Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch den Vorsitzenden Dr. Gert Ebner über die Beschwerde des Herrn H. S., XY, vertreten durch Herrn Rechtsanwalt Dr. P. L., XY, vom 09.12.1999 gegen die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als belangte Behörde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Gendarmeriebeamte des Gendarmerieposten Matrei
a. Br. am 03.11.1999 um 14.40 Uhr auf der B 182 im Gemeindegebiet von Matrei a.Br. und am 05.11.1999 um 17.00 Uhr auf der B 182 im Gemeindegebiet von Mühlbachl wie folgt:
Gemäß § 67a Abs 1 Z 2 AVG und § 67c Z 3 AVG wird die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Gendarmeriebeamte des Gendarmerieposten Matrei a.Br. am 03.11.1999 um 14.40 Uhr und am 05.11.1999 um 17.00 Uhr für rechtswidrig erklärt.
Gemäß § 79a Abs 1, 2, 4 und 6 AVG iV mit der Aufwandersatzverordnung Unabhängiger Verwaltungssenat in Tirol, BGBl. Nr 855/1995, hat die belangte Behörde dem obsiegenden Beschwerdeführer den Schriftsatzaufwand von 2 x Schilling 8.400,00, zusammen somit Schilling 16.800,00 (EURO 1220,90), sowie die Stempelgebühren in Höhe von Schilling 180,00 (EURO 13,08), zu ersetzen.
Der Gesamtbetrag von Schilling 16.980,00 (EURO 1233,99) ist binnen zwei Wochen nach Bescheidzustellung zu Handen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers anzuweisen.
Mit Eingabe vom 09.12.1999, beim Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol eingelangt am 13.12.1999, erhob H. S. nachstehende Beschwerde gemäß Artikel 129a Abs 1 Z 2 B-VG.
?I. Sachverhaltsdarstellung
a)
Der Beschwerdeführer befuhr am 03.11.1999, 14.40 Uhr, mit dem Sattelzug, polizeiliches Kennzeichen XY samt Sattelauflieger, polizeiliches Kennzeichen, XY die B 182 im Gemeindegebiet von Matrei
a. Br. in Richtung Norden. Der Beschwerdeführer hatte von seinem Arbeitgeber den Auftrag erhalten, den Gewerbestandort der Fa. M. I. Transporte in Schönberg, Unterberg, anzufahren, um dort Paletten zuzuladen.
b)
Weiters fuhr der Beschwerdeführer am 05.11.1999, 17.00 Uhr, mit der Sattelzugmaschine, polizeiliches Kennzeichen XY, und dem Sattelauflieger, polizeiliches Kennzeichen XY, ebenfalls auf der B 182 im Gemeindegebiet von Mühlbachl in Richtung Norden, um wiederum im Gewerbestandort der Fa. M. I. Transporte über Auftrag seines Arbeitgebers Paletten zuzuladen.
An beiden Tagen wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer Verkehrskontrolle von Gendarmeriebeamten aufgehalten und erhielt am 03.11.1999 vom Gendarmeriebeamten, Herrn Bez.Insp. K., Dienstnummer XY, Gendarmerieposten Matrei a.Br., die Weisung, von der B 182 unverzüglich abzufahren und auf die Autobahn A 13 aufzufahren.
Am 05.11.1999 erhielt der Beschwerdeführer vom Beamten Rev.Insp. K. L. mit der Dienstnummer XY sowie von einem namentlich nicht bekannten Beamten mit der Dienstnummer XY, vermutlich beide vom Gendarmerieposten in Matrei a.Br., die Weisung, von der B 182 abzufahren und die Autobahn A 13 für die Weiterfahrt zu benutzen.
Beweis:beizuschaffender Akt (St-V-12713/99, St-V-12800/99 BPDion Ibk.)
ZV Bez.Insp. K., Dienstnummer XY
ZV Rev.Insp. K. L., Dienstnummer XY
ZV Beamter Dienstnummer XY
Frachtpapiere und Tachographenblatt
PV
II. Beschwerdelegitimation:
Die Anhaltung und die Weisung erfolgten am 03.11.1999 und am 05.11.1999, die 6-wöchige Beschwerdefrist ist daher gewahrt.
Die Beschwerdelegitimation ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in verfassungsgesetzlichen als auch in einfachgesetzlichen Rechten verletzt wurde.
III. Beschwerdegründe:
Auf der B 182 besteht aufgrund der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, Zl 4-51/12-99, Nr 745, ein sektorales Fahrverbot. Diese Verordnung wurde am 1. Juli 1999 verlautbart, die hiezu erforderlichen Verkehrszeichen wurden am 09.07.1999 entlang der B 182 aufgestellt.
Zuvor bestand auf der gleichen Strecke eine Verordnung der Bezirkshauptmannschaft, Zl 4-51/1-98 vom 12.10.1998, welche ebenfalls ein sektorales Fahrverbot auf der B 182 normierte. In der Verordnung vom 12.10.1998 war der Gewerbestandort der Fa. M. I. Transporte im Bereich des sektoralen Fahrverbotes gelegen. Durch die nunmehrige, am 1. Juli 1999 erlassene Verordnung, wurde das sektorale Fahrverbot der Gestalt verkürzt, dass nunmehr der Gewerbestandort der Fa. M. I. Transporte außerhalb des sektoralen Fahrverbotes liegt.
Entgegen der Bestimmung des § 94 f lit a Z 3 StVO wurde - obwohl keinerlei Gefahr im Verzuge zu befürchten war - die gesetzliche Interessenvertretung, nämlich die Wirtschaftskammer für Tirol, vor Erlassung der gegenständlichen Verordnung nicht gehört. Dies obwohl maßgebliche Interessen des Beschwerdeführers als auch seines Arbeitgebers durch die nunmehrige Abänderung berührt werden. Dies deshalb, da der Arbeitsplatz des Beschwerdeführers bzw die Betriebsstätte seines Arbeitgebers der Fa. M. I. Transporte, durch die genannte Verordnung nunmehr aus dem Bereich des sektoralen Fahrverbotes fallen würden und demgemäß nicht mehr von den Ausnahmebestimmungen erfasst wären.
Demzufolge ist aber offenkundig, dass die gegenständliche Verordnung Nr 745 gesetzwidrig ist und demnach die Weisung der Beamten an den Beschwerdeführer, die B 182 zu verlassen und die A 13 benützen zu müssen, rechtswidrig war. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt festgestellt hat, ist das Anhörungsrecht der beruflichen Interessensvertretung auch dann verletzt, wenn in einer zuvor bestehenden, ähnlichen Verordnung bereits eine Stellungnahme abgegeben wurde und die berufliche Interessensvertretung für die neuerliche Verordnung in Folge nicht mehr gehört wurde (V 119/88 v. 03.12.1998, V150/94 v. 03.03.1995).
Durch die Anweisung der Gendarmeriebeamten - vermutlich über Auftrag der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck - wurde der Beschwerde in seinem Recht auf Freizügigkeit nach Art 4 StGG, seinem Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit nach Art 6 StGG als auch in seinem Recht gemäß der Bestimmung § 94 f lit a Z 3 StVO verletzt.
IV.
Der Beschwerdeführer stellt sohin aufgrund der obigen Ausführungen an den Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol die Anträge auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung und auf Fällung folgenden Erkenntnisses:
Der Beschwerdeführer ist durch die Weisungen, am 03.11.1999 und am 05.11.1999 mit seinem Sattelzugfahrzeug samt Auflieger von der B 182 abfahren zu müssen und für die Weiterfahrt die Autobahn A 13 benützen zu müssen, durch Organe der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in seinem Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit, auf Freizügigkeit der Person und seinem Recht nach § 94 f lit a Z 3 StVO verletzt worden.
Das Land als Rechtsträger der belangten Behörde ist schuldig, dem Beschwerdeführer gemäß § 79a AVG 1991 die Kosten dieses Verfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Innsbruck, am 09.12.1999 H. S.
An Kosten der vorliegenden Eingabe werden verzeichnet:
Schriftsatzaufwand: Schilling: 8.400,00
Verhandlungsaufwand: Schilling: 10.400,00
Stempelmarke: Schilling: 180,00
zusammen: Schilling: 18.980,00?
Diese Beschwerde wurde der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als belangte Behörde weitergeleitet, die dazu die als Gegenschrift anzusehende Äußerung vom 22.12.1999 mit nachstehendem Inhalt abgab:
?1.
Es ist richtig, dass die genannte Verordnung vom 01.07.1999 nicht den gesetzlichen Interessensvertretungen zur Kenntnis gebracht wurde. Als Begründung hiefür wird angeführt, dass die Verordnung den Worten nach nicht geändert wurde, sondern lediglich der Fahrverbotsbereich für Lastkraftwagen um ca 300 Meter verkürzt wurde. Nach Meinung des Gefertigten ist bei einer Verkürzung eines Fahrverbotes niemand beschwert und erscheint deshalb die Befassung mit Interessensvertretungen nicht nötig. Würde das Fahrverbot gänzlich aufgehoben werden, müsste man hiezu auch keine Interessensvertretung um deren Zustimmung bitten.
2.
Es gibt die klare Weisung seitens der Bezirkshauptmannschaft an die Exekutive, dass bei Fahrten mit Lastkraftwagen, die verbotenerweise entgegen den Bestimmungen der genannten Verordnung vom 01.07.1999 durchgeführt werden, die Lenker zur nächsten Autobahnauffahrt gewiesen werden. Seitens des Gefertigten erscheint die Einvernahme der einschreitenden Gendarmeriebeamten nicht nötig, da fest steht, dass beide Fahrten nicht gemäß der Verordnung berechtigt waren und deshalb die Ableitungen auf die Autobahn zu Recht erfolgt sind.?
Von der erkennenden Behörde wurden die bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck zu St.-V.-12713/99 bzw St.-V.-12800/99 behängenden Verwaltungsstrafakten eingeholt.
Aus dem Akt St.-V.-12713/99 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 03.11.1999 um 14.40 Uhr von Abt.Insp. A. K., Gendarmerieposten Matrei a.Br., auf der B 182 im Ortsgebiet von Matrei a.Br. einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde. Im Hinblick auf das LKW-Fahrverbot auf der B 182 wurde dem Beschwerdeführer von Abt.Insp. K. die Weiterfahrt auf der B 182 untersagt und wurde er in Matrei a.Br. auf die Autobahn A 13 verwiesen. Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer nachgekommen.
Aus dem Akt St.-V.12800/99 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer am 05.11.1999 um 17.00 Uhr auf der B 182 im Ortsgebiet von Mühlbachl von Rev.Insp. H., Gendarmerieposten Matrei a.Br., einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde. Wegen des LKW-Fahrverbotes auf der B 182 wurde dem Beschwerdeführer von Rev.Insp. H. die Weiterfahrt auf der B 182 untersagt und wurde er in Schönberg auf die Brennerautobahn A 13 verwiesen. Dieser Aufforderung ist der Beschwerdeführer nachgekommen.
Das Beschwerdevorbringen wird damit durch den Inhalt der beiden Verwaltungsstrafakte, die bei der Bundespolizeidirektion Innsbruck, anhängig sind, als richtig bestätigt.
In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:
1. Das Einschreiten der beiden Gendarmeriebeamten des Gendarmerieposten Matrei a.Br. in Form der Untersagung der Weiterfahrt auf der B 182 in Richtung Norden und die Verweisung auf die Brennerautobahn A 13 ist als eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu werten und ist der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck als belangter Behörde zuzurechnen.
2. Die gemäß § 67c Abs 1 AVG mit 6 Wochen begrenzte Beschwerdefrist ist gewahrt.
3. Gemäß § 94f Z 1 lit a Z 3 StVO ist vor Erlassung einer Verordnung, außer bei Gefahr im Verzuge, von der Bezirksverwaltungsbehörde die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe anzuhören, wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist eine Verordnung einer Bezirksverwaltungsbehörde, die ohne vorheriges Anhörungsverfahren erlassen worden ist, nicht ordnungsgemäß zustande gekommen und entfaltet damit keine Rechtswirkungen gegenüber den Normadressaten. Verwiesen wird dazu auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 03.12.1988, V 119/88, vom 03.03.1995, V 150/94 ua und vom 07.10.1998, V 62/96. Im letztgenannten Erkenntnis hat der Verfassungsgerichtshof die Verpflichtung zur Anhörung der gesetzlichen Interessenvertretung selbst für den Fall bejaht, dass eine Verordnung einer Bezirksverwaltungsbehörde unverändert neuerlich kundgemacht wird. Der Verfassungsgerichtshof führt dazu auszugsweise Folgendes aus:
?Selbst bei Aufhebung einer straßenpolizeilichen Verordnung und ihrer darauffolgenden unveränderten Neuerlassung ist es nämlich möglich, dass aufgrund der Erfahrungen, welche Mitglieder einer gesetzlichen Interessenvertretung mit einer derartigen Verordnung gemacht haben, von der gesetzlichen Interessenvertretung im Zuge der Neuerlassung ein von ihrer früheren Stellungnahme abweichender Standpunkt vertreten wird.?
4. Die beiden Gendarmeriebeamten des Gendarmerieposten Matrei a.Br. stützten sich bei ihrem Einschreiten am 03.11.1999 und am 05.11.1999 auf die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 01.07.1999, Zahl 4-51/12-99, die im Boten für Tirol unter Nr 745/99 verlautbart worden ist.
Die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck hat in ihrer als Gegenschrift anzusehenden Äußerung vom 22.12.1999 eingeräumt, dass ihre Verordnung vom 01.07.1999 ohne Anhörung der gesetzlichen Interessensvertretung (Wirtschaftskammer - Güterbeförderung) erlassen worden ist. Damit ist die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck vom 01.07.1999 nicht nach einem ordnungsgemäßen Anhörungsverfahren erlassen worden und somit nicht gesetzeskonform zustande gekommen. Sie kann daher nicht als Rechtsgrundlage für die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die zwei Gendarmeriebeamten des Gendarmerieposten Matrei a.Br. am 03.11.1999 und am 05.11.1999 gegenüber dem Beschwerdeführer gelten und belastet deren Einschreiten mit Rechtswidrigkeit.
5. Es war daher der Beschwerde Folge zu geben und waren die angefochtenen Verwaltungsakte gemäß § 67c Abs 3 AVG für rechtswidrig zu erklären.
Zum Aufwandersatz:
Gemäß § 79a Abs 1 AVG hat die im Verfahren nach § 67c AVG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (§ 79a Abs 2 AVG). Gemäß § 79a Abs 4 AVG gelten als Aufwendungen gemäß Abs 1
1.
die Stempel- und Kommissionsgebühren ...
3.
die durch Verordnung des Bundeskanzlers im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festzusetzenden Pauschbeträge für den Schriftsatz- und für den Verhandlungsaufwand
Gemäß § 79a Abs 7 AVG gelten die §§ 52 bis 54 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 auch für den Aufwandersatz nach Abs 1. Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 der Aufwandersatzverordnung UVS, BGBl Nr 855/1995, beträgt der Ersatz für den Schriftsatzaufwand des Beschwerdeführers als obsiegende Partei Schilling 8.400,00. Gemäß § 52 Abs 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz ist die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz, wenn von einem oder mehreren Beschwerdeführern in einer Beschwerde mehrere Verwaltungsakte angefochten werden, so zu beurteilen, wie wenn jeder der Verwaltungsakte in einer gesonderten Beschwerde angefochten worden wäre. Daraus ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer 2 x der Schriftsatzaufwand zuzüglich der Stempelgebühren zuzusprechen ist. Das Einschreiten der beiden Gendarmeriebeamten ist der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck zuzurechnen; da die beiden Gendarmeriebeamten im Rahmen der Straßenpolizei (Art 11 Abs 1 Z 4 B-VG) tätig wurden, trifft die Aufwandersatzpflicht das Land Tirol.
Da keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, ist ein Verhandlungsaufwand nicht zuzusprechen.