Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch die Kammermitglieder Dr. Gerhard Wittmann, Dr. Renate Merl und Dr. Michael Herrmann über die Berufung der Frau J W, vertreten durch Rechtsanwalt Mag. H S, G, gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom 06.03.2000, GZ.: 15.1 1998/4955, wie folgt entschieden:
Gemäß § 66 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (im Folgenden AVG) in Verbindung mit § 24 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (im Folgenden VStG) i.d.F. BGBl. 1998/158 wird der Berufung Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG eingestellt.
Im Punkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses wurde der Berufungswerberin in ihrer Funktion als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma W GesmbH mit dem Sitz in Z, nachstehende Übertretung des § 9 VStG in Verbindung mit § 3 Abs 1 und § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG zur Last gelegt und über sie gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG eine Geldstrafe von S 20.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall 3 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt:
Sie sind als handelsrechtliche Geschäftsführerin der Firma W GmbH, mit dem Sitz in Z, (= Tatort), dafür verantwortlich, daß die gegenständliche Firma auf der Baustelle "SOWI" in der Kaiserjägerstraße in I, zumindest in der Zeit vom 25.05. bis 27.05.1998 Arbeitsleistungen (Hilfsarbeiten) des kroatischen Staatsangehörigen S C, welcher zumindest zur oben angeführten Zeit Arbeitnehmer der Firma "N", mit dem Sitz in S A, Italien, also eines Arbeitnehmers eines ausländischen Arbeitgebers ohne eines im Bundesgebiet vorhandenen Betriebssitzes war, in Anspruch genommen hat, ohne daß für diesen Ausländer eine Beschäftigungs- bzw. eine Entsendebewilligung erteilt, oder eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis, ein Befreiungsschein oder eine Anzeigebestätigung ausgestellt worden war,"
In der Berufung gegen Punkt 1.) des Straferkenntnisses wird neben der Rüge von Verfahrensmängeln vorgebracht, der spruchgegenständliche Ausländer S C sei zum Tatzeitpunkt Mitarbeiter des italienischen Subunternehmens, der Firma N, gewesen und habe die Berufungswerberin mit dieser italienischen Firma einen Werkvertrag abgeschlossen. In Punkt 1.03 dieses Werkvertrages sei ausdrücklich festgehalten, dass der Auftragnehmer für das gesamte eingesetzte Personal für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Abgaben und Meldungen bei Sozialversicherung, Finanzamt und sonstigen Behörden hafte und Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern nur mit gültiger Beschäftigungsbewilligung für Österreich eingesetzt werden dürfen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde eine S 10.000,-- übersteigende Geldstrafe verhängt und entscheidet daher über die dagegen eingebrachte Berufung gemäß § 51 c VStG der Unabhängige Verwaltungssenat als Kammer.
Aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes ist von nachstehender Sach- und Rechtslage auszugehen:
Mit Antrag vom 21.07.1998, GZ.: 8960/402-14/98, erstattete das Arbeitsinspektorat Innsbruck Anzeige gegen die Firma W GesmbH wegen des Verdachtes der Übertretung des § 18 Abs 1 AuslBG durch Inanspruchnahme der Arbeitsleistungen des kroatischen Staatsangehörigen S C, Hilfsarbeiter der italienischen Firma N. Der Anzeige angeschlossen waren eine Reihe von Unterlagen (Aktenvermerke, Niederschriften mit Herrn S C durch die Bundespolizeidirektion Innsbruck und mit Herrn H B durch das Arbeitsinspektorat Innsbruck etc.). Das Verfahren wurde in weiterer Folge vom Stadtmagistrat Innsbruck gemäß § 27 Abs 1 VStG an die Bezirkshauptmannschaft Judenburg als Firmensitzbehörde abgetreten, welche mit Ladungsbescheid vom 21.01.1999 eine erste Verfolgungshandlung gegen die Berufungswerberin setzte. Da sich aus den der Anzeige angeschlossenen Unterlagen, insbesondere den mit den betroffenen Personen aufgenommenen Niederschriften sowohl Hinweise auf eine unmittelbare Beschäftigung des Herrn S C im Betrieb der Firma W GesmbH als auch auf seine
Inanspruchnahme als betriebsentsandter Ausländer des italienischen Subunternehmers N ergaben, setzte die belangte Behörde mit dem erwähnten Ladungsbescheid alternative Verfolgungshandlungen, indem sie der Berufungswerberin im Punkt 1.) des Ladungsbescheides die unmittelbare Beschäftigung des gegenständlichen Ausländers gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG und im Punkt 2.) die Beschäftigung eines betriebsentsandten Ausländers gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit b leg. cit. zur Last legte. Der Tatvorwurf im Punkt 2.) des Ladungsbescheides ist hiebei identisch mit dem umseitig wiedergegebenen Spruch des nunmehr angefochtenen Straferkenntnisses. Nach Durchführung weiterer Erhebungen - die Berufungswerberin legte unter anderem den mit der italienischen Firma N abgeschlossenen Werkvertrag vor - kam die belangte Behörde zum Ergebnis, dass es sich im Anlassfall um die unerlaubte Beschäftigung eines betriebsentsandten Ausländers handelt und bestrafte die Berufungswerberin wegen Übertretung der Bestimmung des § 3 Abs 1 und des § 28 Abs 1 Z 1 lit b AuslBG. Hiezu ist zunächst auszuführen, dass die Zitierung des § 3 Abs 1 AuslBG durch die belangte Behörde in diesem Zusammenhang unrichtig ist, da bei Beschäftigung betriebsentsandter Ausländer der § 18 AuslBG heranzuziehen wäre. Aus dem gesamten Tatvorwurf, insbesondere dem Vorwurf der fehlenden Entsendebewilligung, ist jedoch eindeutig erkennbar, dass die belangte Behörde mit diesem Spruch von einer erwiesenen Übertretung des § 18 AuslBG ausging, zumal auch die dazu korrespondierende Strafnorm des § 28 Abs 1 Z 1 lit b herangezogen wurde.
Bei ihrer Sachverhaltsbeurteilung und daran anknüpfend rechtlichen Beurteilung hat die belangte Behörde jedoch übersehen, dass mit der Novelle des AuslBG, BGBl Nr. I 1997/78, in Kraft getreten am 01.01.1998, die Bestimmungen des § 18 Abs 12 bis 16 neu eingeführt wurden. Die neuen Bestimmungen sehen Sonderregelungen für jenen Fall vor, dass eine österreichische Firma Arbeitsleistungen eines Ausländers ohne Staatsangehörigkeit eines Mitgliedsstaates des EWR in Anspruch nimmt, welcher von seinem Arbeitgeber mit Betriebssitz in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union zur Arbeitsleistung nach Österreich entsandt wird. In diesem Fall muss keine Entsendebewilligung erteilt werden, sondern lediglich auf Antrag eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt werden. Korrespondierend dazu wurde für den Fall einer unterbliebenen Einholung einer solchen EU-Entsendebestätigung mit der Bestimmung des § 28 Abs 1 Z 5 lit b eine eigene Strafnorm geschaffen, welche für diese Übertretung eine Geldstrafe bis zu S 15.000,-- vorsieht. Durch die Neuregelung sollten offenbar gelockerte Bestimmungen für jene Fälle geschaffen werden, in welchen drittstaatsangehörige Ausländer von Unternehmen nach Österreich entsandt werden, welche ihrerseits ihren Sitz in einem EWR-Staat haben. Die bisherige gesetzliche Regelung, welche diesbezüglich keine Unterscheidung traf, stand nämlich im Widerspruch mit dem unmittelbar anwendbaren, die Dienstleistungsfreiheit regelnden Artikel 49 EWG-Vertrag. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf das VwGH-Erkenntnis vom 15.12.1999, Zl. 99/09/0160-6. In dieser Entscheidung hat der Verwaltungsgerichtshof in einem Fall, in welchem ein slowakischer Arbeitnehmer von einer in Luxemburg ansässigen Firma nach Österreich entsandt wurde, unter Hinweis auf mehrere Judikate des EuGH Bedenken hinsichtlich der damals noch erforderlichen Entsendebewilligung geäußert.
Da die gegenständliche Verwaltungsübertretung nach Inkrafttreten der Neuregelung gesetzt wurde, ist die Beschäftigung des Herrn S C nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark jedenfalls unter die neuen Bestimmungen des § 18 Abs 12 bis 14 und § 28 Abs 1 Z 5 AuslBG zu subsumieren. Hiebei handelt es sich jedoch nicht um einen bloßen Subsumtionsfehler, sondern müsste zusätzlich auch der Tatvorwurf entsprechend korrigiert werden, was der Berufungsbehörde jedoch nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwehrt ist. Aus dem Tatvorwurf ist nämlich nicht eindeutig erkennbar, welche Übertretung im Sinne des § 44 a VStG der Berufungswerberin überhaupt zur Last gelegt wird. Insbesondere fehlt der entscheidungswesentliche Vorwurf der fehlenden EU-Entsendebestätigung. Da die EU-Entsendebestätigung eine Ausnahme von der für sonstige betriebsentsandte Ausländer nach wie vor erforderlichen Entsendebewilligung darstellt und die jeweils anzuwendenden Gesetzesbestimmungen im Übrigen so ähnlich formuliert sind, dass sie leicht verwechselt werden können, kommt der Anführung des Wortes "EU-Entsendebestätigung" im Tatvorwurf nach Auffassung der zur Entscheidung berufenen Kammer besondere Bedeutung zu. Fehlt dieses Wort nämlich im Tatvorwurf, ist nicht einmal für einen Juristen, geschweige denn für eine nicht rechtskundige Person eindeutig erkennbar, welche Tat zur Last gelegt wird, insbesondere dann, wenn die belangte Behörde, wie im Anlassfall, zusätzlich auch noch die falschen Gesetzesbestimmungen zitiert hat und überdies den falschen Strafsatz angewendet hat. Die mit S 20.000,-- bemessene Strafe liegt nämlich über der Höchststrafe gemäß § 28 Abs 1 Z 5 lit b AuslBG.
Da sich dieser Fehler der belangten Behörde durch das gesamte erstinstanzliche Verfahren zieht - auch der Ladungsbescheid vom 21.01.1999 leidet an dem gleichen Spruchmangel - und sich nicht der geringste Hinweis dahingehend findet, dass die belangte Behörde der Berufungswerberin die fehlende EU-Entsendebestätigung zur Last legen wollte, ist diesbezüglich überdies bereits Verfolgungsverjährung eingetreten, sodass das Verfahren gemäß § 45 Abs 1 Z 3 VStG einzustellen war. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist, hatte gemäß § 51 e Abs 2 Z 1 VStG die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung zu entfallen.
An die Adresse der belangten Behörde und der mitbeteiligten Partei sei noch ausgeführt, dass aufgrund der alternativen Verfolgungshandlungen des Ladungsbescheides vom 21.01.1999 eine Bestrafung der Berufungswerberin wegen der anderen Verwaltungsübertretung, nämlich als unmittelbare Beschäftigerin des Herrn S C gemäß § 28 Abs 1 Z 1 lit a AuslBG, noch möglich ist. Dies umso mehr, als aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes, insbesondere der Aussage des Herrn S C vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck, vieles dafür spricht, dass dieser mit der Subfirma N nichts zu tun hatte, sondern vielmehr direkt von der Firma W GesmbH beschäftigt wurde. Auch die im Berufungsverfahren durchgeführten Erhebungen - das an der Firma N gerichtete, in die italienische Sprache übersetzte Schreiben vom 18.8.2000 zwecks Klärung der Firmenzugehörigkeit des Herrn C blieb unbeantwortet bzw. konnte an der im Werkvertrag angegebenen Adresse nicht einmal nachweislich zugestellt werden - deuten in diese Richtung. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.