe dadurch § 103 Abs 2 KFG verletzt, weshalb über ihn gemäß § 134 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 90 Stunden) verhängt wurde. Gleichzeitig wurde das anhängige Verfahren bezüglich § 20 Abs 2 StVO (?Schnellfahren?) gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt, weil der Bw diese Tat nicht begangen habe; diesbezüglich sei der Verantwortung des Bw Glauben geschenkt worden.
In seiner gegen dieses Straferkenntnis innerhalb offener Frist erhobenen Berufung brachte der Bw vor, sein Fahrzeug sei um
12.56 Uhr an diesem Ort von niemandem gelenkt worden, weil es zu diesem Zeitpunkt noch vor seiner Arbeitsstätte geparkt gewesen sei. Er nehme das Recht für sich in Anspruch, gegen die ihm zur Last gelegte Verletzung nach § 103 Abs 2 KFG Berufung zu erheben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:
Gemäß § 103 Abs 2 KFG kann die Behörde Auskünfte darüber verlangen, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kraftfahrzeug gelenkt oder einen nach dem Kennzeichen bestimmten Anhänger verwendet hat bzw zuletzt vor einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort abgestellt hat. Diese Auskünfte, welche den Namen und die Anschrift der betreffenden Person enthalten müssen, hat der Zulassungsbesitzer - im Falle von Probe- oder von Überstellungsfahrten der Besitzer der Bewilligung - zu erteilen; kann er diese Auskunft nicht erteilen, so hat er die Person zu benennen, die die Auskunft erteilen kann, diese trifft dann die Auskunftspflicht; die Angaben des Auskunftspflichtigen entbinden die Behörde nicht, diese Angaben zu überprüfen, wenn dies nach den Umständen des Falles geboten erscheint. Die Auskunft ist unverzüglich, im Falle einer schriftlichen Aufforderung binnen zwei Wochen nach Zustellung zu erteilen; wenn eine solche Auskunft ohne entsprechende Aufzeichnungen nicht gegeben werden könnte, sind diese Aufzeichnungen zu führen.
(Verfassungsbestimmung) Gegenüber der Befugnis der Behörde, derartige Auskünfte zu verlangen, treten Rechte auf Auskunftsverweigerung zurück.
Mit Strafverfügung der Erstbehörde vom 16.12.1999 wurde der Bw schuldig erkannt, er habe am 28.10.1999 um 12.56 Uhr in Wien, M-gürtel Richtung W-Gürtel mit dem Kraftfahrzeug mit dem Kennzeichen WU-7 die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschritten, weil die Fahrgeschwindigkeit 78 km/h betragen habe, wobei die Überschreitung mit einem Messgerät festgestellt worden sei (Verwaltungsübertretung nach § 20 Abs 2 iVm § 99 Abs 3 lit a StVO). Es wurde wegen dieser Verwaltungsübertetung über den Bw eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 60 Stunden) verhängt. Gegen diese Strafverfügung erhob der Bw rechtzeitig Einspruch. Er brachte dabei vor, am 28.10.1999 habe er Unterricht im Sozialpädagogischen Zentrum Pu bis 13.25 Uhr gehabt und sei es daher unmöglich, bereits um 12.56 Uhr in Wien, M-gürtel Richtung W-Gürtel unterwegs gewesen zu sein. Er habe sein Fahrzeug mit dem Kennzeichen WU-7 bis 13.30 Uhr vor dem SPZ Pu geparkt und vorher nicht bewegt; auch habe er sein Fahrzeug keiner anderen Person überlassen.
Aus einem eingeholten Auszug des Kfz-Zentralregisters des Bundesministeriums für Inneres geht hervor, dass der Bw Zulassungsbesitzer des Personenkraftwagens der Marke S Felicia (Farbe: grün) mit dem Kennzeichen WU-7 ist. In einem Bericht vom 9.1.2000 hielt die Meldungslegerin ihre Anzeigeangaben vollinhaltlich aufrecht. Bei dem angezeigten Pkw handle es sich um einen hellgrünen S mit dem Kennzeichen WU-7. Der Bw legte am 10.1.2000 eine Bestätigung der Direktion des SPZ Pu vor, wonach er am 28.10.1999 bis 13.25 Uhr stundenplanmäßigen Unterricht erteilt habe und zu diesem Zeitpunkt im SPZ Pu anwesend gewesen sei.
Die von der Bundespolizeidirektion Wien am 9.2.2000 an den Bw gerichtete Aufforderung zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers lautete wie folgt:
?Sie werden als Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen L-47 gemäß § 103 Abs 2 KFG, aufgefordert der anfragenden Behörde entweder schriftlich oder per Telefax binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Schreibens nach Möglichkeit mittels beiliegendem Vordruck Auskunft darüber zu erteilen wer dieses Kraftfahrzeug am 28.10.1999 um 12.56 Uhr in Wien, M-gürtel, Richtung W-Gürtel gelenkt hat.?
Der Bw verwies in seinem Antwortschreiben vom 17.2.2000 darauf, dass er sein Fahrzeug mit dem Kennzeichen WU-7 von 7.30 Uhr bis 13.30 Uhr vor dem SPZ Pu abgestellt gehabt und das genannte Fahrzeug auch keiner anderen Person überlassen habe. Laut Aktenvermerk vom 3.4.2000 wurde das Verwaltungsstrafverfahren gegen den Bw wegen Verdachts der Übertretung nach § 20 Abs 2 StVO gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt, weil der Bw die ihm zur Last gelegte Übertretung nicht begangen habe.
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis wurde der Bw einer Verwaltungsübertretung nach § 103 Abs 2 KFG schuldig erkannt, weil er es als Zulassungsbesitzer des Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen WU-7 unterlassen habe, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 9.2.2000 Auskunft zu erteilen, wer dieses Kraftfahrzeug zu einer bestimmten Zeit an der Tatörtlichkeit gelenkt habe.
Der Berufung kommt schon aus folgenden, von ihr nicht ins Treffen geführten Gründen, Berechtigung zu:
Wie der Verwaltungsgerichtshof zur Bestimmung des § 103 Abs 2 KFG mehrfach ausgeführt hat, ist es Sinn und Zweck dieser Regelung, der Behörde die jederzeitige Feststellung des verantwortlichen Lenkers eines Fahrzeuges ohne langwierige und umfangreiche Erhebungen zu ermöglichen (vgl zB die Erk vom 30.6.1993, Zl 93/02/0109, und vom 29.9.1993, Zl 93/02/0191). Auf Grund der von der anfragenden Behörde gewählten Formulierung ist davon auszugehen, dass sich die Anfrage auf den ersten Fall des § 103 Abs 2 Satz 1 KFG bezieht. Nach dieser Bestimmung ist der Behörde Auskunft darüber zu geben, wer ein nach dem Kennzeichen bestimmtes Kfz gelenkt hat. Es kommt nun für den Bereich der Lenkererhebung nach § 103 Abs 2 KFG dem polizeilichen Kennzeichen für die Beschreibung eines bestimmten Kfz die entscheidende Bedeutung zu. Durch das Kennzeichen wird - anders als etwa bloß durch Angabe der Marke - ein zu einem bestimmten Zeitpunkt gelenktes Kfz so individualisiert, dass es keiner weiteren Angaben bedarf, um den Zulassungsbesitzer in die Lage zu versetzen, die Lenkererhebung beantworten zu können. Die Verpflichtung zur Auskunft nach § 103 Abs 2 KFG trifft in erster Linie den Zulassungsbesitzer bzw den Besitzer einer Bewilligung für Probe- oder für Überstellungsfahrten.
Nach der Aktenlage wurde der Lenker des Pkw der Marke S mit dem Kennzeichen WU-7 wegen Verdachts der Übertretung des § 20 Abs 2 von einer Sicherheitswachebeamtin zur Anzeige gebracht. Der Bw ist unbestrittenermaßen Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges der Marke S Felicia mit dem Kennzeichen WU-7. Im vorliegenden Fall stimmt in der Lenkererhebung (vom 9.2.2000) die Angabe des Kennzeichens (nämlich L-47) nicht mit dem Kennzeichen des Fahrzeuges überein, dessen Zulassungsbesitzer der Bw unbestrittenermaßen ist (nämlich WU-7) und das auch in der Anzeige (AS 1) angeführt ist. Eine Anfrage, die sich - wie im vorliegenden Fall - auf ein unrichtiges Fahrzeugkennzeichen bezieht, vermochte keine Verpflichtung des Bw zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers auszulösen, ergibt sich doch aus der Aktenlage kein Anhaltspunkt dafür, dass der Bw (auch) Zulassungsbesitzer des Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen ?L-47? ist. Da der Bw nicht Zulassungsbesitzer eines Fahrzeuges mit dem Kennzeichen ?L-47? ist, traf ihn auch keine verwaltungsstrafrechtlich sanktionierte Auskunftspflicht ?als Zulassungsbesitzer?. Da den Bw somit keine Verpflichtung traf, Auskunft darüber zu erteilen, wer das Fahrzeug mit dem Kennzeichen ?L-47? zu einem bestimmten Zeitpunkt an einer bestimmten Örtlichkeit gelenkt hat, war die (von der Erstbehörde angenommene) Nichterteilung einer solchen Auskunft auch nicht strafbar.
Dadurch, dass die Erstbehörde dies nicht erkannte, hat sie das angefochtene Straferkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb der Berufung Folge zu geben, das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren spruchgemäß einzustellen war.