Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Cornelia Meixner über die Berufung des Herrn G K S, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 27.9.1999, GZ.: III/S-12.032/99, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird die Berufung abgewiesen.
Gemäß § 64 Abs 1 und 2 VStG hat der Berufungswerber als Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens einen Betrag von S 200,-- (EUR 14,53) binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Mit dem aus dem Spruch ersichtlichen Straferkenntnis wurde dem Berufungswerber zur Last gelegt, er habe am 19.3.1999 um ca.
16.45 Uhr in Graz, Mondscheingasse Nr. 9 als Lenker des PKW mit dem Kennzeichen dieses nach Verlassen des Fahrzeuges nicht so abgesichert, dass ein Abrollen verhindert worden wäre, da es zu gegenständlichem Verkehrsunfall kam.
Wegen Verletzung der Rechtsvorschrift des § 23 Abs 5 StVO wurde über den Berufungswerber gemäß § 99 Abs 3 lit a StVO eine Geldstrafe in der Höhe von S 1.000,-- (36 Stunden Ersatzarrest) verhängt.
In der innerhalb offener Frist gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vom Berufungswerber im Wesentlichen vorgebracht, dass er sein Fahrzeug nicht verlassen, sondern sich in diesem befunden habe. Er habe durch die geöffnete Seitenscheibe mit einer Dame gesprochen und dabei leider die Parkstellung am Automatikgetriebe nicht aktiviert, weshalb sich das Fahrzeug in Bewegung gesetzt hätte.
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere der fortgesetzten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung vom 4.4.2000 und 21.6.2000 wird nachstehender Sachverhalt festgestellt:
Am 19.3.1999 gegen 16.45 Uhr lenkte der Berufungswerber seinen mit Automatikgetriebe ausgestatteten PKW der Marke Volvo S40 mit dem behördlichen Kennzeichen in Graz in der Mondscheingasse in Richtung Klosterwiesgasse. Die Mondscheingasse verläuft in annähernd nord-südlicher Richtung und weist ca. in der Mitte eine leichte Rechtskurve auf. In diesem Bereich mündet von links die Zufahrt zum Objekt Mondscheingasse Nr. 9 ein; die Gehsteigkante ist in diesem Bereich abgeschrägt. Nördlich der Zufahrt war der Kombi der Marke Renault Express der Frau W T abgestellt, südlich der Einfahrt hatte die Zeugin A L gerade ihr Fahrzeug eingeparkt. Als der Berufungswerber, der einen freien Parkplatz suchte, die Zeugin A L bei geöffneter Fahrertür neben ihrem Fahrzeug stehen sah, lenkte er seinen PKW auf die Zufahrt des Hauses Mondscheingasse Nr. 9 und hielt das Fahrzeug schräg zur ebenen Fahrbahn der Mondscheingasse an. Ohne den Parkinghebel zur Blockade des Getriebes eingestellt und auch ohne die Handbremse angezogen zu haben, öffnete er seine Fahrertür, setzte einen Fuß auf der asphaltierten Zufahrt auf und fragte die Zeugin A L über das Dach seines Fahrzeuges hinweg, ob sie wegfahre. Den zweiten Fuß ließ der Berufungswerber im Fahrzeug, vermutlich zum Teil auf dem Bremspedal. Als der Berufungswerber in dieser Position stand, setzte sich sein Fahrzeug in Bewegung und rollte zurück auf die Fahrbahn der Mondscheingasse. Der Berufungswerber wurde von der
geöffneten Fahrertür zu Boden gedrückt und geriet mit dem linken Bein unter sein Fahrzeug. In der Folge überfuhr das linke Vorderrad sein linkes Knie und kam das Fahrzeug zum Stillstand als es mit dem linken hinteren Eck das rechte vordere Eck des Renault Express berührte. Im Zuge dieses Verkehrsunfalles erlitt der Berufungswerber eine Prellung des linken Sprunggelenkes, eine Hautabschürfung am linken Unterschenkel und eine Brustkorbprellung; an beiden Fahrzeugen entstand kein Schaden. Ob der Berufungswerber den Retourgang bereits vor dem Verlassen seines Fahrzeuges eingelegt hatte oder ob er diesen im Zuge des Sturzes mit seinem rechten Bein unabsichtlich arretierte, mag im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens dahingestellt bleiben, wie auch die Frage, ob der Berufungswerber mit seinem rechten Fuß tatsächlich auf dem Bremspedal stand.
Beweiswürdigung:
Diese Feststellungen konnten vor allem aufgrund der glaubwürdigen Angaben der dem Berufungswerber vor diesem Vorfall persönlich nicht bekannten Zeugin A L getroffen werden. Diese Zeugin, die erst nach Androhung der Vorführung zur fortgesetzten öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung erschien und erst nach Belehrung über ihre Zeugenpflichten bereit war, ihre Aussage zu tätigen, da sie den Berufungswerber wegen dieses bereits einige Zeit zurückliegenden Vorfalles nicht belasten wollte, gab überzeugend an, dass der Berufungswerber mit ihr über sein Autodach hinweg gesprochen hat. Begründend führte sie aus, dass sie seine Frage weder durch die geöffnete, ihrem Fahrzeug abgewandte Fahrertür, noch durch das geöffnete rechte Seitenfenster des Fahrzeuges des Berufungswerbers hätte wahrnehmen können, da sie auf einem Ohr schlecht hört und außerdem gerade dabei war, ihre Tochter aus dem Fahrzeug zu heben. Ein Gespräch über das Autodach ist aber nur bei einem zumindest teilweisen Aussteigen aus dem Fahrzeug möglich, da ein Gespräch über das Autodach hinweg vom Sitz hinter dem Lenkrad im Hinblick auf das Alter und die Körpergröße des Berufungswerbers ausgeschlossen werden kann.
Auch ist es in diesem Fall nicht erklärbar, wie das linke Bein des Berufungswerbers unter das linke Vorderrad seines Fahrzeuges geraten konnte, da es bei einem Sturz aus dem Fahrzeug vom Fahrersitz aus nach den Erfahrungen des täglichen Lebens zu Verletzungen im Kopfbereich oder an den Armen gekommen wäre. Das Vorbringen des Berufungswerbers, er sei während der Rückwärtsbewegung des Fahrzeuges von der offenen Tür aus seinem Fahrzeug hinausgeschoben - hinausgesogen - worden, da er beim Hinausbeugen seinen Schwerpunkt aus dem Fahrzeug hinausverlagert hätte, vermochte ebenfalls nicht zu überzeugen. Die entscheidende Behörde schenkt daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung der Darstellung der Zeugin A L mehr Glauben, als den Angaben des Berufungswerbers, da diese einen äußerst glaubwürdigen Eindruck erweckte und ihre Aussagen im Unterschied zu jenen des Berufungswerbers schlüssig und gut nachvollziehbar waren.
Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 23 Abs 5 StVO hat der Lenker, bevor er das Fahrzeug verlässt, es so zu sichern, dass es nicht abrollen kann. Aus dieser gesetzlichen Bestimmung ergibt sich, dass die Sicherungsmaßnahme durch den Lenker zu tätigen ist, bevor er das Fahrzeug verlässt. "Verlassen des Fahrzeuges" ist - je nach dem Fahrzeugtyp - ein verschiedener Vorgang, der jedenfalls dann vorliegt, wenn sich der Lenker soweit vom Fahrzeug entfernt hat, dass er die - feststellbare - Bremse nicht mehr wirksam betätigen kann. Welche konkreten Sicherungsmaßnahmen zu setzen sind, überlässt das Gesetz dem Lenker. Dieser hat daher nach sorgfältiger Prüfung die in der jeweiligen Verkehrsituation erforderlichen, wirksamen Maßnahmen zu setzen. Maßgebend sind dabei der Fahrzeugtyp, das Gesamtgewicht eines Fahrzeuges sowie die Straßen- und Witterungsverhältnisse, insbesondere das Gefälle des betreffenden Straßenstücks. Bei Beurteilung der Frage, ob ein KFZ-Lenker seiner Verpflichtung zur Sicherung seines Fahrzeug gegen Abrollen nachkommt, ist von objektiven Gesichtspunkten auszugehen. Das Verlassen eines mit den Vorderrädern auf einer zumindest auf Gehsteigniveau erhöhten Zufahrt abgestellten Fahrzeuges ohne die Parking-Position eingestellt zu haben, stellt jedenfalls eine Verletzung dieser gesetzlichen Bestimmung dar. Der Berufungswerber hat daher die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung subjektiv und objektiv zu verantworten.
Dem Vorbringen des Berufungswerbers, er sei bereits wegen Benützung eines Gehsteiges bestraft worden, ist entgegen zu halten, dass eine Verletzung nach § 8 Abs 4 StVO und des § 23 Abs 5 StVO zwei unabhängig voneinander begehbare Verwaltungsübertretungen darstellen, die auch gesondert zu ahnden sind.
Strafbemessung:
Gemäß § 19 Abs 1 VStG ist Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
§ 23 Abs 5 StVO ist eine Schutznorm im Sinne des § 1311 ABGB die dazu bestimmt ist, zufälligen Beschädigungen durch ein abrollendes Fahrzeug wirksam vorzubeugen. Durch das festgestellte Verhalten hat der Berufungswerber diesen Schutzzweck verletzt.
Neben den objektiven Kriterien des Unrechtsgehaltes der Tat kommt im ordentlichen Verfahren als Strafbemessungsgrundlage die Prüfung der subjektiven Kriterien des Schuldgehaltes der Tat, somit auch die in der Person des Beschuldigten gelegenen Umstände, hinzu. Gemäß § 19 Abs 2 VStG sind im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) daher die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Erschwerungsgründe oder Milderungsgründe liegen keine vor. Zum Ausmaß des Verschuldens ist festzustellen, dass gemäß § 5 VStG zur Strafbarkeit bereits fahrlässiges Verhalten genügt. Dem Berufungswerber ist es mit seinem Vorbringen nicht gelungen, mangelndes Verschulden darzulegen.
Unter Berücksichtigung des Unrechtsgehaltes der Tat sowie der bereits angeführten objektiven und subjektiven für die Strafbemessung entscheidenden Kriterien erscheint die von der Erstbehörde verhängte Strafe schuld- und tatangemessen und auch den vom Berufungswerber anlässlich der öffentlichen, mündlichen Berufungsverhandlung vom 4.4.2000 bekannt gegebenen Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnissen angepasst.
Die Festsetzung des Kostenbeitrages zum Verwaltungsstrafverfahren zweiter Instanz ergibt sich aus § 64 VStG, wonach im Fall der vollinhaltlichen Bestätigung des Straferkenntnisses erster Instanz durch die Berufungsbehörde dieser Betrag mit 20 % der verhängten Strafe festzusetzen ist.