TE UVS Steiermark 2000/11/27 20.3-37/2000

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Veröffentlicht am 27.11.2000
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Erich Kundegraber über die Beschwerde des C J, vertreten durch Dr. K K, Rechtsanwalt in G, wegen einer Beschwerde gemäß § 88 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), wie folgt entschieden:

Die Verabreichung von drei Ohrfeigen an den Beschwerdeführer durch einen Gendarmeriebeamten des GPK R am 26. Mai 2000 während der Fahrt von R nach G im Patientenraum eines Fahrzeuges des Österreichischen Roten Kreuzes war rechtswidrig.

Rechtsgrundlagen: Artikel 3 Europäische Menschenrechtskonvention (MRK), §§ 29, 46 Abs 1 und 47 Abs 1

SPG.

Gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzforderung UVS, BGBl Nr 855/1995 hat die Bezirkshauptmannschaft  Weiz dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens in der Höhe von S 18.980,-- binnen vier Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 6. Juli 2000 wurde im Wesentlichen Nachfolgendes vorgebracht:

Der Beschwerdeführer (BF) ist österreichischer Staatsbürger. Er ist in R wohnhaft. Nach Abschluss der Pflichtschulen hat er eine Ausbildung zum Stahlbauschlosser (1980 bis 1983) absolviert, war seit Beendigung der Berufsausbildung bis 1993 in seinem Beruf tätig. Von 1994 bis 1997 war der BF Zeitsoldat, von 1998 bis 1999 Zeitsoldat in beruflicher Bildung und hat während dieser Zeit ein Berufspraktikum bei der S-D-P F AG in G absolviert. Seit Beendigung des Militärdienstes ist der BF als Schlosser bei der S-D-P F AG beschäftigt, er hat während seiner Berufsausbildung vielfache Fachausbildungen absolviert und besucht seit 1997 auf der WIFI-Graz die Fachakademie für Automatisierungstechnik. Aufgrund seiner Fachkenntnisse ist der BF bei der S-D-P F AG in der Abteilung für Prototypenbau eingesetzt.

Am 26.5.2000 erlitt der BF - offenbar aufgrund permanenter beruflicher und durch die Weiterbildung bedingter Überlastung eine akute Psychose. Diese akute Erkrankung äußerte sich dergestalt, dass der BF im Gasthaus M in R, ohne Anlass begann, herumzuschreien, er hat sich sinngemäß dergestalt geäußert, dass er 'jetzt Macht habe' und dass 'er jetzt mächtig sei' und ähnliches.

Aufgrund dieses Verhaltens wurde der BF des Gasthauses verwiesen, gleichzeitig wurden Gendarmeriebeamte des GP R alarmiert. Umstehende und auch die zwischenzeitig herbeigeeilte Mutter des BF konnten feststellen, dass der BF einen völlig verwirrten Eindruck machte, wofür auch ein völlig fremder Gesichtsausdruck des BF Zeichen war. In weiterer Folge schritten die Gendarmeriebeamten H und G vom GPK R ein, wobei sie primär danach trachteten, den BF festzunehmen, wogegen sich der BF wehrte. Die einschreitenden Beamten warfen den BF zu Boden und fesselten ihm die Hände mittels Handschellen auf den Rücken, während dieser Zeit rief der BF mehrfach: 'Hilfe, ich muss sterben!'.

Zeugen: M J, p.A. des BF, R M, H H, Adressen werden noch bekanntgegeben.

Der BF wurde in weiterer Folge zur Rot-Kreuz-Station R verbracht, wo bereits Dr. W anwesend war, welcher die Einweisung in das LNKH Graz veranlasste. Der BF wurde in weiterer Folge mit auf dem Rück gefesselten Händen in das Rettungsauto verbracht, des weiteren wurde er mittels Gurten am Sitz des Rettungsfahrzeuges befestigt. Im Rettungsauto befanden sich neben dem BF, dessen Mutter, die Gendarmeriebeamten H und G sowie zwei Sanitäter des ÖRK. In diesem Zusammenhang ist noch festzuhalten, dass auch Dr. W von einer akuten Psychose, also einem psychischen Leiden des BF gesprochen hat.

Im Rotkreuzwagen befand sich neben den BF dessen Mutter, die bereits erwähnten einschreitenden Gendarmeriebeamten, der Rettungsfahrer und ein Rotkreuzhelfer, glaublich Zivildiener. Der BF hat im Rettungsauto sein Verhalten fortgesetzt, in weiterer Folge um die Lösung der Handfesseln ersucht, da ihm diese Schmerzen verursachten. Auf dieses Ersuchen wurde nicht reagiert, während der Fahrt nach Graz wurden die Fesseln nicht gelockert. Da die Fesseln nicht gelockert wurden, spuckte der in Richtung der einschreitenden Gendarmeriebeamten, wobei die Beamten jeweils an der Hose von Speichel getroffen wurden. Daraufhin erhob sich einer der Beamten, trat vor den BF, versetzte diesem eine Ohrfeige, was der BF mit den Worten, 'Ihr Schweine', quittierte, hierauf trat selbiger Beamte nochmals vor den BF und versetzte ihm rechts und links nochmals hörbare Ohrfeigen und erklärte dem BF, 'so, das hast Du jetzt verdient'. In weiterer Folge wurde gegen den BF eine Wegweisung nach dem SPG ausgesprochen.

Beweis: Zeugin M J

An all die Vorfälle kann sich der BF in keiner Weise erinnern. Es bestand keinerlei Veranlassung, den BF während der Fahrt von R in LNKH Graz derart zu fesseln, dass die Hände am Rücken mittels Handfesseln gefesselt waren, zusätzlich zum Anbinden des BF an den Sitz des Rettungswagens. Es bestand keine Veranlassung, die Fesseln so eng geschlossen zu halten, noch 5 Wochen nach dem Vorfall im Bereiche des rechten Handgelenkes Spuren der Fesselung zu erkennen waren. Es bestand auch keine Veranlassung, dem BF Ohrfeigen zu versetzen. Auch wurde der BF über den Grund seiner Festnahme nie in Kenntnis gesetzt, dies auch nicht nachdem er die psychotische Episode überwunden hatte.

IV.

Umfang der Maßnahme:

Die gegenständliche Beschwerde richtet sich einerseits gegen die offensichtlich erfolgte Festnahme, welche aufgrund mangelnder Information über den Festnahmegrund nicht gerechtfertigt war. Weiters richtet sich die Beschwerde gegen die unmenschliche und erniedrigende Behandlung, die der BF während der Amtshandlung und zwar auf der Fahrt von R nach Graz im Fahrzeug des Österreichischen Roten Kreuzes durch die Organe der belangten Behörde erfahren musste. Endlich erachtet sich der BF auch in seinem Recht auf Freizügigkeit der Person verletzt zumal der durch die Organe der belangten Behörde erfolgten Wegweisung jede Rechtfertigung fehlte, da insbesondere der BF seiner Mutter gegenüber in keiner Weise je aggressiv wurde.

V.

Rechtliche Begründung

Nach den geltenden rechtlichen Bestimmungen und der Judikatur des VfGH sind Festgenommene unmittelbar nach der Festnahme jedenfalls in dem Augenblick, als ihnen die Information verständlich mitzuteilen ist, vom Grund ihrer Festnahme zu verständigen, was im gegenständlichen Falle nicht erfolgte. Die einschreitenden Organe der belangten Behörde haben offensichtlich den BF am 26.05.2000 gegen 16.15 Uhr in R vor dem Gasthof M festgenommen. Gem Art 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die Behandlung des BF auf dem Weg von R nach Graz war in jedem Fall unmenschlich und erniedrigend, zumal die Sicherungsmaßnahme auf schonendere Weise hätte durchgeführt werden müssen und das Schließen des BF dergestalt, dass sich Spuren der Handfesseln am rechten Handgelenk abzeichneten, keinesfalls gerechtfertigt war.

Gegen den BF wurde erkennbar gem. § 38 a SPG eine Wegweisung mit Betretungsverbot bei Gewalt in Wohnungen ausgesprochen. Nach dieser Gesetzesbestimmung ist eine Wegweisung dann gerechtfertigt, wenn zu befürchten steht, dass ein gefährlicher Angriff auf Leben, Gesundheit oder Freiheit bevorsteht. Unter den Voraussetzungen des § 38 a Abs 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, einem Menschen das Betreten eines nach Abs 1 festzulegenden Bereichs zu untersagen. Die in § 38 a Abs 1 festgelegten gesetzlichen Kriterien sind jedoch beim BF niemals vorgelegen, sodass die ausgesprochene Wegweisung, sei es nun eine faktische Amtshandlung, sei es nun eine Maßnahme behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, jedenfalls rechtswidrig war. Der BF wurde in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Unterlassung einer entwürdigenden Behandlung verletzt und rechtswidrig festgenommen, des weiteren wurde über ihn rechtswidrig ein Betretungsverbot verhängt.

Anträge

der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark möge

a) eine mündliche Verhandlung anberaumen und die beantragten Beweise aufnehmen;

b) nachstehenden Beschluss erlassen:

Der BF wurde am 25.5.2000 durch Festnahme und Anhaltung durch Beamte des GPK R in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit verletzt.

Weiters wurde der BF durch die Organe der belangten Behörde beim Transport von R nach G in einem Fahrzeug des Österreichischen Roten Kreuzes am 26.05.2000durch Versetzen dreier Ohrfeigen einer erniedrigenden Behandlung ausgesetzt und sohin in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht gem. Art 3 EMRK verletzt."

Des Weiteren wurde ein Kostenantrag gestellt. Soweit in der Beschwerde eine Verletzung der Richtlinien im Sinne des § 31 SPG vorgebracht wurde, wurde die Beschwerde der zuständigen Behörde im Sinne des § 89 Abs 1 SPG weitergeleitet und langte kein Vorlageantrag gemäß § 89 Abs 4 leg cit ein. In der öffentlichen, mündlichen Verhandlung wurde das Begehren gemäß § 67c Abs 2 Z 5 AVG insoweit eingeschränkt, als sich die Rechtswidrigkeitserklärung auf die drei Ohrfeigen beim Beschwerdeführer während der Fahrt mit dem Rettungsauto von R nach G beziehen sollte. Es wurde bekannt gegeben, "dass das Anlegen der Handfessel und sich daraus ergebende Verletzungen nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens darstellen. Ebenso wird bekannt gegeben, dass die Festnahme und Verbringung in das LNKH nicht Gegenstand der Verhandlung ist".

2. Die Bezirkshauptmannschaft Weiz legte am 28. Juli 2000 den dortigen Akt GZ.: 2.1 J 3/2000 vor. Darin befand sich ein Schreiben des Bezirksgendarmeriekommandos Weiz vom 26. Juli 2000 an das Landesgendarmeriekommando für Steiermark betreffend des Vorfalles, sowie aufgenommene Niederschriften beim Bezirksgendarmeriekommando Weiz mit Herrn S F, C G, AI

H H, RI K-H G, H M und R M. Eine Kopie des am 26. Mai 2000 ausgesprochenen Betretungsverbotes gemäß § 38a SPG

gegenüber dem Beschwerdeführer auf Grund des Vorfalles wurde ebenfalls beigegeben.

II.1. Nach Durchführung einer öffentlichen, mündlichen Verhandlung am 4. Oktober 2000, wobei die Zeugen S F, C G, Dr. R W und M J einvernommen wurden, sowie unter

Heranziehung des Inhaltes des vorgelegten Aktes der belangten Behörde, wurde nachstehender entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt:

Am 26. Mai 2000 hatte der Beschwerdeführer eine akute Psychose als er am Kirchplatz im Ortsgebiet von R war. Auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers gegenüber dritter Personen wurden RI G und AI H vom GPK R fernmündlich von der Bezirksleitzentrale hin beordert. Der Beschwerdeführer warf nach Eintreffen der Exekutive sein Mobiltelefon aus einer Entfernung von zirka drei Meter nach AI H und forderte die Exekutivbeamten auf, ihn zu erschießen. Während das Rote Kreuz in R verständigt wurde, versuchte er auch Frau M J, seine Mutter, zu beißen. Auch unternahm er den Versuch mit dem Fahrzeug wegzufahren und wurden seine Handlungen allmählich aggressiver (Treten mit den Füßen und wildes Schreien), sodass ihm auf Grund Selbst- und Fremdgefährdung die Handschellen angelegt wurden. Der Beschwerdeführer wurde sodann in das eingetroffene Rettungsfahrzeug, trotz Widerstand von seiner Seite, gebracht und wurde ihm vom Mitarbeiter des Roten Kreuzes im Patientenraum des Rettungsfahrzeuges ein Gurt um den Oberkörper gelegt. Daraufhin wurde der Beschwerdeführer im Beisein der beiden Exekutivbeamten und Frau M J zur Dienststelle des Roten Kreuzes in R gebracht. Dort wurden die Handfesseln gelockert und er bekam etwas zu Trinken, wobei das aggressive Verhalten des Beschwerdeführers sich nicht änderte. Der dort anwesende Distriktsarzt Dr. R W diagnostizierte beim Beschwerdeführer eine akute Psychose und einen Zustand der Unzurechnungsfähigkeit. Auf Grund der erheblichen Selbst- bzw Gemeingefährdung wurde die Einweisung in das LNKH Graz vom Distriktsarzt vorgenommen und riet er den Gendarmeriebeamten, die Handfesseln beim Transport nicht abzunehmen, da er die Gefahr sah, dass der Beschwerdeführer im Rettungsfahrzeug toben werde. Beide Beamten wurden über den Zustand des Beschwerdeführers von Dr. W in Kenntnis gesetzt und hat er sie ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass auf Grund des Vorgefallenen, man mit tätlichen Angriffen von Seiten des Beschwerdeführers rechnen müsse.

Bei dem danach stattfindenden Transport nach Graz im Fahrzeug des Roten Kreuzes saßen im Patientenraum, der Beschwerdeführer, Frau M J und beide Exekutivbeamten. RI G saß dem Beschwerdeführer in einem Abstand von zirka 1,5 Meter gegenüber. Der Beschwerdeführer redete während der Fahrt wirr und versuchte auch mehrmals nach seiner Mutter zu beißen, wobei er mit den Füßen um sich trat. Ein beruhigendes Zureden auf den Beschwerdeführer brachte nicht den entsprechenden Erfolg. Plötzlich spuckte der Beschwerdeführer in Richtung des ihm gegenüber sitzenden Exekutivbeamten. RI G erhob sich von seinem Sitz und gab dem Beschwerdeführer eine Ohrfeige auf die rechte Wange. Der Schlag war hiebei kräftig. Der Beschwerdeführer war erschrocken und sagte kein Wort. Als sich RI G wieder auf seinen Platz begab, spuckte der Beschwerdeführer wieder in seine Richtung und traf RI G mit dem Speichel im Gesicht und auf der Kleidung. RI G sagte daraufhin zu seinem Kollegen "Schau mich an, wie ich aussehe und schau dich an". Er ging daraufhin wiederum zum Beschwerdeführer und gab ihm links und rechts eine kräftige Ohrfeige, die auch akustisch wahrnehmbar war. Er kommentierte dies mit den Worten "und das hast Du jetzt verdient", der Beschwerdeführer antwortete darauf nichts und fing nach kurzer Zeit wieder mit dem aggressiven Verhalten an (Beschimpfungen seiner Mutter). Zwischendurch forderte er die Exekutivbeamten auf, ihm die Handschellen abzunehmen. Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge auf Grund seiner Krankheit in das LNKH Graz aufgenommen.

2. Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf die Aussage der einvernommenen Zeugen, insbesondere der glaubwürdigen Aussage der M J. Die Zeugin konnte auf Grund ihrer Anwesenheit im Patientenraum des Rettungsfahrzeuges die Vorgänge aus unmittelbarer Nähe beobachten. Die beiden als Zeugen geladenen Gendarmeriebeamten verweigerten ihre Aussage unter Hinweis auf § 49 Abs 1 Z 1 AVG, da eine Voruntersuchung beim Landesgericht für Strafsachen Graz gegen ihre Person anhängig war. Der Unabhängige Verwaltungssenat würdigt jedoch die Aussagen der beiden Exekutivbeamten vor dem Bezirksgendarmeriekommando Weiz vom 20. und 26. Juli 2000 (vorgelegter Akt der belangten Behörde) im Sinne des § 46 AVG. Die dortigen aufgenommenen Niederschriften sind zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und zweckdienlich (VwGH 4.6.1987, Slg 12485; 15.4.1985, 84/10/0231). Im Übrigen ist eine derartig erlangte Aussage eines Beteiligten als Beweis zu verwenden und für sich allein nicht unvereinbar mit Artikel 6 Abs 1 und 3 lit d MRK, da das Maßnahmebeschwerdeverfahren im Sinne des § 88 SPG nicht die strafrechtliche Beurteilung des Verhaltens des Beamten als Ziel hat, sondern die Rechtmäßigkeit des staatlichen Handelns gegenüber dem Betroffenen. Ob sich aus der vom Unabhängigen Verwaltungssenat vorgenommenen eventuellen Rechtswidrigkeitserklärung staatlichen Handelns Indizien für das Einschreiten der Strafgerichte und/oder Disziplinarbehörden gegenüber den einzelnen Beamten ergibt, liegt außerhalb des Kompetenzbereiches der erkennenden Behörde.

Bezieht man daher die aufgenommenen Niederschriften beider Beamten im Rahmen der freien Beweiswürdigung in die Sachverhaltsfeststellungen mit ein, so deckt sich die Darstellungsweise grosso modo mit denen der Zeugen. Ein Unterschied in der Wahrnehmung tritt ausschließlich bei der Frage der Verabreichung der Ohrfeigen auf. AI H nahm zwar den Speichel im Gesicht und auf der Kleidung von RI G wahr, jedoch gab er an, nicht gesehen zu haben, ob RI G den Beschwerdeführer "ins Gesicht schlug oder dessen Kopf wegdrückte". RI G gab bei der Einvernahme an, er habe, nachdem er "eine volle Ladung Speichel mitten ins Gesicht bekam mit einer schnellen Bewegung mit der Innenseite der rechten Hand" den Kopf des Beschwerdeführers auf die Seite gedrückt, um zu verhindern, dass er ihn noch ein Mal anspucke. Der Unabhängige Verwaltungssenat geht jedoch im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung von der Zeugenaussage M J aus, die in schlüssiger und nachvollziehbarer Weise angab, sie habe auf Grund ihrer Position im Patientenraum des Rettungsfahrzeuges (sie saß seitlich neben dem Beschwerdeführer) sowohl optisch, wie auch akustisch die Ohrfeigen wahrgenommen. Es wird davon ausgegangen, dass auch eine Zivilperson zwischen einer kräftigen Ohrfeige und einem Wegdrücken des Kopfes mit einer schnellen Handbewegung unterscheiden kann. In concreto hegt die Behörde keine Zweifel der Zeugenaussage M J in dem Punkt voll und ganz bei der Feststellung des Sachverhaltes zu folgen, da die Zeugin keinen Grund hatte, ihre Aussage zu Ungunsten des Beamten abzulegen. Dass die beiden als Zeugen

einernommenen Rettungsfahrer S F und C G, welche während der Fahrt in der Fahrerkabine des Rettungsfahrzeuges saßen, darüber keine Wahrnehmungen machten, widerspricht nicht der Lebenserfahrung, umso mehr der Zeuge S F angab, dass er nach zirka zehn Minuten der Fahrt die Trennscheibe zum Krankenraum schloss, da es "sehr laut war". Beide Zeugen haben während der Fahrt nach vorne geschaut und sich unterhalten.

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:

1. Die Beschwerde langte beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark am 10. Juli 2000 (Postaufgabestempel 7. Juli 2000) ein, wodurch die sechswöchige Frist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die vom Organ der belangten Behörde vorgenommen Handlung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark durchgeführt wurde.

2. Gemäß § 88 Abs 1 SPG erkennen die Unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Artikel 129a Abs 1 Z 2 B-VG). Gemäß § 46 Abs 1 SPG sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, Menschen, von denen sie aus besonderen Gründen annehmen, dass sie an einer psychischen Krankheit leiden und im Zusammenhang damit ihr Leben oder ihre Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährden, einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt oder einem Polizeiarzt vorzuführen, sofern dies notwendig ist, um eine Untersuchung des Betroffenen durch diesen Arzt zu ermöglichen. Weiters sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, solche Menschen einer Krankenanstalt (Abteilung) für Psychiatrie vorzuführen, sofern der Arzt die Voraussetzungen für eine Unterbringung bescheinigt.

Das Einschreiten des Gendarmeriebeamten gründet sich somit auf § 46 Abs 1 SPG, da beim Beschwerdeführer eine erhebliche und ernstliche Selbst- bzw Gemeingefährdung vorlag. Unter dem Gesichtspunkt war die Vorführung zum Distriktsarzt und die darauf folgende Verbringung des Beschwerdeführers in das LNKH Graz durch die Beamten rechtmäßig. Der Distriktsarzt Dr. W diagnostizierte eine akute Psychose und wurden die Beamten auch von ihm in Kenntnis gesetzt, dass es von Seiten des Beschwerdeführers "auch zu tätlichen Angriffen kommen könnte". Das Anlegen der Handfesseln war daher zur Hintanhaltung einer weiteren Selbst- bzw Gemeingefährdung des Beschwerdeführers notwendig und verhältnismäßig und wird selbst vom Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen.

Gemäß § 47 Abs 1 SPG hat jeder nach § 45 SPG

Festgenommene oder nach § 46 SPG Vorgeführte das Recht, dass auf sein Verlangen ohne unnötigen Aufschub und nach seiner Wahl ein Angehöriger, in den Fällen des § 45 Abs 1 Z 1 SPG und des § 46 SPG auch ein Rechtsbeistand, von der Festnahme (Vorführung) verständigt wird. Bei der Festnahme (Vorführung) und Anhaltung ist auf die Achtung der Menschenwürde des Betroffenen und auf die möglichste Schonung seiner Person bedacht zu nehmen.

Beide Gendarmeriebeamten wurden vom Distriktsarzt über den Zustand des Beschwerdeführers in Kenntnis gesetzt und waren über mögliche tätliche Angriffe vorgewarnt. Geht man also von dem Kenntnistand des Gendarmeriebeamten vor Antritt der Fahrt in das LNKH aus, so musste er von dem zeitweise unzurechnungsfähigen Beschwerdeführer gewärtigt sein, bespuckt zu werden. In Anbetracht dessen war die Reaktion auf das Bespucken durch den Gendarmeriebeamten mit Ohrfeigen weder notwendig noch verhältnismäßig. Bereits die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, dass Ohrfeigen das Verhalten eines psychisch Kranken nicht ändern. Diese Erfahrung konnte der Gendarmeriebeamte auch dadurch gewinnen, dass er nach der ersten Verabreichung der Ohrfeige, als er sich wieder niedersetzte, nochmals bespuckt wurde. Es wäre dem Gendarmeriebeamten zumutbar gewesen durch andere gelindere Mittel - Veränderung des Sitzplatzes, wenn möglich, Vorhalt einer Decke ua - Vorkehrungen zu treffen um derartige Attacken hintan zu halten. Es lag somit weder die Verhältnismäßigkeit, noch die Tauglichkeit bei der Befugnisausübung vor. Zwar ist jeder Person, die bespuckt wird, eine erhöhte Reizbarkeit zuzurechnen, jedoch konnte der Exekutivbeamte auf Grund seines Kenntnisstandes eine Abwägung für sein Handeln vornehmen. Dafür, dass der einzelne Beamte zur notwendigen Abwägung befähigt ist, haben Aufnahmeauswahl, Schulung und fördernde Dienstaufsicht zu sorgen (Hauer, Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, Wien; Linde 1997; S 79).

Durch die Verabreichung der Ohrfeigen wurde die Menschenwürde des Beschwerdeführers missachtet und kann bei der Vorgangsweise nicht auf "die möglichste Schonung seiner Person" im Sinne des § 47 Abs 1 SPG geschlossen werden.

Die beim Beschwerdeführer vorgenommene Handlung stellt auch einen Verstoß gegen Artikel 3 MRK, nämlich das niemand erniedrigender Behandlung unterworfen werden darf

Verbreichung von Ohrfeigen ist "betont erniedrigend" und wohl nie angemessen (VfSlg 8296, 10.052). Eine derartige Misshandlung erreicht sehr wohl das Mindestmaß an Schwere, um als qualifizierter Eingriff in das Grundrecht des Artikel 3 MRK gewertet zu werden.

3. Gemäß § 79a AVG in Verbindung mit der Aufwandersatzforderung UVS, BGBl Nr 855/1995 waren dem Beschwerdeführer Kosten in der Höhe von S 18.980,-- zuzusprechen. Dem Beschwerdeführer gebührt S 8.400,-- an Schriftsatzaufwand, S 10.400,-- an Verhandlungsaufwand und S 180,-- an Stempelgebührenersatz (S 180,-- für den Beschwerdeschriftsatz). Dem Kostenmehrbegehren auf Zuspruch der Umsatzsteuer wurde nicht stattgegeben, da es sich beim Aufwandersatz um pauschalierte Sätze handelt.

Schlagworte
Menschenwürde Menschenrechtskonvention Erniedrigung Ohrfeigen
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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