TE UVS Wien 2000/07/07 03/P/42/5493/2000

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Veröffentlicht am 07.07.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag Mag Dr Tessar über die Berufung des Herrn Eugen-Gheorghe E gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Innere Stadt, vom 27.4.2000, S 157.577/S/99, wegen Übertretung der §§ 1) 103 Abs 1 iVm 14 Abs 4 KFG und 2) 81 Abs 1 SPG, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren hinsichtlich Spruchpunkt 1) gemäß § 45 Abs 1 Z 1 VStG und hinsichtlich Spruchpunkt 2) gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt. Der Berufungswerber hat daher gemäß § 65 VStG keinen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens zu leisten.

Text

Der Schuld- und Strafausspruch des erstinstanzlichen Straferkenntnisses lautet wie folgt:

?Sie haben am 05.10.1999 um 15.24 Uhr in Wien, H-platz auf dem Parkplatz O als Zulassungsbesitzer des KFZ mit dem Kennzeichen W-69 1.) nicht dafür gesorgt, dass das Fahrzeug den in Betracht kommenden Vorschriften entspricht, da die hintere rechte Bremsleuchte nicht funktionierte und 2.) durch das Schreien der Wörter wie ?Die Polizei in Österreich und der Staat Österreich, ist sowieso scheiße und nur die Ausländer müssen immer bezahlen.?

die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt gestört.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

1.) § 103 Abs 1 iVm § 14 Abs 4 KFG, 2) § 81 Abs 1 SPG Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende

Strafen verhängt:

Geldstrafe von ad 1.) und 2.) je S 1.200,--, Betrag in Euro 87,21, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von ad 1.) und

2.)

je 72 Stunden gemäß ad 1.) § 134 KFG, ad 2.) § 81 SPG"

Gegen dieses Straferkenntnis richtet sich die vorliegende Berufung, in der der Berufungswerber im Wesentlichen vorbringt, keine strafbare Handlung begangen zu haben.

Am 15.10.1999 erfolgte durch die erstinstanzliche Behörde eine Anzeige, in welcher dem Berufungswerber zur Last gelegt wurde, das gegenständliche KFZ mit defekter Rückleuchte verwendet zu haben. Zudem habe er durch die laut ausgesprochenen Worte:

?Die Polizei in Österreich und der Staat Österreich, ist sowieso Scheiße und nur die Ausländer müssen immer bezahlen.? die öffentliche Ordnung gestört. Der Berufungswerber habe sich, nachdem er dies gesagt hatte und beruhigend auf ihn eingeredet worden wäre, beruhigt.

Mit Strafverfügung vom 23.11.1999 wurde dem Berufungswerber vorgeworfen, § 103 Abs 1 KFG iVm § 14 Abs 4 KFG und § 81 Abs 1 SPG verletzt zu haben.

Mit Schriftsatz vom 13.12.1999 erhob der Berufungswerber fristgerecht Einspruch.

Anlässlich seiner Vernehmung vor der Erstbehörde am 18.1.2000 brachte der Berufungswerber vor, dass die rechte hintere Bremsleuchte funktioniert habe.

Anlässlich des Berichtes des Meldungslegers RvI Alexander G vom 10.2.2000 gab dieser zu Protokoll, dass die von ihm in der Anzeige getätigten Angaben der Wahrheit entsprechen.

Da im bekämpften Bescheid nicht eine ÖS 3.000.- übersteigende Geldstrafe verhängt worden ist und weiters die Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich verlangt worden ist, konnte gemäß § 51e Abs 3 Z 3 VStG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

DER UNABHÄNGIGE VERWALTUNGSSENAT HAT ERWOGEN:

Zu Spruchpunkt 1):

Festgestellt wird, dass zum Tatzeitpunkt die rechte hintere Bremsleuchte des obangeführten, auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellten Fahrzeuges nicht funktioniert hatte.

Diesen Sachverhaltsfeststellungen wurden die Aussagen und Darlegungen des Meldungslegers aus folgenden Gründen zugrundegelegt:

Für den Unabhängigen Verwaltungssenat Wien gab es keinen Grund, den in der Anzeige vorgebrachten, in allen wesentlichen Punkten widerspruchsfreien, schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegungen des Meldungslegers nicht zu folgen, zumal erstens kein Grund einsichtig ist, weshalb der Meldungsleger wahrheitswidrige Angaben machen hätte sollen und zweitens sich aus dem Akt kein Anhaltspunkt ergibt, dass der Meldungsleger durch die Angaben anlässlich der Anzeige den Berufungswerber (=eine diesem unbekannte Person) hätte wahrheitswidrig belasten wollen (vgl VwGH 2.3.1994, Zl 93/03/0203. 93/03/0276). Im Übrigen unterliegt der Meldungsleger aufgrund des von ihm abgelegten Diensteides und seiner Stellung als hoheitliches Organ im Falle einer Anzeigenlegung der Wahrheitspflicht, sodass ihn im Falle der Verletzung dieser Wahrheitspflicht straf- und dienstrechtliche Sanktionen treffen würden (vgl VwGH 28.11.1990, 90/03/0172).

Zudem konnte ihm als qualifiziertem und eigens geschultem Organ zugebilligt werden, derartige Wahrnehmungen zu treffen und hierüber zutreffend Bericht zu erstatten (vgl VwGH 28.11.1990, 90/03/0172).

rechtliche Würdigung:

§ 103 Abs 1 Z 1 KFG lautet:

"Der Zulassungsbesitzer

1. hat dafür zu sorgen, dass das Fahrzeug (der Kraftwagen mit Anhänger) und seine Beladung - unbeschadet allfälliger Ausnahmegenehmigungen oder -bewilligungen - den Vorschriften dieses Bundesgesetzes und der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen entspricht;?

§ 18 Abs 1 KFG lautet:

"Mehrspurige Fahrzeuge, abgesehen von den in § 15 geregelten Fahrzeugen und ausgenommen die Fälle des Abs 2 müssen hinten mit zwei Bremsleuchten ausgestattet sein. Die Anbringung einer zusätzlichen mittleren hochgesetzten Bremsleuchte oder eines Paares zusätzlicher hochgesetzter Bremsleuchten ist zulässig. Bremsleuchten sind Leuchten, mit denen beim Betätigen der Betriebsbremsanlage (§ 6 Abs 3), bei Anhängern der Betriebsbremsanlage des Zugfahrzeuges, rotes Licht ausgestrahlt wird (Bremslicht). Dieses Licht muss sich vom Schlusslicht (§ 14 Abs 4) durch größere Lichtstärke deutlich unterscheiden."

Unter Zugrundelegung der getätigten Sachverhaltsfeststellungen wurde sohin das dem erstinstanzlichen Straferkenntnis zugrundeliegende Tatbild des § 103 Abs 1 Z 1 iVm § 18 Abs 1 (daher nicht iVm § 14 Abs 4) KFG erfüllt.

Gemäß § 5 Abs 1 VStG genügt, wenn eine verwaltungsstrafrechtliche Vorschrift über das Verschulden nichts anderes bestimmt, zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten. Fahrlässig handelt gemäß § 6 Abs 1 StGB, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist und die ihm auch zuzumuten ist, und deshalb nicht erkennt, dass er einen Sachverhalt verwirklichen könne, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht. Bei Prüfung des Vorliegens eines Verschuldens ist zunächst maßgebend, welches Maß an Sorgfalt den Umständen nach zur Vermeidung des tatbildmäßigen Unrechts objektiv geboten und pflichtgemäß aufzuwenden ist. Hier handelt es sich um jene Sorgfalt,  wie sie ein mit den rechtlich geschützten Werten angemessen verbundener, besonnener und einsichtiger Mensch in der Lage des Täters aufwenden würde, um die Gefahr einer Rechtsgutbeeinträchtigung zu erkennen und hintanzuhalten. In Ermangelung einschlägiger Vorschriften richtet sich das Maß der einzuhaltenden objektiven Sorgfalt nach dem, was von einem sich seiner Pflichten gegen die Mitwelt bewussten, dem Verkehrskreis des Täters angehörigen Menschen billigerweise verlangt werden kann (vgl Foregger-Serrini, StGB S 43; VwGH 23.2.1996; 95/17/0491).

Mangels einer eigens bestimmten Verschuldensform reicht zur Übertretung der der angelasteten Verwaltungsübertretung zugrundeliegenden Rechtsnorm sohin Fahrlässigkeit aus. Im konkreten Fall wird dem Berufungswerber als Verschulden vorgeworfen, ein abgestelltes und nicht in Betrieb stehendes bzw genommenes Fahrzeug nicht auf die Funktionstüchtigkeit der Bremsleuchten überprüft zu haben.

Eine derartige Verpflichtung ist aber nach Ansicht der erkennenden Behörde einem Zulassungsbesitzer nicht zumutbar, zumal eine solche Verpflichtung zur absurden Konsequenz führen würde, dass ein Zulassungsbesitzer während der gesamten Zeit der Abstellung eines Fahrzeuges verpflichtet wäre, dieses ständig in Betrieb zu nehmen, um sodann die Bremsleuchten (welche ja nur bei einem im Betrieb stehenden Fahrzeug überprüft werden können) auf ihre Funktionstüchtigkeit überprüfen zu können.

Nach Ansicht der erkennenden Behörde kann daher von einem Zulassungsbesitzer nicht verlangt werden, zu jedem Zeitpunkt sich vom ordnungsgemäßen Zustand seines Fahrzeuges vergewissern zu müssen.

Die Kenntnis eines nicht vorhersehbaren Fahrzeugmangels, welcher zum Zeitpunkt der Beendigung des letzten Fahrzeugbetriebes noch nicht bestanden hatte, kann nämlich von einem Zulassungsbesitzer erst ab dem Zeitpunkt der neuerlichen Fahrzeuginbetriebnahme gefordert werden.

Unter Zugrundelegung des im Verwaltungsstrafverfahren allgemein gültigen Rechtsgrundsatzes "in dubio pro reo" darf nur dann eine Bestrafung erfolgen, wenn mit der für eine strafrechtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststeht, dass das der Verurteilung zugrundeliegende strafbare Verhalten auch tatsächlich von der beschuldigten Person schuldhaft verwirklicht worden ist. Als Voraussetzung für die Verhängung einer Verwaltungsstrafe ist daher das Vorliegen eines Verhaltens, welches als schuldhaft gesetzt zu qualifizieren ist.

Im vorliegenden Fall ist diese erforderliche Sicherheit jedenfalls als

nicht gegeben anzusehen. Vielmehr gibt es keinen Anhaltspunkt, dass der gegenständliche Leuchtendefekt bereits zum Abstellzeitpunkt vorgelegen war. Auch ist der Zeitpunkt des Eintritts

eines Leuchtendefektes grundsätzlich unvorhersehbar. Zudem besteht kein Anlass zur Annahme, dass der Berufungswerber vom Vorliegen des Leuchtendefektes Kenntnis hatte bzw den Zeitpunkt des Eintritts dieses Defektes vorhersehen hätte können. Mangels Vorliegens der für eine verwaltungsstrafrechtliche Verurteilung erforderlichen Gewissheit, ob der Berufungswerber die im erstinstanzlichen Straferkenntnis angelastete Verwaltungsübertretung tatsächlich schuldhaft begangen hat, war sohin das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich des Spruchpunktes 1) zu beheben und das Strafverfahren hinsichtlich dieses Spruchpunktes mangels ausreichender Taterweisung einzustellen.

zu Spruchpunkt 2)

§ 81 Abs 1 SPG lautet:

"Wer durch besonders rücksichtsloses Verhalten die öffentliche Ordnung ungerechtfertigt stört, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen. Anstelle einer

Geldstrafe kann bei Vorliegen erschwerender Umstände eine Freiheitsstrafe bis zu einer Woche, im Wiederholungsfall bis zu zwei Wochen verhängt werden."

In den Erläuterungen der Regierungsvorlage (148 BlgNR 18.GP) zur Beschlussfassung des Sicherheitspolizeigesetzes (BGBl 566/1991) wird bezüglich des § 81 SPG ua wie folgt ausgeführt:

"Die Tatbestandsumschreibung entspricht in ihrem Aufbau jener des Art IX Abs 1  Z 1, die Strafbarkeit wurde jedoch in zwei Punkten inhaltlich zurückgenommen. Nach geltendem Recht ist für die Störung der Ordnung ein Verhalten gefordert, das Ärgernis zu erregen geeignet ist; diese Formulierung stellt bereits auf die Einschätzung durch andere und nicht auf die Intention des Täters ab. Dass insbesondere diese maßgeblich ist, soll nunmehr durch die Wendung "besonders rücksichtloses Verhalten" verstärkt zum Ausdruck gebracht werden. Außerdem soll auch entscheidend sein, ob es eine Rechtfertigung für die Störung der Ordnung gibt. Hier wären insbesondere Verhaltensweisen zu berücksichtigen, die der Täter in Ausübung seiner Grund und Freiheitsrechte gesetzt hat."

In den og Erläuterungen wird zudem zu § 82 SPG wie folgt ausgeführt:

"Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (zB Erkenntnis vom 11. November 1985, 24/10/0227) "ein Verhalten, das im unbefangenen Beobachter nicht nur den Eindruck des Unerlaubten, sondern auch des Schändlichen hervorruft", gegenüber einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes als Ordnungsstörung zu bestrafen ist, kann es in diesem Bereich zu einer nicht erwünschten Kumulation kommen. Dementsprechend wurde vorgesehen, dass Bestrafungen gemäß §§ 82 und 81 einander ausschließen."

Hinsichtlich des § 81 SPG führt Ewald Wiederin (Einführung in das Sicherheitspolizeirecht; Wien 1988; S 151) aus wie folgt:

"Dieser den Art IX Abs 1 Z 1 EGVG ablösende Tatbestand besteht aus zwei Elementen: der Täter muss 1) durch ein besonders rücksichtsloses Verhalten 2) ungerechtfertigt die öffentliche Ordnung stören.

Besondere Rücksichtslosigkeit meint einen gesteigerten Zumutungsgehalt des Verhaltens im Sinne einer Negation der Interessen anderer an einem friedlichen sozialen Nebeneinander.

(...)

Zweitens muss das Verhalten eine Störung der öffentlichen Ordnung verursachen. Die Ordnungsstörung ist ein Erfolgsdelikt:

Das Verhalten ist ungeachtet seiner Rücksichtslosigkeit nur strafbar, wenn es eine Beeinträchtigung der Ordnung an einem öffentlichen Ort tatsächlich nach sich gezogen hat. Dies setzt die Anwesenheit zumindest einer weiteren Person voraus (UVS Vlbg 10.5.1996, 1-0011/96). (...)

Dass schließlich die Störung ungerechtfertigt sein muss, bedeutet ..., dass bei Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes die Strafbarkeit entfällt (vgl § 6 VStG)."

Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung (§ 32 Abs 2) vorgenommen worden ist.

Nach Abs 2 beträgt die Verjährungsfrist bei den Verwaltungsübertretungen der Gefährdung, Verkürzung oder Hinterziehung von Landes- und Gemeindeabgaben ein Jahr, bei allen anderen Verwaltungsübertretungen sechs Monate. Diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat. Ist der zum Tatbestand gehörende Erfolg erst später eingetreten, so läuft die Frist erst von diesem Zeitpunkt. Nach § 32 Abs 2 VStG ist Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (Ladung, Vorführungsbefehl, Vernehmung, Ersuchen um Vernehmung, Auftrag zur Ausforschung, Strafverfügung udgl), und zwar auch dann, wenn die Behörde zu dieser Amtshandlung nicht zuständig war, die Amtshandlung ihr Ziel nicht erreicht oder der Beschuldigte davon keine Kenntnis erlangt hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, unterbricht eine Verfolgungshandlung nur dann die Verjährung, wenn in ihr der Beschuldigte konkretisiert ist und in

ihr alle gemäß § 44a VStG erforderlichen Tatbildmerkmale angeführt sind (vgl Hauer W, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage 1996, § 32 VStG Anm 1, S 923f sowie ua VwGH-verst Senat 19.10.1978, Slg NF Nr 9664/A und VwGH 19.6.1990, 89/04/0266; 23.3.1988, 87/02/0181). Dabei ist zur Beantwortung der Frage, ob Verjährung im Sinne des § 31 Abs 1 VStG eingetreten ist, von der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a Z1 VStG auszugehen (vgl hiezu ua das Erkenntnis vom 19.6.1990 Zl 89/04/0266) und das dem Beschuldigten zur Last gelegte Handeln unter Berücksichtigung sämtlicher gemäß § 44a Z 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufzunehmenden Tatbestandselemente der verletzten Verwaltungsvorschrift gemäß § 44a Z 2 VStG näher zu konkretisieren und individualisieren (vgl VwGH 22.12.1992, Zl 91/04/0199).

Nach § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.

Gemäß § 44 a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erkannt, dass es nach dieser Bestimmung rechtlich geboten ist, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

1.) die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,

2.) die Identität der Tat (zB nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Was den vorstehenden Punkt 1.) anlangt, sind entsprechende, dh in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können. Wenn ein Tatbild nicht typischerweise nur durch eine bestimmte Handlung verwirklicht werden kann, ist insbesondere detailliert anzuführen, durch welches Verhalten er das Tatbild gesetzt hat (vgl VwGH 5.12.1983, 82/10/125). Was den vorstehenden Punkt 2.) anlangt, muss entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl ua VwGH-verst Senat 13.6.1984, Slg. 11466A)

a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat insoweit in konkretisierter Umschreibung zum Vorwurf gemacht werden, dass der Beschuldigte in die Lage versetzt wird, im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren und gegebenenfalls im außerordentlichen Verfahren (Wiederaufnahmeverfahren) auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

b) der Spruch geeignet sein, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden).

Zu den wesentlichen Tatbestandsmerkmalen zählen insbesondere die Angabe des genauen Tatortes, der Tatzeit und des konkreten vorgeworfenen Verhaltens. Aus dem konkretisierten Verhaltensvorwurf müssen alle angelasteten Tatbildmerkmale ableitbar sein. Zudem muss im Spruch das Verhalten in den Fällen, in welchen ein Tatbildmerkmal durch verschiedene Verhaltensweisen verwirklicht werden kann, derart konkretisiert werden, dass klar ersichtlich ist, durch welche der möglichen Verhaltensweisen das konkret vorgeworfene Tatbildmerkmal verwirklicht worden ist.

Wenn auch ein übertriebener Formalismus bei der Konkretisierung hinsichtlich des tatbildmäßigen Verhaltens, des Tatorts und der Tatzeit fehl am Platz ist, so ist es doch erforderlich, Verhalten, Tatort und Tatzeit möglichst präzise anzugeben. Jedenfalls aber ist innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist durch eine Verfolgungshandlung jedes Tatbildmerkmal der zur Last gelegten Übertretungsnorm zusätzlich zur Anführung der verba legalia derart zu konkretisieren, dass genau anzuführen ist, durch welche Tatsachenannahme das jeweilige Tatbildmerkmal nach Ansicht der Behörde verwirklicht worden ist.

Aus den Gesetzesmaterialien zur Stammfassung des Sicherheitspolizeigesetzes ist ersichtlich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers der Tatbestand des § 81 Abs 1 SPG sich aus zwei Elementen zusammensetzt.

Einerseits muss der Täter ein besonders rücksichtsloses Verhalten setzen; zweitens muss er dadurch ungerechtfertigt die öffentliche Ordnung stören.

Somit hat eine taugliche Verfolgungshandlung sowohl den durch entsprechende Ausführungen konkretisierten Vorwurf des besonders rücksichtslosen Verhaltens als auch den durch entsprechende Ausführungen konkretisierten Vorwurf, durch dieses Verhalten ungerechtfertigt die öffentliche Ordnung gestört zu haben, enthalten.

Diesen Erfordernissen wurde im vorliegenden Fall jedoch nicht genüge getan, zumal dem Berufungswerber bislang nicht (und daher auch nicht innerhalb der Verfolgungsverjährungsfrist) das iSd § 44 a VStG durch entsprechende Ausführungen konkretisierte wesentliche Tatbildmerkmal des ?besonders rücksichtslosen Verhaltens? bzw der ?Intention, ein öffentliches Ärgernis zu erregen?

vorgeworfen worden ist.

Es war sohin das erstinstanzliche Straferkenntnis hinsichtlich Spruchpunkt 2) zu beheben und das Verfahren hinsichtlich dieses Spruchpunktes einzustellen.

Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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