Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Merl, Dr. Hütter und Dr. Ruiner über die Berufung der Frau K F, St. G, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 28.06.2000, GZ.: 15.1 2000/1112, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis aufgehoben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.
Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz als erste Instanz warf der Berufungswerberin vor, sie habe es als "persönlich haftender Gesellschafter" der F & R OEG in St. G zu verantworten, dass in dieser Firma der kroatische Staatsangehörige G R, vom 13.01.1998 bis 22.12.1999 ohne Beschäftigungsbewilligung oder Anzeigenbestätigung
, Arbeitserlaubnis, Befreiungsschein oder Entsendebewilligung beschäftigt worden sei, und verhängte eine Geldstrafe von S 40.000,--.
Die Beschuldigte berief:
Sie sei sich keiner Schuld bewusst, die Anzeige sei für sie ein Schock gewesen. Herr R sei persönlich haftender Gesellschafter der Firma F und R. Er habe Aufträge besorgt, mit Kunden verhandelt, die Fahrzeuge überprüft und den Arbeitern Anweisungen erteilt, habe aber auch im April 1999 die Konzessionsprüfung abgelegt. Es sei ihr nicht klar, wie es zur Anzeige gekommen sei, da mit ihr niemand gesprochen habe. Sie wäre jederzeit bereit gewesen, Auskünfte über ihre Firma zu geben, die Fremdenpolizei hätte jederzeit Informationen von ihr einholen können. Sie ersuche, die Anzeige und Strafe gegen sie fallen zu lassen. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark verhandelte die Berufungssache am 06.11.2000 in Gegenwart der Berufungswerberin und eines Vertreters des Arbeitsinspektorates Graz als mitbeteiligter Partei. Nach Vernehmung der Berufungswerberin als Partei und des G
R als Zeugen gelangt die Berufungsbehörde zu folgenden Feststellungen: Die Berufungswerberin und der kroatische Staatsangehörige G R lernten sich Ende 1996 kennen. Mit Gesellschaftsvertrag vom 19.08.1997 gründeten sie unter der Firma
"F & R OEG" eine offene Erwerbsgesellschaft, die zunächst in K ihren Sitz hatte, seit September 1997 aber in St. G. Im Vertrag ist unter anderem Folgendes festgelegt:
4.
G R übernimmt es, für die Gesellschaft Aufträge zu beschaffen, die Kunden zu
betreuen und den Kontakt und die Verhandlungen mit den Lieferanten zu führen,
Messen und Veranstaltungen zu besuchen.
5.
K F übernimmt es die Führung der kaufmännischen Bücher (Buchhaltung,
Steuersachen,
Geschäftsbriefe, Behördensachen, usw). Weiters steht sie als
gewerberechtliche Geschäftsführerin zur Verfügung.
6.
Beide Gesellschafter sind berechtigt und
verpflichtet, die Gesellschaft selbstständig
und unabhängig
voneinander zu vertreten.
7.
Bei wichtigen Entscheidungen
hat die Gesellschafterin K F Mitspracherecht. Dazu
gehören
insbesondere Rechtsgeschäfte, die einen Geldeinsatz von mehr als
40.000,-- erfordern, die Verlegung des Unternehmenssitzes, die Änderung der Rechtsform sowie die Ausweitung der gewerblichen
Tätigkeit.
8.
Die Aufteilung der Gesellschaftsanteile wird
mit neun Teilen zu einem Teil
vereinbart, wobei der Gesellschafter G R neun Teile inne hält und die Gesellschafterin
K F einen Teil inne hält. Am Gewinn oder Verlust nimmt der
Gesellschafter G R 90 % und die Gesellschafterin K F zu 10 % teil. Die Gesellschaft wollte nach ihrem Punkt 3. zunächst das Handelsgewerbe nach § 124 Z 11 Gewerbeordnung 1994 betreiben. Die Berufungswerberin und G R gingen eine Lebensgemeinschaft ein, sie merkten schnell, dass der beabsichtigte Handel mit Kroatien mangels Geschäftsverbindungen nicht in Gang kam. Die Firma erwarb daher zusätzlich eine Gewerbeberechtigung für Güterbeförderung, und zwar laut Gewerbeschein der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz vom 15.06.1998 für Beförderung von Gütern mit Kraftfahrzeugen, deren höchste zulässige Nutzlast 600 kg nicht übersteigt,
eingeschränkt auf die Verwendung von 3 KFZ . Seit dem Sommer 1998 führt die OEG im Auftrag der Firma M in S Güterbeförderungen durch. Dies ist mittlerweile der einzige Zweck des Unternehmens. Die Berufungswerberin ist gewerberechtliche Geschäftsführerin. Der erste Wagen war ein Fiat Ducato, der geleast wurde, die Anzahlung in unbekannter Höhe brachte G R auf, er kaufte auch das Kühlgerät für diesen Wagen um S 80.000,--. Dann hatte die Firma zwei Mietfahrzeuge von der Firma E in M, seit Oktober 2000 sind wieder zwei Nissan- Klein-LKW in Verwendung, die geleast wurden. G R investierte eigenes Vermögen in die Firma, zu Beginn waren es ca. S 350.000,-- für das erste Fahrzeug und andere Investitionen, überdies haben er und seine Lebensgefährtin teilweise von diesem Geld auch gelebt. Ursprünglich kümmerte sich G R nur um die Behördenwege, die interne Organisation etc. Mit dem LKW fuhr er nur dann, wenn ein Mitarbeiter erkrankt war oder als Urlaubsvertretung, so auch am 22.12.1999. Seit 07.04.2000 fährt er regelmäßig mit dem LKW. Die LKW werden auch von der OEG selbst repariert, da einer der Fahrer Mechaniker ist und sich auch G R selbst bei den Reparaturen auskennt. Die Berufungswerberin und G R besprechen alles Erforderliche gemeinsam, in letzter Zeit kümmert sich die Berufungswerberin mehr um bürokratische Aufgaben, während G R gemeinsam mit dem zweiten Mitarbeiter den Zustelldienst durchführt. Beweiswürdigung: Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Firmenbuchauszug, dem Gesellschaftsvertrag, der Urkunde über die Gewerbeberechtigung und den Aussagen der zwei vernommenen Personen, die im Wesentlichen miteinander übereinstimmen.
Rechtliche Beurteilung: Gemäß § 3 Abs 1 AuslBG darf ein Arbeitgeber einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt. Als Beschäftigung gilt gemäß § 2 Abs 2 AuslBG die Verwendung a.) in einem Arbeitsverhältnis, b.) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern die Tätigkeit nicht aufgrund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt wird, c.) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der Tätigkeiten nach § 3 Abs 5, d.) nach den Bestimmungen des § 18 (betriebsentsandte Ausländer) oder e.) überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988. § 2 Abs 4 AuslBG: Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs 2 vorliegt, ist der
wahre
wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des
Sachverhaltes maßgebend. Eine Beschäftigung im Sinne des Abs 2 liegt
insbesondere auch dann vor, wenn
1. ein Gesellschafter
einer Personengesellschaft zur Erreichung des gemeinsamen
Gesellschaftszweckes oder
2. ein Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Geschäftsanteil
von weniger als 25 %
Arbeitsleistungen für die Gesellschaft
erbringt, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis
geleistet werden, es sei denn, die regionale Geschäftsstelle des
Arbeitsmarktservice stellt auf Antrag fest, dass ein wesentlicher Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft
durch den Gesellschafter tatsächlich persönlich
ausgeübt wird.
Den Nachweis hiefür hat der Antragsteller zu erbringen. Erfolgt durch den Gesellschaftsvertrag ein Zusammenschluss physischer Personen zu einer Organisation unter gegenseitiger Einräumung von Geschäftsführungsbefugnissen und Kontrollrechten, die gleichermaßen für alle Gesellschafter gelten, so gilt in Personengesellschaften (OHG, KG, OEG, EEG) grundsätzlich das Prinzip der Gleichordnung. Wer daher durch Gesetz oder durch Gesellschaftsvertrag eingeräumte originäre Geschäftsführungsbefugnisse ausübt, kann dabei nicht als Arbeitnehmer tätig sein, auch wenn er sie nicht allein ausübt. Dieses Gleichordnungsprinzip gilt dann nicht, wenn Gesellschafter durch Gesellschaftsvertrag von der Geschäftsführung ausgeschlossen werden. Entscheidend ist, ob der Gesellschafter aufgrund seiner Gesellschafterstellung die Ausübung der Dienstgeberfunktionen und damit die Gestaltung des eigenen Arbeitsplatzes mitregeln kann. In diesem Fall ist er nicht persönlich abhängig und kann daher auch nicht Arbeitnehmer der Gesellschaft sein (VwGH 98/09/0215 vom 17.01.2000). Hier hat die Berufungswerberin mit ihrem Lebensgefährten G R einen Gesellschaftsvertrag über eine offene Erwerbsgesellschaft geschlossen, die auch im Firmenbuch eingetragen wurde. G R ist demnach Gesellschafter einer Personengesellschaft im Sinne des § 2 Abs 4 Z 1 AuslBG, er hat aber auch Arbeitsleistungen für die Gesellschaft erbracht, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden: So fährt er seit dem 07.04.2000 mit dem LKW, hat dies aber schon vorher vertretungsweise getan, und repariert auch die firmeneigenen LKW. Dies sind Tätigkeiten, die typischerweise in einem Arbeitsverhältnis geleistet werden. Es ist daher zu prüfen, ob G R einen wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft tatsächlich ausgeübt hat. Nach dem Gesellschaftsvertrag ist er selbständig vertretungsbefugt (dies ist er allerdings auch bereits aufgrund des Gesetzes), er ist zu 90 % am Gewinn und Verlust beteiligt, er hat die Aufgabe, Aufträge zu beschaffen, Kunden zu betreuen, Verhandlungen mit den Lieferanten zu führen und Messen und Veranstaltungen zu besuchen. Vor dem 07.04.2000 hat er sich um Behördenwege gekümmert und sich mit der internen Organisation befasst. Außerdem hat er bedeutende finanzielle Mittel in die Gesellschaft eingebracht. Es kann daher gesagt werden, dass er die Geschäftsführungsbefugnisse, die ihm im Gesellschaftsvertrag eingeräumt wurden, auch tatsächlich ausgeübt hat. Wird ein Güterbeförderungsunternehmen als Kleinbetrieb geführt, ist es aber auch üblich, dass der Unternehmer selbst mit dem LKW fährt, aber auch Reparaturen durchführt, da Betriebe mit geringem Personalstand nicht arbeitsteilig durchorganisiert sein können. G R war somit nicht nur nicht von der Geschäftsführung ausgeschlossen, sondern an ihr maßgeblich beteiligt und hatte wesentlichen Einfluss auf die Geschäftsführung, was auch im Punkt 7. des Gesellschaftsvertrages zum Ausdruck kommt, da in diesem Punkt K F sogar ausdrücklich ein Mitspracherecht bei Investitionen von mehr als S 40.000,-- eingeräumt wird, wobei der Begriff "Mitspracherecht" für K F auch zeigt, dass G R das Hauptgewicht bei solchen Entscheidungen zukommt. Es liegt somit im Tatzeitraum keine Beschäftigung von G R durch die Berufungswerberin im Sinne des § 2 Abs 2 AuslBG vor. Die Berufungswerberin hat somit die Übertretung nicht begangen, der Berufung ist Folge zu geben, das Straferkenntnis aufzuheben und das Verfahren nach § 45 Abs 1 Z 2 VStG einzustellen. Demgegenüber hat die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz in der Bescheidbegründung Folgendes ausgeführt: Die dem (der) Beschuldigten zur Last gelegte(n) Übertretung(en) ist (sind) durch die Anzeige des Arbeitsinspektorates Graz vom 31.01.2000,
GZ: 6008/47-11/2000
(8910/01-19-11/2000), festgestellt und
erwiesen. Für die Strafbemessung wurden
die Grundsätze des § 19 Abs 1 VStG 1991 herangezogen. Überdies wurden im Sinne Abs 2 die Erschwerungs- und Milderungsgründe abgewogen, wobei als
erschwerend nichts und als mildernd nichts angenommen und auf das Ausmaß des Verschuldens besonders Bedacht genommen wurde.
Die Einkommens-,
Vermögens- und Familienverhältnisse wurden bei
der Bemessung der Geldstrafe
berücksichtigt. Es war daher
spruchgemäß zu entscheiden. § 37 AVG: Zweck des Ermittlungsverfahrens ist, den für die Erledigung einer
Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien
Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und
rechtlichen Interessen zu geben.
... § 60 AVG: In der Begründung
sind die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der
Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung
der Rechtsfrage klar und übersichtlich
zusammenzufassen. Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz schickte der Beschuldigten im Verfahren der ersten Instanz den Ladungsbescheid vom 30.05.2000 mit der Aufforderung, am 28.06.2000 ins Amt zu kommen. Dieser Einladung ist die Beschuldigte gefolgt, sie gab laut Strafverhandlung auch folgende Rechtfertigung zu Protokoll:
Mir ist die Anzeige gegen mich völlig unerklärlich, da Herr R Gesellschafter in der OEG ist. Die Bezirkshauptmannschaft
Leibnitz ließ sich weder den Gesellschaftsvertrag vorlegen, noch vernahm sie G R als Zeugen, sie erfragte aber auch keine weiteren Einzelheiten von der Beschuldigten, um den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. Damit verstieß sie nicht nur gegen § 37 AVG, sondern begründete das Straferkenntnis auch mit Ausführungen, denen jeder Begründungswert fehlt, und setzte sich damit über § 60 AVG hinweg. Darüber hinaus übt eine Behörde Willkür und verstößt damit gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, wenn sie ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren unterlassen hat und die Pflicht, den Bescheid zu begründen, krass verletzt (VfGH B989/87 vom 05.10.1988, B683/83 vom 28.02.1986, B1923/93 vom 15.12.1993, B1248/88 u.a.). Wenn die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz hier nur einen Firmenbuchauszug und zwei Auszüge aus dem Gewerberegister beischaffte, aber alle anderen Ermittlungsschritte unterließ, das Ergebnis der Vernehmung der Beschuldigten nur mit dem Satz festhielt: "Mir ist die Anzeige gegen mich völlig unerklärlich, da Herr R Gesellschafter in der OEG ist." und den Bescheid überdies im Sachverhalt nur durch eine nichtssagende Floskel "begründete", gelten hier auch die oben angestellten Erwägungen zur Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Der Berufung ist somit Folge zu geben und das Verfahren einzustellen. __