TE UVS Steiermark 2000/07/04 303.16-5/1999

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Veröffentlicht am 04.07.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Reingard Steiner, Dr. Karl-Heinz Liebenwein und Dr. Monika Gasser-Steiner über die Berufung von Herrn K W P, R, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 23.06.1999, GZ.: 15.1 1999/1566, wie folgt entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Judenburg (im Folgenden: belangte Behörde) wurde dem Berufungswerber angelastet, er habe am 04.04.1999 um 03.30 Uhr den PKW Marke VW-Golf,

Kennzeichen im Gemeindegebiet von Amering, Bezirk

Judenburg, auf der Gemeindestraße "Kienzlergraben" in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Die Untersuchung des Blutes habe eine Blutalkoholkonzentration von 1,3 g/l ergeben.

Wegen Verletzung der Verwaltungsvorschriften gemäß § 5 Abs 1 in Verbindung mit § 99 Abs 1 a StVO wurde über den Berufungswerber daher eine Geldstrafe in der Höhe von S 12.000,--, für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 10 Tagen, verhängt. Gegen dieses Straferkenntnis wurde fristgerecht Berufung erhoben und in dieser ausgeführt, der Berufungswerber sei zum Zeitpunkt des Lenkens des gegenständlichen Kraftfahrzeuges nicht alkoholisiert gewesen. So habe er vor dem Lenken lediglich ein kleines Bier und nach dem Lenken drei kleine Bier und ein paar Schnäpse - ca. vier oder fünf selbst gebrannte Obstler - getrunken. Zufolge dieser Nachtrunkbehauptung fand am 29.03.2000 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung vor dem erkennenden Senat statt, in deren Rahmen neben dem Berufungswerber auch eine Reihe von Zeugen gehört wurden. Vor dem beabsichtigten Schluss der Beweisaufnahme wies der Berufungswerber erstmals darauf hin, es möge doch berücksichtigt werden, dass er zum Unfallszeitpunkt nicht 1,3 g/l BAK gehabt und daher zufolge eines eingeholten Sachverständigengutachtens das beim Bezirksgericht Judenburg anhängig gewesene Gerichtsverfahren mit einem Freispruch geendet habe.

Aufgrund dieses Vorbringens wurde der Strafakt 3 U 93/99 t des Bezirksgerichtes Judenburg beigeschafft und ergab eine Akteneinsicht, dass zunächst der Antrag auf Bestrafung des Berufungswerbers wegen des Vergehens der Gefährdung der körperlichen Sicherheit nach § 89 (§ 81 Z 2) StGB gestellt wurde, da dieser zur selben Tatzeit und am selben Tatort wie im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren den bereits näher bezeichneten PKW in alkoholisiertem Zustand (1,3 Promille) gelenkt habe, wodurch er von der Fahrbahn abgekommen und gegen mehrere kleine Bäume geprallt sei. Durch dieses Verhalten sei eine konkrete Gefahr für die Gesundheit der Beifahrer M S und J K bewirkt worden.

Die für den 01.07.1999 anberaumte Hauptverhandlung vor dem Bezirksgericht Judenburg wurde in der Folge zwecks Einholung eines Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen zur Überprüfung und Rückrechnung des Alkoholgrades zum Zeitpunkt des Unfalls vertagt. Im Gutachten des Sachverständigen Univ. Prof. Dr. L wurde u.a. ausgeführt, dass sich unter Abzug des behaupteten Nachtrunks im Unfallszeitpunkt jede BAK zwischen 0,6 - 0,85 Promille ergibt. Schließlich erfolgte unter Berücksichtigung dieses Gutachtens eine Einstellung des Gerichtsverfahrens gemäß § 227/1 StPO.

In rechtlicher Hinsicht ist dazu auszuführen:

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass mit dem angefochtenen Straferkenntnis der belangten Behörde eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, weshalb über die Berufung gemäß § 51 c VStG der Unabhängige Verwaltungssenat als Kammer entscheidet.

Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 05.12.1996, Zl. G 9/96-12 u.a., ausgesprochen hat, bildet neben der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs 1 lit a StVO das Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit Rücksicht auf § 81 Z 2 StGB auch in zahlreichen, vom Strafgericht zu ahndenden Deliktsfällen ein bedeutsames tatbestandliches Qualifikationskriterium und damit einen wesentlichen Gesichtspunkt im Sinne des Urteils des EGMR vom 23.10.1995.

Mit dem zuletzt zitierten Urteil wurde u.a. jedoch ein Verstoß gegen Art. 4 des 7. ZPERMK ausdrücklich dann bejaht, wenn von zwei Strafbehörden (Strafgericht und Verwaltungsstrafbehörde) gerade unter dem Gesichtspunkt (aspect) der Alkoholisierung zwei unterschiedliche Beurteilungen stattfinden, somit faktisch "in ein- und derselben Angelegenheit" unterschiedlich entschieden wird. Des Weiteren hat der EuGH mit Urteil vom 30.07.1998, 84/1997/868 (Fall Oliveira), festgestellt, dass eine unzulässige Doppelbestrafung jedenfalls dann vorliegt, wenn zwei unterschiedliche Gerichte zu miteinander nicht in Einklang zu bringenden Feststellungen über den Blutalkoholspiegel einer Person gelangen.

Dieser Blutalkoholspiegel ist aber für den gerichtlich verfolgten Tatbestand das Qualifikationsmerkmal, für das vorliegende Verwaltungsstrafverfahren nach § 5 Abs 1 StVO das wesentliche Tatbestandskriterium.

Auf den Anlassfall bezogen ergibt sich, dass vom Bezirksgericht Judenburg und von der belangten Behörde gleichlautend davon ausgegangen wurde, dass der nunmehrige Berufungswerber in alkoholisiertem Zustand (BAK 1,3 g/l) ein Fahrzeug gelenkt habe, wobei jedoch das Strafgericht - rechtskräftig vor Erlassung dieser Berufungsentscheidung - zu einer Verfahrenseinstellung gelangte, zumal sich laut Sachverständigengutachten für den Unfallszeitpunkt jede BAK zwischen 0,6 - 0,85 Promille ergeben hat.

Die erkennende Behörde sieht daher im Lichte der zitierten Judikatur jedenfalls eine Bindung an die vom Strafgericht angenommene Bandbreite der Blutalkoholkonzentration auch für ihr Verfahren als gegeben. Daraus folgt, dass eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs 1 StVO nicht erwiesen ist, da eine solche - mangels sonstiger, auch seitens des Strafgerichtes nicht festgestellter Indikatoren für eine Fahruntüchtigkeit in Verbindung mit Alkohol - erst ab einer BAK von 0,8 Promille oder mehr angenommen werden kann.

In diesem Sinne konnten die Anhaltspunkte für die Unglaubwürdigkeit der Nachtrunkbehauptungen in der Beweiswürdigung nicht mehr berücksichtigt werden.

Unter Zugrundelegung einer BAK von 0,6 - 0,85 Promille kann allenfalls (nur) eine Verwaltungsübertretung des Führerscheingesetzes vorliegen, deretwegen der Berufungswerber nicht verfolgt wurde. Der Berufungsbehörde ist es aber verwehrt, den als erwiesen angenommenen Sachverhalt nach § 66 Abs 4 AVG auszuwechseln (siehe VwGH 15.03.1979, 3055/78 u.a.).

Nachdem somit Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen (§ 45 Abs 1 Z 3 VStG), war spruchgemäß zu entscheiden, der Berufung Folge zu geben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren nach Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses der belangten Behörde einzustellen.

Schlagworte
Alkoholisierung Menschenrechtskonvention Blutalkoholwert Bindungswirkung
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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