TE UVS Tirol 2001/01/09 2000/17/027-10

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Veröffentlicht am 09.01.2001
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol entscheidet durch sein Mitglied Dr. Felizitas Schiessendoppler-Luchner über die Berufung des Herrn H., gegen das Straferkenntnis der Bezirks-hauptmannschaft Reutte vom 20.01.2000, Zahl 3c-ST- 31843/99 wie folgt:

 

Gemäß § 66 Abs4 AVG iVm § 24 VStG wird der Berufung Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs1 Z2 VStG eingestellt.

Text

Mit dem angefochtenen Straferkenntnis vom 20.01.2000 zur ZI 3c-ST-31843/99 der Bezirkshauptmannschaft Reutte wurde dem Berufungswerber nachstehender Sachverhalt spruchgemäß zur Last gelegt:

 

?Sie haben am 19.06.1999 um 13.50 Uhr in Heiterwang auf der B 314, StrKm 30.641 den PKW, Kennzeichen AA-, gelenkt

 

1. und im Ortsgebiet die gesetzlich zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 17 km/h überschritten

2. und auf einer Straßenstrecke, die durch das Vorschriftszeichen ?Überholen verboten? gekennzeichnet ist, ein mehrspuriges Kraftfahrzeug überholt; Heiterwang B 314, StrKm 30.710

3. und dort die Sperrfläche befahren.?

 

Dem Berufungswerber wurde zu Pkt. 1 eine Übertretung nach § 20 Abs2 StVO, zu Pkt. 2 eine Übertretung nach § 16 Abs2 lita StVO und zu Pkt. 3 eine Übertretung nach § 9 Abs1 StVO zur Last gelegt und wurde über ihn zu Pkt. 1 gemäß § 99 Abs3 lita StVO eine Geldstrafe in der Höhe von ATS 650,--, (EUR 47,24), im Uneinbringlichkeitsfall 24 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, zu Pkt. 2 gemäß § 99 Abs3 lita StVO eine Geldstrafe in der Höhe von ATS 1.000,-- (EUR 72,67), im Uneinbringlichkeitsfall 30 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe und zu Pkt. 3 gemäß § 99 Abs3 lita StVO eine Geldstrafe in der Höhe von ATS 800,-- (EUR 58,14), im Uneinbringlichkeitsfall 26 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, sowie ein Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, verhängt.

 

Dagegen erhob der Berufungswerber fristgerecht Berufung und führte im Wesentlichen aus, dass während er die Ortsstraße befahren habe, plötzlich ein Traktor auf seine Fahrbahn gefahren sei, ohne dabei sein Recht auf Vorfahrt beachtet zu haben. Aufgrund der geringen Distanz zum Traktor, sei es dem Berufungswerber nicht mehr möglich gewesen zu bremsen und sein Fahrzeug anzuhalten. Sein VW-Bus sei voll beladen gewesen und verfüge über kein ABS. Um dem Traktor nicht aufzufahren, habe er zwangsweise eine Ausweichbewegung nach links unternommen, weiters nahm der Berufungswerber an, dass der Traktorlenker anhalten werde. Bei dem Ausweichmanöver habe er zwangsläufig auf die Sperrfläche fahren müssen. Der Traktorfahrer habe seine Geschwindigkeit erhöht und die Straße überquert und dadurch sei der Berufungswerber zum Ausweichen nach rechts genötigt gewesen um ein Auffahren zu vermeiden. Ohne diese Ausweichbewegung wäre der Berufungswerber trotz Vollbremsung auf den Traktor aufgefahren, wodurch erheblicher Sachschaden entstanden wäre. Den Traktor oder ein anderes Fahrzeug habe er nicht überholt. Der Traktor sei in die Straße nicht eingebogen, sondern habe diese überquert, der Berufungswerber sei an diesem lediglich vorbeigefahren. Er stelle den Antrag das gegenständliche Straferkenntnis aufzuheben.

 

Beweise wurden aufgenommen durch die Einsichtnahme in den erstinstanzlichen Verwaltungsstrafakt.

 

Der Berufung kommt auf Grund nachstehender Ausführungen Berechtigung zu:

 

Der Anzeige des Gendarmeriekommandos Vils, A-6682 Vils, Bezirk Reutte, Tirol vom 21.07.1999 zu GZ P 918/99-Sp ist zu entnehmen, dass der Berufungswerber am 19.06.1999, um 13.50 Uhr den Kombi, Marke VW-Bus, mit dem amtlichen Kennzeichen AA- (D), in Heiterwang, auf der Fernpassstraße B 314 (Ortsgebiet Heiterwang), bei StrKm 30,641, mit einer Geschwindigkeit von 70 km/h in Richtung Reutte gelenkt habe. Dabei sei die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, abzüglich einer Messtoleranz von 3 km/h, um 17 km/h überschritten worden.

 

Weiters habe der Berufungswerber mit dem gegenständlichen PKW, bei Stkrm 30.710 trotz eines deutlich beschilderten Überholverbotsbereiches und durch Überfahren einer Sperrfläche mit ganzer Fahrzeugbreite einen Traktor in Richtung Reutte (Bereich Einfahrt Aral-Tankstelle) überholt.

 

Die Geschwindigkeitsmessung sei von GI S.,im Beisein von RI S. aus einer Entfernung von 163 m mit einem geeichten Läsermessgerät erfolgt, eine Verwechslung mit einem anderen Fahrzeug sei ausgeschlossen. Der Berufungswerber habe sich geweigert eine Organstrafverfügung in der Höhe von ATS 300,-

- (EUR 21,80) zu bezahlen.

 

Im Zuge seiner Anhaltung gab der Berufungswerber an, dass er im Ortsgebiet nicht zu schnell gefahren sei. Weiters habe er vor dem Traktor, der plötzlich auf die Fahrbahn gelenkt worden sei, nicht mehr rechtzeitig bremsen können und er habe aus diesem Grunde den Überholvorgang gesetzt.

 

Die vom Berufungswerber benannten Zeugen, R., H., K., K., M. gaben während ihrer Einvernahmen einhellig an, dass sie sich am 19.06.1999 alle gemeinsam mit dem Berufungswerber auf der Heimreise von Südtirol befunden haben. Der VW-Bus sei vom Berufungswerber gelenkt worden. Auf der Höhe von Heiterwang sei plötzlich ein Traktor von rechts kommend auf die Hauptstraße eingefahren. Um einen Zusammenstoß zu vermeiden habe der Berufungswerber das Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn gelenkt. Der Traktor sei ohne anzuhalten weitergefahren und habe die Hauptstraße überquert. Während des Ausweichvorganges habe der Berufungswerber die Geschwindigkeit erhöhen müssen, es habe sich dabei aber um keinen Überholvorgang gehandelt. Durch das schnelle Reagieren des Berufungswerbers sei ein schwerer Unfall mit dem Traktor verhindert worden. Kurz danach sei der VW-Bus von den der Gendarmerie aufgehalten worden und der Berufungswerber sei als Einziger von ihnen zur Befragung herangezogen worden.

 

Die Angaben der Zeugen stimmen im Wesentlichen überein und sind schlüssig und nachvollziehbar. Die Berufungsbehörde geht daher von der Richtigkeit dieser Angaben aus. Es steht somit fest, dass der Berufungswerber gezwungen war, sein Fahrzeug auf die Gegenfahrbahn zu lenken, um einen Auffahrunfall zu verhindern. Im Zuge dieses Ausweichmanövers musste er die dort als Sperrfläche gekennzeichnete Fahrbahn befahren.

 

Der Berufungswerber hat sich somit in einer Notsituation befunden. Gemäß § 6 VStG ist eine Tat nicht strafbar, wenn sie durch Notstand entschuldigt ist. Unter Notstand im Sinne des § 6 VStG kann nur ein Fall der Kollision von Pflichten und Rechten verstanden werden, in dem jemand sich oder einen anderen aus schwerer unmittelbarer Gefahr einzig und allein dadurch retten kann, dass er eine im allgemeinen strafbare Handlung begeht; es muss sich um eine unmittelbar drohende Gefahr für das Leben, die Freiheit oder das Vermögen handeln (VwGH 27.05.1987, 87/03/0112, 27.06.1990, 89/03/0293, 31.10.1990, 90/02/0118, 27.11.1990, 89/04/0012, 22.03.1991, 89/18/0040, 17.02.1992 91/19/0328 und andere).

 

Gemäß § 45 Abs1 Z2 VStG war daher von der Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, da Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit aufheben.

Schlagworte
Übertretung, Ausweichbewegung, Notstand
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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