Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Klaus Stühlinger über die Berufung des Herrn J F H, G, gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Graz vom 18.05.2000, GZ.: III/S- 22.140/99, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Auf Grundlage des der gemäß § 51 Abs 1 VStG sachlich und örtlich zuständigen Berufungsbehörde vorliegenden Verfahrensaktes der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz ergibt sich folgender Sachverhalt:
Mit dem im Spruch dieses Bescheides näher bezeichneten Straferkenntnis vom 18.05.2000 war über Herrn J F H auf Rechtsgrundlage des § 3 Abs 1 des Landesgesetzes LGBl. Nr. 158/1975 wegen Übertretung des § 1 1. Fall leg. cit. eine Geldstrafe von S 800,--, im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag, verhängt worden, da er am 17.06.1999 um 22.20 Uhr in Graz, im Bereich des Forum-Stadtpark, durch Sitzen auf dem Boden und durch freches, provokantes und ungeziemendes Verhalten gegenüber den einschreitenden SWB den öffentlichen Anstand verletzt hätte. Dieses Straferkenntnis wird im Wesentlichen damit begründet, jenen Zeugen, die einvernommen worden wären, ein strafbares Verhalten jedoch nicht feststellen hätten können, da sie Näheres nicht angeben könnten, könne nicht gefolgt werden; wohl jedoch sei davon auszugehen, dass die beiden Anzeigenleger, die das Verhalten des Beschuldigten in der Anzeige beschrieben hätten, glaubwürdig wären.
Aus dieser Anzeige vom 18.06.1999, die dem Beschuldigten J F H im Zuge des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens auch vorgehalten worden war, ergibt sich, dass die beiden erhebenden Sicherheitswachebeamten im Zuge einer Personenfahndung mehreren Personen, darunter auch dem Beschuldigten, ins Gesicht geleuchtet hätten, worauf dieser zynisch gefragt haben soll, ob es sich um eine Perlustrierung handle bzw. warum ihn die Sicherheitswachebeamten nach seinem Namen fragten; während er sich mit seinem Reisepass auswies, soll er von "Geschichterln" geredet haben, wobei die Aussagen des Beschuldigten bei den umstehenden Personen höhnisches Gelächter hervorgerufen haben sollen.
Im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens hat Herr J F H die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung vehement bestritten und darauf hingewiesen, der zweite Polizist hätte versucht, das Wortgeplänkel zu beruhigen; im Übrigen erachte er sich durch die Vorgangsweise des Meldungslegers als provokant und unverhältnismäßig behandelt.
Gegen das Straferkenntnis vom 18.05.2000 hat J F H fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung eingebracht, neuerlich die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung bestritten und das Vorgehen des einschreitenden SWB als provokant und übertrieben bezeichnet; im Übrigen verwies er darauf, ein im Zuge des erstinstanzlichen Verwaltungsstrafverfahrens einvernommener Zeuge hätte die ihm in den Mund gelegten Äußerungen nicht bestätigt.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark ist bei seiner Entscheidung, die gemäß § 51 e Abs 2 Z 1 2. Fall VStG auf Grund der Aktenlage ohne Durchführung einer Verhandlung getroffen werden konnte, von folgenden Überlegungen ausgegangen:
Gemäß der Bestimmung des § 66 Abs 4 AVG, welche gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden ist, hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht wegen Unzulässigkeit oder Verspätung zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, ihre Anschauung sowohl hinsichtlich des Spruches als auch hinsichtlich der Begründung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.
Gemäß § 51 Abs 1 VStG steht dem Beschuldigten stets das Recht der Berufung an den Unabhängigen Verwaltungssenat jenes Landes zu, in dem die Behörde, die den Bescheid erlassen hat, ihren Sitz hat; somit ergibt sich die Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark für die Erlassung der gegenständlichen Entscheidung.
Da bereits aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass der angefochtene Bescheid aus nachstehenden Gründen zu beheben ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Berufungsausführungen und konnte gemäß § 51 e Abs 2 VStG auch von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden.
Gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen.
Gemäß § 31 Abs 1 VStG ist die Verfolgung einer Person unzulässig, wenn gegen sie binnen der Verjährungsfrist von der Behörde keine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 leg cit vorgenommen worden ist; die Verjährungsfrist bei einer Verwaltungsübertretung wie der verfahrensgegenständlichen beträgt sechs Monate, diese Frist ist von dem Zeitpunkt zu berechnen, an dem die strafbare Tätigkeit abgeschlossen worden ist oder das strafbare Verhalten aufgehört hat.
Gemäß § 32 VStG ist Beschuldigter die im Verdacht einer Verwaltungsübertretung stehende Person von dem Zeitpunkt der ersten, von der Behörde gegen sie gerichteten Verfolgungshandlung bis zum Abschluss der Strafsache. Gemäß § 32 Abs 2 VStG ist eine Verfolgungshandlung jede von einer Behörde gegen eine bestimmte Person als Beschuldigten gerichtete Amtshandlung (z.B. Ladung, Vernehmung, Zeugenaussage, Strafverfügung). Eine Verfolgungshandlung muss daher, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, von einer Behörde ausgehen, gegen eine individuell bestimmte Person als Beschuldigten gerichtet sein, innerhalb der Verjährungsfrist nach außen in Erscheinung getreten sein und wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert, dass sie sich auf alle die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat.
Als verjährungsunterbrechende Verfolgungsschritte gelten alle Handlungen der Behörde, die nach Art und Bedeutung die Absicht der Behörde zum Ausdruck bringen, den gegen eine bestimmte Person wegen einer bestimmten Tat bestehenden Verdacht auf eine im Verwaltungsstrafgesetz vorgeschriebene Weise zu prüfen, sohin den behördlichen Verfolgungswillen in Richtung einer bestimmten strafbaren Handlung zu verwirklichen (VwGH 12.05.1989, 87/17/0152). Eine Verfolgungshandlung muss, damit sie den Eintritt der Verfolgungsverjährung ausschließt, wegen eines bestimmten (strafbaren) Sachverhalts erfolgen. Dies erfordert unter anderem, dass sie sich auf alle, die Tat betreffenden Sachverhaltselemente zu beziehen hat (VwGH 19.09.1984, Slg. 11525 A, vgl. auch VwGH 22.12.1992, Zl. 91/04/0199).
Der Eintritt der Verfolgungsverjährung ist von Amts wegen wahrzunehmen (VwGH verstärkter Senat, 19.09.1984, Slg. 11525 A); dies auch dann, wenn die Einwendung der Verfolgungsverjährung vom Beschuldigten im Verwaltungsstrafverfahren nicht geltend gemacht worden ist (VwGH, 21.12.1988, 85/18/0120).
Gemäß § 1 des Steiermärkischen Landesgesetzes LGBl. Nr. 158/1975 begeht, wer den öffentlichen Anstand verletzt oder ungebührlicherweise störenden Lärm erregt, eine Verwaltungsübertretung, die gemäß § 3 Abs 1 leg. cit. mit Geldstrafe bis zu S 3.000,-- zu bestrafen ist.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch eines Straferkenntnisses, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten. Danach ist es rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird und die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht. Was das erstgenannte Erfordernis anlangt, sind entsprechende, das heißt, in Beziehung zur vorgeworfenen Straftat stehende, wörtliche Ausführungen erforderlich. Die rechtliche Beurteilung des vorliegenden Sachverhaltes ergibt auf Grundlage der dargestellten gesetzlichen Bestimmungen zunächst grundsätzlich, dass der Gebrauch von Schimpfworten gegenüber einschreitende Sicherheitswachebeamte den öffentlichen Anstand verletzt (VwGH 03.06.1987, 85/10/0170). Der Spruch eines Bescheides hat gemäß § 44 a Z 1 VStG bezüglich einer vorgeworfenen Anstandsverletzung die tatsächlichen Umstände zu umschreiben, die dem Beschuldigten zur Last gelegt werden; das dem Berufungswerber im erstinstanzlichen Verfahren vorgeworfene freche, provokante und ungeziemende Verhalten durch Sitzen auf dem Boden bzw. das Stellen von Fragen, warum ihm ohne nähere Erklärung in der Nacht ins Gesicht geleuchtet worden wäre, bildet lediglich die rechtliche Wertung eines nicht näher bzw. konkret genug dargestellten Sachverhaltes (vgl. VwGH 24.11.1992, 92/04/0148), weshalb von keiner, die Verfolgungsverjährung unterbrechenden Verfolgungshandlung ausgegangen werden kann (VwGH 09.04.1980, 1426/78), sodass im Sinne der angeführten gesetzlichen Bestimmungen spruchgemäß zu entscheiden war.